Hört, hört; tatsächlich
sehen einige Kommentatoren den abenteuerlichen Zickzackkurs des schlechtesten
Außenpolitikduos seit 1945 als bedenkliches Zeichen für die Wiederwahlchancen
Merkels an.
Wie ich gestern ausführlich zeigte, haben sich
die Kanzlerin und ihr wie üblich irrlichternder Außenminister im diplomatischen
Gestrüpp zwischen St. Petersburg, Brüssel und Damaskus hoffnungslos verheddert.
Selbst die konservativen
Zeitungen, welche in den Wochen vor der Wahl normalerweise ungeniert die CDU
bejubeln, sind so irritiert, daß sie es deutlich zu Papier bringen.
In einem Agenturentext
spricht der SPIEGEL, der morgen mit einer nicht Merkel-freundlichen Titelgeschichte
titeln wird, von einer „Blamage“ Merkels.
Auf dem G-20-Gipfel wurde Angela Merkel
in der Syrien-Frage überrumpelt. Vier große EU-Staaten unterschrieben hinter ihrem
Rücken eine US-Resolution. […]
Deutschlands nachträgliches Ja zum
amerikanischen Syrien-Kurs hatte am Wochenende für Irritationen gesorgt. Am
Freitag hatten sich insgesamt zehn Staaten auf dem Petersburger G-20-Gipfel
hinter eine entsprechende Resolution von US-Präsident Barack Obama gestellt.
Das Papier fordert eine "entschiedene internationale Antwort" auf den
mutmaßlichen Giftgaseinsatz durch das Assad-Regime.
Die Kanzlerin hatte ihre Unterschrift
zunächst verweigert. Sie verließ St. Petersburg am Freitagnachmittag, um bei
der parallel stattfindenden Konferenz der EU-Außenminister in Vilnius eine
gemeinsame Haltung in der Syrien-Frage auszuhandeln. Nach Merkels Abreise
schlossen sich Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien der
amerikanischen Erklärung an - offenbar ohne Wissen der Kanzlerin.
Deutschland war damit der einzige
europäische G-20-Staat, der die Resolution vorerst nicht unterschrieb. […] Doch der
Affront von St. Petersburg hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Der
Eindruck einer vorübergehenden Isolation Deutschlands steht im Raum - genauso
wie der Verdacht, dass Deutschlands Meinung zum Umgang mit der Syrien-Krise
möglicherweise nicht so wichtig ist wie angenommen. Auch werden Erinnerungen an eine andere
Entscheidung wach, die der Bundesregierung großen diplomatischen Ärger
eingebracht hatte: 2011 enthielt sich Deutschland zusammen mit Russland und
China im Uno-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über ein militärisches
Eingreifen in den libyschen Bürgerkrieg. Die USA und die europäischen
Verbündeten waren dafür, Deutschland war isoliert. Die Verbündeten waren
verärgert, die Bundesregierung musste sich monatelang rechtfertigen.
[…]
Es
bleibt aber eine peinliche Panne für Merkel - und überschattet ihren Auftakt
der heißen Wahlkampfphase.
Mit „peinliche Panne“
kommt die Bundesregierung noch ganz gut weg bei SPON.
Stephan-Andreas Casdorff,
der Chefredakteur der nicht als links geltenden Berliner „Tageszeitung“, bricht
den Stab über Merkel und Westerwelle. Er schreibt, die deutsche Diplomatie
könne man vergessen.
Es bleibt ein Desaster, diese neue
Fehleinschätzung der Bundesregierung, wie ihre Gefolgsleute es auch drehen und
wenden und rhetorisch verschwurbeln. Denn es ist ja passiert: Als einziger
europäischer G-20-Staat unterzeichnet Deutschland zunächst eine gemeinsame
Erklärung nicht, in der eine entschlossene internationale Reaktion auf den
Einsatz von Chemiewaffen in Syrien gefordert wird. Eine entschlossene Reaktion,
wohlgemerkt, kein Militärschlag. Das Papier, am Rande des Gipfels von St.
Petersburg verabschiedet, trug elf Unterschriften, nur die von Angela Merkel
nicht.
[…]
Um
ein Haar, und Merkel hätte die Bundesrepublik, die stärkste wirtschaftliche
Nation in Europa, für manche in der Welt eine Art Orientierungsmacht in Europa,
im Fall Syrien in ein Lager mit Russland und China gebracht. Deutschland, ohne
Orientierung, in außenpolitischer Ohnmacht? [….]
