Dienstag, 15. November 2022

Eskalation nach Plan.

 

Bei so vielen düsteren Prognosen, hoffe ich mich zu irren.

Die Welt wird es nicht schaffen, den Klimawandel ausreichend zu verlangsamen.

Hitze und Hochwasser werden zu nie dagewesener Elendsmigration führen.

Die Ressourcen werden sich immer ungerechter auf wenige Superreiche konzentrieren.

Wir werden immer mehr und immer schneller Tier- und Pflanzenarten ausrotten.

Demokratie befindet sich auf dem Rückzug, Extremismus nimmt zu.

Nationalismus siegt über Gemeinsinn.

Die USA steuern auf einen Bürgerkrieg zu.

Deutschland verliert technologisch den Anschluß an Asien.

Die Überbevölkerung wird zu mehr Kriegen führen.

In der Ukraine wird es böse ausgehen.

Natürlich erscheint es erfreulich zu sein, wenn es wie bei den US-Midterms am 08.11.2022 etwas glimpflicher endet, als man annahm. Aber es ging keineswegs gut aus. Die Mehrheit der Wähler entschied sich für antidemokratische, rassistische Lügenpolitiker.

Die Republikaner, die Frauen, Schwulen und Transsexuellen Rechte entziehen, intensiv daran arbeiten, Andersdenkenden das Wahlrecht zu verwehren und einem offen rassistischen und hochkriminellen Ex-Präsidenten zujubeln, bekamen 4,4 Millionen Wähler mehr, als die demokratische Alternative. Das ist kein Grund zum Aufatmen.

Ich befürchte ebenfalls, mich nicht bei meinen pessimistischen Ukrainekrieg-Prognosen zu irren. Seit einem halben Jahre predige ich denjenigen, die russische Niederlagen bejubeln und meinen, man könnte Putin mit mehr konventionellen Waffenlieferungen an die Ukraine in die Schranken weisen, für wie unwahrscheinlich ich einen sang- und klanglosen Rückzug des Kremls halte.

(….) Selbst der bellizistische SPIEGEL, der besonders laut schwere Waffen für Selenskyj fordert (….), fragte kürzlich kleinlaut, wie und ob man überhaupt eine nukleare Supermacht besiegen könne.

Das ist in der Tat ein riesiges Problem: Wenn Putin so entschlossen und so böse ist, wie er immer beschrieben wird, muss man davon ausgehen, daß er bei einer totalen Niederlage vor Augen, Atomwaffen einsetzen würde.  (….)

(Impudenz des Monats Mai 2022)

(….) Die schlichte Tatsache, daß man einen konventionellen Krieg gegen eine atomare Supermacht, mit einem zu allem entschlossenen Diktator, der von der breiten Mehrheit seines Volkes unterstützt wird, gar nicht gewinnen kann, verdrängen Baerbock und Hofreiter. Ich verweise in diesem Punkt erneut auf den vielleicht klügsten lebenden Denker Deutschlands: Jürgen Habermas. Mir fehlt die Phantasie dazu, mir vorzustellen, wie Wladimir Putin, ganz besänftigt von deutschen Panzerhaubitzen, global gedemütigt, seine Niederlage akzeptiert, gelobt nun wieder rechtsstaatliche, demokratisch und liberal zu agieren, ohne auf die Idee zu kommen, in seinen prall gefüllten Giftschrank mit den Horrorwaffen zu greifen.  (….)

(Bundeswehr 2022, 19.06.2022)

(….) Es ist unbekannt, ob sich Putin, wenn er abends allein im Bett liegt, in den Schlaf weint – „scheiße, scheiße, scheiße, warum bin ich bloß in die doofe Ukraine einmarschiert?“ – oder, ob er der Realität entrückt, grimmig-zufrieden aufzählt, welche Optionen er noch hat.

