Donnerstag, 19. Februar 2015

Schäbig, schäbiger, Schäuble.

15,9% für die CDU in Hamburg, AfD ante portas, da will Merkels CDU-Finanzminister seiner Partei was Gutes tun und gibt den harten Hund, den Griechenhasser, der nach der BILD-Schlagzeile „Ihr griecht nix“ handelt.
Hauptsache Profilierung am rechten Rand. Scheiß auf Europa, scheiß auf Griechenland.



Schäuble drückt seine Austeritätspolitik durch, ohne daß es irgendwelche Belege dafür gäbe, daß es jemals in der Geschichte der Menschheit funktioniert hätte eine bankrotte Wirtschaft durch radikales Sparen und Abwürgen jedes Konjunkturimpulses mitten in der Krise wieder in Gang zu bringen.

Ich wiederhole es immer wieder:
Auch Deutschland steht heute so gut da, weil die Bundesregierung im Krisenjahr 2008 durch den SPD-Finanzminister Steinbrück genau das diametrale Gegenteil dessen tat, was man heute von Athen verlangt:
Es wurden massive Konjunkturprogramme aufgelegt, zig Milliarden Euro geliehen, um die stotternde Nachfrage wieder anzukurbeln. Merkel und Steinbrück fluteten die heimische Wirtschaft geradezu mit Geld – Beispiel Abwrackprämie.
Das was damals offensichtlich funktionierte, will man nun gerade NICHT für Griechenland, sondern setzt auf ein Rezept, das noch nie funktionierte, das Millionen in Armut treibt, Tausende Kinder hungern läßt.

Ausgerechnet Merkel, die Frau mit dem vollen Hosenanzug, die ihren Wählern nicht die allergeringste Änderung zumuten mag, verlangt von den Griechen noch viel radikaler zu kürzen. Man stelle sich vor, was in Deutschland los wäre, wenn hier die Renten um 50% gekürzt würden und die Wähler daraufhin Obdach und Krankenversicherung verlören.
Ich wage sehr zu bezweifeln, daß sie bei der nächsten Wahl wieder CDU wählen würden, damit die noch grausamer spart.

Und nun, Potzblitz, Überraschung, haben die griechischen Wähler gesagt: ES REICHT. Sie wollen endlich eine andere Politik. Eine Politik, die nicht fremdbestimmt ist und offensichtlich seit Jahren die Lage immer nur verschlimmert.

In der Tat sitzt Griechenland deswegen mehr denn je in der Patsche, da es insbesondere von den Deutschen aufgezwungen jeden Cent an die ausländischen Gläubiger zahlen muß und für die eigene Wirtschaft keinerlei Impulse mehr setzen kann

[…]  Die Verhandlungen zwischen Griechenland und der Euro-Gruppe finden hinter verschlossenen Türen statt. Doch schon kurz nach dem letzten gescheiterten Treffen am Montag zirkulierten verschiedene Beschlussvorlagen im Internet. Nun hat das griechische Finanzministerium nachgelegt und zahlreiche Dokumente der letzten zwei Euro-Gruppen-Treffen veröffentlicht - auch die Reden von Finanzminister Giannis Varoufakis (die Sammlung finden Sie als Word-Dokument unter diesem Link).
Die Redetexte zeigen Varoufakis weitaus diplomatischer, als er in den Medien häufig dargestellt wurde. Zugleich neigt der Ökonomieprofessor allerdings zu weitschweifigen Ausführungen, die nur teilweise mit konkreten Zusagen verbunden sind.
"Ich verstehe Ihre Ermüdung", versicherte Varoufakis seinen Kollegen zu Beginn einer langen Begrüßungsrede am Mittwoch vergangener Woche. Er wisse, dass Europa genug von griechischen Dramen habe - seinen Landsleuten gehe es schließlich genauso.
Dann verspricht Varoufakis "die reformorientierteste Regierung in der modernen griechischen Geschichte" und macht auch sonst beachtliche Aussagen. So könnten Meldungen, seine Regierung wolle den Verkauf des Hafen von Piräus stoppen "nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein". Man sei in Fragen der Privatisierung "vollkommen undogmatisch" und werde jedes Projekt einzeln bewerten. Nur seien Verkäufe in Zeiten tief gefallener Preise, "nichts, was irgendjemand empfehlen würde".
Auch in anderen Punkten beklagte Varoufakis falsche oder überspitzte Darstellungen der Regierungspositionen. So würden Rentenkürzungen nur für Senioren auf dem oder unterhalb des Armutsniveaus rückgängig gemacht. Der Mindestlohn werde nur schrittweise und in Absprache mit Arbeitgebern und Gewerkschaften auf das Niveau von 2012 zurückgeführt. Und die Wiedereinstellung von insgesamt 2013 gefeuerten Staatsbediensteten sei nichts im Vergleich zu 15.000 Neueinstellungen, welche die Vorgängerregierung beschlossen habe. […]