Warum hat die Bundesregierung die EU
nicht längst selbst zur Plattform der Suche nach einer diplomatischen Lösung
gemacht? Dorthin hätte sie – die ohne Gewissensbisse Tonnen von Waffen liefert
– Saudis und Katarer einladen sollen, dazu die Russen, um auf sie alle
einzureden. Denn es ist offenkundig: Katar und Saudi-Arabien wollen Syrien zum
„Battleground“ für den Kampf um die Vorherrschaft von Sunni oder Schia in der
muslimischen Welt machen; sie wollen auf syrischem Boden den entscheidenden
Schlag gegen den Konkurrenten Iran führen. Und die Russen machen das mit? Man
muss nicht das Ende eines Krieges abwarten, um „ehrliches Maklertum“ zu
beginnen, wie Lenin die Diplomatie nannte.
Die vergangenen vier Jahre sind
außenpolitisch zum Vergessen. Ohne Kurs, ohne Kompass, ohne Konzept, ohne
Haltung. Und ohne gute Erklärungen. Weiter so? Besser nicht.
Recht hat er, der
Casdorff.
Aber Initiativen und
Konzeptionen von dieser Bundesregierung zu erwarten ist natürlich ähnlich
aussichtsreich, wie der Versuch den Papst zum Atheisten zu machen.
Apropos Franzi. Der
Römische Fußfetischist hat ja einen großen Fan in Berlin: Merkel.
Während die deutschen Bischöfe der CDU Wahlkampfhilfe leisten,
outet sich die Parteichefin entsprechend.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela
Merkel hat sich in einem Interview mit der deutschen katholischen
Nachrichtenagentur (KNA) als Fan von Papst Franziskus geoutet. Sie habe im
Sommer auch das Interview-Buch mit Jose Bergoglio gelesen, berichtete sie.
"Seit seinem Amtsantritt beeindruckt mich Papst Franziskus mit seiner
Botschaft und seiner Art. Bei der Privataudienz im Mai habe ich ihn als einen
vielseitig interessierten, sehr gut informierten Mann kennengelernt, als einen
Geistlichen, der sehr den Menschen und ihren Sorgen zugewandt ist. Das Gespräch
mit ihm hat mich neugierig gemacht. Ich wollte mehr über den neuen Papst
erfahren, und deshalb habe ich das Buch gelesen", sagte sie wörtlich.
Insgesamt wünscht sich Merkel von den
Kirchen eine missionarische Haltung. "Ich möchte die Kirchen ermutigen,
lebendig zu sein, auf die Menschen zuzugehen, um sie für das Christentum zu
öffnen". Jede Gesellschaft sei auf ein Fundament grundlegender Werte und
Normen angewiesen, so die CDU-Vorsitzende. Dies speise sich bei uns "ganz
wesentlich aus christlichen Wurzeln".
In typischer Merkel-Art,
fällt sie dem eben noch Hochgelobten aber sofort in den Rücken. Franzi ist
nämlich außerordentlich gegen einen Militärschlag in Syrien engagiert. Merkel
ist nun aber dafür.
"Möge der Krach der Waffen
verstummen": Papst Franziskus fordert mit Zehntausenden Gläubigen ein Ende
der Gewalt in Syrien. Einen Militärschlag der USA lehnt er ab.
[….] Zehntausende Menschen sind dem Aufruf von
Papst Franziskus gefolgt und bei einer Friedenswache auf dem Petersplatz in Rom
für ein Ende der Gewalt in Syrien eingetreten. Im gemeinsamen Gebet rief
Franziskus vor bis zu 100.000 Gläubigen zu einer friedlichen Lösung im
Syrien-Konflikt auf. Christen, Muslime und Juden in vielen Teilen der Welt
unterstützten die Initiative.
"Heute Abend bitte ich den Herrn,
dass wir Christen und unsere Brüder und Schwestern aus anderen Religionen (...)
mit aller Kraft ausrufen: Gewalt und Krieg sind niemals der Weg zum
Frieden!" "Möge das Waffenrasseln aufhören", mahnte das
Oberhaupt der katholischen Kirche. Krieg bedeute immer das Scheitern des
Friedens, er sei immer eine Niederlage für die Menschheit. "Wir haben
unsere Waffen vervollkommnet, unser Gewissen ist eingeschlafen, und wir haben
ausgeklügeltere Begründungen gefunden, um uns zu rechtfertigen."
[….]
Bereits
in den vergangenen Wochen hatte Franziskus sich immer wieder für Dialog und
Versöhnung in dem Bürgerkriegsland Syrien stark gemacht und ein militärisches
Einschreiten strikt abgelehnt. Wesentlich ist dabei sein Friedensaufruf
"Nie wieder Krieg" vom 1. September: "Wir wollen, dass in
unserer von Spaltungen und Konflikten zerrissenen Gesellschaft der Frieden ausbricht."
