Es ist eine dieser klassischen Geschichten über Skandale vornehmlich konservativer Politiker. Irgendetwas in ihrer Verantwortung geht ganz fürchterlich schief und dafür gibt es nur zwei Erklärungen: Eine Schlechte und eine noch viel Schlechtere.
So ergeht es beispielsweise gern CDU-Verteidigungsministerinnen, wenn wieder einmal eine ungeheuerliche Panne/Prasserei/Naziaffäre vertuscht wurde.
Haben sie es gewußt? Dann sind sie schlechte Politikerinnen, weil sie es nicht verhindert oder sanktioniert haben.
Haben sie es nicht gewußt? Dann sind sie schlechte Politikerinnen, weil die ihr Ministerium nicht im Griff haben.
Donald Trumps Spezialität war und ist das rechtsradikal-rassistische Dogwhistling. Er posaunt irgendeine rassistische Ungeheuerlichkeit hinaus, die seine Nazi-Q-Basis elektrisiert. Wenn es anschließend zu viel Widerspruch gibt, behauptet er leutselig, er habe gar nicht gewußt, daß man so etwas auch rechtsradikal verstehen kann und distanziere sich entschieden davon. Die zuvor begeisterten Rassisten stört das Zurückrudern nicht; sie verstehen entweder, daß es zum politischen Spiel gehört und bekommen es gar nicht mit. Ihnen ist nur wichtig, daß ihr organges Idol die Nazi-Codes einmal öffentlich aussprach.
Ein besonders drastisches Beispiel war Trumps Wahlkampf-Neustart am 19.06.2020, als er nach der Lockdown-Pause erstmals wieder vor großem Publikum auftrat und dafür erstens ausgerechnet den von den schwarzen US-Bürgern begangenen Tag der Sklavenbefreiung, "Juneteenth" wählte und zweitens ausgerechnet in Tulsa zu seiner weißen rechten Crowd sprechen wollte. Dort hatte 100 Jahre zu vor ein besonders grausames Pogrom gegen die schwarze Bevölkerung stattgefunden. Natürlich verstanden Nazis und Rassisten der gesamten USA die Wahl des Datums und des Ortes als starkes Zeichen für die „White Supremacy“.
Es gab keine gute Erklärung. Entweder Trump wußte von der historischen Belastung und setzte bewußt dieses rassistische Zeichen; dann wäre er ein ganz schlechter Präsident. Oder er wußte es nicht und hätte damit bewiesen, nichts über die amerikanische Geschichte zu wissen und wäre damit ebenfalls unweigerlich als schlechter Präsident entlarvt.
Die gesamte Veranstaltung geriet zum Desaster.
(…..) Gestern am 20.06.2020, einen Tag nach dem zunächst angesetzten Termin am Juneteenth, dem Gedenktag zur Erinnerung an den 19. Juni 1865, dem Ende der US-Sklaverei, rief Trump seine Hardcore-Unterstützer in Tulsa, Oklahoma zusammen.
Auch dieser Ort ist, wie das Juneteenth eine einzige Provokation an die BLM-Proteste.
[….] Donald Trump beginnt an diesem Wochenende seine Wahlkampftour. Ausgerechnet in Oklahoma, wo ein weißer Lynchmob im Mai und Juni 1921 Hunderte Schwarze ermordete. [….] Der republikanische Bürgermeister freut sich, dass der Präsident seine Stadt mit einem Besuch beehrt. "Es wäre schwierig, einen Staat zu finden, in dem die Kluft zwischen dem großartigen Amerika der reaktionären politischen Trump-Fantasie und der brutalen amerikanischen Wirklichkeit größer ist als in Oklahoma", schrieb der Theaterkritiker Frank Rich vor Kurzem anlässlich der Wiederaufführung des patriotischen Musicals "Oklahoma!". Und es gibt auch kaum einen Ort in den Vereinigten Staaten, der für eine solche politische Kundgebung mehr vorbelastet wäre. Hier kam es vor einem Jahrhundert zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Dutzende, wahrscheinlich Hunderte Menschen starben, die meisten davon Schwarze, deren Besitz geplündert und deren Wohnungen niedergebrannt wurden. Ein weißer Mob ging schwer bewaffnet gegen die Schwarzen vor; die Häuser wurden sogar aus der Luft angegriffen. Noch bis vor wenigen Jahren wurde dieses Massaker regelrecht totgeschwiegen. Es gab keine gerichtliche Untersuchung, niemand wurde bestraft, es gab keinen Ausgleich für die Schäden in Millionenhöhe. Die meisten Amerikaner erfuhren erst kürzlich davon, als es die Streaming-Serie "Watchmen" (2019) in düsteren Schwarz-Weiß-Bildern vorführte. [….]
(Willy Winkler, SZ, 20.06.2020)
Neben Juneteenth/BLM, Tulsa gab es mit der Corona-Pandemie natürlich einen dritten triftigen Grund besser keine Trump-Massenveranstaltung stattfinden zu lassen. Aber die Realität ist für echte Trumpster irrelevant und so rüstete sich die stramm republikanische Stadt im stramm republikanischen Staat Oklahoma für einen Massenastrum von mehreren Hunderttausend #MAGA-Hutbürgern ohne Masken für ihre Große Superspreader-Wahlkampfparty.
Eine Millionen Besucher hatten sich online angemeldet, so daß außerhalb der 20.000 Menschen fassenden Halle große Plätze mit Videoübertragungen vorgesehen waren.
Trump wollte niemand abweisen und sein angeknackstes Selbstbewußtsein im Bad der „TRUMP! FOUR MORE YEARS!“-Rufen aus Millionen Kehlen wieder aufpeppen. Daraus wurde allerdings gar nichts, denn es kamen insgesamt nur 6.111 Menschen. Die Ränge in der Halle blieben leer. Trump log natürlich dennoch, daß sich die Balken bogen. (….)
Ein Jahr später weiß man, daß die angebliche Wahlkampfmaschine Trump tatsächlich ihr Ende einläutete, weil so einseitig nur auf rechte, weiße Themen gesetzt wurde, daß noch viel mehr Menschen motiviert wurden für Joe Biden zu stimmen.
Der Auftritt in Tulsa, der vor einem Jahr die Hardcore-Rassisten und Supremacisten ejakulieren ließ, wurde aber zum dreifachen Bumerang.
1. ruinierten ein paar Tiktoker seinen Auftritt, so daß Trump vor einer recht leeren Halle sprach,
2. verlor er die Wahl,
3. wurde erst durch diese rassische Aktion großen Teilen der US-Bevölkerung erst klar, welche Massaker es noch nach der Sklavenbefreiung an Schwarzen gab und was die Bedeutung des Juneteenth ist.
Joe Biden bestimmte diesen Tag ab heute zu einem nationalen Feiertag und setzte damit ein kaum zu unterschätzendes Zeichen an den Zusammenhalt der multicolorierten US-Bevölkerung – das diametrale Gegenteil dessen, was Trump und die Rassisten vor einem Jahr wollten.
So haben die US-amerikanischen „People of Color“ diese Ehrung also tatsächlich auch Trump zu verdanken. Trump, der natürlich etwas ganz anderes wollte, aber durch seine eigene Dummheit das Gegenteil erreichte und der heute 94 Jahre alten Bürgerrechtlerin Opal Lee entscheidend half, die als erstes vorschlug den 19.06. zu einem national Feiertag zu machen.
[…..] Eben jener Trump wurde später ungewollt zu einem Helfer Lees, weil er seine erste Wahlkampfveranstaltung vor Publikum während der Pandemie im vergangenen Jahr auf den 19. Juni terminiert hatte, in Tulsa, im Bundesstaat Oklahoma. Dabei ist zweierlei durchaus möglich: Nämlich, erstens, dass Trump von der Bedeutung des 19. Juni für die afroamerikanische Bevölkerung nichts wusste (was er übrigens mit vielen weißen Amerikanern gemeinsam hätte), und dass er, zweitens, ebenfalls nicht wusste, dass Tulsa im Jahr 1921 Schauplatz eines Massakers an Schwarzen war. Ein weißer Mob, teils von städtischen Offiziellen mit Waffen versorgt, attackierte damals Teile der afroamerikanischen Bevölkerung und brannte deren Häuser ab. […..] rund 10 000 Afroamerikaner verloren ihre Häuser und Wohnungen. Lange wurde über diese Vorfälle geschwiegen. […..] Vielleicht aber, und das ist ebenso durchaus möglich, wusste Trump nur allzu gut, was er da tat. […..] Vor allen Dingen rückte Trump den 19. Juni ins Zentrum der nationalen Aufmerksamkeit. Viele weiße Amerikaner erfuhren erst jetzt von der Bedeutung des Tages (und auch vom Massaker in Tulsa). […..] Es war geschehen, was Opal Lee immer wollte: Juneteenth war in aller Munde. […..]
(Christian Zaschke, SZ, 19.06.2021)
Dumme, unangenehme politische Stunts können so abschreckend wirken, daß sie die Gegner viel mehr motivieren, als diejenigen, die eigentlich unterstützt werden sollten.
Hans-Georg Maaßen, der verschwörungstheoretische antisemitisch blinkende CDU-Rechtsaußen könnte mit seiner Bundestagskandidatur so eine Abwehr generieren, daß im braunschwarzen Osten tatsächlich sein SPD-Gegenkandidat das Bundestagsmandat gewinnen könnte.
[….] Einer repräsentativen Forsa-Umfrage zufolge liegt der Ex-Verfassungsschutz-Chef derzeit hinter Frank Ullrich, dem Kandidaten der SPD*. Das berichtet die Tageszeitung Freies Wort in Südthüringen. Könnten die Wählerinnen und Wähler im Wahlkreis 196 ihre Erststimme für die Bundestagswahl jetzt abgeben, würde Hans-Georg Maaßen auf 20 Prozent kommen, Ex-Biathlon-Bundestrainer Ullrich auf 22 Prozent. [….]
Königin der Disziplin „wie erreiche ich durch die Aufstellung unangenehmer Hardliner das Gegenteil?“ ist natürlich die katholische Kirche.
(….) Kaum etwas ist besser für die Sache des Atheismus, als ein Skandal-Kardinal, der hartnäckig an seinem Posten klebt. Noch schöner ist natürlich ein Skandal-umwobener Kirchenfürst wie Woelki, der zudem auch noch extrem unsympathisch ist und über die Fähigkeit verfügt, selbst hartgesottene, an der Basis engagierte tiefgläubige Katholiken zum Kirchenaustritt zu treiben. Daher bedauere ich immer noch den Abgang meines früheren Lieblingsbischofs Franz-Peter Tebartz-von Elst, der sich für 35 Millionen Euro eine Protzresidenz bauen ließ, während er all seinen Gemeinden die Mittel strich. (….)
(Nicht, daß das noch Schule macht!, 04.06.2021)
Einen schönen Erfolg für das linksgrünversiffte Lager konnte auch die stramm rechte INMS erreichen, indem sie massiv misogyn und verlogen eine so widerliche Anzeigenkampagne gegen Annalena Baerbock startete, daß sich selbst die CDU distanzierte und Baerbock prompt am nächsten Trag mit einem Rekordergebnis von 98,5% auch dem Grünen Parteitag gewählt wurde.
Zum Glück für uns, sind die Rechten zwar oft in der Mehrheit, mächtig und reich, aber auch ziemlich dumm.
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