Montag, 10. August 2015

Unionsheuchler

Wer unter den CDU-Abgeordneten nicht so abstimmt, wie es die Parteiführung vorschreibt, wird geschnitten, verliert Pöstchen und schließlich den Parlamentssitz.
Parteikonformes Verhalten war schon immer DAS Kennzeichen der Konservativen, die deswegen auch „Kanzlerwahlverein“ genannt werden.
Daß man nicht in der CDU ist, um unangepasst und rebellisch zu sein, ist quasi die Grund-DNA der Kohl/Merkel-Partei.

Was für eine bizarre Geschichte, daß nun ausgerechnet Unionsparlamentarier ihren eigenen Fraktionsvorsitzenden Kauder für seine Gehorsamkeitsforderung kritisieren.
CDU/CSU-Parlamentarier, die nach persönlichen Gewissen und ohne die Erlaubnis ihrer Führung abstimmen?
Das wäre ja ganz was Neues.

Seit 50 Jahren weist Hildegard Hamm-Brücher auf den § 38 hin, der überhaupt nur in absoluten Ausnahmefällen tatsächlich mal gilt, wenn die Parteigroßkopferten gönnerhaft den Fraktionszwang aufheben - wie beispielsweise bei der Entscheidung über die neue Hauptstadt.

Artikel 38 GG
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Das ist die Papierform, die in der Praxis aber ausgehebelt ist.
Willkommen in der Realität.
(……)
Ich habe gar nichts gegen Taktieren.
Als reine Spontan-Veranstaltung kann unsere parlamentarische Demokratie nicht funktionieren.

Es ist doch reichlich albern an diesen utopischen Vorstellungen aus dem Wolkenkuckucksheim festzuhalten.
Hildegard Hamm-Brücher weist schon seit 40 oder 50 Jahren immer wieder auf den Satz „….an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ hin, der in nur ganz seltenen Ausnahmefällen, wenn die Großkopferten den „Fraktionszwang“ aufheben, Geltung erlangt.

Normalerweise hat der Abgeordnete sein Gewissen und erst recht seine freie Willensbildung auszuschalten und strikt das abzusegnen, was ihm Partei- und Fraktionsführung befehlen.

Verhält sich ein Volksvertreter ausnahmsweise mal GG-konform und entscheidet nach eigenem Gewissen, verliert er sein Mandat.
Das passierte zuletzt Konrad Schily, der ausgerechnet im Lobbyverein der Großindustrie ( = FDP) versuchte sich an GG Art 38 zu halten.

Blicken Sie auf die Verabschiedung der sogenannten Gesundheitsreform: Da gab es bei Union und SPD einige Abweichler, doch die wurden aus Parteiräson einfach ausgetauscht. Und es kamen andere Abgeordnete in den Ausschuss, die gar keine Ahnung von der Sache hatten, aber eben dem Gesetz zustimmten. In dieser Frage hat sich eindeutig die Parteihierarchie durchgesetzt. (K.S.)

Das “Mitwirken” an der Willensbildung “DES VOLKES” ist im Falle der großkapitalhörigen CDU und FDP reine Satire.

Die Merkelpartei agiert eindeutig wider die ökonomische und ökologische Vernunft.

Hamm-Brücher ist das perfekte Beispiel dafür, wie es einem geht, wenn man das Grundgesetz hochhält und sich als unbestechliche, integre Person präsentiert. Man wird zwar möglicherweise geachtet, aber die ganz große Karriere bleibt einem dann verschlossen.
Maximal Staatssekretärin. Weiter konnte es die Parlamentarier-Legende nicht bringen, obwohl sie zweifellos zu dem Allerbesten gehört, was die FDP je zu bieten hatte.
Rückgratlose Apparatschiks, die nach der Melodie der Lobbyisten tanzen, konnten hingegen nahezu problemlos zu Ministern, Vizekanzlern und Bundespräsidenten aufsteigen.
Willkommen im politischen System Deutschlands.
In der SPD ist es Tradition auf der mittleren Parteiebene die schärfsten Kritiker der eigenen Parteiführung zu installieren.
Selbst der mächtige Gabriel konnte nicht verhindern, daß seine Intimfeindin Nahles wie eine Spinne über dem mit Abstand größten Etat der Bundesregierung hockt und als mächtige Arbeitsministerin die ganz großen Geldströme verwaltet.

 In der CDU genießt der Finanzminister aufgrund seines Alters und seiner Behinderung als einziger eine gewisse Merkel-Unabhängigkeit.
Alle anderen tun was die Vorsitzende möchte. Kritik wird nur hinter vorgehaltener Hand geübt und trifft immer nur einen Stellvertreter der übermächtigen Chefin.

So erging es jetzt Volker Kauder, der Impudenz des Monats Juni 2014 und somit einem der unangenehmsten Politiker überhaupt.

