Freitag, 2. Juni 2017

Der Wendepunkt (?)

Die armen politischen Kommentatoren in den Vereinigten Staaten!
Seit zwei Jahren sind sie im verschärften Dauereinsatz. Die (heimlichen) Hoffnungen vieler, Trump werde, einmal im Amt, schon von den schrillen Wahlkampftönen ablassen und Vernunft walten lassen, atomisierte sich schnell.
All die political analysts müssen mehr Überstunden denn je machen.
Skandale, die vor zehn Jahren noch die Sendezeit von mehreren Wochen beansprucht hätten, müssen in wenigen Stunden abgearbeitet sein, da das Weiße Haus in immer schnellerer Frequenz neue welterschütternde Eruptionen verursacht.
Inzwischen kristallisieren sich drei Fraktionen um Trump heraus.

1.   Ivanka und Jared, die zwar über gar keine Qualifikation verfügen, aber vom Präsidenten geliebt werden und im Bestreben in ihre eigenen Taschen zu wirtschaften über Leichen gehen. Buchstäblich sogar, wenn man sich die sklavenartigen Bedingungen der Arbeiter in Ivankas chinesischen Schuhfabriken ansieht. Zwei Mitarbeiter bekannter NGOs, die Ivankas Treiben dokumentieren wollten, sind unter sehr mysteriösen Umständen verschwunden.
2.   Die allgemeine Witzfigur Sean Spicer und der völlig überforderte Stabschef Reince Priebus gelten bereits als entmachtet. Täglich wird mit einer Versetzung Spicers zu SLN gerechnet. Seine PKs dauern inzwischen nur noch wenige Minuten an, weil er seinen Job einfach nicht kann.
3.   Die beiden ultrarechten White Supremacist-Stephens, also Bannon und Miller, wähnte man ebenfalls schon auf dem absteigenden Ast, weil beide zum Antisemitismus neigen, während Jared und Ivanka Juden sind. Beim gestrigen Showdown wider die Erde siegten sie aber offensichtlich über Trumps Tochter und Schwiegersohn. Letztere waren bezeichnenderweise nicht im Rosengarten anwesend.

Dieses bizarre machtpolitische Dreieck zwischen dem Trump willkürlich mäandert, wäre schon an sich höchst problematisch für ein Weißes Haus und würde die Hauptstadtjournalisten schwer beschäftigen.
Hinzu kommen aber weitere Probleme.

A.) Viele Ministerien und Regierungsabteilungen sind nach wie vor nicht arbeitsfähig, weil Trump und Pence zwar alle Obama-Leute feuerten, aber während der Transitionphase so extrem stümperhaft vorgingen, daß ihnen immer noch tausende Mitarbeiter fehlen.
B.) Die Trumpleute, die da sind, sind zumindest völlig unerfahren, meistens aber grotesk unterqualifiziert, weil für Trump einzig zählt wie sehr er bewundert wird. So erklärte White House spokeswoman Hope Hicks vor zwei Tagen “President Trump has a magnetic personality and exudes positive energy, which is infectious to those around him. He has an unparalleled ability to communicate with people, whether he is speaking to a room of three or an arena of 30,000. He has built great relationships throughout his life and treats everyone with respect. He is brilliant with a great sense of humor and an amazing ability to make people feel special and aspire to be more than even they thought possible.” Offensichtlich sind Trumps Staffer also völlig von der Realität entkoppelt.

C.) Sonderermittler Robert Mueller und die verschiedenen Untersuchungsausschüsse des Kongresses beginnen jetzt das häßliche Verb „to subpoena“ zu verwenden.

Nicht nur für die Privatperson Donald Trump und Multimillionäre wie Jared Kushner oder Michael Flynn heißt es jetzt „lawyer up“, sondern auch hunderte Mitarbeiter aus dem Wahlkampf, die zum großen Teil unbezahlt für Trump arbeiteten müssen nun mit Vorladungen rechnen. Anwälte sind aber sehr teuer und schwer zu finden im Moment. Anders als in vergleichbaren Fällen – Bill Clinton übernahm die Anwaltskosten seiner Mitarbeiter, die im Zuge seines Impeachmentverfahrens verhört wurde – läßt Trump seine eigenen Leute dabei schnöde hängen und gibt ihnen keinen Cent dazu.
D.)  Die Stimmung ist dahin. War man im Wahlkampf noch fröhlich vereint, weil man gemeinsam die verhasste Hillary Clinton schlagen wollte, so kämpft in Trumps Umgebung mittlerweile jeder gegen jeden. WH-Correspondents berichten immer wieder von Schreiduellen und zuknallenden Türen, die man im Presseraum hören kann, nachdem Spicer wieder einmal die PK verlassen hat.

Der Ausstieg aus dem Pariser Klima-Abkommen eröffnete nun neue Fronten.
Jetzt hat Trump nicht nur Linke, Liberale, Bürgerrechtler, Wissenschaftler und Städter gegen sich.
Es passieren erstaunliche Absetzbewegungen.

1.) Fast die gesamte Welt steht nun zusammen gegen Amerika. Ganz neu für das amerikanische Selbstverständnis: Amerika ist nicht mehr die Führungsacht, sondern diejenige, die zusammen mit Nicaragua und Syrien hinterherhinkt. China, Europa, Kanada und Südamerika stellen sich eindeutig und massiv gegen Trump.
2.) Im großen Stil stellen sich US-Bundesstaaten gegen das Weiße Haus und den republikanischen Kongress. Die Gouverneure der Staaten Washington, New York und Kalifornien, die zusammen 100 Millionen Amerikaner repräsentieren, beeilten sich gestern klarzustellen, daß sie keineswegs Trumps Weg in Kohle und Öl mitmachen würden. Schon heute gibt es in Amerika doppelt so viele und besser bezahlte Jobs in der „Green Energy“ Sektor, wie in der Kohleindustrie. 


3.) Die amerikanische Wirtschaft opponiert ebenfalls massiv gegen den republikanischen Präsidenten. Mit Grauen denken sie daran wie China und Deutschland sich bei Techniken rund um Elektromobilität, Windenergie und Photovoltaik zu Weltmarktführern aufschwingen und dabei die ganz entscheidende Zukunftstechnologie zu beherrschen drohen, während die USA schmollend auf die stinkige Braunkohle setzt, die in einigen Jahren sowieso alle ist.
4.) Die Einzelpersonen, die Trump scharf angreifen, können inzwischen keinesfalls mehr von den GOPern als „Usual suspects“, als linke Spinner aus Hollywood abgekanzelt werden. Elon Musk und Robert Iger, die mächtigen Bosse von Tesla und Disney warfen gestern theatralisch ihre Mitgliedschaft in Trumps Wirtschaftsrat hin.

Ich habe schon zu oft gedacht, jetzt ist Trump endgültig erledigt, als daß ich mir diesen Gedanken noch einmal gestatten würde.

Aber während man bisher Trumps Chaos zur Not unter parteipolitischen Aspekten sehen konnte, geht es jetzt so sehr ans Eingemachte, daß der Präsident immer weniger Freude mit seinem eigenen Volk haben sollte.



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