Sonntag, 15. Februar 2015

Pech in Hamburg



Achh, grrr…, nachdem die Hamburger SPD bei den letzten Bürgerschaftswahlen im Jahr 2011 vier bis fünf Prozentpunkte besser abgeschnitten hatte, als prognostiziert, hoffte ich natürlich auch diesmal, es könnte nach zuletzt vorhergesagten 47% für eine absolute Mehrheit reichen.
Knapp verpasst. Und dafür ist die rechtswiderliche AfD im Parlament. So hatte ich mir das natürlich nicht gedacht.
Da wir Hamburger kumulieren und panaschieren, gibt es noch kein Wahlergebnis. Anders als in Bananenrepubliken wie der USA werden wir aber bald unbezweifelbare Zahlen einer Sechsparteien-Bürgerschaft haben, die ungefähr so aussehen:

SPD 45,7% (-2,7%)
CDU 15,9 % (-6,0%)
Grüne 12,2 % (+1,0%)
FDP 7,4% (+0,7%)
Linke 8,5% (+2,1%)
AfD 6,1% (+6,1%)

Anders als bei vielen Landtagswahlen, gibt es diesmal wohl wenig Spielraum zur Interpretation. Die Analyse der Zahlen ist eindeutig. In einer ZDF-Befragung nach der Zufriedenheit mit Olaf Scholz sagten 83% der Hamburger er mache seine Sache gut. Für „schlecht“ votierten nur 12%.
Es gab keinen ernsthaften Zweifel, daß Scholz weiter regieren würde, also packte viele Wähler das Phlegma; sie schleppten sich erst gar nicht zur Wahlurne. Die Wahlbeteiligung sank auf den historischen Tiefstwert von 53%. Das kostete die SPD die absolute Mehrheit und schob FDP und AfD über die 5%-Hürde, da die Wähler der Kleinen immer besser mobilisiert sind.
CDU-Wersich sagte, das schlechteste CDU-Ergebnis aller Zeiten habe daran gelegen, daß es keine Machtperspektive gab. Das ist ausnahmsweise keine Ausrede, sondern dürfte der Wahrheit entsprechen.
Wersich hatte zwar im Duell mit Scholz recht heftig gelogen und damit an die unsägliche Lügen-Tradition der CDU-Parlamentarier in Hamburg angeschlossen, aber insgesamt war er doch eher moderat und wenig polternd.
Befragt man alle Wähler Hamburgs, wieso sie nicht die CDU gewählt haben, bekommt man weit überwiegend die Antwort es habe an den Inhalten gelegen. Ganz anders das Bild bei den CDU-Sympathisanten, die lieber die Schuld Wersich zuschieben. Recht mies. Als ob irgendjemand anders den Job übernommen hätte in den aussichtslosen Kampf gegen Scholz zu gehen.

Meine hier mehrfach beschriebene Analyse von der CDU als Partei ohne Unterleib hat sich bestätigt: Ja, alle lieben Merkel, aber dahinter kommt nichts mehr.

Die vielbeschriebene Großstadtschwäche der CDU hat sich mit der Wahl in Hamburg weiter verfestigt.  Es ist das schwächste Ergebnis der CDU bei einer Landtagswahl seit 50 Jahren.
Nach den glorreichen Zeiten unter Ole von Beust mit Werten von 47,2 und 42,6 Prozent in den Jahren 2004 und 2008 verlor die Hamburger CDU bereits bei der letzten Bürgerschaftswahl im Februar 2011 fast die Hälfte ihrer Wähler. Die mageren 21,9 Prozent vor vier Jahren wurden nun noch unterboten.
Daran kann auch der Versuch des parlamentarische Geschäftsführers der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, das Abschneiden seiner Partei zu relativieren, wenig ändern: "Das ist kein schönes Ergebnis. Nun war es aber das Ergebnis einer einzelnen Großstadt - nicht mehr und nicht weniger."
Die Großstadt-Offensive der CDU zeigte zumindest in Hamburg keine Wirkung. Seit dem Sommer 2014 ist der Berliner Bundestagsabgeordnete Kai Wegner Großstadtbeauftragte der CDU/CSU. Er soll Wege aufzeigen, wie seine Partei wieder im urbanen Milieu punkten kann. Kurz zuvor hatte die CDU in Düsseldorf den Bürgermeisterposten an die SPD verloren - es war die letzte der zehn größten Städte, in denen sie noch regiert hatte. In Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Dortmund, Essen und Bremen sind SPD-Politiker die Chefs im Rathaus, in Stuttgart ist es der Grünen-Politiker Fritz Kuhn.

