Die Bahn ist langsam, unpünktlich, chaotisch und teuer.
Es wäre müßig, an dieser Stelle als 27 Millionster Blogger wortreich auf „die Bahn“ zu schimpfen. Seit vielen Jahren kommt keine Satiresendung, kein Comedy-Programm ohne Bahnwitze aus.
Unglücklicherweise lassen die von 16 Jahren Merkel völlig vergeigte Energiewende, der eskalierende Klimawandel und Abkopplung von russischem Gas nicht zu, weiterhin ironisch über das Versagen der Deutschen Bahn zu lachen. Wir erleben bekanntlich eine „Zeitenwende.“ Das jahrein, jahraus erprobte Aussitzen des Schienendesaster darf nicht so weitergehen. Um die Missstände zu überwinden, muss man sie erst einmal benennen.
Die bequemste Methode ist der zutreffende Hinweis auf 13 Jahre Totalversagen völlig unqualifizierter Bundesverkehrsminister, die tumb den Lobbyinteressen der Autoindustrie folgten. 4 Jahre CSU-Ramsauer, 4 Jahre CSU-Dobrindt, 4 Jahre CSU-Scheuer, 1 Jahr FDP-Wissing.
So wird es natürlich nichts mit der klimapolitischen Verkehrswende und dem Umstieg von Straße auf Schiene. Nach 12 Jahren CSU im Bundesverkehrsministerium ist die deutschen Infrastruktur Schrott.
Selbst wenn nicht mehr ausrangierte CDUCSU-Minister wie Pofalla und Wiesheu in den Bahn-Vorstand geschickt würden und stattdessen fähige Manager ans Ruder kämen, könnten sie die Bahn gar nicht effizient und pünktlich wie in Japan machen, weil es viel zu wenig Schienen gibt, die zu allem Übel auch noch so marode sind, daß sie kaum mit Höchstgeschwindigkeit befahren werden können. Das Trassennetz kollabiert vor unseren Augen; immer mehr Züge müssen stoppen und warten, weil die Schiene nicht frei ist.
Besserung ist nicht in Aussicht. Beispiel Hamburg: Die Stadt wird bekanntlich von der Elbe in einen Nord- und einen Südteil geteilt. Pendler, Touristen müssen irgendwie drüber oder drunter fahren. Die Bahnbrücke über die Elbinsel Veddel wurde vor 120 Jahren gebaut und muss dringend erneuert werden. Die Neubauten über Süder- und Norderelbe werden in diesem Jahrzehnt begonnen. Die kleinere nördliche Brücke entsteht ab 2024. Die 130 m lange Süderelbebahnbrücke wird von 2028 bis 2036 erneuert. Während der Baumaßnahmen droht ein beispielloses Chaos, da jetzt schon täglich über 1.000 Züge das Nadelöhr passieren - darunter der ÖPNV. Die S-Bahnen sind aber jetzt schon dermaßen überfüllt, daß Pendler jeden Tag in den Wahnsinn getrieben werden. Das größte Problem bleibt aber, daß auch mit dem Neubau die jetzt schon erschöpfen Kapazitäten nicht erhöht werden. Dafür bräuchte es mehr parallele Gleise.
[….] Diese Maßnahmen dienen nur der Bestandserneuerung. Die von vielen für notwendig erachtete Kapazitätserweiterung um zwei Gleise ist damit noch nicht verbunden! [….] Nach den Vorstellungen der DB sollen die Bauarbeiten nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens 2028 beginnen und 2036!!! beendet sein und nach heutigem Kostenstand allein für die Süder- elbbrücken 800 Mio. Euro kosten. Parallel läuft in diesem Zeitraum der Ausbau der A1 auf je vier Fahrspuren (was besonders gut zur Verwirklichung der Klimaziele passt!!). Also massivste Behinderungen für Pendler aus dem Süderelberaum, ob nun mit Bahn oder Auto, für bald ein Jahrzehnt!!! sind vorprogrammiert. [….] Die Erneuerung der Eisenbahnbrücken auf der Elbinsel löst aber immer noch nicht das Problem, dass die Elbbrücken ein risikobehaftetes und störanfälliges Nadelöhr im Hamburger Eisenbahnverkehr sind. Daher fordert Prellbock schon seit mehr als drei Jahren, den Bau einer Eisenbahnelbquerung im Hamburger Westen, parallel zur A7. Diese würde nicht nur zusätzliche Kapazitäten, sondern auch die dringend gebotene Redundanz für Störfälle schaffen, und gleichzeitig zu einer erheblichen Fahrzeitverkürzung zwischen dem Westen Hamburgs und Schleswig-Holsteins und dem nordöstlichen Niedersachsen beitragen. [….]
