Dienstag, 26. April 2016

Amerika entrückt

Da heute wieder in fünf US-Staaten Präsidentschaftsvorwahlen stattfinden, oszillieren die amerikanischen Newssender in höchster Frequenz.
Connecticut, Delaware, Maryland, Pennsylvania und Rhode Island liegen alle nordöstlich, sind also weiß und weniger evangelikal. Trump-Land.
Auch Hillary Clinton, deren größte Unterstützer sich unter Latinos und Schwarzen befinden, dürfte hier gut abschneiden. Kasich könnte Achtungserfolge erzielen; Cruz hingegen kann kaum gewinnen.


Gestern Nacht sah ich auf CNN eine Reportage über Trump-Supporter, die schon zehn Stunden vor seinen Auftritten in hundert Meter langen Schlangen standen.
Für mein Gefühl waren überproportional viele reifere Frauen dabei, die sich wie 12-Jährige benahmen und wie aus der Zeit gefallene Boyband-Fans hysterisch kreischend feuchte Schlüpfer produzierten.
Der Reporter las ihnen einige der bekannten Trump-Insults vor, in denen er beispielsweise Frauen als „fat pigs“ bezeichnete.
Ob sie es akzeptieren würden, wenn ihre Kinder sich so ausdrückten?
„Noooo, I wouldn’t like that!“
-      „And why do you accept Trump talking in that way?“
Und dann stammelten sie alle sinnlos kichernd vor sich hin. „I cannot answer that question.“ haha, Gnihihi, giggle.

Es war genauso wie diese Straßenumfragen für das Kinderfernsehen, bei denen man Grundschüler fragt was ihr Lieblingstier ist.
Nur daß die Kleinköpfe in diesem Fall schon Mütter und Großmütter waren.

Mir öffneten diese Szenen mal wieder die Augen für das Wesen der modernen Demokratie im Zeitalter der völligen Informationsfreiheit.
Debatten, Analysten, Strategien, Pläne, Konzeptionen sind für die Majorität der Wähler irrelevant, weil sie einfach zu verblödet dafür sind, um Schlüsse zu ziehen.
Die Millionen debilisierten Trump-Anhänger, die sich bereitwillig für ihn prügeln und nach Herzenslust Minderheiten hassen, sind willenloses Plankton im amerikanischen Polit-Meer.
Sie werden einfach aufgesogen von muffigen soziopathischen Stimmungen, sie sind emotionale Surfer auf populistischen Wellen.
Da ihre Hirntätigkeit bereits vollständig zum Erliegen gekommen ist, kann man auch nicht mit den herkömmlichen Fact-Checks und Argumenten gegen sie ankommen.
Antibiotika wirken nicht, wenn eine Bazille im Ruhezustand ist und keinen Stoffwechsel betreibt.
Hunderte Millionen Dollar wurden für Anti-Trump-Aufklärungsspots ausgegeben, jedem Amerikaner in Endlosschleifen vorgeführt wie hanebüchen der Orange-Köpfige lügt.
Es bleibt alles ohne Effekt.

Wenig verwunderlich, daß die Strategien der Trump-Verhinderer auf der GOP-Seite hilflos erscheinen.
Das RNC scheitert seit über einem Jahr unter den Augen der Welt damit eine Alternative zu Trump zu präsentieren.
Trump, der so sagenhaft unbeliebt ist, daß 70% der Amerikaner ausschließen ihn zu wählen, ist allein stärker als die gesamte republikanische Partei.
Nun kann nur noch das Chaos helfen, in dem dann womöglich Paul Ryan als Retter wie Phoenix aus der Asche hervorgeht.

Am 25.04.2016 kommen nun die beiden Loser-Kandidaten der GOP-Seite, die jeweils keine Chance mehr haben die Mehrheit der Delegierten auf sich zu vereinen, endlich auf die Idee sich nicht mehr gegenseitig zu bekämpfen, sondern ihre Kräfte gegen Trump zu bündeln.

Cruz teilte mit, sich auf den US-Bundesstaat Indiana zu konzentrieren und damit Kasich das Feld in Oregon und New Mexico zu überlassen. Kasich wird sich demnach im Gegenzug aus Indiana zurückziehen. Die Vorwahlen dort finden am 3. Mai statt, in Oregon wird am 17. Mai abgestimmt und in New Mexiko am 7. Juni.

Im besten Fall siegt also der „1 von 38 – Mann“ (Trump über Kasich, der nur in einer der bisher 38 Vorwahlen siegte) in den eher unbedeutenden Staaten Oregon und New Mexico, während Ted Cruz den Indiana-Kuchen bekommt.

Aber diese Strategie ist riskant und vor Allem „too late“!
Das RNC hätte das anleiern müssen, als noch mehr Kandidaten im Rennen waren, zumindest Rubio. Mit dem Ausscheiden des Jungsenators aus Florida war der Weg für Trump frei.

Noch schlimmer ist aber, daß diese Absprache bekannt wird, nachdem Trump zwei Wochen lang über das „rigged system“ polemisiert.
Der Kasich-Cruz-Deal scheint da die perfekte Bestätigung für Trumps Kampagne zu sein, die sich als Außenseiter-Bewegung gegen ein korruptes Washingtoner System versteht.


Trump machte den Deal sofort zu einem riesigen Twitter-Thema und fanatisierte seine fanatischen Fans noch weiter.
Inzwischen scheint es immer unwahrscheinlicher, daß die Trump-Supporter einen anderen GOPer wählen würden, wenn ihr Kandidat doch noch in Cleveland ausgebremst werden sollte.

Donald J. Trump @realDonaldTrump
The Cruz-Kasich pact is under great strain. This joke of a deal is falling apart, not being honored and almost dead. Very dumb!

Donald J. Trump @realDonaldTrump 25. Apr.:
Kasich just announced that he wants the people of Indiana to vote for him. Typical politician - can't make a deal work.

Donald J. Trump @realDonaldTrump 25. Apr.:
Shows how weak and desperate Lyin' Ted is when he has to team up with a guy who openly can't stand him and is only 1 win and 38 losses.

Donald J. Trump @realDonaldTrump 25. Apr.:
Lyin' Ted Cruz and 1 for 38 Kasich are unable to beat me on their own so they have to team up (collusion) in a two on one. Shows weakness!

Donald J. Trump @realDonaldTrump 25. Apr.:
Lyin' Ted and Kasich are mathematically dead and totally desperate. Their donors & special interest groups are not happy with them. Sad!

Donald J. Trump @realDonaldTrump 25. Apr.:
Wow, just announced that Lyin' Ted and Kasich are going to collude in order to keep me from getting the Republican nomination. DESPERATION!

Es ist immerhin nicht uninteressant derzeit US-TV zu gucken, weil die Cruz- und Trump-Anhänger sich inzwischen so sehr hassen, daß sie auch vor der Kamera wie Kampfhunde auf Testosteron aufeinander losgehen.


Als fiktionale Drama-Serie ist das schon lustig.
Man darf nur nicht dran denken, daß es um die US-Präsidentschaft geht!

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