Donnerstag, 7. Juli 2022

Kleine Amtsvorteile

 

Ach wie schön so eine Promi-Hochzeit à la Christian Lindner doch ist.

[….] Ein Kuss unter weißen Blüten: Finanzminister Christian Lindner und seine Lebensgefährtin Franca Lehfeldt haben auf Sylt standesamtlich geheiratet. Gegen 17.30 Uhr trat das Paar vor das Sylt-Museum, wo bereits Gäste warteten, um Blütenblätter zu werfen. [….] Dabei winkten sie zahlreichen Neugierigen und Journalisten zu, die auf das Paar gewartet hatten. [….]  Polizisten stellten sich vor die überwiegend aus Urlaubern bestehende Schar von Neugierigen. [….] Die standesamtliche Hochzeit von Lindner und Lehfeldt war der Auftakt mehrtägiger Hochzeitsfeierlichkeiten auf Sylt. Am Freitag soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein Polterabend stattfinden. Am Samstag will sich das Paar in einer Kirche trauen lassen. Medienberichten zufolge soll dann abends in der »Sansibar« gefeiert werden. Auf der Gästeliste sollen demnach zahlreiche Prominente stehen – darunter Bundeskanzler Olaf Scholz. [….]

(SPON, 07.07.2022)

Wie bei Queen Elisabeth II. 70-Jährigen Thronjubiläum, sollen die Feierlichkeiten drei Tage andauern. Die Wunschliste des Porsche- und Rolex-Fans Lindner ist typisch neureich – so möchte der Finanzminister unter anderem eine Suppenterrine der Königlich Kopenhagener Porzellan Manufaktur für über 1.000 Euro haben.

Übermorgen folgt die kirchliche Trauung des mit 18 Jahren aus der Kirche ausgetretenen Lindners.

Es ist die klassische Heuchelei des Millionärs Lindner: Kirchensteuer zahlen will er natürlich nicht, aber den kirchlichen Pomp zur Selbstinszenierung maximal ausnutzen. Üblicherweise macht die Kirche das nicht mit und behält christliche Trauungen ihren zahlenden Mitgliedern vor. Zumindest eine Hälfte des Paares muss Mitglied sein. Aber so wie Christian aus der katholischen Kirche austrat, verließ auch seine Franca die evangelische Kirche.

Aber wir sprechen eben von der Kirche, der Erfinderin der Heuchelei, die eine geschiedenen Chirurgen aus einem Krankenhaus in katholischer Trägerschaft, genauso unbarmherzig feuert, wie eine Kindergärtnerin, die sich in eine Frau verliebt.

Bei Chris und Franca ist es aber etwas anderes, denn beide sind reich und berühmt. Man verschreckt nicht den Bundesfinanzminister und scheißt daher auf alle Regeln, wenn man sich dadurch weiterhin Protektion vom Staat versprechen kann.

Macht und Geld sind für die Kirche grundsätzlich erheblich wichtiger als Moral.

Die WELT-Reporterin Lehfeldt mit über 100.000 Instagram-Followern, spielt offenbar alle Hochzeitsinformation direkt ihrem Springer-Konzern zu, Lindner heuerte eigens für die Kirchengemeinde eine PR-Sprecherin an. Ute Spangenberg leitet eine "Gesellschaft für Veranstaltungsorganisation"; bei so viel Klatsch-Content kann auch Lehfeldt über ihre Followerschaft prächtig abkassieren.

[…] Spangenberg ist mit ihrer Firma auf "Veranstaltungen im politischen Bereich spezialisiert". Vertraulichkeit dürfte für sie kein Neuland sein, davon profitieren jetzt auch Lindner und Lehfeldt. Dementsprechend überrascht es, wie viele Details über die Hochzeit aktuell in der "Bild"-Zeitung zu lesen sind. "Die Party ++ Die Trauzeugen ++ Das Menü ++ Welche Gäste geladen sind", steht unter einem Artikel mit der Überschrift "So wird die Polit-Hochzeit des Jahres". Zu lesen ist dort außerdem, es herrsche eine "hohe Sicherheitsstufe". Was dabei unerwähnt bleibt: Der Personenschutz durch das Bundeskriminalamt wird durch Steuergelder finanziert – und darum kreist inzwischen eine lebhafte Debatte.   […]

(T-online.de, 06.07.2022)

Das sind Synergie-Effekte. FDP und Springer verhindern gemeinsam, daß die unangenehmen Aspekte in der Presse erscheinen und die Kirche lässt sich mit der Aufmerksamkeit schmieren.


So eine Politiker-Mega-Hochzeit, die Reiche und Presse, Mächtige und Kirchen, gegen den Plebs zusammenschweißt, soll es auch in London geben.

Deswegen kann Boris Johnson, den es nach einer aberwitzigen Kaskade von Lügen und Skandalen, nun doch aus dem Parteivorsitz kegelte, auch noch nicht als britischer Premier zurücktreten.

Carrie Symonds, verheiratete Carrie Johnson, 34, also ein Vierteljahrhundert jünger als ihr Ehemann, konservative Politikberaterin und Mutter eines der knapp 10 Johnson-Kinder (die genaue Anzahl kann ich mir bei diesen superfertilen Typen, wie zB auch Musk, nie merken), hatte aber bisher nur eine kleinere Zeremonie in der Westminster Cathedral. Da muss noch ordentlich einer draufgesetzt werden und das geht eben am besten auf Staatskosten. Also muss ihr Boris noch im Amt bleiben.

[….] Boris Johnson will wegen seiner Hochzeitspläne Regierungschef bleiben  [….] Johnson und seine Frau Carrie hatten im Mai 2021 im kleinen Kreis geheiratet – wegen der Coronabeschränkungen konnten sie nur 30 Gäste zu einer Gartenparty in die Downing Street einladen. Für den 30. Juli ist nun eine große Party in Chequers, dem offiziellen Landsitz des britischen Premierministers, geplant. Am Donnerstag kündigte Johnson an, noch so lange Regierungschef zu   bleiben, bis ein neuer Parteichef gewählt ist – möglicherweise also bis zum Parteitag im Oktober. Der »Daily Mirror«, der »Guardian«  und andere britische Medien berichten nun, der Zeitplan hänge vor allem mit Johnsons Hochzeitsplänen zusammen – die Einladungen nach Chequers seien bereits verschickt. Auch ein Versprecher deutet darauf hin, dass Johnson in seiner Rücktrittsrede das Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert im Sinn hatte: Als er vor seinem Amtssitz in der Londoner Downing Street seinen Rücktritt bekanntgab, bedankte er sich bei seinen »wunderbaren Mitarbeitern hier in Chequers«. Londons Bürgermeister Sadiq Khan von der oppositionellen Labour-Partei kommentierte die Vorwürfe ironisch: »Auch wenn wir alle gerne ein rauschendes Hochzeitsfest auf Kosten des Steuerzahlers in Chequers haben würden, wird er das nicht tun können, weil die britische Öffentlichkeit es abscheulich finden wird«, sagte Khan im Sender LBC Radio. [….]

Die Hochzeitspläne sind natürlich wichtiger. Unter den Umständen kann BoJo ja gar nicht zurücktreten und muss weiter britischer Regierungschef bleiben.

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