Varoufakis ist Opfer seines schlechten Images in Deutschland.
Schäuble gibt sich alle Mühe das Bild vom häßlichen Deutschen wiederzubeleben.

Griechenland droht eine Staatspleite, doch noch immer ist keine Einigung im Schuldenstreit mit den europäischen Gläubigern in Sicht. Zwar stellte die Athener Regierung offiziell den von den Euro-Partnern gewünschten Antrag auf Verlängerung der Hilfskredite; doch während die EU-Kommission dies als positives Zeichen wertete, reagierte Deutschland mit Ablehnung.

Es gibt Solidarität in Europa.
Man könnte zusammenhalten und die Gemeinsamkeiten betonen.
Deutschland stört.

"Die Bundesregierung muss sich bewegen und ihre Starrköpfigkeit bei den Verhandlungen mit der neuen Regierung in Athen aufgeben", kommentiert Sahra Wagenknecht das Eintreffen des Antrags der griechischen Regierung auf eine sechsmonatige Verlängerung der sogenannten Hilfskredite bei der Eurogruppe. Die Erste Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE weiter:
"Die Bundesregierung muss die Realität zur Kenntnis nehmen, dass die Troika Geschichte ist. Das ist nicht nur das Ergebnis demokratischer Wahlen in Griechenland, sondern auch die Konsequenz der Stellungnahme des Generalanwalts vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Zusammenhang mit dem Anleiheaufkaufprogramm. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich aus der politischen Auseinandersetzung um sogenannte Anpassungsprogramme herauszuhalten. Daher ist die Troika-Mafia unter Einbeziehung der EZB nicht durch EU-Recht gedeckt. Die Bundesregierung sollte sich davor hüten, von der griechischen Regierung die Fortführung von rechtlich zweifelhaften Programmen zu fordern. Außerdem hat die EZB kein Mandat dafür, ein Land aus der Eurozone zu schmeißen, wenn es finanzpolitische Vorgaben nicht einhält. [….]
 (PM Sahra Wagenknecht 19.02.2015)

Interessanterweise ist die Linken-Linke Wagenknecht zwar nicht im Tonfall, aber doch in der Sache recht einig mit dem konservativen Managermagazin.

