Eine meiner wenigen Erfahrungen
bei einer SPD-Distriktversammlungen – damals noch mit meinem
Bundestagsabgeordneten Freimut Duve, 1980-1998 Abgeordneter, 1998 bis Dezember
2003 OSZE-Beauftragter für die Freiheit der Medien, also einem der integersten
und anständigsten Politiker, die es nach dem Krieg gab, endete ungut.
Wir Hamburger fühlten uns
gut aufgestellt. Der ehemalige Hamburger Bürgermeister und Intellektuelle Hans-Ulrich
Klose war damals Chef der SPD-Bundestagsfraktion.
Die Bundestagswahl 1994 stand an und wir diskutierten weshalb die Umfragen für Kanzlerkandidat Scharping so mies aussahen.
Die Bundestagswahl 1994 stand an und wir diskutierten weshalb die Umfragen für Kanzlerkandidat Scharping so mies aussahen.
Die alten SPD-Hasen hatten
das SPD-Wahlprogramm genau im Kopf und stritten leidenschaftlich über angeblich
fehlenden Passagen. Man rätselte auf hohem Niveau darüber wieso die diesjährige
Programmatik nicht so beim Wähler zündete, wie man es sich vorgestellt hatte.
Duve hielt sich im
Programmstreit sehr zurück, erzählte uns aber einiges über das Klima in der
SPD-Bundestagsfraktion, wie die Zusammenarbeit laufe.
Diese Insiderinformationen
waren für mich extrem spannend; so interessant, daß ich gar keine Lust
verspürte zu den Unterpunkten irgendwelcher Paragraphen des Wahlprogramms
zurück zu kehren.
Also warf ich mutig in die
Runde, daß doch sowieso keiner das Wahlprogramm lese. Unser
Mobilisierungsproblem hieße stattdessen „Scharping“. So ein phlegmatischer
Vollbart aus der Pfalz zünde hier nun einmal nicht.
Uiuiui. Da war vielleicht
was los. Es gab Klassenkloppe gegen mich. Ob ich denn nicht wüßte, daß man in
Deutschland Parteien und nicht Personen wähle?
Es käme darauf an welche Politik genau nach der Wahl umgesetzt würde und nicht darauf, WER sie umsetze.
Es käme darauf an welche Politik genau nach der Wahl umgesetzt würde und nicht darauf, WER sie umsetze.
Eine absurde Situation, da
ich zufällig zu dem einen Promille der Bevölkerung gehöre, das sich tatsächlich
Parteiprogramme ansieht und ausgerechnet in meinem SPD-Ortsverein nun die
Position der wenig- bis gar nicht interessierten Normalwähler verteidigte.
Damals war ich übrigens noch sehr nett und kannte das Wort „Urnenpöbel“ noch
nicht.
Inzwischen kommt mir die
Episode wie ein Disput aus längst vergangener Zeit vor. Aus dem letzten
Jahrtausend.
Merkel hat schließlich
eindrucksvoll bewiesen, daß Programme völlig überflüssig sind.
Die gesamte 2009er Programmatik
ihrer Koalition ignorierte sie, setzte keinen einzigen Punkt um und
kommt nun völlig ohne Inhalte aus.
Es geht jetzt um Verniedlichung, um die
Schonung der Bürger. In zwei Wochen ist Bundestagswahl, aber im Land ist da -
von kaum etwas zu spüren, und das liegt vor allem an der Kanzlerin. Wohl noch
nie hat ein deutscher Regierungschef das Volk im Wahlkampf so sediert wie Merkel;
statt mit den Bürgern darüber zu reden, wohin sie das Land führen will, behandelt
sie die Wähler wie Kinder, die der Mutter einfach vertrauen sollen. Das Wort,
das einem dazu einfällt, lautet: Selbstgefälligkeit. Im Moment wirkt sie auf
die Bürger wie eine Kanzlerin, die Erklärungen nicht mehr für nötig hält. [….] In diesem
Wahlkampf heißt Merkels Botschaft: Merkel. Wenn sie nach dem Smalltalk ans
Mikrofon tritt, dann zeichnet sie ein Land, dem es gutgeht und in dem sich
nicht viel ändern muss, schon gar nicht an der Spitze: Sie sagt: „Wir stehen
als Deutschland ganz gut da.“ Sie sagt: „Eine menschliche Gesellschaft schätzt
die Älteren.“ Sie sagt: „Ich grüße die vielen Kinder.“ [….] Ihre Botschaft lautet: Liebe Landsleute,
ihr habt genug geschafft, jetzt sind die anderen dran. So ist es nur konsequent,
dass ihr Statement am Ende des TV-Duells nicht mit einem Appell endet, sondern
mit dem Satz: „Und jetzt wünsche ich Ihnen einen schönen Abend.“ Es ist der
Gruß eines Chefs, der seinen Leuten die verdiente Ruhe wünscht.
