Als was
könnte ich mich fühlen?
Hamburger, Deutscher, Europäer, Amerikaner?
Hamburger, Deutscher, Europäer, Amerikaner?
Den
Großteil meines Lebens habe ich in den ersten drei Gruppen verbracht; zur
vierten Gruppe gehöre ich laut meines Reisepasses.
Ich
fühle aber keinerlei Veranlassung so eine Zuschreibung überhaupt vorzunehmen.
Es ist nicht relevant für mich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, in die mich
der pure Zufall führt.
Ausgesucht
habe ich mir in die DGHS, die GBS, Greenpeace und die SPD beizutreten, weil
meine Ansichten eine ausreichend große Schnittmenge mit den Zielen dieser
Vereine bilden und ich sie daher unterstütze. Stolz empfinde ich dafür nicht
und die Zugehörigkeit ist auch nur ein abstraktes Kriterium für mich, das
nichts mit meiner Gefühlswelt zu tun hat.
Hamburger,
Deutscher, Europäer, Amerikaner?
Am
sympathischsten ist mir das Hamburger-sein, aber ich bin mir bewußt darüber,
daß so ein Gefühl vermutlich nur daraus resultiert, daß ich Hamburg am besten
kenne. Der Zufallsaspekt ist für mich offensichtlich.
Lebte
ich ebenso lange in Wien, Barcelona, Montreal, Vancouver oder Rotterdam, hegte
ich sicher ganz ähnliche emotionale Bindungen an die Städte.
Die
nationale Ebene hingegen ist für mich viel zu groß, um mich da noch zugehörig
zu fühlen.
Eine
noch stärkere emotionale Bindung wäre nach der Zugehörigkeit der Stolz.
Hier
wird es dann auch schon vollends absurd und droht gefährlich zu werden.
„Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der
Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an
individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht
zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende
persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da
er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder
erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte,
ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu
sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und
Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.
(Arthur
Schopenhauer)
Vorhin grübelte
ich wie eigentlich das Antonym zu „Patriotismus“ lautet.
Ich bin nämlich
so gar kein Patriot und kann für patriotische oder gar nationale Gefühle
(gegenüber Deutschland ODER Amerika) einfach kein Verständnis aufbringen.
Auch das Wort
„Stolz“ liegt mir nicht. Insbesondere könnte ich keinen Stolz auf eine Nation
empfinden, da ich Stolz immer mit einer eigenen Leistung verbinde.
Was aber ist
weniger ein eigener Verdienst als der Zufall wo man geboren wurde?
Wie nennt man
aber nun Menschen, die keine Patrioten sind?
Im Zweifelsfall
googlen. Eine Internetsuche spuckt folgende Begriffe aus:
Vaterlandsverräter,
Fahnenflucht, Verrat, Unzufriedenheit, Untreue, Falschheit, Wankelmut,
Unbeständigkeit, Perfidie, Nestbeschmutzer, „Jemand der sich ganz schnell verpissen
sollte. Er mag sein Land nämlich nicht“, Landesverräter,
Idiot, Zecke,..
Nun bin ich
noch unpatriotischer, nachdem ich sehe welche Konnotationen aktiviert werden, wenn man Menschen nach dem Gegenteil
von Patriotismus fragt.
Das Abstoßende
am Patriotismus ist also nicht nur das penetrante
Sich-mit-fremden-Federn-schmücken, sondern die mehr oder weniger latent damit
einhergehende Abwertung anderer Nationen, bzw der Nicht-Patrioten im eigenen
Land.
Es stimmt eben,
daß die Grenzen vom Patriotismus zum Nationalismus fließend
sind und Letzterer ist einer der destruktivsten Ismen, den die Menschheit
hervorgebracht hat.
Immer wenn die
Patriotismuskarte gespielt wird, folgt etwas Ekelhaftes. (…….)
Stolz
kann klammheimlich gefühlt werden und befindet sich damit auf der irrationalen
Ebene, wo er hingehört.
Wäre ich
beispielsweise während des zweiten Weltkrieges in irgendeiner Form für eine
deutsche Rüstungsfabrik tätig und wüßte von heimlichen Widerständlern, die Brot statt
Schwarzpulver in die Munitionskapseln stopfen und müßte anschließend Speers
Rüstungsministerium von erneuten Produktionsfehlern berichten, empfände ich „klammheimlichen
Stolz“.
Es ginge
schließlich in mehrfacher Hinsicht um Leben und Tod. Da gäbe es echte Gründe
für das „Gefühl“ des Stolzes.