Ziemlich albern waren heute die Versuche der Journalisten Olaf Scholz eine Kanzlerkandidatur zuzuschieben.
Das kennen wir ja schon von 2011, aber offenbar will er erstens tatsächlich in Hamburg bleiben (er hat ja genügend bundespolitische Erfahrung als Bundesarbeitsminister und SPD-Generalsekretär) und zweitens hängt das alles von Angela Merkel ab.
Wenn sie 2017 noch einmal antritt, wird sie auch gewählt. Da hat niemand eine Chance. Wer sollte da den undankbaren Job als Zählkandidat übernehmen? Die Suppe würde wohl Gabriel auslöffeln müssen; immerhin ist er Vizekanzler.
Ulrich Deppendorf behauptete immer wieder, Scholz käme für 2021 in Frage.
Das halte ich aber für sehr fraglich, ob Scholz dann nach einer Dekade als Hamburger Regierungschef mit Mitte 60 noch so ein Abenteuer beginnen würde.
Außerdem wäre Gabriel dann an der Reihe, sobald es echte Chancen für einen SPD-Kanzler gäbe.
Aber Deppendorf behauptete auch, Nahles und Weil liefen sich für 2021 warm.
Das sehe ich absolut noch nicht.
Nahles ist einfach zu unfähig und vor allem zu unbeliebt. Und bei Weil sehe ich kein bundespolitisches Format.

Insgesamt war es heute wieder einmal ein Wahlabend mit äußerst durchwachsenen journalistischen Leistungen. Niemand nahm die CDU für ihre 15,9 oder 16,0% in die Zange. Tauber konnte mit lächerlichen Ausflüchten davon kommen. Es sei eben in den Städten „eine Frage der Persönlichkeiten“ – so die Steilvorlage des CDU-Generals vor Schaustens Füße. Statt ihn zu fragen, wieso die CDU denn keine Persönlichkeiten habe, grinste sie nur und dankte ihm.
Sowohl Bettina Schausten im ZDF als auch Jörg Schönenborn ließen ihre Sympathien für schwarzgelb erkennen. Das ZDF zeigte um 18.13 Uhr ausführlich die Jubelstellungnahme Christian Lindners, während ntv und Phönix schon Live-Schaltungen zum Mann des Abends offen hatten, nämlich Scholz, der in der Altonaer „Fabrik“ vor die Kameras gegangen war.
In der ARD räumte Schönenborn knirschend ein, daß man der SPD trotz der Verluste an diesem Abend auch einen Erfolg zubilligen müsse. Eine seltsames Statement bei einer SPD, die DREI MAL so stark wie die CDU wurde.
Im ZDF befragte Schausten derweil den „Politikwissenschaftler“ Karl-Rudolf Korte; natürlich OHNE zu erwähnen, daß er CDU-Mitglied und Merkel-Biograf ist; zum Abschneiden der FDP. Seine unfassbar absurde Antwort – „offensichtlich haben die Wähler hier in Hamburg keine Angst vor der Freiheit und wählen deswegen die FDP!“ – nahm sie ebenfalls lächelnd hin, ohne ihn zu ohrfeigen oder zumindest nachzufragen, ob er ernsthaft meine die Wähler von SPD, Linken und Grünen hätten alle Angst vor der Freiheit.

In den großen Kandidatenrunden wurde konsequent von allen sechs Parteienvertretern die Linke Dora Heyenn als letzte befragt, obwohl sie klar mehr Stimmen als AfD-Kruse und FDP-Suding hatte. Für ZDF und ARD sind Linke immer noch Paria, die man nur mit Missachtung und möglichst kurz anspricht.

Der schlimmste Ausfall des Abends war Grünen-Spitzenkandidat Jens Kerstan, der frech log und wie aus seiner schwarz-grünen Zeit gewohnt seinem Hass auf die SPD frönte. Undiplomatisch, unseriös, unsäglich. Den will ich nicht auf der Senatsbank sehen. Mein Mitleid gilt Scholz, daß er mit solchen Typen verhandeln muß.

Der beste Einfall des Abends kam vom Grünen Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der in der Berliner Runde dem schon wieder xenophob faselnden Ex-Dr. Scheuer vorwarf zu „hetzen“ und ihm dann ganz ruhig erklärte in der CSU wären zum Thema Einwanderungspolitik ziemlich viele Vollpfosten unterwegs.

Wo er Recht hat…..

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