(DER
SPIEGEL Nr. 37/2013)
Die Huhn-oder-Ei-Frage ist
offen. Ist das Volk so verblödet, daß Merkel sich nur erfolgreich angepasst
hat, um beliebt zu sein? Oder hat die Verblödungspolitik die Wähler so
systematisch unterfordert, daß es sich die Politiker anpasste?
Empirisch muß man immerhin
feststellen, daß es gerade die absolut inhaltslostesten Politiker sind, die sich
nie auf eine Position festlegen ließen, die es zu dem allerhöchsten
Beliebtheitswerten und damit den höchsten Ämtern brachten: Merkel, Wulff, von
und zu Guttenberg, Gauck, Seehofer. Bis heute kann sich niemand erinnern wofür
ein Guttenberg oder ein Wulff eigentlich politisch gestanden hatten. Offenbar wird
so ein geschmeidig-schleimiges Verhalten vom Urnenpöbel belohnt.
Auch im aktuellen
Hessischen Wahlkampf hat der bis vor einem Jahr noch hoffnungslos abgeschlagene
Ministerpräsident Bouffier jetzt gute Chancen wiedergewählt zu werden, weil er
seit Monaten politische Themen meidet und sich nur noch als grinsender Landespapa
zum Anfassen inszeniert.
Es geht in diesem Land
also offensichtlich ohne Programm, aber nicht ohne eine Person, die als
Projektionsfläche dient.
Es braucht beliebtes
Personal, um gewählt zu werden.
Ja, Steinbrück mag
kompetenter, geradliniger und konzeptionell ausgefeilter als Merkel sein, aber
das ist alles irrelevant, wenn Merkel nach dem Plausch über Kuchenrezepte „netter“
wirkt.
Es gibt mit den Grünen und
der Linken zwei Parteien, die ziemlich konkrete und ausgefeilte Konzepte haben.
Die haben alle mal gerechnet und sich schon vor der Wahl auf die Suche nach dem
Machbaren gemacht. Für einige Wähler ist das interessant.
Aber ohne ein beliebtes
Zugpferd kommt man nicht in den zweistelligen Bereich bei Umfragen. Die Grünen
haben mit Roth, Trittin und Künast immerhin einige Politiker, die man kennt.
Daher stehen sie noch etwas besser da, als die LINKE, die sich mit Riexinger
und Kipping zwei Parteivorsitzende leisten, die niemand auf der Straße erkennen
würde.
Ich könnte mir beide Parteien
recht gut in einer Bundesregierung vorstellen, weil sie über eine beträchtliche
Reserve an erfahrenen Parlamentariern und Fachpolitikern verfügen.
Es ist schon erstaunlich wie
oft die Mainstreammedien über Vorkommnisse berichten, die nur durch
parlamentarische Anfragen der LINKEN aufgedeckt wurden, weil sich nie ein Journalist
dafür interessierte. Gestern erfuhr man beispielsweise durch so eine
LINKEn-Anfrage, daß die Bundesregierung in den letzten vier Jahren eine Milliarde Euro für dubiose externe Berater rausgeprasst
hat. Und vor drei Wochen fand die LINKE in Hamburg heraus, daß täglich 40 Tonnen Munition über den Hamburger Hafen
in alle Welt exportiert werden.
Der ehemalige
UN-Inspekteur Jan von Aken aus Hamburg ist einer der renommiertesten
Waffenexport-Experten Deutschlands. Seine
parlamentarische Arbeit ist vorbildlich und informativ. Aus Sicht der Linken,
ist es sicher extrem ärgerlich, daß ihre guten Parlamentarier nicht für mehr Lob
in den Medien und bessere Umfragezahlen sorgen. Immerhin legen sie derzeit zu
und werden damit womöglich Merkel die Kanzlerschaft sichern, indem sie durch
ihren Antikriegskurs RotGrün die entscheidenden Stimmen wegnehmen.
Dunkelschwarz
sieht es für die Piraten aus.
Sie verfügen über kein nennenswertes Programm und stellen Forderungen auf, die
kein Mensch in der Bevölkerung der Partei zuordnen kann.
Damit das nicht
missverstanden wird: Einige dieser Forderungen unterstütze ich absolut und
wünschte mir, daß meine Partei dies so deutlich vertreten würde.
