Montag, 2. September 2013

Zum Mitschämen



Wie ich gestern mal wieder erwähnte, fiel unsere heißgeliebte Bundesregierung vier Jahre durch glatte Arbeitsverweigerung auf.
Die Kanzlerin rühmt sich ungeniert damit beim Schuldenabbau erfolgreich gewesen zu sein, obwohl sie in vier Jahren über 100 Milliarden Euro neue Schulden aufgetürmt hat.
Dabei müssen Schulden noch nicht einmal grundsätzlich verkehrt sein.
Es hängt zum Beispiel davon ab, wo man sich das Geld leiht.
Hat ein Land eine so hohe Sparquote wie Deutschland, so daß der Finanzminister quasi bei den eigenen Kleinsparern für stabile Zinsgewinne sorgt und diese dann wieder als Nachfrage in die deutsche Wirtschaft eingehen, sind Schulden eigentlich vernünftig. Vernünftiger jedenfalls als in einem Land wie der USA, deren eigene Bürger keine Sparbücher kennen, mit Dutzenden Kreditkarten jonglieren und alles auf Pump kaufen. Dann muß man sich das Geld in China borgen und wird abhängig von einer anderen Nation.
Ob Schulden einigermaßen vertretbar sind, ist ferner davon abhängig, ob das zusätzliche Geld von der Regierung ökonomisch sinnvoll eingesetzt wird.
Als „sinnvoll“ gelten beispielsweise Konjunkturmaßnahmen oder klassische Zukunftsinvestitionen, wie der Ausbau von Schulen, Hochwasserschutz oder die Errichtung von Anlagen zur Gewinnung von regenerativer Energie.
Ganz sicher keine sinnigen Ausgaben sind hingegen die schwarzgelbe Lobbybeglückung wie Hotelsteuerermäßigung oder die Bildungsfernhalteprämie, mit der die Verdummung von Jugendlichen aktiv gefördert wird, indem sie von frühkindlicher Bildung und dem Erlernen sozialer Fertigkeiten abgeschnitten werden.
Einig sind sich aber alle Experten, daß Schulden etwas für Not- und Ausnahmesituationen sind. Sobald ökonomisch rosigere Zeiten anbrechen, sollte der Staat anfangen Geld zurück zu zahlen, da die künftigen Generationen sonst immer weniger Spielraum haben, wenn die Steuereinnahmen weitgehend für Zins- und Tilgungszahlungen verplant sind.
Wolfgang Schäuble erlebte durch die konstruktive Arbeit seiner beiden Vorgänger Eichel (April 1999 bis November 2005) und Steinbrück (November 2005 bis Oktober 2009) rosige Zeiten. Die Steuereinnahmen sprudelten wie nie. Ohne eigenes Zutun füllten sich die Kassen des Finanzministers, der darüber hinaus auch noch 60 Milliarden Euro Zinsen sparte, weil Deutschland das Geld auf dem Kapitalmarkt derzeit hinterher geworfen wird.
Es ist also die klassischen Tilgungssituation, in der unbedingt Schulden zurück gezahlt werden müßten.
Hier versagten Kanzlerin und ihr Finanzminister auf ganzer Linie, indem sie das Geld mit vollen Händen hinauswarfen. Schäuble schaffte es gerade mal die Ausgaben im letzten Jahr etwas weniger als die Einnahmen ansteigen zu lassen. Aber die Ausgaben des Bundes stiegen in jedem Schäuble-Jahr. Haushaltskonsolidierung ist das nicht!
Man fragt sich wie blamabel der Mann erst agieren wird, wenn die Schlaraffenlandzeiten, in denen er wie Sterntaler im Geldregen steht einmal enden sollten.
Es gibt nichts daran zu rütteln: Schwarzgelb ist Gift für solide Finanzen.
Wenig verwunderlich für eine Regierung, die so dreist Energie-intensive Betriebe, Atom- und Kohlekraftwerke, Pharmaindustrie, Hoteliers und Waffenindustrie mit Steuermitteln pampert.
Merkels Lieblingsministerin Schavan, die strenggläubige, zölibatäre Katholikin gab das Geld lieber für Waffen, als für Kinder aus.