Stolz
wird üblicherweise positiv konnotiert.
In
Naturdokumentationen fällt mir der Gebrauch des Adjektivs auf; da verkündet die
Stimme aus dem Off, der Löwe oder der alte Elefantenbulle wäre ein “stolzes
Tier“. Natürlich ist auch der amerikanische Wappenvogel, der Weißkopfseeadler „ein
stolzes Tier“.
Man sagt
das voller Bewunderung. Eine Ringelnatter oder ein Manati würde nicht als „stolz“
bezeichnet werden.
Das
zeigt auch schon die ganze Idiotie dieser vermenschlichten Sicht auf die Fauna.
Ein Familienhund, der sich möglichst menschlich benimmt, wird genau dafür
gemocht.
So eine
Tierliebe enthält aber eine gehörige Portion Selbstbeweihräucherung; man schätzt
das was einem ähnlich ist. Daher identifiziert man sich auch eher mit dem
jagenden Löwen an der Spitze der Nahrungskette als mit einem Wattwurm.
Stolz
ist meistens schädlich oder zumindest blöd. Gelegentlich ist er aber auch eine
harmlose Angelegenheit. Papa ist stolz auf seinen Filius, wenn dieser in der
Schule eine „1“ bekommt. Dahinter steckt letztendlich die emotionale Zuneigung
eines Elternteils für seinen Nachwuchs. Harmlos, aber biologisch wichtig.
Noch
schlimmer als der bloße Stolz ist der Protz.
Hier
wird es endgültig gaga.
Durch
Protz bringt man nicht nur den ungerechtfertigten Stolz auf irgendetwas zum
Ausdruck, sondern versucht daraus auch noch Anerkennung zu generieren, sowie
andere abzuwerten.
Im
Ausland mit deutschen Nationalfahnen rumzulaufen, ist für mich Protz und somit
abscheulich.
Dicke,
schlaffe Männer, die in schwarzrotgold gehüllt eine deutsche
Sportmannschaft bei internationalen Meisterschaften begleiten, sind solche
Nationalprotzer.
Sie sind
stolz auf eine Leistung, die keineswegs ihre eigene ist und wollen dies auch
noch möglichst auffällig anderen unter die Nase reiben. Gaga.
Noch widerlicher
ist der Protz mit Reichtum, wie ihn der Millionenerben Donald Trump in seinem
goldenen Turm zelebriert.
Nein,
ich bin nicht so links, daß ich grundsätzlich etwas gegen Reichtum habe. Wer
reich ist, insbesondere derjenige, der sich das selbst erarbeitet hat, darf
sich natürlich auch etwas Schönes kaufen und es genießen. Immerhin bringt er
das Geld auf diese Weise in den ökonomischen Kreislauf und tut auch etwas Gutes.
Mir
persönlich läge aber eine teure mechanische Stahl-Armbanduhr viel mehr als ein
zu offensichtlich wertvolles Ding mit Edelsteinbesatz aus Gold.
Ich
hätte lieber einen Anzug in hervorragender Qualität als den mit dem ersichtlichen Marken-Emblem.
Noch abstoßender
ist Protz, wenn er wie beim Nationalstolz durch reinen Zufall entsteht.
Reiche
Kinder, die mit der Kohle ihrer Eltern angeben.
So etwas
gibt es nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland.
„Rich
Kids Of Germany“ nennt sich ein Instagram-Account, auf dem
die kleinen Krösus-Bratzen mit ihren teuren Luxusartikeln rumprahlen.
[….]
Champagner zum Frühstück, mit dem
Privatjet zum Shoppen, die Rolex am Arm – so
protzte bisher vor allem der Millionärsnachwuchs in Amerika. Doch
jetzt ziehen auch in Deutschland die
Kinder der Superreichen nach.
Auf dem Instagram-Profil „Rich Kids Of Germany“ wird
gezeigt, wie sie die Kreditkarte ihrer Eltern zum Glühen bringen. [….] auf dem Instagram-Account „The
Rich Kids of Germany“ wird das
Luxusleben zwischen Sylt und München genauso dekadent wie in Amerika
gezeigt. [….]
Das ist
nicht nur zum Mitschämen, sondern in einem Ausmaß unsympathisch, wie man es
sonst nur von Trump kennt.
Zum
Glück – DANKE LIEBER DARWIN – bin ich gegen so etwas doppelt abgesichert, indem
ich weder reich bin, noch Kinder habe.
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