Samstag, 14. September 2013

Langsam reicht es - Teil VIII

Wochenend und kein Sonnenschein, da nahm ich mir zum Glück allein die aktuelle ZEIT vor.
Also wenden wir uns gleich den ZEIT-Themen zu. Und die sind seit der katholische Giovanni di Lorenzo Chefredakteur wurde, immer frommer.
Es ist nicht neu, daß in der einst so vorbildlichen Qualitätszeitung konservative Leitartikel und schwer religiotische Kirchenhuldigungen stattfinden.

In einem Aufsatz für die neue ZEIT-Beilage „Christ-und Welt“ verkündete er stolz vor jeder Mahlzeit ein Gebet zu sprechen.

Kirche ist allerdings von meinem Leben nicht zu trennen, zu stark ist meine christliche, genauer gesagt: meine katholische Prägung gewesen. […]  Vor knapp zwei Jahren habe ich mit meinem Freund und Kollegen Axel Hacke ein Buch über die Werte unseres Lebens veröffentlicht; es trägt den Titel „Wofür stehst Du?“. Besonders eine Passage daraus hat eine Flut von Zuschriften und Kommentaren ausgelöst. Es geht darin nicht etwa um ein sexuelles Bekenntnis, sondern um ein religiöses. Ich schreibe da, dass wir seit einigen Jahren zu Hause wieder etwas haben aufleben lassen, was lange verschüttgegangen war: Vor dem Essen wird still gebetet, auch wenn Gäste da sind. Ich habe den Satz hinzugefügt: „Sehr oft ist es der schönste Moment des Tages.“
[…]   Ein ähnlich emotionales Bedürfnis spürte ich an dem Tag, als Johannes Paul II. starb. Diese Szene schildere ich ebenfalls in unserem Buch: „Wenige Stunden vor (dem Tod des Papstes) machte ich mich mit meiner späteren Frau auf den Weg zur St.-Hedwigs-Kathedrale in der Nähe des Berliner Gendarmenmarkts. Es war schon spät, und in der Kirche waren viele junge Leute, die nicht so aussahen, als seien sie geübte Besucher von Gottesdiensten. In diesem Moment fühlte ich mich ganz und gar eins mit meiner Kirche. Das Gefühl war: Nicht wir waren ihm, dem Papst, im Sterben nahe, sondern der Papst war sterbend bei uns.
(Giovanni die Lorenzo in Christ und Welt 18/12)

 Es geht weit über eine journalistische Nähe zum Christentum hinaus. So bewirbt die ZEIT beispielsweise offensiv, die im eigenen Verlag erscheinenden „Ethik-DVDs“ des notorischen Lügners Bischof Wolfgang Huber.

Die von Evelyn Finger mit erbärmlichen journalistischen Mitteln geleitete ZEIT-Rubrik „Glauben und Zweifeln“ ist kaum jemals etwas anderes, als eine Plattform für religiöse Eiferer.

Als Zeit-Abonnent bekomme ich jeden Mittwochabend ZEIT-Werbung mit einem di Lorenzo-Video zugeschickt. Der Versuchung sein Gesicht jedem zu präsentieren kann die Inkarnation der Eitelkeit natürlich nie widerstehen.
Gestern war dort zu hören/lesen:

Sehr geehrter Herr Tammox
am Donnerstag erscheint die neue ZEIT mit dem Wichtigsten aus Politik, Wirtschaft, Wissen und Kultur. Ich freue mich, Ihnen hier einige Themen der neuen Ausgabe vorstellen zu können.
[…]   Gesellschaft: Wo Gott nichts zu suchen hat – Ob es um Gotteslästerung, Beschneidung oder Kruzifixe geht; wer mit Glauben Politik macht, schürt immer Unfrieden. Soll Religion deshalb Privatsache sein? Ein Streit, der zur Zukunftsfrage wird.  […] Geht es denn ohne einen religiösen Leitfaden im Politischen Leben???
Ihr
Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur
 (ZEIT-Brief vom 28.11.2012)  

Bei so einer Ankündigung eines notorischen Religioten, erwartet man nichts Gutes.
Aber es kam schlimmer als schlimm. [….]