Schäuble gibt den Imperator
[….] Griechenland knickt ein - und Deutschland sagt immer noch Nein. Mit der prompten Antwort auf den Athener Antrag übernimmt das Bundesfinanzministerium die Rolle des Bösewichts in der Euro-Gruppe. Es scheint, als sei ein Bruch der Währungsunion gewollt.
[….] Athen hat pariert, Dijsselbloem berief sofort eine neue Extrasitzung der Finanzminister für Freitag ein - doch schon zwei Stunden später teilte das Berliner Ministerium mit, "der Brief aus Athen ist kein substanzieller Lösungsvorschlag".
Da will wohl jemand das Rennen um die sturste Haltung um jeden Preis gewinnen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mag subjektiv gute Gründe für eine Ablehnung haben[….] Die Griechen stellen aber selbst keine Bedingungen und lehnen auch keine Verpflichtungen explizit ab. Die bloße Verlängerung des bisherigen "Master Financial Assistance Facility Agreement" ist aktuell die bestmögliche, pragmatische und elegante Lösung. Der Einwand "Wie erklär ich's dem Bundestag?" zieht nicht so richtig, wenn im Wesentlichen nur der bisherige Status Quo für sechs Monate fortgesetzt wird, um ein bisschen Spielraum und Zeit für eine Einigung zu gewinnen.
[….] Die eigentlich abgelehnte "Troika" aus EU, EZB und IWF hat Athen schon auf seiner Seite. Die "Institutionen", wie sie jetzt heißen, die mit der Aufsicht des griechischen Programms erfahren sind, halten allesamt mehr Flexibilität für sinnvoll. Die USA und andere Kräfte der Weltwirtschaft sehen es von der Seitenlinie genauso. [….] Nun hat sich Dijsselbloem auch auf diese Seite geschlagen. [….] Doch Schäuble hat den Niederländer, der bisher als sein Adlatus wahrgenommen wurde und ohnehin mit dem Job riskiert, als tragische Figur in die Geschichte Europas einzugehen, demontiert. Wenn Berlin den Athener Brief für indiskutabel hält, wozu sollen sich die Finanzminister noch treffen? [….]

Man versteht nicht, daß die deutsche Öffentlichkeit nicht versteht, daß die Griechen nicht verstehen, wieso diese gewaltigen Milliardensummen, die ihnen angeblich helfen sollen doch zu fast 80% direkt an den Finanzsektor abfließen – also unter anderem DEUTSCHEN BANKEN zu gewaltigen Gewinnen verhelfen.

Mindestens 77,12% der Programmmittel flossen direkt (über Bankenrekapitalisierung) oder indirekt (über Staatsanleihen) an den Finanzsektor.

Schäuble schiebt das Geld nach wie vor den raffgierigen Banken, die die Krise verursacht haben, in den Rachen und beklagt sich, wenn sich die Griechen beklagen.
Merkel, erbärmlich wie immer, sagt keinen Pieps und läßt ihren Finanzminister das europäische Porzellan zerschlagen.
Auch der lammfromme Sigmar Gabriel ärgert sich vernehmlich über das halsstarrige Agieren des Juristen Schäuble, der im Gegensatz zu dem renommierten Ökonomie-Professor Varoufakis über keinerlei Fachkenntnis in der Materie verfügt.

[…] Deutschland sagt „Nein“! Aber nicht alle sind damit einverstanden. Denn nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Verlängerung der Finanzhilfen für Griechenland abgelehnt hat, gibt es Kritik aus der eigenen Bundesregierung.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat verstimmt auf Schäubles Ablehnung reagiert. „Das schriftliche Angebot der griechischen Regierung zu Verhandlungen über die Fortsetzung des Reformprogramms ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, hieß es in Ministeriumskreisen.
Man rate dazu, „dass wir diese neue Haltung der griechischen Regierung als Ausgangspunkt für Verhandlungen nutzen und nicht vorher bereits öffentlich ablehnen.“
Doch genau das hatte  der Sprecher des Bundesfinanzministeriums gemacht und erklärt: „Der Brief aus Athen ist kein substanzieller Lösungsvorschlag.“ […]

Schäuble glaubt offensichtlich die Angelegenheit Europa als kleinkrämerischer Rechtsanwalt betrachten zu können, ohne gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu berücksichtigen und möchte zudem den rechtsnationalen Wählern in Deutschland Zucker geben.
Man wünscht sich fast Helmut Kohl zurück.
Der als „europäisch denkende“ Historiker Gepriesene hatte allerdings in seinen 16 Regierungsjahren berechtigte griechische Klagen auf Wiedergutmachung für den deutschen NS-Terror ebenfalls abgelehnt.

