Hauptsache
Profilierung am rechten Rand. Scheiß auf Europa, scheiß auf Griechenland.
Schäuble
drückt seine Austeritätspolitik durch, ohne daß es irgendwelche Belege dafür
gäbe, daß es jemals in der Geschichte der Menschheit funktioniert hätte eine
bankrotte Wirtschaft durch radikales Sparen und Abwürgen jedes
Konjunkturimpulses mitten in der Krise wieder in Gang zu bringen.
Ich
wiederhole es immer wieder:
Auch
Deutschland steht heute so gut da, weil die Bundesregierung im Krisenjahr 2008
durch den SPD-Finanzminister Steinbrück genau das diametrale Gegenteil dessen
tat, was man heute von Athen verlangt:
Es
wurden massive Konjunkturprogramme aufgelegt, zig Milliarden Euro geliehen, um
die stotternde Nachfrage wieder anzukurbeln. Merkel und Steinbrück fluteten die
heimische Wirtschaft geradezu mit Geld – Beispiel Abwrackprämie.
Das
was damals offensichtlich funktionierte, will man nun gerade NICHT für
Griechenland, sondern setzt auf ein Rezept, das noch nie funktionierte, das
Millionen in Armut treibt, Tausende Kinder hungern läßt.
Ausgerechnet
Merkel, die Frau mit dem vollen Hosenanzug, die ihren Wählern nicht die
allergeringste Änderung zumuten mag, verlangt von den Griechen noch viel
radikaler zu kürzen. Man stelle sich vor, was in Deutschland los wäre, wenn
hier die Renten um 50% gekürzt würden und die Wähler daraufhin Obdach und
Krankenversicherung verlören.
Ich
wage sehr zu bezweifeln, daß sie bei der nächsten Wahl wieder CDU wählen
würden, damit die noch grausamer spart.
Und
nun, Potzblitz, Überraschung, haben die griechischen Wähler gesagt: ES REICHT.
Sie wollen endlich eine andere Politik. Eine Politik, die nicht fremdbestimmt
ist und offensichtlich seit Jahren die Lage immer nur verschlimmert.
In der
Tat sitzt Griechenland deswegen mehr denn je in der Patsche, da es insbesondere
von den Deutschen aufgezwungen jeden Cent an die ausländischen Gläubiger zahlen
muß und für die eigene Wirtschaft keinerlei Impulse mehr setzen kann
[…] Die
Verhandlungen zwischen Griechenland und der Euro-Gruppe finden hinter
verschlossenen Türen statt. Doch schon kurz nach dem letzten gescheiterten
Treffen am Montag zirkulierten verschiedene Beschlussvorlagen im Internet. Nun
hat das griechische Finanzministerium nachgelegt und zahlreiche Dokumente der
letzten zwei Euro-Gruppen-Treffen veröffentlicht - auch die Reden von
Finanzminister Giannis Varoufakis (die Sammlung finden Sie als Word-Dokument unter
diesem Link).
Die Redetexte zeigen
Varoufakis weitaus diplomatischer, als er in den Medien häufig dargestellt
wurde. Zugleich neigt der Ökonomieprofessor allerdings zu weitschweifigen
Ausführungen, die nur teilweise mit konkreten Zusagen verbunden sind.
"Ich verstehe
Ihre Ermüdung", versicherte Varoufakis seinen Kollegen zu Beginn einer
langen Begrüßungsrede am Mittwoch vergangener Woche. Er wisse, dass Europa genug
von griechischen Dramen habe - seinen Landsleuten gehe es schließlich genauso.
Dann verspricht
Varoufakis "die reformorientierteste Regierung in der modernen
griechischen Geschichte" und macht auch sonst beachtliche Aussagen. So
könnten Meldungen, seine Regierung wolle den Verkauf des Hafen von Piräus
stoppen "nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein". Man sei in
Fragen der Privatisierung "vollkommen undogmatisch" und werde jedes
Projekt einzeln bewerten. Nur seien Verkäufe in Zeiten tief gefallener Preise,
"nichts, was irgendjemand empfehlen würde".
