Vor ein paar Monaten fragte ich einen Bekannten, der halb so
alt ist wie ich, was es eigentlich mit diesem Tiktok auf sich habe.
Zuvor hatte ich auch Youtube einen Zusammenschnitt der
populärsten amerikanischen Tiktoker gesehen, die dadurch alle samt
Multimillionäre sind und gewaltige Followerzahlen aufweisen.
Der Sinn oder gar der Witz an diesen Minivideos erschloss
sich mir nicht. Und wieso braucht man zum Hochladen kurzer Videos überhaupt
eine chinesische App statt einfach Youtube zu nutzen?
‚Keine Sorge, das musst du nicht verstehen‘, antwortete mein
Twen-Freund, und fuhrt fort ‚das ist wirklich nur für Kinder; ich begreife den
Humor auch nicht‘.
Das beruhigte mich zu hören; muss ich doch in meinem Alter
mit meiner Zeit haushalten und begrüße daher alle neuen Themen, die für mich
irrelevant sind daher keine weitere Aufmerksamkeit verdienen.
Das nächste mal lief mir das Tiktok am 20.06.20 im
Zusammenhang mit dem Trump-Fiasko von Tulsa über den
Weg. Eine positive Überraschung. Jugendliche Socialmedia-Typen schaden #45
politisch; sehr gut.
Das dritte mal schwappte Tiktok in meine Blase, als es um
die zweite Corona-Welle der USA ging.
Superstar Larray,
knapp 13 Millionen Follower, erreichte das in seiner Welt
offenbar methusalemsche Alter von 22 Jahren, bekam von seiner mütterlichen
Freundin Nikita
Dragun, im biblischen Alter von 24 mit sechs Millionen Followern
eine große Party geschmissen, zu der auch die Internet-Senioren James Charles,
21, mit 21
Millionen TikTk-Followern, sowie 20,6 Mio
Youtube-Abonnenten und Tana Mongeau, 22, mit 5.4
Mio Abonnenten auf Instagram, 3,5
Mio auf Tiktok, sowie 5,5 Mio auf Youtube erschienen.
In KALIFORNIEN - Hotspot der Covid-Seuche - treffen sich Mega-Influencer
demonstrativ ohne Mundschutz und ohne social distancing zur großen Covid-Party.
[…..] Yesterday
was […..] TikToker Larray’s 22nd
birthday. Despite the global pandemic, he decided to throw a massive 70-guest
birthday party the night before. The influencer invited many of his celebrity
friends to his birthday dinner at BOA Steakhouse in West Hollywood. Paparazzi
spotted his fellow influencers Tana Mongeau, James Charles, Charli and Dixie
D’Amelio, Nikita Dragun, Emma Chamberlain, and more attending the party. While
some influencers wore masks when they arrived at the party, others had no face
coverings. In the next couple of hours, the influencers ate, drank, and partied
in a small, closed environment.
One Twitter user later
reposted influencers’ Instagram stories, featuring a sneak peek of the
thrilling party. In the videos, the influencers had fun hanging out, dancing,
and drinking with each other. Due to the crowded nature of the party, there was
no social distancing, and since the influencers were drinking, they had no face
coverings on. […..]
Meanwhile, “hundreds of people” were
waiting to get in. […..]
Larray befindet sich nun in Quarantäne, aber grundsätzlich
muss man sich bei dieser Art Jugendvorbild nicht über die paradiesischen
Verhältnisse für Sars-CoV-II wundern.
Es hagelte zwar Kritik,
aber bei addierten hundert Millionen Teenager-Fans, die ihren Idolen
nacheifern, braucht es keinen Trump mehr, um die Pandemie in den USA
anzufachen.
Die Namen und Followerzahlen habe ich recherchiert, aber
weswegen diese Leute so berühmt sind, kann ich leider nicht erklären.
Einen Zusammenschnitt des besten Larray-Contens musste ich
nach 40 Sekunden abbrechen. Dafür bin ich zu alt.
Was soll
sowas? No hope for the human race.
Aber diese Plattform, diese Superstars sind ein Fakt. Man
kann sie noch so lächerlich finden, aber sie können die
US-Präsidentschaftswahlen beeinflussen (Tulsa!) oder eine Pandemie befeuern.
IQ45 polterte am Wochenende an Bord der Air Force One, er
werde Tiktok in den USA mitsamt der 100 Millionen User abschalten lassen.
Dafür gibt es zwar keine rationalen, aber doch zwei gute
Trumtionalen Gründe:
1.) Rache für Tulsa
2.) Anfachen des Handelskrieges mit China, um von seinem universellen ökonomischen und pandemischen Versagen abzulenken.
1.) Rache für Tulsa
2.) Anfachen des Handelskrieges mit China, um von seinem universellen ökonomischen und pandemischen Versagen abzulenken.
Die herbeifantasierte Begründung von der chinesischen
Ausspionierung der Amerikaner und des Datenmissbrauchs sind zwar nicht
vollkommen haltlos, aber es handelt sich bei Tiktok immerhin um eine
Privatfirma, die erstens nicht dem chinesischen Staat gehört, deren US-Ableger
zweiten unabhängig von China agiert.
Zudem betrifft der Generalverdacht des Datenmissbrauchs
natürlich auf alle sozialen Medien zu – auch auf alle Amerikanischen.