Da ist als erstes die
Trennung von Staat und Kirche zu nennen. Aber auch beispielsweise dir
Drogenpolitik.
Aber was nützt das, wenn
kein Pirat etwas zur Europroblematik, Syrien und der Energiewende zu sagen hat?
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Und wenn sie schon gar
nichts zu sagen haben, sollten sie dies wenigstens wie Merkel so an den
Urnenpöbel bringen, daß dieser aufmerksam wird.
Das Personal der Piraten
ist aber noch wesentlich schlimmer als ihr Programm. Da ist schlicht niemand,
der überhaupt in der Lage wäre als Bundesparlamentarier zu überzeugen. Oder
kennt jemand einen Namen?
Bernd Schlömer, der Chef der Piratenpartei
steht fest zu seinem Dienstherrn Thomas de Maizière und
unterstützt die CDU-Waffenexport- und Militärpolitik am Hindukusch.
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Schlömer, 41, Katholik,
ist Regierungsdirektor im Verteidigungsministerium. Der in Berlin lebende
gebürtige Meppener hat Frau und zwei Kinder und ist kerniger
Ex-Panzergrenadier.
Auslandseinsätze der
Bundeswehr unterstützt er leidenschaftlich und tritt auch für deutsche
Waffenexporte ein. (Wahlausschlußkriterium!)
Eine
kompetenzlose Partei ohne Personal zu wählen, um damit Merkel die Macht zu
sichern? Wozu sollte das gut sein?
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Bei der Wahl am 22. September droht der
Piratenpartei erneut ein Scheitern - zwölf Tage zuvor feiert sie in ihrer
Wahlkampfzentrale im Berliner Stadtteil Lichtenberg ihren siebten Geburtstag. […]
Bei der Wahl vor vier Jahren war die
Piratenpartei auf zwei Prozent gekommen. […] Für den 22. September sind die Prognosen nicht gut. Die
Umfrageinstitute sagten der Partei in den vergangenen Wochen maximal drei
Prozent voraus, teilweise weisen die Demoskopen ihr voraussichtliches
Abschneiden schon gar nicht mehr aus. […]
Es geht eben nicht ganz
ohne vorzeigbare Personen.
Die wenigen, die man außer
Schlömer kennt, sind wie der Berliner Oberpirat Lauer ziemlich verwirrt.
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Oder aber sie treten
zurück, nachdem sie bemerkt haben, daß Politik in der echten Realität irgendwie anstrengend ist. Ich kommentiere das nicht einzeln, sondern zitiere nur ein
wenig.
Es gibt ein Leben jenseits von Politik
und Karriere: Mit dieser Entscheidung setzt die Piratin Marina Weisband neue
Akzente im Politikbetrieb. „Es ist völlig normal, dass eine 24-Jährige ihr
Diplom schreiben möchte. Das tun wir 24-Jährigen nunmal so“, schrieb sie in
ihrem Blog. […] Ihre Diplomarbeit über Wertvorstellungen ukrainischer Kinder im Kopf
und die Belastungen der Parteiarbeit in den Knochen, will Weisband jetzt erst
einmal kürzer treten. „Ich werde auf jeden Fall weiter in der Piratenpartei
aktiv bleiben und meine eigenen Themen vorantreiben“, sagte sie der
Nachrichtenagentur dpa.
Dazu gehört auch ein neues Verhältnis
zwischen Politik und Gesellschaft. „Politiker müssen nahbar werden“, wünscht
sich die Piratin. „Ich werde mir keine „dickere Haut“ zulegen, meine Haut ist
dick genug. Ich werde meine Ohren nicht verschließen. Ich bin ein Experiment.
Kann eine Gemeinschaft einen Politiker machen? Können wir die Politik dadurch
verändern?“
Der Chef der bayerischen Piratenpartei,
Stefan Körner, hat den Politischen Geschäftsführer der Piraten, Johannes
Ponader zum Rücktritt aufgefordert und ihm parteischädigendes Verhalten
vorgeworfen. „Ponader redet lieber über das Zurücktreten, statt es endlich zu
machen. Dieses Verhalten schadet der Partei und nervt“, sagte er dem
Tagesspiegel. Seine Ankündigung per Twitter, nicht mehr kandidieren zu wollen,
sei eine absolute Null-Aussage. „Johannes Ponader geht es vor allem um Johannes
Ponader. Er ist nicht in der Lage, Themen zu transportieren und die Partei in
den Mittelpunkt zu stellen, sondern jedes Mal steht er wieder als Person im
Zentrum.
