Seit vor
15 Jahren die stramm neoliberalen Typen à la Gabor Steingart und Hans-Ulrich
Jörges die Macht in den Chefredaktionen übernommen haben, ist das simple
neoliberale Denken bei den Wirtschaftsjournalisten nie hinterfragt worden.
Man ist
immer noch auf Linie, frönt dem Sparen, der schwarzen Null, den
Liberalisierungen, der Lohnzurückhaltung.
Mindestlohn
und Rentenerhöhungen gelten als Teufelszeug.
Es ist
fast unmöglich andere Meinungen zu finden – es sei denn es handelt sich um
grundsätzliche Betrachtungen in den Feuilletons. Dort wird der Kapitalismus
durchaus gegeißelt.
Konsequenzen
bleiben aber aus.
In der
aktuellen Morgenpost erscheinen dann solche Kommentare wie die von Maternus
Hilger. Er drischt auch nicht anders als die BILD auf „die frechen Griechen“
ein.
Die
sollen sich Schäuble fügen und basta. Soweit die herrschende veröffentlichte
Meinung.
Dabei
muß man wahrlich nicht Ökonomie studieren, um zu verstehen, daß Deutschlands
Diktat nicht funktionieren kann.
Schäuble
ist der Kassenwart eines Landes mit einem riesigen Handelsbilanzüberschuss. Die
enorme Exportstärke Deutschlands wird heutzutage durch ein Heer von
Niedriglohnjobbern ermöglicht.
Der
Anteil der Arbeitseinkommen am Bruttosozialprodukt schrumpft kontinuierlich.
Die
Armut wächst, die Reichen werden reicher.
Handelsbilanzüberschuss
geht nur, wenn andere Länder ein Handelsbilanzdefizit haben. Das gebietet schon
die Mathematik.
Es
können nicht alle Länder einen Exportüberschuss und damit solche
Haushaltszahlen wie Deutschland erreichen.
Mein
heutiges Posting ist im Grund nur eine Leseempfehlung.
Man möge
sich bitte die Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers Heiner Flassbeck (*1950)
zu den aktuellen griechischen Politik durchlesen.
Flassbeck
war zwei Jahre beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen unter
Oskar Lafontaine und später zehn Jahre lang Chef-Volkswirt (Chief of
Macroeconomics and Development) bei der UNO-Organisation für Welthandel und
Entwicklung (UNCTAD) in Genf.
Flassberg
publiziert viel; man kann auf seiner Web-Plattform FLASSBERG-ECONOMICS
viele kritische Analysen finden, die man in den üblichen Periodika eher selten
kommuniziert sieht.
Apropos Medien,
nachdem die Financial Times Deutschland platt gemacht worden ist und die
Frankfurter Rundschau vor dem Aus steht, gibt es bis auf einige kleine Nischen
auch nicht einmal im Ansatz mehr den Versuch in den deutschsprachigen Medien,
die Wirtschaftspolitik zu hinterfragen und überkommene Dogmen wie die extreme
Exportorientierung oder die Schuldenphobie in Frage zu stellen. In der
Nachkriegsgeschichte gab es noch nie so viele Versuche der Verharmlosung, der
Verschleierung und der offenen Manipulation. Ohne das Internet und Plattformen
wie die Nachdenkseiten wäre die Meinungsfreiheit schon deswegen massiv
gefährdet, weil es ohne alternative Denkansätze auch keine freie
Meinungsbildung geben kann. Das bei den Politikern so beliebte TINA Prinzip
(There Is No Alternative) ist grundfalsch, ja, es ist die indirekte Leugnung
der menschlichen Fähigkeit zu kritischer Analyse und damit des zentralen
Grundsteins von Demokratie und Rechtsstaat.
Zur aktuellen Problematik Varoufakis versus Schäuble
empfehle ich dieses Interview – bitte ganz durchlesen!
[….]
Frage:
Der deutsche Finanzminister Schäuble hat
sauer auf die Vorschläge des griechischen Finanzministers Varoufakis reagiert.
Er hat erklärt, man könne nicht dauernd über seine Verhältnisse leben und dann
immer Vorschläge machen, was andere noch bezahlen sollen.
Flassbeck:
Die griechische Position ist vernünftig.
Wenn etwas unvernünftig ist, ist es die Position der deutschen Regierung.
Griechenland fordert das eigentlich Selbstverständliche, nämlich dass eine
gescheiterte Politik eingestellt wird. Diese Politik, die in den letzten fünf
Jahren von den Gläubigern auferlegt wurde, ist grandios gescheitert. Sie hat
zum stärksten Absturz einer Wirtschaft geführt, den wir überhaupt seit der
grossen Depression gesehen haben. Sie hat in Griechenland katastrophale
Zustände verursacht.
Frage:
Nur: Griechenland hat doch über seine
Verhältnisse gelebt, da hat Schäuble recht.
Flassbeck:
Griechenland hat über seine Verhältnisse
gelebt, Deutschland hat unter seinen Verhältnissen gelebt. Wer hat den
grösseren Fehler begangen? Eindeutig Deutschland. Gemessen an dem, was einmal vereinbart
worden ist, eine europäische Währungsunion mit einem Inflationsziel von zwei
Prozent. Da muss man sich mit seinen Löhnen an die Produktivität anpassen. Das
hat Deutschland nach unten getan, Griechenland nach oben. Deutschland hat aber
quantitativ mehr gesündigt als Griechenland. Dieser Hinweis fehlt im Brief von
Varoufakis, aber er weiss das, ich habe es ihm persönlich gesagt.
[….]
(Interview
Schweizer Tages Anzeiger 21.02.2015)
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