Es gibt
gewisse Dinge, die widerstreben einem schon lange bevor darüber nachdenkt, ob
man sich selbst als konservativ oder eher progressiv einschätzt.
Als
Kleinkind mochte ich schon keine Konformität. Wenn wir neue Winterschuhe kaufen
gingen, zog ich gleich ein langes Gesicht, wenn die Verkäuferin sagte „die
werden dieses Jahr sehr gern genommen!“
Ich
konnte es auch nicht leiden, wenn andere ausgegrenzt wurden.
Man
spielte nicht mit Christoph, weil der stotterte und auch nicht mit Jan, weil der
ja noch mit seinen Eltern in diesen „Nissenhütten“ wohnte.
(Nicht,
daß ich als Minigör gewußt hätte was eine „Nisse“ ist, oder weswegen es nach
dem Krieg notwendig war solche eher primitiven Häuser zu bauen, aber man
begriff den abfälligen Ton.)
Als
etwas älterer Schüler verabscheute ich dann die Typen, die in steter Sorge um
ihre Abiturnoten nach jeder Stunde zum Lehrer gingen, um sich selbst ins beste
Licht zu rücken, oder als Helferling dem Erdkundelehrer die Karten zu tragen.
Damals
kam es mir gar nicht in den Sinn an meine eigenen Noten zu denken.
Noch
etwas später, an der Uni, beobachtete ich denselben Typ Mensch. Die Geschniegelten,
die Anzug trugen und nach jeder Vorlesung zum Prof rasten, um ihn anzulächeln.
Einmal
fragte ich einen, was er eigentlich nach jeder einzelnen Vorlesungsstunde dem Prof
noch privat zu sagen hätte, weil ich das während des gesamten Studiums genau
Null mal tat.
Ach, er
sage dem immer wieder, daß dies seine Lieblingsvorlesung wäre. Man müsse
schließlich an seine Note beim abschließenden Kolloquium denken. Da habe man
doch viel schlechtere Chancen, wenn einen der Prof noch nie bewußt gesehen
hätte.
Ich war
zwar damals schon erwachsen, aber ich glaubte nicht an den Erfolg des
affirmativen Schleimens, stellte mir vor, wie ich als Prof solche Streber
verachten würde.
Offenbar
steckte da noch eine Portion irrationale Philanthropie in mir.
Jetzt,
in alt und abgeklärt, glaube ich auch, daß die meisten Menschen, die es in der
Hierarchie bis in eine hohe Position gebracht haben, für Schmeicheleien und
Lobpreisungen empfänglich sind.
Das
liegt in der Natur der Sache. Da diese Methoden angewendet werden, ist es
wahrscheinlich, daß Menschen am oberen Ende der Karriereleiter ebenfalls das
Fahrradfahrer-Prinzip verinnerlichten:
Nach oben buckeln, nach unten treten. Das funktioniert.
Nach oben buckeln, nach unten treten. Das funktioniert.
Nun wissen es Preet Bharara und
James Comey genau:
Wenn man unter Trump seinen Job behalten will, muß man
nicht den politischen Regeln folgen, braucht sich nicht an Gesetze oder die
Verfassung halten, sondern man hat sich Trump unterzuordnen.
Loyalität und
Dankbarkeit zu bekunden reicht aber nicht.
Vor Trump muß man kriechen, man hat sich auf den Boden
zu werfen und ihm coram publico ausführlich den Hintern zu küssen.
Das Trumpsche Kabinett führte gestern eindrücklich
vor, wie professionelles Speichellecken
nach einer vollständigen Rückgratentfernung aussieht. (….)
Ich
glaube nicht, daß Trumps Minister die sprichwörtlichen Probleme haben, sich
noch im Spiegel anzusehen.
Vermutlich
sind sie stolz auf ihr Verhalten, weil es den gewünschten Erfolg hatte.
Menschen,
die auch nur über Rudimente von Schamgefühl verfügen, können ohnehin nicht
Minister unter Trump werden.
Obrigkeitsdenken
ist der Kern des Konservatismus.
Deswegen
nennt man CDU-Parteitage „Kanzlerwahlverein“. Da wird nicht aufgemuckt, da wird
gemacht, was die Chefs wollen. Nicht konservative Menschen haben erheblich mehr
Probleme sich derart zu verbiegen. Sie legen Wert auf Augenhöhe. Deswegen duzen
sich Sozialdemokraten, deswegen sind Parteitage der linkeren Parteien auch sehr
viel ungemütlicher für die Führung.
Konservativ
zu sein, bedeutet den Wunsch zu haben vor jemand das Haupt zu beugen und
gleichzeitig möglichst viele Menschen dazu zu bringen, daß Haupt vor einem zu
beugen.
Genau
das was mich als Linken am Verhalten der Trump-Minister abstößt, ist für diese
ein Hochamt ihrer Weltsicht. Sich vor Gott/König/Trump klein machen, um den
noch weiter unten Stehenden zu demonstrieren, wie sie sich vor ihnen klein
machen sollen.
Wir
kennen dieses Prinzip aus den abrahamitischen Religionen, die nicht zufällig politisch
so gut wie immer auf der Seite der Herrschenden und Konservativen stehen.