[….] Vor allem Parteichef Schlömer hat sich
dafür stark gemacht, nicht wählen zu lassen, eben um Personaldiskussionen kurz
vor der Wahl zu vermeiden und stärker inhaltlich zu diskutieren. Dafür hat er
auf dem vergangenen Bundesparteitag mehr oder weniger spontan ein Stimmungs-
und Meinungsbild eingeholt. Damals folgte eine breite Mehrheit dem Vorschlag
des Parteichefs. Ponader aber will diese Form der Abstimmung nicht akzeptieren
und brachte vor einigen Tagen erneut Vorstandswahlen für den kommenden
Parteitag ins Spiel. Die Kritik an seiner Person wuchs.
Er selbst hat einen SMS-Dialog mit dem
Berliner Fraktionschef der Piraten, Christopher Lauer, veröffentlicht, in dem
dieser Ponader unmissverständlich zum Rücktritt auffordert ("Wie
verstrahlt bist du denn?"). Nun wurde es wiederum dem Vorstandsmitglied
Klaus Peukert zuviel. Er brachte die Online-Mitgliederbefragung ins Spiel, die
darüber befinden soll, ob bereits im Mai ein neuer Vorstand gewählt werden
soll. Außerdem werden die Mitglieder gefragt: "Welchem Vorstandsmitglied
sprichst du deine Unterstützung aus?"
Der umstrittene Geschäftsführer der
Piratenpartei, Johannes Ponader, gibt sein Amt auf. Er werde seinen Posten auf
dem Bundesparteitag Mitte Mai in Neumarkt zur Verfügung stellen, teilte eine
Parteisprecherin nach einer Sitzung des Bundesvorstands mit.
In seinem Blog netzkind.net führte
Ponader persönliche und politische Gründe für seine Entscheidung an. Schon seit
Längerem vertrete er die Meinung, dass Mitglieder des Bundesvorstands ihr Amt
nicht länger als ein Jahr ausüben sollten, schrieb er.
Obwohl auf dem Parteitag nicht wie von
ihm gefordert der komplette Vorstand neu gewählt werden soll, wolle er seine
Forderung nunmehr "persönlich umsetzen". Ponader ist seit April 2012
Geschäftsführer seiner Partei.
Sie ist die einzige Piratin, die ohne
Risiko provozieren darf. "Ich bin halt süß!", antwortet Marina
Weisband, 25, ironisch-kokettierend auf die Frage, warum sie in ihrer Partei
selten abgestraft wird. Den Vorsitzenden beschimpft die Basis als
"Amokläufer", der scheidende Geschäftsführer wird mit Schmähungen
überzogen.
Und Weisband? Wird geliebt. Noch immer.
Von fast allen. Obwohl sie Sätze sagt
wie: "Wir sind im Arsch." Wie bitte? "Wir sind im Arsch",
wiederholt Weisband. "Aber keiner, aus dem man nicht wieder
rauskommt."
Das Personenkarussell der Piratenpartei
dreht sich munter weiter: Am Donnerstag hat ein weiterer Landeschef seinen Hut
genommen. Michael Hensel, Landesvorsitzender der Piratenpartei Brandenburg,
erklärte seinen sofortigen Rücktritt. Der 35-Jährige hatte das Amt im August
2011 aufgenommen, ein Jahr später wurde er erneut im Amt bestätigt. Hensel
wolle sich nun privaten Belangen widmen. „Bei meiner erneuten Kandidatur im
Rahmen des Landesparteitages in Eberswalde sagte ich, dass ich dieses Ehrenamt
weiter bestreiten möchte, da es mir Spaß macht. Dieser – dringend notwendige –
Spaß ist allerdings in den letzten Monaten immer weiter abhandengekommen und
letztlich nahezu verloren gegangen“, begründete Hensel seinen Schritt in einer
Pressemitteilung.
[…] Erst
am Mittwoch hatte ein weiterer Landesvorsitzender seinen Rücktritt verkündet.
Der baden-württembergische Piratenchef Lars Pallasch zog Konsequenzen aus einer
Reihe von Droh-Nachrichten, die ihn erreichten. Parteimitglieder hatten seine
Arbeit im Landesvorstand kritisiert. […] Pallasch erklärte sein Engagement bei
der Piratenpartei vorerst als beendet. „Ich werde nicht Zeit, Geld und Kraft
investieren, wenn die geleistete Arbeit so gering geschätzt, an anderer Stelle
ein Kampf um persönliche Befindlichkeiten (ja, damit ist Johannes Ponader
gemeint) geführt und sogar unbeteiligten Personen und Kindern Gewalt angedroht
wird“, so Pallasch.
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