(Prellbock Altona, 15.11.2022)
Hier kulminieren die Probleme. Aus ökologischer Sicht braucht es viel mehr Bahnverkehr und weniger Individualverkehr. Dafür existieren aber keine Schienen. Selbst die Milliarden, die gegenwärtig für Neubau ausgegeben werden, erhalten bestenfalls bestehende Strecken.
[….] Im Juli lag die Pünktlichkeit von Fernzügen deutschlandweit bei nicht einmal 60 Prozent. Die Hauptursache dafür sehen Experten im Zustand des Schienennetzes: Zum einen seien Strecken und Gleise über viele Jahre vernachlässigt worden. Das habe nach und nach zu immer mehr Probleme geführt, sagt Bahnexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin: "Jetzt haben wir einen Punkt erreicht, wo man mehr Geld reinstecken muss. Und die Bauarbeiten bedeuten dann eben auch zugleich immer stärkere Sperrungen und damit eben weitere Verzögerungen." Ein zweiter wesentlicher Punkt für Verspätungen sind zu wenige Gleise. An vielen Stellen im Netz wurde jahrelang versäumt, weitere Gleise zu bauen. Für Ingulf Leuschel ein zentrales Problem. Als ehemaliger Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn weiß er, wie anfällig das System ist - und wie notwendig genügend Gleise für einen reibungslosen Schienenverkehr sind: "Sie müssen Ausweichstrecken haben, Sie müssen Umfahrungsmöglichkeiten haben im Störfall, wie Sie es bei jeder Autobahn haben, aber das haben wir eben zu wenig." Überfällige Reparaturen verzögern den Verkehr, und der Bau neuer Gleise lässt auf sich warten. [….]
(NDR, Deutsche Bahn: Schienennetz vor dem Kollaps, 07.09.2022)
Ökologische Politik, Klimapolitik, und Energiepolitik erfordern dringend den Neubau von Gleisen. Das Gleis-Nadelöhr über die Elbe sollte also bei der Gelegenheit rechts und links gleich ein Gleis dazu bekommen.
Das geschieht aber nicht, weil dieselben Bahnkunden und Journalisten, die vehement den Streckenausbau fordern, sofort auf die Barrikaden gehen, wenn in ihrem Vorgarten ein neues Gleis verlegt werden soll. Die wichtigste Nord-Süd-Achse Deutschlands zwischen Hamburg und Hannover scheint ein immerwährender Engpass zu sein. Seit über 20 Jahren versucht „die Politik“ Hannover, Bremen und Hamburg mit mehr Schienen besser verbinden. Aber jede mögliche Streckenführung wurde von Bürgerinitiativen verhindert, die keine Gleise in ihren Gärten oder der nahen Natur wollten.
[….] Also wurde der Kompromiss verworfen und ein neuer Plan ausgetüftelt. Statt einem Gleis, brauchte man nun zwei Gleise und nicht nur zwischen Lüneburg und Uelzen. Bloß wohin? Neben der Autobahn A7? Durch unberührte Wiesen? Oder neben der vorhandenen Strecke? Dann müssten vielleicht Häuser weg. Oder mit Ortsumfahrungen in den grau markierten Bereichen? Die Politik verlangt: Mehr Gleise, aber bitte keinen Ärger. Für die Bahn fast die Quadratur des Kreises, sagt Ingulf Leuschel, der ehemalige Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn.
Ingulf Leuschel [….]:
„Das ist mal ganz egal, wo die längs geführt werden, an der Bestandsstrecke oder neben der Autobahn. Es gibt verschiedene Ideen und sie haben überall eine Bürgerinitiative dagegen und sie haben Politiker dagegen. Wir müssen einfach wissen: Wenn man die Bestandstrecke ausbaut, dann müssen wir in den einzelnen Orten Häuser abreißen, um dort zwei zusätzliche Gleise zu bauen. Baut man neben der Autobahn, dann kommt man sicherlich in Regionen rein, wo noch gar keine Eisenbahn fährt und sich die Leute auch dagegen wehren.“
Ohne Ärger wird es also nicht gehen. Eine unangenehme Aufgabe, aber dafür sind Politiker gewählt. [….]
Aus ökologischen Gründen werden mehr Bahngleise gefordert und aus ökologischen Gründen werden mehr Bahngleise abgelehnt.
Dieselben Journalisten, die sich über die nicht funktionierende Bahn beklagen, feiern Bürger, die sich erbittert gegen Bahntrassen wehren.
