Donnerstag, 20. August 2020

Unter Frommen – Teil II

In Deutschland für die Kirche oder eine der vielen Firmen und Institute unter kirchlicher Trägerschaft zu arbeiten, ist nur bedingt empfehlenswert.
Da ohnehin nur Kirchenmitglieder für christliche Kindergärten/Krankenhäuser/Pflegeheime/Verlage arbeiten dürfen, ist es unnötig eine solche Warnung an Atheisten, Muslime, Hindus oder Juden auszusprechen. Sie sind in den Augen unserer lieben Bischöfe – von Käßmann über Bedford-Strohm und Marx bis zu Woelki – ohnehin unwürdig auch nur durchzufegen in ihren edlen Räumen.

Aber auch für die gläubigsten und kirchentreuesten weißen Christen kann es schnell mal ungemütlich werden mit so einem Arbeitgeber.
Der Chirurg in einem katholischen Krankenhaus, der es wagt sich scheiden zu lassen und dann womöglich sogar eine andere Frau heiratet, wird genauso gefeuert, wie die allseits beliebte Kindergärtnerin, wenn sie die furchtbare Todsünde begeht sich in eine Frau zu verlieben.

Arbeitsschutzrecht, Antidiskriminierungsregeln, Tariflöhne, Streikrecht – all das was für alle anderen Angestellten in Deutschland selbstverständlich ist – kann man als Krankenpfleger oder Lehrerin unter kirchlicher Trägerschaft ohnehin vergessen.
Kirchen haben das Recht zu diskriminieren und ihre Mitarbeiter mit Gering-Löhnen abzuspeisen.

(…..) Finanzielle Überlegungen klammer Kommunen sind fast immer der Grund dafür Krankenhäuser, Pflegeheime, Seniorenstifte, Kitas oder eben auch Schulen in kirchliche Trägerschaft abzugeben.
Der Staat spart dadurch Personalkosten.

Aber wieso eigentlich?
Der Grund ist das kirchliche Arbeitsrecht, welches Krankenpfleger, Putzfrauen, Ärzte, Lehrer, Kindergärtnerinnen klar schlechter stellt. Es gelten keine allgemeinen Tarifverträge, Streiks sind grundsätzlich verboten.

Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob es gesellschaftlich eigentlich wünschenswert ist Pflegekräfte und Grundschullehrer noch schlechter zu bezahlen, gilt es auch zu bedenken, daß die 1,3 bis 1,5 Millionen Angestellten von Caritas und Diakonie unter kirchlicher Knute diskriminiert werden dürfen.
Läßt sich ein katholischer Chefarzt scheiden, kann die Kirche ihn feuern. Outet sich seine Kollegin als lesbisch, fliegt sie ebenso.
Noch abartiger: Kirchen stellen in der Regel nur Kirchenmitglieder ein.
Bei der Personalpolitik heißt es also „Juden unerwünscht.“
Natürlich auch „Muslime unerwünscht und Atheisten unerwünscht!“

 In kirchlichen Einrichtungen gilt das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nicht. In § 118, Absatz 2 heißt es, dass das Gesetz „auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform“ keine Anwendung findet. Die Kirchen praktizieren ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht, das in wichtigen Punkten vom allgemeinen Arbeitsrecht abweicht und mit mehreren Grundrechten kollidiert.
Für die über eine Million Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen, vor allem von Caritas und Diakonie, hat dies in zweierlei Hinsicht weitreichende Folgen.
Zum einen gilt dort eine besondere Loyalitätspflicht, die sich nicht nur auf das Verhalten am Arbeitsplatz erstreckt, sondern bis ins Privatleben der Beschäftigten reicht. Das bedeutet zunächst, dass Konfessionslose und Angehörige nichtchristlicher Religionsgemeinschaften in diesen Einrichtungen generell keine Anstellung finden.
[…] Zum anderen müssen die Beschäftigten auf grundlegende Arbeitnehmerrechte verzichten. In kirchlichen Einrichtungen wird der sog. Dritte Weg praktiziert. […]  Der Dritte Weg kennt […] kein Streikrecht, auch ein Betriebsrat ist nicht vorgesehen.
[…]  Das kirchliche Arbeitsrecht hat zur Folge, dass in Sozialeinrichtungen wie Krankenhäusern oder Sozialstationen, die völlig oder weitestgehend aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden, die Grundrechte nicht uneingeschränkt gelten. Insbesondere das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist weitestgehend außer Kraft gesetzt. Dies führt zum Phänomen der „Zwangskonfessionalisierung“ […]  Diese Sonderstellung kirchlicher Sozialeinrichtungen ist Ergebnis intensiver Lobbyarbeit der Kirchen. Sie widerspricht jedoch dem Geist des Grundgesetzes ebenso wie dem den europäische Antidiskriminierungsrichtlinien.

Angesichts des dieser Tage wieder extrem medial präsenten Fachkräftemangel in der Pflegebranche ist es ein Skandal größten Ausmaßes auf kirchliche Träger zu setzen.