Auch in anderen
Punkten beklagte Varoufakis falsche oder überspitzte Darstellungen der
Regierungspositionen. So würden Rentenkürzungen nur für Senioren auf dem oder
unterhalb des Armutsniveaus rückgängig gemacht. Der Mindestlohn werde nur
schrittweise und in Absprache mit Arbeitgebern und Gewerkschaften auf das
Niveau von 2012 zurückgeführt. Und die Wiedereinstellung von insgesamt 2013
gefeuerten Staatsbediensteten sei nichts im Vergleich zu 15.000 Neueinstellungen,
welche die Vorgängerregierung beschlossen habe. […]
Varoufakis
ist Opfer seines schlechten Images in Deutschland.
Schäuble
gibt sich alle Mühe das Bild vom häßlichen Deutschen wiederzubeleben.
Griechenland droht
eine Staatspleite, doch noch immer ist keine Einigung im Schuldenstreit mit den
europäischen Gläubigern in Sicht. Zwar stellte die Athener Regierung offiziell
den von den Euro-Partnern gewünschten Antrag auf Verlängerung der Hilfskredite;
doch während die EU-Kommission dies als positives Zeichen wertete, reagierte
Deutschland mit Ablehnung.
Es gibt
Solidarität in Europa.
Man
könnte zusammenhalten und die Gemeinsamkeiten betonen.
Deutschland
stört.
"Die
Bundesregierung muss sich bewegen und ihre Starrköpfigkeit bei den
Verhandlungen mit der neuen Regierung in Athen aufgeben", kommentiert
Sahra Wagenknecht das Eintreffen des Antrags der griechischen Regierung auf
eine sechsmonatige Verlängerung der sogenannten Hilfskredite bei der
Eurogruppe. Die Erste Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE
weiter:
"Die Bundesregierung
muss die Realität zur Kenntnis nehmen, dass die Troika Geschichte ist. Das ist
nicht nur das Ergebnis demokratischer Wahlen in Griechenland, sondern auch die
Konsequenz der Stellungnahme des Generalanwalts vor dem Europäischen
Gerichtshof (EuGH) im Zusammenhang mit dem Anleiheaufkaufprogramm. Die
Europäische Zentralbank (EZB) hat sich aus der politischen Auseinandersetzung
um sogenannte Anpassungsprogramme herauszuhalten. Daher ist die Troika-Mafia
unter Einbeziehung der EZB nicht durch EU-Recht gedeckt. Die Bundesregierung
sollte sich davor hüten, von der griechischen Regierung die Fortführung von
rechtlich zweifelhaften Programmen zu fordern. Außerdem hat die EZB kein Mandat
dafür, ein Land aus der Eurozone zu schmeißen, wenn es finanzpolitische Vorgaben
nicht einhält. [….]
(PM Sahra Wagenknecht 19.02.2015)
Interessanterweise
ist die Linken-Linke Wagenknecht zwar nicht im Tonfall, aber doch in der Sache recht
einig mit dem konservativen Managermagazin.
Schäuble gibt den
Imperator
[….]
Griechenland knickt ein - und Deutschland
sagt immer noch Nein. Mit der prompten Antwort auf den Athener Antrag übernimmt
das Bundesfinanzministerium die Rolle des Bösewichts in der Euro-Gruppe. Es
scheint, als sei ein Bruch der Währungsunion gewollt.
[….]
Athen hat pariert, Dijsselbloem berief
sofort eine neue Extrasitzung der Finanzminister für Freitag ein - doch schon
zwei Stunden später teilte das Berliner Ministerium mit, "der Brief aus
Athen ist kein substanzieller Lösungsvorschlag".
Da will wohl jemand
das Rennen um die sturste Haltung um jeden Preis gewinnen. Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble mag subjektiv gute Gründe für eine Ablehnung haben[….] Die Griechen stellen aber selbst keine Bedingungen und lehnen auch
keine Verpflichtungen explizit ab. Die bloße Verlängerung des bisherigen
"Master Financial Assistance Facility Agreement" ist aktuell die
bestmögliche, pragmatische und elegante Lösung. Der Einwand "Wie erklär ich's
dem Bundestag?" zieht nicht so richtig, wenn im Wesentlichen nur der
bisherige Status Quo für sechs Monate fortgesetzt wird, um ein bisschen
Spielraum und Zeit für eine Einigung zu gewinnen.