[….] Die Nazis nahmen während der Besatzung griechische Kredite auf. Die heutige Bundesregierung will diese nicht zurückzahlen.
[….] Dass die Athener Reparationsansprüche nicht nur bei Bild-Lesern Empörung auslösen, zeugt auch von mangelnden Kenntnissen über ein höchst komplexes Thema. Wer wirklich verstehen will, welche Summen für Griechenland letztlich einklagbar wären, muss zunächst einige Dinge auseinanderhalten.
Erstens gibt es Klagen von individuellen Opfern des Nazi-Terrors. Die Überlebenden des Massakers von Distomo stehen hier stellvertretend für viele Überlebende. Die Kläger hatten in Griechenland ein Urteil letzter Instanz zugunsten ihrer Entschädigungsansprüche erwirkt, bei deutschen Gerichten wurde ihre Klage jedoch abgewiesen. [….] Für die Distomo-Kläger heißt das, dass sie ihre moralisch berechtigten Ansprüche juristisch nicht durchsetzen können. [….] Bekanntlich endete die Londoner Schuldenkonferenz mit dem Abkommen vom 27. Februar 1953, das eine Regelung der Reparationen für die von Nazi-Deutschland besetzten Länder bis zu einer „endgültigen Friedensregelung“ vertagte. Als diese 37 Jahre später in Form der deutschen Vereinigung erfolgte, tat die deutsche Regierung alles, um die Erinnerung an die Vereinbarung von London zu löschen. Die deutsche Einheit wurde mit dem 2+4-Vertrag besiegelt. Warum die Regierung Kohl/Genscher den Begriff „Friedensvertrag“ vermied, stand in der FAZ vom 12. Februar 1990: „Für Bonn gilt es, eine Form zu finden, die einen Friedensvertrag – der nach dem Londoner Schuldenabkommen gewaltige Schadenersatzzahlungen an zahlreiche Staaten der Welt zur Folge hätte – überflüssig macht.“
Wie wichtig dieses terminologische Tabu für die Bundesregierung war, hat mir ein Zeitzeuge erzählt, der 1990 im DDR-Außenministerium arbeitete. Der letzte Außenminister Meckel und sein Team hatten damals die naive Idee, das 2+4-Format zu erweitern und Nachbarländer wie Polen und die Niederlande einzubinden. Die Genscher-Leute reagierten panisch: Ihr seid wohl verrückt, das würde ja nach einem Friedensvertrag aussehen. Und dieses Wort sei ohnehin streng verboten.
[….]  Eine günstigere Rechtsposition hat Athen jedoch in einer anderen Frage. Die deutsche Besatzungsmacht hat bei der griechischen Zentralbank zinslose „Zwangsdarlehen“ aufgenommen. Dabei unterschrieb sie eine Verpflichtung auf Rückzahlung, die nach griechischer Auffassung bis heute gültig ist. Eine Klage, die auf unterschriebenen Kreditverträgen mit konkreten Summen basiert, ist viel aussichtsreicher als Reparationsforderungen, deren Höhe siebzig Jahre später schwer zu erfassen sind.
[….] Der endgültige Beweis: Mit der Kreditvereinbarung vom März 1942 wurden nicht nur die Abzahlungsmodalitäten unterschrieben, die Rückzahlung hatte bereits während der Besatzungszeit begonnen. Deshalb waren beim Abzug der Nazi-Wehrmacht im Oktober 1944 von der Darlehenssumme von 568 Millionen Reichsmark nur noch 476 Millionen zu begleichen.
Den heutigen Wert dieser Summe schätzen Experten auf 7 bis 11 Milliarden Euro. Einige griechische Autoren kommen auf eine hohe zweistellige Milliardensumme, indem sie Zinsen dazurechnen. Doch die Höhe der Summe ist im Grunde sekundär. Wichtiger ist ein anderer Befund: Während Nazideutschland die Pflicht zur Bedienung der Zwangsanleihe – durch Unterschrift und Rückzahlung – anerkannt hat, wird diese Verpflichtung von der heutigen Regierung geleugnet. Das irritiert sogar den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags.[….]

Und da wundert sich jemand, daß Merkel und Schäuble nicht so wahnsinnig beliebt sind in Athen?

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