Null Prozent Finanzierung durch die Kirche, aber 100 Prozent Hoheit über die private Lebensführung der dort Beschäftigten! Das dürfe wohl nicht sein! […]  Kirchliche Krankenhäuser werden nicht etwa aus der Kirchensteuer finanziert – wie die meisten Menschen glauben. Die Investitionen zahlt der Staat nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, die laufenden Kosten der Behandlung werden durch Beiträge der Versicherten über die Krankenkassen oder Zusatzbeiträge bezahlt. Damit ist es völlig unvereinbar, dass einer vergewaltigten Frau die Hilfe verweigert wird. […]  Die Eingriffe der Kirchen und ihrer Einrichtungen wie Caritas und Diakonie in die private Lebensführung ihrer rund 1,3 Millionen Beschäftigten passen nicht in die moderne Demokratie. Sie verstoßen auch gegen Grund- und Menschenrechte: Zum Beispiel gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Grundgesetz, wie das Bundesarbeitsgericht im Falle der Kündigung eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus wegen Wiederverheiratung als Geschiedener entschieden hat.  Oder die Diskriminierung Homosexueller. Oder sie verstoßen gegen das Recht auf Streik nach Artikel 9 GG, wie mehrere Landesarbeitsgerichte und das Bundesarbeitsgericht entschieden haben.
Oder gegen die Menschenrechtskonvention, so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, als einem Organisten nach 14 Jahren untadeliger Arbeit wegen Ehebruch gekündigt wurde. Dieser Mann musste sich 13 Jahre lang durch 7 (!) Instanzen quälen, bevor er Recht bekam. Und dann der dauernde Verstoß gegen die Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG, wenn zum Beispiel Krankenschwestern oder Pfleger in kirchlichen Krankenhäusern aus der Kirche austreten und dann gekündigt werden. Oder als Konfessionslose oder Muslime erst gar nicht hineinkommen. […]  Es ist doch geradezu absurd, dass bei den Kirchen für das ganze Personal inklusive Putzfrau, technisches Personal, Laborkräfte wichtige arbeitsrechtliche Schutzrechte und Mitbestimmung ausgeschlossen sind. Und wenn – wie zum Beispiel im Rheinland – weit über die Hälfte der Krankenhäuser kirchlich sind, dann führt das eben dazu, dass bei der Berufsberatung eine Mitarbeiterin jungen Muslimen, die sich für eine Ausbildung im pflegerischen Bereich interessieren, davon abrät, weil sie in der Gegend hier keine Arbeitsstelle finden würden!!
[…]  In vielen Gegenden finden Sie überhaupt keine nichtkonfessionellen bzw. städtischen Kindergärten. Mein Mann und ich haben das selbst erlebt, dass unsere Kinder im katholischen Kindergarten in Königswinter nicht aufgenommen wurden, weil wir und die Kinder nicht in der Kirche waren. Das ist nun wirklich toll: Mit meinen Lohn- und Einkommensteuerzahlungen als Konfessionsfreie bezahlt die Stadt den katholischen Kindergarten fast oder ganz komplett mit der Folge, dass man danach seiner Kinder nicht hineinbekommt.
[…]  Den Kirchen ist es gelungen, diesen Irrglauben zu verbreiten. Dabei steht fest, dass die Kirchensteuer nur zu einem Bruchteil von unter 5 % für soziale Zwecke ausgegeben wird. Der frühere Caritasdirektor und Finanzdirektor der Erzdiözese Köln, Norbert Feldhoff, hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass die Kirche die Kirchensteuer nicht benötigt, um die Sozialarbeit zu finanzieren. […] 

Soziale Einrichtungen unter kirchlicher Trägerschaft sind in Wahrheit natürlich nicht billiger für den Staat, wenn man die rund 20 Milliarden Euro jährlich dagegen verrechnet, die uns allen durch die  Steuerfreiheit der Kirchen verloren gehen. RKK und EKD zahlen keine Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer oder Umsatzsteuer. Es fallen keine Schenkungssteuern und Erbschaftssteuern an, wenn man die Kirche als Begünstigten einsetzt. Spenden an die Kirchen gehen auch zu Lasten des Steuerzahlers, da sie bei Einkommens-/Körperschaftssteuer steuermindernd berücksichtigt werden. (…..)

Schon in den 1960ern und 1970ern startete die Humanistische Union (damals noch mit starker Unterstützung der FDP) Kampagnen gegen diese unhaltbaren Zustände.

Letztendlich waren all die Versuche erfolglos. Es wurde nur immer grotesker, weil die Post-1982er FDP immer konservativer und frommer wurde. Heute wagt kein „Liberaler“ mehr Widerworte gegen die RKK; die es ermöglichte Myriaden kleine Kinder sexuell zu missbrauchen und zu quälen.
Dafür übernahm die SPD den säkularen Part im Parteienspektrum. Die Kirchenferne der Sozis erreichte unter dem ungläubigen Gerd Schröder ihren Höhepunkt, als ein halbes Dutzend Sozi-Minister mit ihm ohne die Gottesformel eingeschworen wurden.
Sein Staatssekretär Schwanitz wurde sogar zu einer bedeutenden Figur der organisierten deutschen Atheisten.
Aber mit dem Ende von RotGrün im Jahr 2005 übernahmen mit Macht die frommen Christen die SPD. Nahles, Thierse, Steinmeier, Griese – allesamt Hardcore-Religioten.