Grundsätzlich freue ich mich natürlich darüber, wenn religiöse Themen von einer ernstzunehmenden Warte aus erörtert werden; erst recht wenn es sich um Papst und Kurie dreht.
Der Katholizismus ist eine unerschöpfliche Quelle des Wahnsinns. 
Aber eben nicht nur das, denn die Christlich-totalitäre Megaorganisation beeinflusst auch alles andere - Politik, Kultur, Psychologie, gesellschaftliche Debatten.
Nun erwarte ich nicht ernsthaft, daß die völlig unkritische Katholikenbewunderin Evelyn Finger, die das ZEIT-Ressort „Glauben & Zweifeln“ leitet, aus den allgemeinen Franziskus-Festspielen ausbricht.
Aber immerhin gibt es insofern Ausreißer, als die ZEIT ihre „Glauben & Zweifeln“-Rubrik immer mal wieder mit protestantischen Bischöfen bestückt.
Normalerweise verbreiten sich hier vorzugsweise die Top-Katholiban.
Nur ZWEIFLER werden nicht gehört.
Besonders einträglich gestaltet sich die Symbiose mit dem Berliner Ex-Bischof Huber, der am 22.08.2013 wieder eine ganze ZEIT-Seite füllen durfte – und zwar ohne lästige Interviewer. Man druckte einfach Auszüge aus seinem neuesten Buch. Huber versteht nämlich so viel von Moral und Ethik.

Das erklärte Bischof Wolfgang Huber einst im TV.

Das sagt der Mann, der als oberster Evangele Deutschlands seine Moral beeindruckend unter Beweis stellte.

Dass Huber, der es immerhin fertigbrachte, als EKD-Ratsvorsitzender in einem Schreiben für „Pro Reli“ in 11 Sätzen 6 mal die Unwahrheit zu sagen, heute als Redner und Berater (Hubers Homepage: „Vordenker“) zum Thema „Ethik“ unterwegs ist und sich „vor allem der Wertevermittlung in Wirtschaft und Gesellschaft“ widmet, erinnert in seiner Dreistigkeit ebenfalls an den Verteidigungsminister.)
(Skydaddy 25.02.2011)

Berauscht von seiner eigenen Wichtigkeit stellte er sich ganz selbstverständlich außerhalb der normalen Koordinaten von Anstand und Wahrhaftigkeit.

Aus Hubers Buch zu zitieren, fällt mir schwer, weil mir meine Tagamed-Tabletten gegen Magengeschwüre ausgegangen sind. Na gut, aber nur ein paar kurze Sätze.

[…] Grenzen der Freiheit […]
Indem wir handeln, müssen wir damit rechnen, dass wir auch an Personen schuldig werden. In dieser Erfahrung tritt uns vor Augen, was grundlegend das Gottesverhältnis des Menschen prägt. Vor Gott kann sich kein Mensch der Bedingtheit seiner Freiheit entziehen. Gott gegenüber nimmt der Mensch sich als ein Empfangender wahr, weil er Leben und Freiheit als Gaben Gottes empfängt. In der Dankbarkeit dafür macht er sich bewusst, dass sein Leben endlich ist und seine Freiheit bedingt. Wenn die Gabe der Freiheit den Ausgangspunkt bildet, liegt die entscheidende ethische Aufgabe darin, die geschenkte Freiheit zu bewahren und zu bewähren.

Also nur die Angst vor der Strafe Gottes bringt uns laut des führenden Ethikers Deutschlands dazu uns nicht so zu verhalten, daß wir anderen schweren Schaden zu führen! Was für ein Bullshit! Die individuellen Freiheitsrechte und der Schutz von Schwachen sind Errungenschaften, die Humanisten mühsam den Kirchen mit ihrer Gotteslehre ABTROTZEN mußten!

You think you’re a good person because you have Christian values? Do you want to know what Christian values are? Christian values are a load of shit. What are Christian values? The Ten Commandments. What are the Ten Commandments? Very sensible values to live your life by. Do you know what’s a load of shit about them? The fact that you had to have them written down! The fact that you couldn’t figure out internally not to kill people, don’t steal… really? You should just know these. These should be internal in you. The Bible is too wordy. All the stories are too wordy. The Ten Commandments are a load of shit. You don’t need all these things. The Bible should be just one sheet of paper and on that sheet of paper it should say just one thing “Try not to be a cunt.

 Heißt: Benimm Dich.
Daß man nicht morden und vergewaltigen soll, müßte einem klar sein, ohne daß es umständlich aufgezählt wird. Und man sollte sich daran halten, weil man davon überzeugt ist und nicht bloß, weil Gott einem dann mit der Hölle droht.