Sollte letzteres der Fall sein, wird er nicht auf einen baldigen russischen Sieg mit konventionellen Waffen hoffen, sondern an seinen umfangreichen Giftschrank denken: Gas- und Uranabhängigkeit des Westens, Weizenabhängigkeit der Welt, Sabotage, Atomwaffen, Destabilisierung der NATO-Staaten, Schwächung der Ukraine-Helfernationen, Angstkampagnen, Installation Putin-freundlicherer Regierungen. Putin hat noch einiges im Köcher.  (….)

(Wieder ein schöner Tag für Wladimir Wladimirowitsch Putin, 20.10.2022)

Ganz offensichtlich läuft es konventionell militärisch ganz mies für den Kreml. Der gesamte Westen bejubelt den Ukrainische Sieg in Cherson, verhöhnt die fliehenden Russen.

[….]  Der ukrainische Präsident Selenskyj hat in Cherson ein Zeichen der Unterstützung gesetzt. Ohne schusssichere Weste ging er grüßend durch die Stadt. Der Abzug der Russen aus Cherson sei der Anfang vom Ende des Krieges, sagte er. [….]   Er wolle den Menschen mit seiner Anwesenheit seine persönliche Unterstützung ausdrücken. "Damit sie spüren, dass wir nicht nur davon reden, nicht nur versprechen, sondern real zurückkehren, unsere Flagge hissen." Außerdem wolle er selbst die Emotionen und die Energie seiner Landsleute spüren, betonte der 44-Jährige. "Das motiviert auch sehr." [….]  Unter dem Druck erfolgreicher ukrainischer Gegenoffensiven war die russische Armee am vergangenen Freitag komplett vom rechten Ufer des Flusses Dnjepr abgezogen. Dabei gab sie auch die einzige seit Kriegsbeginn Ende Februar eroberte Gebietshauptstadt auf. [….]  Für Russland ist der Rückzug eine herbe Niederlage. Cherson war die einzige Regionalhauptstadt, die die russischen Truppen erobert hatten.  [….]

(Tagesschau, 14.11.2022)

Keine Frage, die Freude der Ukrainer verstehe ich vollkommen.

Keine Frage, Putin hat sich das Desaster selbst eingebrockt.

Ich stelle mir aber durchaus die Frage, wie der Kreml reagiert, weil eine so riesige Atomsupermacht militärisch nicht endgültig besiegbar ist und ich nach wie vor fest davon überzeugt bin, daß Putin charakterlich nicht geeignet ist, um eine militärische Demütigung wie ein fairer Sportsmann zu akzeptieren.

Er wird nicht nachgeben, so lange er noch Eskalations-Möglichkeiten hat.

Vermutlich erleben wir genau das heute Abend.

Biden und die NATO hatten Russland mit schärften Worten vor der Überschreitung der Roten Linie „Nato-Grenze“ gewarnt. Natürlich rollen russische Panzer auch nicht in breiter Front auf NATO-Gebiet.

Es wird mit Nadelstichen beginnen. Kleine Vorkommnisse, die man zur Not als „Versehen“ darstellen kann, um die NATO maximal aufzuregen. „Hey Biden, nachdem das House nun republikanisch ist, müssen die US-amerikanischen Waffen und Finanzhilfen an Kiew aufhören, sonst mache ich Dir das Leben richtig schwer!“

[…]  Bei einer Explosion in Polen nahe der ukrainischen Grenze sind nach Angaben der Feuerwehr am Dienstag zwei Menschen ums Leben gekommen. »Feuerwehrleute sind vor Ort, es ist unklar, was geschehen ist«, sagte der diensthabende Beamte. Demzufolge ereignete sich die Detonation auf einem landwirtschaftlichen Betrieb.  Der polnische Hörfunk-Sender ZET berichtete in diesem Zusammenhang, dass zwei verirrte Raketen in Przewodów eingeschlagen und dabei zwei Menschen ums Leben gekommen seien. Einzelheiten wurden nicht genannt. Auch die Nachrichtenagentur AP berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen US-Geheimdienstmitarbeiter, dass fehlgeleitete russische Raketen in Polen niedergegangen seien.  [….]

