Hamburg
ist reich an Migranten. Deshalb ist Hamburg kulturell und finanziell reich.
Als
Hamburger reagiert man nicht verängstigt auf Dunkelhäutige und andere Idiome
wie die Dresdner, sondern man fühlt sich bereichert.
Stolz und Protz sind
dem Hamburger nicht so wichtig, daß er es übermäßig zur Schau stellt. Und weil
Hamburger in die Welt hinausgehen, überhöhen sie sich nicht selbst,
verschließen nicht die Augen vor den eigenen Schwächen, wissen um die Arschloch-Quote unter ihnen.
Eine
Stadt mit einer derartig multikulturellen Bevölkerung weiß aber durchaus zu
definieren was eigentlich ein echter Hamburger ist.
Dabei
gilt es vier Typen streng zu unterscheiden.
Quiddjes sind zugezogene Hamburger wie Olaf Scholz,
der zwar in Hamburg aufwuchs und über 50 Jahre in Hamburg lebt, aber in
Osnabrück geboren wurde.
Gebürtige Hamburger ist man durch Geburt in der
Hansestadt.
Geborener Hamburger darf man sich nur nennen, wenn
bereits alle Großeltern in Hamburg lebten und somit beide Elternteile gebürtige
Hamburger sind.
Hanseaten blicken auf Vorfahren zurück, die
seit Jahrhunderten geborene Hamburger sind und sich ehrbar für ihr Hamburg
einsetzten.
Leider
bringe ich es nur zum „gebürtigen Hamburger“, obwohl meine Mutter sogar
geborene Hamburgerin war, da mein Vater bloß ein Quiddje war.
Ein
Fremder wie Alexander Smoltczyk (* 1958 in Berlin) weiß diese Dinge nicht so
genau und so ist es wohl zu erklären, daß ihm eine derart misslungene Titelgeschichte im aktuellen SPIEGEL
unterlief.
Hauptstadt Hamburg. Einschlag
ins Kontor
G-20-Gipfel,
Olympia-Debakel, Schifffahrtskrise, aber zum Trost die über allem strahlende
Elbphilharmonie: wie Hamburg voller Stolz mit seiner neuen Rolle im Mittelpunkt
fremdelt. […..]
(Alexander
Smoltczyk, 17.06.2017)
Ich
ahnte gar nicht wie hanseatisch ich denke bis ich diese unsinnige
SPIEGEL-Titelgeschichte las. Nun wird mir aber klar, daß man wohl erst mit
Jahrzehntelanger Erfahrung versteht was eigentlich Hamburg ausmacht.
Nicht
jedenfalls das, was Smoltczyk sieht.
[…..]
„Hamburg schaut verzückt auf die
Spiegelfläche der Elbphilharmonie und entdeckt sich als Kulturstadt“, heißt es
da. Worin nun aber, außer Elphi und G20-Gipfel, das „neue Hamburg“ bestünde,
wird nicht so ganz klar. Der Stadt wird „eine stille Sehnsucht, groß
rauszukommen“ attestiert. Der Feinstaub aus den Schiffsdieseln wird moniert und
der neue Handelskammer-Chef gefeiert.
Die „Rote Flora“ wird
als „Kirche des Antikapitalismus“ gepriesen, die Schanze als Zentrum einer
„hippiesken Anarchie“ bewundert. Heinz Strunk, der kürzlich ein recht teures
Restaurant vor Ort eröffnete, erklärt, dass es in der Schanze gar keine
Gentrifizierung gebe („Schaut euch mal die ganzen Penner hier an!“). [….]
Eine
bizarre Themenauswahl, um Hamburg zu charakterisieren.
Quiddjes
befragen Quiddjes. Der Berliner Smoltczyk zitiert den Heilbronner Rainer Moritz
vom Literaturhaus und den Langquaider (zwischen Regensburg und Landshut) Tobias
Bergmann von der Handelskammer.
Ein
Schwabe und ein Bayer erklären wie Hamburger denken?
[….]
Hamburg schaut verzückt auf die Spiegelfläche
der Elbphilharmonie und entdeckt sich als Kulturstadt. Rainer Moritz,
der Leiter des Literaturhauses, hat da so seine Zweifel. Nicht nur,
weil er gebürtiger Schwabe ist. „Hamburg war doppelt gedemütigt, durch
die Kostenverschleppung und durch die abgeschmetterte Olympiabewerbung.
Jetzt ist alles vergessen, und man kann sich selbst feiern“, sagt Moritz.
„Denn die Stadt hat, bei aller gern zur Schau gestellten Zurückhaltung,
eine stille Sehnsucht, ganz groß rauszukommen.“
Ob die Elphi-Begeisterung
Wellen zieht und sich auf andere Kulturbereiche auswirkt, das werde
man abwarten müssen: „Die Elbphilharmonie ist bisher eine Attraktion
des Ortes. Und Hamburg ist nicht über Nacht zu einer Stadt der Musikconnaisseure
geworden, die jahrzehntelang unterdrückt worden sind.“ [……]
(DER
SPIEGEL, 17.06.2017)
Nein,
Herr Moritz, Hamburger kompensieren keine Minderwertigkeitskomplexe, weil sie
eben nicht wie Dresden, Detroit oder Berlin vergangenem Ganz hinterhertrauern und/oder
zeitweilig unter Bedeutungsverlust leiden.
Hamburg
war nie Residenzstadt, wir sind die größte Stadt Europas, die nie Hauptstadt
war. Hier regierte nie ein Fürst oder König.
Für
Hamburger ist es Teil der Identität sich nicht auf andere zu verlassen und
selbst zu machen.
So
wurden wir sehr reich und erfolgreich.
Die
Kostenverschleppung bei der Elbphilharmonie konnte daher auch niemand demütigen.
Sie war ärgerlich und lächerlich. Es gab auch einen Schuldigen, nämlich den
unfähigen Beust-Senat.
Schon
gar nicht wurden wir durch die gescheiterte Olympiabewerbung gedemütigt,
sondern ganz im Gegenteil. Wir waren mehrheitlich sehr erfreut durch das Votum wider die Olympischen Spiele.
Die
Spiele in Hamburg abzuhalten war eine Idee von außen, die geborenen und
gebürtigen Hamburgern eben nicht behagte.
Man muß
wohl auch aus dem kleinen Heilbronn kommen, um „eine stille Sehnsucht groß
rauszukommen“ in die Hamburger zu projizieren.
Das
wollen wir gerade NICHT. Das ist der Kern des Hanseatischen Understatements,
daß wir nicht anderen sagen wollen wo es lang geht, daß wir uns nicht
überhöhen.
Und seit
wann wurde die Musik in Hamburg unterdrückt?
Es gibt
große Orchester in Hamburg, eine stets ausverkaufte Laeiszhalle, die Hamburger Symphoniker, das NDR Sinfonieorchester und die vielen
live-Bühnen in der Hamburger Pop/Rock/Punk/Alternative-Szene
sind legendär.
Die Indie-Rock,
Punk, Grunge, Pop-Diskurspop-Szene in Hamburg ist so fruchtbar und erfolgreich,
daß sich der Begriff „Hamburger Schule“ eingebürgert
hat.
Jochen
Distelmeyer, Blumfeld, Kante, Tocotronic, Deichkind, Beginner, Fjarill, Ruben
Cossani, Niels Frevert, Michel van Dyke, Sono, Selig, Schiller, Felix de Luxe,
Michy Reincke, Sterne, Fettes Brot, …
Nein, hier wurde die Musik nicht
Jahrzehntelang unterdrückt.
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