[….]
Die eigentlich abgelehnte "Troika"
aus EU, EZB und IWF hat Athen schon auf seiner Seite. Die
"Institutionen", wie sie jetzt heißen, die mit der Aufsicht des
griechischen Programms erfahren sind, halten allesamt mehr Flexibilität für
sinnvoll. Die USA und andere Kräfte der Weltwirtschaft sehen es von der
Seitenlinie genauso. [….] Nun hat
sich Dijsselbloem auch auf diese Seite geschlagen. [….] Doch Schäuble hat den Niederländer, der
bisher als sein Adlatus wahrgenommen wurde und ohnehin mit dem Job riskiert,
als tragische Figur in die Geschichte Europas einzugehen, demontiert. Wenn
Berlin den Athener Brief für indiskutabel hält, wozu sollen sich die
Finanzminister noch treffen? [….]
Man
versteht nicht, daß die deutsche Öffentlichkeit nicht versteht, daß die
Griechen nicht verstehen, wieso diese gewaltigen Milliardensummen, die ihnen
angeblich helfen sollen doch zu fast 80% direkt an den Finanzsektor abfließen –
also unter anderem DEUTSCHEN BANKEN zu gewaltigen Gewinnen verhelfen.
Mindestens 77,12% der
Programmmittel flossen direkt (über Bankenrekapitalisierung) oder indirekt
(über Staatsanleihen) an den Finanzsektor.
Schäuble
schiebt das Geld nach wie vor den raffgierigen Banken, die die Krise verursacht
haben, in den Rachen und beklagt sich, wenn sich die Griechen beklagen.
Merkel,
erbärmlich wie immer, sagt keinen Pieps und läßt ihren Finanzminister das
europäische Porzellan zerschlagen.
Auch der
lammfromme Sigmar Gabriel ärgert sich vernehmlich über das halsstarrige Agieren
des Juristen Schäuble, der im Gegensatz zu dem renommierten Ökonomie-Professor
Varoufakis über keinerlei Fachkenntnis in der Materie verfügt.
[…]
Deutschland sagt „Nein“! Aber nicht alle
sind damit einverstanden. Denn nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
(CDU) eine Verlängerung der Finanzhilfen für Griechenland abgelehnt hat, gibt
es Kritik aus der eigenen Bundesregierung.
Bundeswirtschaftsminister
Sigmar Gabriel (SPD) hat verstimmt auf Schäubles Ablehnung reagiert. „Das
schriftliche Angebot der griechischen Regierung zu Verhandlungen über die
Fortsetzung des Reformprogramms ist ein erster Schritt in die richtige
Richtung“, hieß es in Ministeriumskreisen.
Man rate dazu, „dass
wir diese neue Haltung der griechischen Regierung als Ausgangspunkt für
Verhandlungen nutzen und nicht vorher bereits öffentlich ablehnen.“
Doch genau das
hatte der Sprecher des
Bundesfinanzministeriums gemacht und erklärt: „Der Brief aus Athen ist kein
substanzieller Lösungsvorschlag.“ […]
Schäuble
glaubt offensichtlich die Angelegenheit Europa als kleinkrämerischer
Rechtsanwalt betrachten zu können, ohne gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu
berücksichtigen und möchte zudem den rechtsnationalen Wählern in Deutschland
Zucker geben.
Man
wünscht sich fast Helmut Kohl zurück.
Der als „europäisch
denkende“ Historiker Gepriesene hatte allerdings in seinen 16 Regierungsjahren
berechtigte griechische Klagen auf Wiedergutmachung für den deutschen NS-Terror
ebenfalls abgelehnt.
[….]
Die Nazis nahmen während der Besatzung
griechische Kredite auf. Die heutige Bundesregierung will diese nicht
zurückzahlen.
[….]