Das Haus unterstützt auch zahlreiche Rüstungskonzerne mit Millionen - das geht aus einem aktuellen Katalog hervor, der laufende und abgeschlossen Förderprojekte beschreibt. Mittel aus dem Haushalt des BMBF haben unter anderem namhafte Branchenvertreter wie Diehl Defence, Thales Defence oder Rheinmetall Defence erhalten. Allein Cassidian, die Rüstungssparte des EADS-Konzerns, bekommt zur Zeit in sieben Projekten rund vier Millionen Euro aus dem Forschungsetat.  […] Annette Schavan hilft nun der hiesigen Rüstungsindustrie, dieses Geschäftsfeld weiter zu erschließen. Im Rahmen des Programms "Forschung für die zivile Sicherheit" hat das Ministerium in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 279 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, Anfang des Jahres wurde das Programm verlängert.

Waffen, Waffen und immer wieder Waffen – dafür hatte Merkel stets ein offenes Ohr. Dazu noch die Karriereförderung der eigenen Parteikader.
Dafür war bei dieser Christenregierung eben nie Geld übrig.

Aber ich will nicht ungerecht sein. Bei einer Sache hat die Bundesregierung recht ordentlich gespart. Beim Kampf gegen Xenophobie, Antisemitismus, Homophobie sagte Merkels braune Freundin Schröder immer wieder STOPP.
Was haben die Schwarzgelben angesichts der Morde der NSU und des Totalversagens der Geheimdienste nicht für betroffene Gesichter gemacht.
Aber den Kampf gegen Nazis verhindern sie, indem sie die Mittel entziehen.
Diese Regierung ist nicht nur politisch, sondern auch moralisch vollkommen gescheitert.

Kusche ist Geschäftsführer einer sächsischen Opferberatung, die voriges Jahr allein 206 Menschen betreute, die Zielscheibe rechter Gewalt geworden waren. Die RAA Sachsen e. V. engagiert sich seit zwölf Jahren gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Doch nun sieht es danach aus, als gäbe es für den Verein keine Zukunft – wie für etliche andere Anti-Nazi-Initiativen in der Republik auch.
 „Wir stehen vor dem Aus“, sagt Kusche. Organisationen wie die RAA wurden bislang vor allem durch Mittel des Bundesfamilienministeriums finanziert. Für das Programm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ verteilte die schwarz-gelbe Koalition zuletzt 24 Millionen Euro pro Jahr an die Länder. Doch Ende September läuft das Projekt aus. Kusche hat seine Mitarbeiter bereits über die bevorstehenden Entlassungen informiert, spätestens zum 1. Oktober muss der Verein die Büros kündigen.
Politiker betonen gern die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements. Nach der Enttarnung der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) beschworen Vertreter aller Parteien ein verstärktes Vorgehen gegen Rechtsextremismus. Was läge daher näher, als jene Menschen und Institutionen, die sich tatkräftig gegen Neonazis einsetzen, auch materiell zu unterstützen?
Monatelang hat das gemeinnützige Berliner Unternehmen Phineo die Wirksamkeit eines Engagements gegen rechte Umtriebe untersucht.
 In ihrem Bericht, der diese Woche vorgestellt werden soll, kritisieren die Forscher das staatliche Förderchaos und die chronische Unterfinanzierung von Anti-rechts-Initiativen. „Selbst prämierte Vereine, deren Beitrag für die demokratische Kultur in Deutschland unbestritten ist, kämpfen ums Überleben“, urteilt Phineo-Vorstand Andreas Rickert. So steht etwa der Berliner Verein Violence Prevention Network vor der Auflösung. [….]
(DER SPIEGEL 36/2013)

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