[…] Religion und Ethik […]
Wie können universalistische Normen für die Einzelnen verbindliche Bedeutung gewinnen? […]  Vielmehr gehört es zu [den] Aufgaben [der theologischen Ethik], dieses Ethos zu anderen ethischen Haltungen ins Verhältnis zu setzen. Im christlichen Ethos geht es stets auch um die Ordnung der Gesellschaft im Ganzen. Es beschränkt sich nicht auf die Menschen, die zu einer christlichen Gemeinschaft gehören, sondern tritt für die Achtung der Würde aller und die Wahrung ihrer Rechte ein.

Das ist der Nukleolus des religiösen Übels:
Sie kümmern sich nicht um ihren eigenen Mist, sondern fühlen sich allgemein zu ständig. Sie wollen auch das Leben von Humanisten und Agnostikern diktieren, weil sie von einer tiefen „Wir-sind-besser-als-die“-Ideologie durchdrungen sind. Darin liegt die Ursache von 16.000 religiös begründeten Kriegen, die seit dem Auftritt von Jesus geführt wurden.

[…] Richtige Liebe […]
Die Geschichte des christlichen Glaubens enthält beeindruckende Beispiele dafür, dass der Geist der Liebe sogar die Vorordnung des Richtigen vor das Gute infrage stellt. Wenn das Mitleid mit den Leidenden zu eigenem Opfer führt oder die Missachtung elementarer Menschenrechte einen Widerstand auslöst, der mit dem bewussten Einsatz des eigenen Lebens verbunden ist, gerät die Vorordnung des Richtigen vor das Gute ins Wanken. Solche Beispiele ermutigen dazu, nicht nur danach zu fragen, was wir anderen schulden, sondern uns über das Geschuldete hinaus für das einzusetzen, was uns wichtig ist. Sie schaffen eine Atmosphäre der Empathie, die dem schwachen und verletzlichen Nächsten besondere Aufmerksamkeit schenkt.  […] Theologische Ethik ist deshalb nicht nur für die Sphäre des Guten von Bedeutung, sondern auch für die des Richtigen. Die Reflexion menschlichen Verhaltens muss beides umfassen: das moralisch Richtige und das ethisch Gute.

Dazu fehlen mir die Worte. Theologen, die sich noch heute auf eine Schrift stützen, die Sklaverei, Prügelstrafe, Entrechtung von Frauen, Todesstrafe, Verdammung Homosexueller und das Verbot von Schalentieren-Speisen propagiert, wollen wissen was „richtig“ ist.

Das Beispiel Sexualethik […]
Moralisch richtig erscheinen Beziehungen, die durch Verlässlichkeit und Verantwortung geprägt sind, in denen keiner die oder den anderen zum bloßen Mittel macht, in denen sich Vertrauen und Treue entwickeln können.
Es geht nicht darum, bestimmte sexuelle Orientierungen zu diskriminieren.

Diese modifizierte Schwulenethik finde ich fast noch schlimmer als die alte Höllendrohung. Neuerdings akzeptieren die Evangelen also homosexuellen Sex – WENN ER DENN  möglichst weit an die monogame eheliche Form der Partnerschaft angepasst ist.
Wer ist Huber eigentlich, daß er Menschen die Moral abspricht, die nicht monogam („verlässlich“) leben? Wer in einer Dreierbeziehung lebt oder jede Woche einen anderen Sexualpartner hat, wer gerne in einen Dark Room geht oder drei Mal am Tag masturbiert, ist verdammt noch mal genauso moralisch wie alle anderen auch.
Auch Huber kann nes nicht lassen seine unmaßgebliche Nase unter andere Bettdecken zu stecken.

Shame on you ZEIT für den wieder einmal vollkommen unkritischen Abdruck dieses Alt-Bischofs!

Falls es noch jemanden interessiert; in der neuesten ZEIT-Ausgabe vom 12.09.13 wird die Rubrik „Glauben und Zweifeln“ mit einem ganzseitigen Kardinal-Marx-Interview, geführt vom Katholiken di Lorenzo, gefüllt.
Wird auch ZEIT, daß die ZEIT mal wieder Kardinal Marx interviewt.
Zuletzt füllte er 2012 eine ganze Seite und die anderen Kardinäle sind auch schon alle einmal durchgenudelt und gelobhudelt worden.








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