Sabine Fischer, die Osteuropa- und Russland-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sitzt gerade bei „Hart, aber fair“ und referiert ebenfalls das, was sich schon seit gestern aus der Ukraine andeutet, das auch all die TV-Militärexperten erstaunt berichten: Im russischen Militär gab es die allgemeine Einschätzung einer nahezu wehrlosen Ukraine, in der einerseits viele Russlandfreunde und andererseits viele Feiglinge lebten. In zwei Tagen wäre die Angelegenheit erledigt; und zwar ohne nennenswerte eigene Verluste.
Offensichtlich leiden nicht nur amerikanische Militärs an katastrophaler Selbstüberschätzung, sondern auch Russische. So glatt läuft es nämlich nicht. So wie die Militär-Supermacht USA letztendlich ihre Kriege im Irak, in Syrien, in Vietnam, in Afghanistan alle verlor, so unerfreulich sieht es nun für Putin aus.
An Tag fünf gibt es heftige Kämpfe, der russische Vormarsch wird immer langsamer, die Einnahme von Kiew oder Charkiv gelingt nicht.
Sicherheitsexperte Prof. Carlo Masala weist zwar heute im ARD-Brennpunkt darauf hin, die Verlangsamung der Ukraine-Eroberung wäre zwar beachtenswert, ändere aber nichts an der haushohen russischen Überlegenheit. Putin werde letztendlich siegen können, aber dann nur mit erheblichen Verlusten. Mutmaßlich wird es der Kreml-Militärführung keine Gewissensbisse verursachen, tausende russische Soldaten zu opfern, aber sie könnten ein Problem für die öffentliche Meinung werden.
Gestern war ich (positiv) überrascht vom starken Auftritt der Scholz-Regierung. Aber nun werden auch deutsche Waffen mitten in ein Kriegsgebiet geliefert. Einen Krieg bis auf das Äußerste. Einen Krieg gegen eine Supermacht und Atommacht.
So wie Wladimir Putin weltweit in den sozialen Medien verteufelt wird, steigt Wolodymyr Selenskyj zur mutigen Kultfigur auf, der stündlich in Myriaden Memes für seinen Mut heroisiert wird, während sich ganze Innenstädte in gelb-blaue Solidaritätsfahnenmeere verwandeln.
Die Menschen möchten sich positionieren und suchen verständlicherweise nach einer positiven Symbolfigur. Außerdem bieten sich aus satirischer Sicht die grotesken Vergleiche zu US-Senator Ted Cruz, der bei einem Stromausfall in Texas nach Cancun floh, oder Donald Trump, der bei Demonstrationen vor dem Weißen Haus schnell in den Atombunker verschwand, diesen offensichtlichen totalen Feiglingen, an.
Aber nach wie vor empfinde ich jede Form des Nationalismus negativ. Jeden einzelnen der 144 Millionen Russen zu verteufeln, hilft nicht weiter. Auch militärischer Heldenmut erscheint mir archaisch und womöglich kontraproduktiv. Klitschko und Selenskyj verhalten sich gegenwärtig zweifellos mutig, sind verblüffend erfolgreich dabei, den Widerstand gegen die Invasoren zu organisieren.
Bis gestern Abend hielt ich das aber für verantwortungslos, weil damit der Krieg verlängert wird, jede Minute mehr Menschen sterben und mehr zerstört wird. Humaner wäre es, sich gleich kampflos zu ergeben.
Ich dachte an den Nazi und Gauleiter Karl Kaufmann, der von 1933 bis 1945 Hitlers Reichsstatthalter in Hamburg war. Er sollte 1945 gegen die übermächtigen britischen Streitkräfte so lange kämpfen, bis jeder einzelne Hamburger tot war. Hitlers Nero-Befehl verlangte, nur noch verbrannte Erde zu hinterlassen. Jeder, der aufgeben wollte, musste sofort erschossen werden.
Herr Meister, der alte Gärtner meiner Oma war lange Soldat an Hitlers Ostfront, überlebte Schlachten auf drei Kontinenten. 1945 sollte er als alter Hase einen kleinen Trupp „Volkssturm“, hauptsächlich Teenager der Hitlerjungend gegen die Briten anführen und lag an den Elbbrücken verschanzt. „Was machen wir, wenn die englischen Panzer kommen?“, fragte ihn ein verängstigter Junge. Herr Meister antwortete ‚dann werft ihr schnell eure Pistolen weg, schlagt euch in die Büsche und rennt nach Hause!‘ Die alten Soldaten wußten, wann Schluss ist. Die indoktrinierte Hitlerjungend war in den letzten Kriegstagen viel gefährlicher und richtete in ihrem jugendlichen Wahn enormen Schaden an, führte zu vielen weiteren sinnlosen Toten.
Der Politiker Kaufmann einigte sich mit dem obersten Hamburger Militär, dem Generalmajor der Luftwaffe Alwin Wolz im April 1945, daß diese Kämpferei sinnlos war. Letztendlich ließen sie Hitler im Führerbunker, sowie dessen Nachfolger Dönitz toben und übergaben am 3. Mai 1945 die Hansestadt Hamburg kampflos an den englischen Brigadegeneral Spurling. Kein Hamburger musste mehr sterben.
Kaufmann und Wolz mit der Ukrainischen Führung zu vergleichen, verbietet sich natürlich in fast jeder Hinsicht. Aber Widerstand bis zur letzten Patrone macht die Angelegenheit immer noch blutiger. Aber mit den Waffenlieferungen aus dem Westen?
Über die Möglichkeit eines erfolgreichen Ukrainischen Widerstands hatte ich gar nicht nachgedacht, weil ich immer von der enormen Überlegenheit der Russen ausging. Aber um den Advocatus Diaboli zu spielen: Was ist eigentlich, wenn Selenskyj jetzt so viel Waffenhilfe aus der EU bekommt, die Ukraine so motiviert und die Russen so demotiviert sind, dass die Ukrainer tatsächlich "gewinnen", es also schaffen, Putins Armee zu vertreiben? Wird der Kreml das reumütig akzeptieren?
Wie wahrscheinlich ist es, dass Putin einräumt gegen den eben noch als „Nazi“ geschmähten Wolodymyr Selenskyj verloren zu haben, sich entschuldigt und seine Armee wieder nach Sibirien schickt?
Vielleicht hält er vor seinen Oligarchen-Kumpels eine Ansprache im Kreml-Ballsaal:
So, jetzt habe ich Russland mal so richtig ökonomisch und geopolitisch zertrümmert, weil ich die Machtverhältnisse völlig falsch eingeschätzt habe. Eure Vermögen sind weg, aber wir waren wohl zu schwach und zu feige, um Kiew platt zu machen. Meine winzigen Testikel haben mich da wohl was überkompensieren lassen. Schwamm drüber. Macht ja nichts. Ich bleibe einfach im Amt und versuche es jetzt mal mit Menschenrechten und Demokratie. Zwinkersmiley.
Ich halte es für wahrscheinlicher, daß Präsident Putin so eine Demütigung nicht akzeptieren wird. Bevor die russische Armee in Schimpf und Schande aus der Ukraine vertrieben wird, drückt Putin möglicherweise doch auf den Knopf der ganz großen Raketen mit dem hässlichen anschließenden Fallout.
Es wird viel darüber spekuliert, ob Trump als Oberbefehlshaber wirklich Atomwaffen eingesetzt haben könnte. Würden nicht erfahrene Generäle, den Politik- und Militär-Laien, der vorher als Titten-Juror tätig war, stoppen? Zumal Trump gar nicht die Folgen einschätzen konnte.
Bei Putin, dem hochspezialisierten KGB-Offizier ist das ganz anders. Nach 22 Jahren an der Staatsspitze hat er alle sicherheitsrelevanten Positionen mit absoluten Loyalisten besetzt. Insbesondere die Militärs sind loyal. Verteidigungsminister Sergei Kuschugetowitsch Schoigu, der seit 2012 im Amt ist, gilt als Putins allerengster Buddy. Gilt bei diesen Leuten nicht „never surrender“?
Vielleicht ist eine Niederlage Russlands in Kiew das schlimmste Szenario überhaupt, das direkt in einen Atomkrieg und damit die Auslöschung des gesamten menschlichen Lebens führt.
Damit wäre es doch geschafft, die Gattung Homo DEMENS vom Planeten Erde auszuradieren.
Wir haben es auch insgesamt nicht verdient zu überleben. Wir sind einfach zu parasitär, machen alles kaputt, rotten Fauna und Flora aus, verpesten das Klima und ermorden uns auch noch fleißig gegenseitig. Solange Menschen auf dem Erdboden umherkriechen, wird es nicht besser. Wir werden Fauna, Flora, Natur, Klima, alles vergiften.
Ein Atomkrieg ist aber eben nicht das Ende der Welt. Die Erde hat noch einige Milliarden Jahre Lebensdauer übrig, bevor die Sonne explodiert. Bis dahin kann sie noch mal enorme Artenvielfalten hervorbringen und möglicherweise gelingt ihr dann auch mal wieder eine dominante Spezies, wie die Dinosaurier, die hunderte Millionen Jahre existieren, ohne wie die widerlichen kleinen Homo Sapiens in Rekordtempo alle anderen auszurotten.
Aber für den Neustart müssen nun mal die Menschen erst mal verschwinden.