Ein grotesker Twist, wenn nun Trumps oberster Testikel-Lecker
Lindsey Graham nun angesichts der theoretischen Übernahme von Tiktok-USA durch Microsoft,
eine der größten Datenkraken des Planeten von einer winwin-Situation spricht.
[…..] Die laut US-Politikern angeblich so problematische App aus China könnte
in den USA also bald vom Windows-Konzern verantwortet werden, übrigens dem
einzigen Unternehmen der berühmten "Big Five" der Techwelt
(Microsoft, Apple, Facebook, Google, Amazon), das vergangene Woche nicht zu
einer Kongressanhörung zur Marktmacht der Digitalkonzerne vorgeladen war. Dabei
war Microsoft schon um die Jahrtausendwende herum nur knapp einer Zerschlagung
entgangen.
Für Microsoft böte der Zukauf die Chance, TikToks wachsendes
Anzeigengeschäft zu übernehmen sowie junge Menschen zu erreichen, vor allem
auch junge Frauen. […..]
Und die Tiktoker selbst, deren Millioneneinkünfte
möglicherweise bald webrechen?
Wäre es nicht begrüßenswert, wenn sich Twitter-König Trump
nun den Massenhaften Zorn der U25- (Jahre) und U90- (IQ) Mega-Influencer
zuzöge?
In einem Handstreich hatten die ihm immerhin schon sein
Rally-Comeback von Tulsa zerstört. Wie toxisch könnten Larray, Mongeau, Charles
und Dragun erst für die GOP werden, wenn sie ernsthaft sauer werden, weil sie
vom eigenen Präsidenten deplattformt wurden?
Reichweite, um Schaden anzurichten, hätten sie natürlich
noch durch ihre Kanäle bei Youtube, Facebook, Twitter, Twitch, Instagram und
Co.
Aber dafür müssten sie erst einmal aufhören sich ausschließlich
mit twerken, Schminke und Frisuren zu beschäftigen.
[…..] As
of now The Hype House, The Sway House, and The Clubhouse have not released
official statements on their plans if the app is banned from the US. Sway House
member Griffin Johnson made a TikTok on his personal account showing the things
he was thankful for from the app – his girlfriend, Dixie Damelio, his friends,
and even his car were included. […..]
Offenbar gibt es keine Pläne sich zu wehren. Man ist nur
traurig, werde nach einem Bann der App aber doch bloß auf andere Kanäle
ausweichen.
[….] TikTok
users across the US began livestreaming and posting videos in tribute to what
they feared was the end of TikTok, the short-form video app they've come to
love and depend on.
"Everyone is live
right now," said Ehi Omigie, who has about 25,000 followers on TikTok, in
a livestream on the app Friday night after news broke of a possible US ban.
"Everyone is going cray cray ... If it does happen, follow me on
Instagram." [….]. "Do not panic, do not panic,"
one user repeated several times in a video. "Do not panic yet. Do not
panic right now."
[….] Many
creators went live or created videos telling their fans to follow them on other
social platforms, including Instagram, YouTube, Twitter and short-form video
app Triller.
"I hope that we
get to stay with TikTok," said TikTok user Emma Tovey, who has 120,000
followers, in a livestream. "I just wanted to just go ahead and make sure
that you guys were aware of my social media accounts... I have those
linked in my profile." […..]
Amüsant sind die Reaktionen aus China. Obwohl Tiktok
angeblich unabhängig vom Staat ist, mischt sich dieser ein und beklagt dann angesichts
der möglichen Deaktivierung einer chinesischen App in den USA den Abbau der
Meinungs- und Pressefreiheit in den USA unter Trump.
Das ist zwar einerseits sachlich richtig, aber andererseits nach
der Abschaltung sämtlicher großer amerikanischen Socialmedia-Apps in China der extremste Fall von Glashaussitzerei, den
ich je gehört habe.
[……] US-Präsident Donald Trump sagt: Die populäre Videoapp Tiktok wird vom
chinesischen Staat kontrolliert. Das Unternehmen selbst sagt: Wir sind längst
eine amerikanische Firma. Und die chinesische Regierung? Sie beschwert sich,
dass einem Konzern aus China in den Vereinigten Staaten Steine in den Weg
gelegt werden und deutet Vergeltung an. Dümmlicher kann man kaum argumentieren,
wenn man eigentlich belegen möchte, dass Tiktok ein vom Staat unabhängiges Unternehmen
ist.
[……] Statt zu googeln, suchen Chinesen mit Baidu. Weil Facebook verboten
ist, tauschen sie sich per Wechat mit ihren Freunden aus. Und der vom
US-Präsident so geschätzte Kurznachrichtendienst Twitter ist ebenfalls
gesperrt, die vom Staat überwachte Alternative heißt Weibo. [……]
Offenbar ist China nach den wechselseitigen
Botschaftsschließungen not amused, daß Trump beständig Öl in das
chinesisch-amerikanische Feuer gießt.
[…..] Trump erhöht Druck für Verkauf von TikTok an Microsoft
Nächste Runde im Milliarden-Poker um TikTok: Ein großes Unternehmen
solle die US-Aktivitäten der chinesischen Video-App kaufen, so Trump - und die
US-Regierung müsse mitverdienen. Sonst wolle er das Portal
"dichtmachen". […..]
Trump liebt die Strategie des maximalen Drucks, aber unterschätzt
sicherlich wie viele Giftpfeile Peking bisher noch ungenutzt im
diplomatisch-ökonomischen Waffenschrank hortet. Da ist noch viel
Eskalationspotential nach oben.
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