Zudem hatte Franziskus in einem Brief an den russischen Präsidenten und
Vorsitzenden des G20-Gipfels, Wladimir Putin, dafür geworben, den Bemühungen um
Frieden für Syrien eine Chance zu geben.
Waffenlieferantin und
Obama-Unterstützerin Merkel tut also jetzt offiziell das Gegenteil dessen, was
sich der Papst wünscht.
Das Heucheln und Rumeiern
der Kanzlerin erreicht inzwischen ein so unerträgliches Maß, daß selbst die
stramm rechten Kommentatoren der „WELT“ ihre Daumen senken.
Deutschland stiftet mit seiner Haltung
zum Syrien-Konflikt Verwirrung und läuft Gefahr, als Bremser und Bedenkenträger
international in die Isolation zu geraten. Zunächst hatte Bundeskanzlerin
Angela Merkel am Freitag während des G-20-Treffens in St. Petersburg ihre
Unterschrift unter eine von den USA vorgelegte Erklärung verweigert, in der
eine "starke internationale Antwort" auf den mutmaßlichen
Giftgaseinsatz durch das Assad-Regime gefordert wird. […]
Deutschland […] trägt nun
zwei durchaus unterschiedliche Erklärungen mit. Es hat den Anschein, als habe
die Bundesregierung damit auch auf das desaströse Echo reagiert, das ihr
anfängliches Nein ausgelöst hatte. Von der Möglichkeit einer nachträglichen
Unterzeichnung war jedenfalls bis zu ihrer Verkündung durch den Außenminister
nie die Rede.
[…] An der jetzigen Lage, in der Deutschland
wieder einmal als zögerlich dasteht, ist auch die mangelhafte Kommunikation in
St. Petersburg schuld. Als Merkel den Gipfel verließ, war bekannt, das die
Franzosen die USA unterstützen würden, wie sich Italien und das G20-Gastland
Spanien verhalten würden, war aber unklar. Offenbar konnte Obama beide für sich
gewinnen. Deutschland musste reagieren. Zur Not nachträglich.
(Thomas
Vitzthum, Die Welt, 07.09.13)
Bis zur Bundestagswahl
sind es nur noch zwei Wochen.
Vermutlich ist das nicht
genügend Zeit, um die träge Masse des Urnenpöbels von seiner Überzeugung von
Merkels politischen Fähigkeiten abzubringen.
Ich bin sehr gespannt, ob
es noch vor dem 22.09.13 Militärschläge geben wird und was die Bundesregierung
dann offiziell dazu sagt.
Schon jetzt werden aber
die Zweifel an Merkels glattem Wahlsieg größer.
Mit großem Spektakel startet die Union
in die heiße Wahlkampfphase. Doch in der Partei macht sich Unruhe breit: Die
SPD verspürt Aufwind, die CDU-Anhänger wirken müde, die Kanzlerin blamiert sich
beim Syrien-Gipfel. Angela Merkel spürt: Der Sieg ist ihr noch lange nicht
sicher.
[…]
Die völlig auf Angela Merkel
zugeschnittene Kampagne läuft in diesen Tagen nicht mehr ganz rund. […] Zu allem Überfluss patzte auch noch die
populäre Kanzlerin selbst. Und das auf internationalem Parkett, wo sie sich
sonst so wohlfühlt. Das jüngste Ringen um die Syrien-Resolution hat Merkels
außenpolitisches Image angekratzt. […] Viel größere Sorgen als die Maut
bereitet den CDU-Strategen in Berlin jedoch die Wahl im Freistaat als solche.
Welche Auswirkungen das Wahlergebnis im Süden der Republik hat, weiß niemand
sicher. Treibt ein schwaches FDP-Resultat am 15. September den Liberalen im
Bund Wähler aus dem Unionslager zu, damit der Wunschpartner über die
Fünf-Prozent-Hürde kommt? Oder schläfert ein sehr guter CSU-Wert in Bayern die
potentiellen Unionswähler noch weiter ein, weil sie sich zu sicher sind? Schon
jetzt befürchten führende Christdemokraten, die Union könnte bei der Wahl ein
Mobilisierungsproblem bekommen. Man dürfe sich nicht von guten Umfragewerten
einschläfern lassen, warnt CDU-Vize Armin Laschet. "Man kann ein Spiel
auch noch in der letzten Minute verlieren."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen