Ausnahmsweise
schließe ich mich Frau Merkel an: Die Chancen, daß in einer Stunde ein endgültiger
Friede in der Ukraine eintritt, sehe ich ebenfalls an minimal an.
Das
scheitert schon daran, daß niemand existiert, der das mit seinem bloßen Willen
oder per Befehl durchdrücken könnte; die Lage ist unübersichtlich.
Selbst
wenn Kiew und Moskau es ernst meinen und Waffenstillstand anordnen, muß das
nicht funktionieren, da nicht jeder auf sie hört.
Dazu könnten auf
Seiten der Separatisten jene Freischärler und Kosaken-Milizen gehören, die sich
den Führungen der „Donezker und Luhansker Volksrepubliken DNR und LNR“ nicht
unterwerfen. Auf ukrainischer Seite sind zwar mittlerweile große Teile der
Freiwilligenbataillone in die Armeestrukturen eingebunden und Kämpfer, die sich
dem Befehl des Generalstabs nicht unterstellen wollten, nach Angaben des
Verteidigungsministeriums entwaffnet. Aber zum Beispiel beim Pravij Sektor,
einer rechtsnationalen Truppe, dürfte die Bereitschaft, Kompromisse zugunsten
der Separatisten einzugehen, sehr gering sein.
Immerhin
hat Frau Merkel während sie in der letzten Woche zwischen Minsk, Moskau und
Kiew mäanderte offensichtlich verstanden, wie komplex die Lage ist, wie viele
Interessenten ihr Süppchen kochen.
Ich
staune immer noch, daß überhaupt in Nordosteuropa, Berlin und insbesondere
Washington simplifiziert-naiv gedacht wurde, Putin müsse nur einen Knopf
drücken und alles wäre OK. Und Putin bekäme man dazu diesen Knopf zu drücken,
indem man mit Sanktionen die russische Ökonomie ruiniere.
Insofern
hat Jakob Augstein Recht, der Merkels Einsatz für Frieden in der Ostukraine als
„Niederlage“ darstellt.
Angela Merkel ist in
der Ukraine gescheitert. Sie konnte weder Amerikaner noch Russen dazu bringen,
von ihrer Beute zu lassen. Zurück bleibt ein geteiltes Land.
Merkel
ist bald zehn Jahre Kanzlerin und sah teilnahmslos zu, wie die NATO Russland immer mehr reizte.
Das konnte nicht gut gehen.
Recht
haben aber auch diejenigen, die wie der Linken-Fraktionschef jetzt Merkel für
ihren jüngsten Einsatz loben.
„Angela Merkel und
François Hollande haben letztlich die Initiative ergriffen und zu einem ersten
Erfolg beigetragen. Dafür gebührt ihnen Anerkennung.“
(Gregor
Gysi 12.02.2015)
Was auch
immer für Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden und gegenwärtig noch
gemacht werden, wie winzig auch die Chancen auf dauerhaften Frieden sein mögen –
JEDER, der sich um ein Schweigen der Waffen bemüht und wenigstens versucht zu
erreichen, daß nicht weiterhin Menschen getötet werden, ist zu loben.
Es gilt
auch hier das berühmte Willy-Brandt-Wort:
Frieden ist nicht alles – aber ohne Frieden ist alles nichts.
Also
auch von mir heute ein Lob für Merkel; immerhin versucht sie noch etwas, um das
Schießen zu beenden.
Meine
ganze Verachtung gilt den Nörglern in Amerika, die ihren Drang das Problem
weiter zu militärisieren kaum kontrollieren können. Für sie zählen keine
Menschenleben, sondern nur ihr Hass auf Putin, den sie unbedingt treffen
wollen.
Der
Friedensnobelpreisträger Obama sitzt zaudernd und zögernd in Washington, trägt
rein gar nichts zu den ohnehin schwachen und wackeligen Friedensbemühungen bei
und läßt zu, daß man noch Hollande und Merkel in Knüppel in die Beine wirft.
Ja, natürlich sind Zweifel angebracht, aber was für ein Bild bietet „der Westen“,
wenn kurz nach mühsamsten Verhandlungen die eigenen engsten Partner gleich
abwinken und ungeniert die Sinnlosigkeit des Minsker Abkommens herausposaunen?
Wer solche Verbündete wie die US-GOPer-Senatoren hat, braucht keine Feinde
mehr.
Ekelhaft.
Noch ist die
Vereinbarung zu frisch, als dass sich die Kritiker schon zu Wort gemeldet
hätten. Aber wenn die Medien zum Maßstab genommen werden können, dann wird das
Waffenstillstandsabkommen von Minsk in den USA mit einiger Skepsis aufgenommen
werden – gelinde gesagt. Allein die Tatsache, dass die Beratungen der vier
Staatschefs sich über 16 Stunden hingezogen hätten und die Ergebnisse dann bei
drei separaten Pressekonferenzen vorgestellt worden seien, lasse auf „ein
gewisses Fehlen von Einigkeit“ schließen, schreibt die New York Times. [….]
Schon vor
Bekanntwerden des Minsker Verhandlungserfolgs hatte die Russland-Expertin Fiona
Hill von der Denkfabrik Brookings Institution der US-Presse gesagt, jeder neue
Waffenstillstand müsse wohl als „temporär“ betrachtet werden. Der russische
Präsident Wladimir Putin wechsle ständig zwischen diplomatischen und
militärischen Methoden, je nachdem, was ihm gerade mehr nutze. Seine Ziele
halte er bewusst verborgen, der Westen tappe im Dunklen.
[….]
im letzten Satz [von Obamas
Erklärung] Erklärung ist zu erkennen, wie
groß die Zweifel am Wert der Vereinbarung auch im Weißen Haus sind: Die
Eskalation der Kämpfe an diesem Donnerstag passe nun gar nicht zum Geist der
Vereinbarung, heißt es da. [….] Abgeordnete
beider Parteien hatten in den vergangenen Wochen immer lauter die Aufrüstung
der Ukraine gegen die von Russland unterstützten Rebellen gefordert und die
westliche Zurückhaltung zuletzt mit der fatalen Appeasement-Politik gegenüber
Hitler verglichen.
Derart unter Druck
hatte Präsident Obama Waffenlieferungen am Montag nicht mehr ausschließen wollen;
er habe seine Leute beauftragt, für den Fall des Scheiterns der Diplomatie
sämtliche Optionen zu prüfen, auch die von Waffenlieferungen. [….]
(David
Hesse, SZ vom 13.02.2015)
Zum
Schluss ein Wort über die Rolle der deutschen Presse, die ja schon viel
verbockt hat mit ihrer einseitigen Parteinahme für die Ukraine und schwere Verbrechen wider die Menschenrechte durch Kiew
nur zögerlich berichtet.
Heute
nun lese ich in mehreren Zeitungen seitenlange Berichte über die ungeheuerliche
Arbeitsbelastung Merkels. Jeden Tag im Flieger und dazu Marathonverhandlungen
überall.
Die arme
Kanzlerin – ruiniert sie womöglich ihre Gesundheit für Deutschland?
Merkels unglaubliches
Marathon-Programm
Berlin, Washington,
Moskau, Minsk, Brüssel: Die Kanzlerin hat eine extreme Woche hinter sich. Und
auf die schlaflose Nacht in Weißrussland folgt gleich der EU-Gipfel. Wie
schafft sie das eigentlich?
Siebzehn Stunden hatte
Angela Merkel (CDU) im weißrussischen Minsk mit Françoise Hollande, Wladimir
Putin und Petro Poroschenko verhandelt. Anschließend flog sie nach Brüssel, wo
sich ein informeller EU-Rat traf, also die nächsten, langen Verhandlungen
begannen.
Obwohl Merkel nun
schon neun Jahre Kanzlerin ist und in dieser Zeit, etwa bei der Euro-Rettung,
zahlreiche dramatische und lange Nachtsitzungen absolvierte, taucht immer
wieder die Frage auf: Wie schafft die Kanzlerin das eigentlich?
(Die
Welt 12.02.15)
Mit einer
Doppelseite bejubelt die MoPo „die eiserne Kanzlerin“
Der
gleiche Text steht auch im Kölner Express.
[….]
Die eiserne Kanzlerin
Es geht für Angela
Merkel von Krisengipfel zu Krisengipfel
[….]
Mir geht’s nicht schlecht, also ich bin
konzentriert, und die Woche ist auch noch gar nicht zu Ende, morgen ist ja auch
noch ein Arbeitstag“, hatte Angela Merkel (60) in der Nacht zuvor in Brüssel
gesagt.
Die Ringe unter ihren
Augen waren nicht zu übersehen, was ja allein wegen der neunstündigen
Verhandlungen über die Griechenland-Krise kein Wunder ist. Mehr noch: Da hatte
Merkel bereits sieben stressige Tage hinter sich, die selbst für sie einmalig
waren.
„Angela Merkels
Leistung nötigt mir hohen Respekt ab“, so SPD-Fraktions-Vize Rolf Mützenich
(55). Lob gab es quer durch die deutsche Parteienlandschaft. Die Kanzlerin sei
bei den Reisen und Verhandlungen „bis an die Grenze der körperlichen
Belastbarkeit gegangen“.
Kiew-Berlin-Moskau-München-Berlin-Washington-Ottawa-Berlin-Minsk-Brüssel-Berlin
– was für eine Woche! Fast 25000 Kilometer, knapp 40 Stunden in der Luft, mehr
als einmal um die halbe Welt. Von Obama bis Putin, von Kanada bis Astro Alex,
von Poroschenko bis zur „Übergabe des Valentinsgrußes durch den Zentralverband
Gartenbau“ nach der Kabinettssitzung.
Gelegenheit zum Schlaf
gab es in diesen Tagen kaum. An Bord der „Konrad Adenauer“, einer von zwei
großen Regierungsmaschinen, ist zwar für sie ein Bett bereitet. Doch auch
dorthin zog es Merkel in den letzten Tagen nur für kurze Zeit.
[….]
Vor öffentlichen Auftritten sorgt
Visagistin Petra Keller (54) für das richtige Make-up. Normalerweise versucht
die Regierungschefin, sich an den Wochenenden Freiräume zu schaffen, um in ihre
Datsche in der Uckermark zu fahren. [….]
Weltweit wird sie vor allem für den Minsker Gipfel gelobt. Emanuelis Zingelis (57), Mitglied des litauischen Parlaments, will sie für den Friedensnobelpreis vorschlagen.
Weltweit wird sie vor allem für den Minsker Gipfel gelobt. Emanuelis Zingelis (57), Mitglied des litauischen Parlaments, will sie für den Friedensnobelpreis vorschlagen.
Zunächst
einmal: Hahahaha Zingelis, der exzessivsten Waffenexporteurin der deutschen
Geschichte, die jedes Krisengebiet mit deutschem Tötungsknowhow versorgt und
für die MARE NOSTRUM-Einstellung verantwortlich zeigt, so daß jedes Jahr
tausende vor europäischen Küsten krepieren, soll den Friedensnobelpreis
bekommen??
Aber was
sind das für lächerliche Nebensächlichkeiten, aus denen die Presse hier
rumreitet?
Ich habe
mich stets dafür eingesetzt, daß die Regierungsmitglieder einer der größten
Industrienationen des Planeten selbstverständlich funktionierende
Logistik-Struktur zur Verfügung haben müssen.
Sie
brauchen moderne Flugzeuge, die schnell genug sind, lange Strecken bewältigen,
technisch so ausgestattet sind, daß man vor Bord aus regieren kann und JA,
verdammt noch mal, ein Kanzler muß auch die Gelegenheit haben sich im Flugzeug
hinlegen zu können, sich zurück zu ziehen und frisch zu machen.
Ein
Kanzler ist immer im Amt und soll schon aus Sicherheitsgründen die Flugbereitschaft
und Kanzlerlimousine benutzen dürfen, so viel er/sie lustig ist.
Den Job übernimmt
man nicht, damit man umsonst fliegen kann. Es ist ein absurder Ausdruck von
teutonischer Extrem-Krämerseele, wenn man meint ein deutscher Minister soll
sparsamer und weniger fliegen, als die Kollegen aus Frankreich oder Russland. Sie
müssen bei Krisen immer und überall einsatzbereit sein. (Ich rede wohlgemerkt
von der Regierung! Damit ist nicht gemeint, daß alle 700
Bundestagshinterbänkler auf Steuerzahlenkosten beliebig Dienstreisen in
exotische Länder machen sollen.)
Das ist
das eine.
Daß aber
grundsätzlich ein Kanzler oder ein Außenminister viel im Jet sitzt, von Termin
zu Termin hetzt, ständig mit Jetlags, Übermüdung und Doppelbelastung zu tun
hat, liegt in der Natur der Sache. Dafür ist er gewählt.
Das ist
kein 9-to-5-Job, bei dem man nebenbei reichlich Zeit für Hobbys und Familie
hat.
Das weiß
jeder, der sich die Herlinde
Koelbl-Bilderserien über die Veränderungen im Gesicht bei
Toppolitikern angesehen hat. Der Job ist hart, macht oftmals krank und lässt
frühzeitig altern. Wer keine stabile physische Konstitution hat, kann das nicht
machen. Simple as that.
Merkel
weiß das seit einer Dekade aus erster Hand und beklagt sich meines Wissens auch
nicht.
Abgesehen
davon geht es den anderen Regierungschefs ganz genauso. François Hollande saß
genauso viel im Flugzeug und hat mit Sicherheit auch nicht mehr geschlafen.
Wieso sich
nun deutsche Journalisten selbst in Hofberichterstatter retardieren und
beklagen wie wenig Merkel schlafen kann, entzieht sich meinem Verständnis.
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