Dass die Athener Reparationsansprüche
nicht nur bei Bild-Lesern Empörung auslösen, zeugt auch von mangelnden
Kenntnissen über ein höchst komplexes Thema. Wer wirklich verstehen will,
welche Summen für Griechenland letztlich einklagbar wären, muss zunächst einige
Dinge auseinanderhalten.
Erstens gibt es Klagen
von individuellen Opfern des Nazi-Terrors. Die Überlebenden des Massakers von
Distomo stehen hier stellvertretend für viele Überlebende. Die Kläger hatten in
Griechenland ein Urteil letzter Instanz zugunsten ihrer Entschädigungsansprüche
erwirkt, bei deutschen Gerichten wurde ihre Klage jedoch abgewiesen. [….] Für die Distomo-Kläger heißt das, dass sie ihre moralisch berechtigten
Ansprüche juristisch nicht durchsetzen können. [….] Bekanntlich endete die Londoner Schuldenkonferenz mit dem Abkommen vom
27. Februar 1953, das eine Regelung der Reparationen für die von
Nazi-Deutschland besetzten Länder bis zu einer „endgültigen Friedensregelung“
vertagte. Als diese 37 Jahre später in Form der deutschen Vereinigung erfolgte,
tat die deutsche Regierung alles, um die Erinnerung an die Vereinbarung von
London zu löschen. Die deutsche Einheit wurde mit dem 2+4-Vertrag besiegelt. Warum
die Regierung Kohl/Genscher den Begriff „Friedensvertrag“ vermied, stand in der
FAZ vom 12. Februar 1990: „Für Bonn gilt es, eine Form zu finden, die einen
Friedensvertrag – der nach dem Londoner Schuldenabkommen gewaltige
Schadenersatzzahlungen an zahlreiche Staaten der Welt zur Folge hätte –
überflüssig macht.“
Wie wichtig dieses
terminologische Tabu für die Bundesregierung war, hat mir ein Zeitzeuge
erzählt, der 1990 im DDR-Außenministerium arbeitete. Der letzte Außenminister
Meckel und sein Team hatten damals die naive Idee, das 2+4-Format zu erweitern
und Nachbarländer wie Polen und die Niederlande einzubinden. Die Genscher-Leute
reagierten panisch: Ihr seid wohl verrückt, das würde ja nach einem
Friedensvertrag aussehen. Und dieses Wort sei ohnehin streng verboten.
[….]
Eine günstigere Rechtsposition hat Athen
jedoch in einer anderen Frage. Die deutsche Besatzungsmacht hat bei der
griechischen Zentralbank zinslose „Zwangsdarlehen“ aufgenommen. Dabei
unterschrieb sie eine Verpflichtung auf Rückzahlung, die nach griechischer Auffassung
bis heute gültig ist. Eine Klage, die auf unterschriebenen Kreditverträgen mit
konkreten Summen basiert, ist viel aussichtsreicher als Reparationsforderungen,
deren Höhe siebzig Jahre später schwer zu erfassen sind.
[….]
Der endgültige Beweis: Mit der Kreditvereinbarung
vom März 1942 wurden nicht nur die Abzahlungsmodalitäten unterschrieben, die
Rückzahlung hatte bereits während der Besatzungszeit begonnen. Deshalb waren
beim Abzug der Nazi-Wehrmacht im Oktober 1944 von der Darlehenssumme von 568
Millionen Reichsmark nur noch 476 Millionen zu begleichen.
Den heutigen Wert
dieser Summe schätzen Experten auf 7 bis 11 Milliarden Euro. Einige griechische
Autoren kommen auf eine hohe zweistellige Milliardensumme, indem sie Zinsen
dazurechnen. Doch die Höhe der Summe ist im Grunde sekundär. Wichtiger ist ein
anderer Befund: Während Nazideutschland die Pflicht zur Bedienung der
Zwangsanleihe – durch Unterschrift und Rückzahlung – anerkannt hat, wird diese
Verpflichtung von der heutigen Regierung geleugnet. Das irritiert sogar den
Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags.[….]
Und da
wundert sich jemand, daß Merkel und Schäuble nicht so wahnsinnig beliebt sind
in Athen?
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