Was für ein grotesker Witz: Die Deutschen treten in Rekordzahl aus den Kirchen aus; deren Ansehen sinkt aufgrund der Prügel- und Pädophilie-Skandale ins Bodenlose, aber dafür sind die Bischöfe so stark im Bundestag vernetzt wie nie.
Unter den Parlamentariern aller Parteien sind fromme Christen grotesk überrepräsentiert und sorgen energisch dafür ihren religiösen Führern Milliarden Euro und Sonderrechte zu erhalten.

Aus der Politik ist keine Hilfe mehr zu erwarten.
Die Grünen sind längst zu einer Tochter-Organisation der EKD geworden. Der einzige grüne Ministerpräsident ist Mitglied im Zentralrat der Katholiken und bekundet immer wieder für die fromme Frau Merkel zu beten.
Kaum besser sieht es bei den Linken aus. Deren einziger Regierungschef, Bodo Ramelow in Thüringen, ist ebenfalls streng gläubiger praktizierender Christ.

Von dem Joch der Pfaffen kann sich Deutschland nur durch anhaltende Massenaustritte befreien.

Wolfgang Köhler hatte nie eine Intention der Kirche zu schaden; arbeitet er doch beim ultrafrommen Sender „Bibel-TV“.
Seine Religiotie war so sehr ausgeprägt, daß er annahm als Bibel-IT-Spezialist Wertschätzung und faire Behandlung seiner frommen Chefs zu erfahren.
Als das nicht funktionierte, beschloss der fromme Köhler mit zwei Kollegen einen Betriebsrat zu gründen, um die Anliegen der Bibel-TV-Angestellten zu vertreten.
Sehr witzig. Arbeitnehmervertretung bei den Religiösen!
Bibel-TV, ansässig in Hamburg-Hammerbrook, wird herzlich gelacht haben und feuerte alle drei Aufsässigen.

Bibel-TV wurde inzwischen von der Kirche Gewerkschaft verklagt, mehrere gefeuerte Mitarbeiter erstellten einen Offenen Brief.


Sie alle werden noch lernen, daß es nur einen Weg gibt mit der Kirche zu leben: Nämlich ohne sie. Austreten ist das einzige, das hilft.

[…..]  Aus der Arbeitgeber-Bibel.   Der christliche Fernsehsender Bibel TV aus Hamburg behindert die Gründung eines Betriebsrats. Potenzielle Gründer wurden gefeuert.
[…..]   „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft“, wer „eine Wahl des Betriebsrats behindert“, heißt es in § 119 des Betriebsverfassungsgesetzes.
Ausgerechnet ein mit christlicher Ausrichtung für sich werbendes Unternehmen aus Hamburg sieht sich nun mit einem entsprechenden Strafantrag konfrontiert: […..]  Bibel TV.
Gestellt hat den Strafantrag die Kirchengewerkschaft.[…..] Der Vorwurf der Gewerkschaft: Der promovierte Theologe, der auch Pastor in einer Hamburger Gemeinde ist, habe den Sender verlassen müssen, weil er einen Betriebsrat gründen wollte. […..]  Mehrheitseigner von Bibel TV ist die Rentrop-Stiftung mit 52 Prozent. Namensgeber Norman Rentrop wiederum ist Gründer des VNR Verlags für die Deutsche Wirtschaft AG. […..]  Zu den Minderheitsgesellschaftern gehört das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), in dem auch die renommierte Zeitschrift epd Film erscheint. Finanziell gesehen geht es Bibel TV gut. Laut dem letzten veröffentlichten „Wirkungsbericht“ nahm man 2018 10,8 Millionen Euro Spenden ein. Der Jahresüberschuss betrug 603.000 Euro.
Die Geschichte hinter dem Strafantrag beginnt im August 2019, als eine Gruppe um Preuß zu einer Betriebsversammlung zwecks Wahl eines Wahlvorstandes für einen Betriebsrat einlädt. Im September erfährt Preuß, dass sein bis Ende Juli 2020 laufender Vertrag nicht verlängert wird. Zwei Tage später bekommt er seine erste Abmahnung, vier weitere Tage später die nächste, im November noch eine.
Kurz vor Weihnachten erhält er eine betriebsbedingte Kündigung und wird mit sofortiger Wirkung freigestellt. Einer weiteren Person, die einen Betriebsrat auf den Weg bringen wollte – einer fest angestellten Online-Redakteurin – wird fristlos gekündigt. […..]  Hubert Baalmann, der Sekretär der Kirchengewerkschaft, sagt, einen Betriebsrats-Verhinderungsversuch habe er „in dieser massiven Form“ bisher noch nicht erlebt. [….]

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