Bei so einem verblödeten Volk, erfordert es kaum noch CSU-Verkehrsminister, um die Deutsche Bahn in den Kollaps zu reiten.
Die 60-Jährige CDU-Politikerin Emily Weede, seit 2021 hauptamtliche Bürgermeisterin Seevetals, wütet heftiger als jeder Klimakleber, wenn es um mögliche Bahntrassen durch ihre Gemeinde geht.
[….] Kämpferische Bürgermeisterin droht: Das gibt Proteste wie beim Atomtransport! Gelbe Kreuze waren in den 80er Jahren das Symbol des Widerstands gegen Atomtransporte im Wendland. Heute säumen rote und gelbe Kreuze viele Straßen im Landkreis Harburg, denn die Deutsche Bahn plant eine neue Trasse zwischen Hamburg und Hannover, die Ortschaften und Natur brutal zerschneiden würde. Teils mit mindestens 15 Meter hohen Dämmen. Besonders betroffen ist die Gemeinde Seevetal. Ihre kampfbereite Bürgermeisterin Emily Weede kündigt an: „Der Bund kann sich auf Proteste wie im Wendland einstellen.“ [….]
(MoPo, 09.11.2022)
Anders als Russland und China ist Deutschland glücklicherweise ein Rechtsstaat, in dem die Staatsführung keine Infrastruktur-Großprojekte per Order Di Mufti durchsetzen kann. Die betroffenen Anlieger müssen gehört werden, können sich wehren. Die Kehrseite ist das dadurch herrschende St. Floriansprinzip, welches es unmöglich macht, Stromtrassen, Windräder, Funkmasten oder eben Bahngleise zu verlegen.
[….] Der Konflikt um die geplante Schnellzug- und Güterbahn-Neubautrasse zwischen Hamburg und Hannover spitzt sich besonders in Seevetal weiter zu. Seevetals Bürgermeisterin Emily Weede (CDU) wirft der Deutschen Bahn vor, das Vorhaben im Geheimen deutlich intensiver voranzutreiben, als das Unternehmen öffentlich behauptet. Die Deutsche Bahn frage bereits nach dem Verlauf von verlegten Leitungen für Abwasser, Gas, Elektrizität oder Trinkwasser im geplanten Trassenverlauf. Das sei außergewöhnlich für eine Planung, die sich angeblich nur im Stadium einer Variantenprüfung befände, sagte Emily Weede gestern Abend bei einer Bürgerinformationsveranstaltung vor 130 Besuchern in der Wassermühle Karoxbostel. Die Gemeinde Seevetal werde die Herausgabe der Informationen an die Deutsche Bahn verweigern, sagte Emily Weede. "Wir sind dazu nicht verpflichtet."
Seevetals Bürgermeisterin und andere Mitglieder der Bürgerinitiative "Seevetal sagt Nein" zeigen sich davon überzeugt, dass die zusätzliche Eisenbahn-Neubautrasse zwischen Hamburg und Hannover für den Betrieb von Güterzügen vorgesehen sei. Denn die Planung der Schnellzug-Neubautrasse biete keine Antwort darauf, wie die Personenzüge auf der überlasteten Strecke zwischen Hamburg-Harburg und dem Hamburger Hauptbahnhof vorankämen. Treibende Kraft der Planung sei die Hamburger Hafenwirtschaft. "Die Freie und Hansestadt Hamburg will sich einen Standortvorteil gegenüber dem Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven sichern", sagte Emily Weede.
Die Auswirkungen der Neubau-Eisenbahntrasse auf Seevetal schilderte Emily Weede als fatales Szenario: Die Deutsche Bahn werde Dämme bauen, teilweise 25 Meter hoch. Ein Bauernhof in Glüsingen würde dann nicht mehr existent sein. Die Moore in Lindhorst und Helmstorf würden angegriffen, eine Seenplatte entstehen. "Das ist nicht notwendig, das ist zerstörerisch", sagte Emily Weede.
Stefan Mundt aus Meckelfeld betreibt die Facebook-Seite "Wie sagen Nein zum ICE/Güter-Trassenneubau durch Seevetal". Er kündigte eine weitere Protestaktion an. "Wir werden in Glüsingen eine 50 Meter breite Schneise pflügen, um das Ausmaß der Bahntrasse zu verdeutlichen." [….]
Deutschland muss sich eben mit nicht funktionierender Infrastruktur abfinden und allmählich zum Dritte Welt-Staat werden, der hoffnungslos von asiatischen Autokratien abgehängt wird.
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