(SPON, 15.11.2022)

Wie schon die Sabotageakte auf die Deutsche Bahn und die Nordstream-Leitungen, soll auch dieser „Vorfall“ offenbar eine Putinsche Warnung an die westeuropäischen Hauptstädte sein: „Ich kann noch viel fieser werden; Ihr auch?“

Die Taktik scheint zunächst einmal im Sinne des Kremls zu funktionieren. Chaos in den NATO-Staaten. Die wichtigen Leute sind gerade nicht zu Hause, sondern weilen im fernen Bali, beim G20-1. Man verfällt in den Hühnerhaufenmodus.

[….]  In Lettland hat Ministerpräsident Krisjanis Karins nach Berichten über mutmaßliche Raketeneinschläge in Polen für Mittwoch eine außerordentliche Regierungssitzung einberufen. Bei dem Treffen sollen Berichte der zuständigen Ministerien und Institutionen über die Sicherheitslage in der Region angehört werden - auch um "für weitere Maßnahmen bereit zu sein".[….]  Nach einer Explosion mit zwei Toten in Polens Grenzgebiet zur Ukraine hat Staatsoberhaupt Andrzej Duda mit US-Präsident Joe Biden und mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen. [….]  Nach Angaben von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sind die NATO-Staaten wegen der Explosion mit zwei Toten in Polen in engem Austausch miteinander. "Wir stehen in engem Kontakt innerhalb der Allianz. Die NATO bleibt stark", sagte die SPD-Politikerin, wie das Verteidigungsministerium bei Twitter schrieb. [….]  Die Vertreter der NATO-Mitgliedsstaaten werden sich nach Angaben von europäischen Diplomaten am Mittwoch auf Bitten Polens treffen. Das Treffen werde auf Basis von Artikel 4 der NATO abgehalten. Artikel 4 besagt, dass die NATO-Mitglieder einander konsultieren, wenn etwa die Sicherheit eines Mitglieds bedroht ist. [….]  US-Präsident Biden hat nach den Berichten über mögliche Raketeneinschläge in Polen mit dem polnischen Präsidenten Duda telefoniert. [….]  Polen hat einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt. Dies gelte auch für andere uniformierte Dienste, sagte ein Regierungssprecher in Warschau. [….]  Per Tweet äußerte sich EU-Ratspräsident Charles Michel "schockiert", dass eine Rakete oder andere Munition auf polnischem Staatsgebiet eingeschlagen sein soll. "Wir stehen an der Seite Polens", betonte Michel. Estland versicherte, es stehe in engem Austausch mit Verbündeten, um die Lage zu klären. Gleiches erklärten auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der niederländische Regierungschef Mark Rutte. [….]  Der lettische Außenminister Edgars Rinkēvičs hat für den Fall, dass sich Berichte über den Einschlag russischer Raketen in Polen bestätigen sollten, die Option in den Raum gestellt, die NATO könne Polen und Teile der Ukraine mit Flugabwehrsystem unterstützen. [….]  Auch der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger zeigte sich über die Meldungen "zutiefst besorgt". Sollte sich bestätigen, dass russische Geschosse auf polnischem Territorium eingeschlagen seien, wäre das eine neue Eskalationsstufe vonseiten Russlands, warnte Tschechiens Regierungschef Petr Fiala. [….] 

(Tagesschau, 15.11.2022)

Nur weil wir uns in Deutschland einen heißen Krieg nicht mehr vorstellen können, heißt das nicht, daß es keinen geben wird.

Aber womöglich kommen wir als Menschheit doch um die eingangs genannten  Megakrisen herum. Denn ein Atomweltkrieg wird gerade wahrscheinlicher. Damit wären Überbevölkerung, Entdemokratisierung und CO2-Ausstoß erst mal erledigt.

 

Nachtrag:

Bitte die heutige Stellungnahme dazu lesen!

 

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