Muslimen
und Christen fällt es gar nicht schwer vor ihrem imaginären Oberhaupt zu
kriechen, zu buckeln, zu knien. Sie tun das gern, weil der Akt der Unterwerfung
an sich das Symbol für eine ungleiche Gesellschaft ist.
Eine Gesellschaft
mit denen oben und den vielen unteren Ausgegrenzten: Kinder, Frauen, Schwule,
Schwarze, Sklaven, Diener, Ausländer – möglichst viele sollen ganz unten
stehen, weniger Rechte und Ehre haben.
Ein
evolutionärer Humanist lehnt genau wie ein Kommunist diese grundsätzlichen
Klassenunterschiede ab.
Trump-Fans
hingegen wollen mehr Klassenunterschiede.
Wenn
Außen- und Justizminister coram publico dem Gottkönig in den Hintern kriechen,
umso besser.
[….]
Um Donald Trumps erste Kabinettssitzung
zu beschreiben, braucht die US-Presse bloß ein Wort, so scheint es: weird. Also
seltsam, bizarr, schräg. [….] Die
Minister taten wie ihnen geheißen und stellten sich vor - und nutzten ihre kurze
Redezeit allesamt dazu, Trump überschwänglich zu loben. Jeder Minister äußerte
vor den Kameras der Journalisten, wie großartig es doch sei, diesem Präsidenten
dienen zu dürfen. Vizepräsident Mike Pence nannte seinen Job an Trumps Seite
"das größte Privileg in meinem Leben", Stabschef Reince Priebus sagte
zur Überraschung aller: "Danke für die Möglichkeit, Ihnen zu dienen."
Und Justizminister Jeff Sessions säuselte Trump offenbar ganz ironiefrei zu:
"Sie haben die exakt richtigen Botschaften gesetzt, die Reaktionen überall
im Land sind fabelhaft."
[….]
Die US-Medien sind verblüfft, so etwas
hatte dann doch niemand erwartet. Der New York Times-Politik-Redakteur Glenn
Thrush schreibt auf Twitter über die Sitzung, sie sei "eine der
peinlichsten öffentlichen Veranstaltungen, die ich je gesehen habe". Washington-Korrespondent des Senders CNBC,
John Harwood, beschreibt die Szenen im Weißen Haus "wie eine Szene aus der
Dritten Welt". Das Portal Vox.com
schreibt gar von Gemeinsamkeiten der Szene zu Shakespeares "King
Lear", und tatsächlich erinnert die Eröffnung der Kabinettssitzung an das
Drama, in dem alle Töchter (hier: Minister) dem König (Präsidenten) ihre Liebe
(ja: Liebe) bekunden müssen, um nicht enterbt (gefeuert) zu werden. […..]
Die
spinnen, die Amis.
Das ist
sicher richtig. Aber sie spinnen nicht allein. Auch in anderen Gesellschaften
wird Selbstbewußtsein und Egalität eher in Sonntagsreden beschworen. Dem Chef
gegenüber zeigt man sich aber lieber devot und servil. So erreicht man etwas im
Leben.
[….]
Schleimer kommen weiter. [….] In jedem steckt ein kleiner Donald Trump:
Menschen finden es schön, wenn ihnen geschmeichelt wird. Für ein bisschen
Zuneigung sehen sie auch darüber hinweg, dass der Schmeichler ein egoistisches
Ziel verfolgen könnte. Wer Karriere machen will, kann sich deshalb ein Beispiel
an Trumps Ministerrunde nehmen.
Schmeicheln und Loben
gehören zu den erfolgreichsten Strategien, um andere zu beeinflussen. Für das
Berufsleben erforscht das die Wirtschaftspsychologie. Verschiedene Studien
zeigen: Menschen, die Vorgesetzten und Personalern interessiert zuhören,
zustimmend zunicken und zeigen, dass sie sie wertschätzen, werden eher
eingestellt, bekommen ein höheres Gehalt und bessere Beurteilungen.
Natürlich zahlt kein
Chef bewusst für Komplimente. Doch wenn der Arbeitnehmer ihm angenehm auffalle,
ihn bestärke und so seine Stimmung erhelle, vergrößere das dessen Bereitschaft,
von den eigenen Vorstellungen abzuweichen, sagt Gerhard Blickle. Als Professor
leitet er die Abteilung für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie
der Universität Bonn. Vorschläge eines schmeichelnden Angestellten werden
demnach weniger kritisch beäugt, die ein oder andere unerfüllte Voraussetzung
in einer Stellenbeschreibung sieht der Entscheider nicht mehr als großes
Problem an.
Ob die Wertschätzung
durch den Bewerber oder Arbeitnehmer ernst gemeint oder geheuchelt ist, spiele
für den Erfolg keine Rolle, sagt Blickle: "Hauptsache, es kommt
authentisch rüber." Entscheidend ist dafür die Sicht des Betrachters, und
der sei bei der Bewertung besonders großzügig. Das heißt: Während der
unbeteiligte Zuhörer eine Lobeshymne schon als peinlich empfindet, fühlt sich
der Adressat dabei noch wohl. "Aus der Perspektive desjenigen, der im
Mittelpunkt steht, kann man nicht viel falsch machen - die meisten Leute sind
ziemlich empfänglich dafür, gelobt zu werden", sagt Blickle. [….]
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