"Erschreckend und beschämend" seien Volker Kauders Äußerungen, sagt der CDU-Parlamentarier Alexander Funk. "Damit disqualifiziert er sich als Vorsitzender." Die Meinungsfreiheit werde mit Füßen getreten, beklagt sein Kollege Andreas Mattfeldt. "Es kann nicht sein, dass man nur noch Stimmvieh der Parteiführung ist." Das ist ziemlich deftig.
Mit seiner offenen Drohung, jene Abgeordnete, die Kanzlerin Angela Merkel bei der Griechenland-Rettung nicht folgen wollen, in Zukunft wichtige Ausschussposten vorzuenthalten, hat Unionsfraktionschef Kauder einen Sturm der Entrüstung in den eigenen Reihen ausgelöst.


Kauder kennt Ihr nicht? Macht nichts; erklär‘ ich Euch.

Der stramm konservative und fundamentalchristliche CDU-Fraktionschef im Bundestag hat anders als seine rechten Freunde Merz, Koch und Co verstanden wie man in der CDU des 21. Jahrhunderts Karriere macht: Bedingungslose Loyalität zu Angela Merkel.
(………..)
Der hässliche Kauder befürchtet womöglich auch trotz seiner ostentativen Merkelschleimerei als zu harter Hund eines Tages aussortiert zu werden.
Daher wird sein Einsatz für die Kirche und Christen immer extremer.
Dabei hält sich die Impudenz des Monats Juni 2014 streng an seine Maxime sich möglichst nie seine Meinung von Fakten verwirren zu lassen.


Die radikalen Evangelikalen sind für ihn nur „fröhliche und engagierte Christen“.






Und Kauder ruft zum Gebet gegen Christenverfolgung auf.


Um den Islam zurück zu drängen, müsse die Kirche viel mehr missionieren.

Ganz besonders dreist log Kauder erst im Juni 2014, als er das Christentum als Garant gegen Nationalsozialismus und als Quelle der Menschenrechte darstellte.


Und so weiter und so fort.
Man könnte fast meinen, Kauder sei Missionar, wenn da nicht sein Nebenjob als Politiker und Waffennarr wäre.

Kauder ist aber auch sonst ein treuer Erfüllungsgehilfe der Großindustrie, wenn sie nur schädlich genug daher kommt.
Es war Volker Kauder, der unter allen Umständen nach der Bundestagswahl 2009 eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke durchsetzen wollte. Er schreckte nicht davor zurück auch Parteifreunde fertig zu machen, um das Atom-Oligopol glücklich zu machen.

Schon lustig, diese CDUler. Kauder sitzt seit einem Vierteljahrhundert im Bundestag und macht dort Waffenlobbyismus. Seit inzwischen zehn Jahren ist er Fraktionsvorsitzender und paukt somit immer wieder die sinnlosesten Entscheidungen durch – von Herdprämie über Antiausländermaut. Es ging stets nach dem Motto „Angepasste werden befördert, Aufmüpfige geschasst“ und nur weil er das jetzt einmal laut sagt, empören sich einige Hinterbänkler öffentlich.

[…] Unionsfraktionschef Volker Kauder will Abweichler in der Fraktion bei den Bundestagsabstimmungen zu weiteren Griechenlandhilfen kaltstellen. "Diejenigen, die mit Nein gestimmt haben, können nicht in Ausschüssen bleiben, in denen es darauf ankommt, die Mehrheit zu behalten: etwa im Haushalts- oder Europaausschuss", hatte Kauder der "Welt am Sonntag gesagt.
Mit diesen Äußerungen hat der Fraktionschef viele Abgeordnete aus den eigenen Reihen erzürnt. Besonders scharf äußerte sich der CDU-Abgeordnete Alexander Funk. "Die Einlassungen von Volker Kauder sind für jeden Vertreter der parlamentarischen Demokratie erschreckend und beschämend. Damit disqualifiziert er sich als Vorsitzender", sagte Funk der "Bild"-Zeitung. […]
Sein CDU-Kollege Andreas Mattfeldt, der dem Haushaltsausschuss angehört, sagte der Zeitung Kauder habe "die Meinungsfreiheit, die im Grundgesetz für Abgeordnete fest verankert ist, mit Füßen getreten". Die CDU-Abgeordnete Veronika Bellmann sagte "Bild", Drohungen und Sanktionen stünden nicht in der Fraktionsordnung. "Wenn immer alle Nein-Sager "entmachtet" werden, hat die Union bald ein Besetzungsproblem."
[…] Sein Parteikollege Klaus-Peter Willsch reagierte fast schon sarkastisch auf Kauders Drohung. "Das ist doch wenigstens ein ehrliches Wort! Nach der Neuwahl 2013 wurde immer noch behauptet, unser Rausschmiss aus dem Haushaltsausschuss hätte mit unserem Abstimmungsverhalten nichts zu tun", sagte Willsch SPIEGEL ONLINE. […]

[…] Irgendetwas scheint Volker Kauder nicht ganz verstanden zu haben, als er zuletzt in der Arbeitsordnung seiner Fraktion von CDU und CSU gelesen hat. Vielleicht ist es auch zu lange her, als dass er sich noch richtig erinnern kann. In der Welt am Sonntag jedenfalls behauptet er, die 60 Abgeordneten, die im Juli gegen die Griechenland-Politik der eigenen Regierung gestimmt hätten, hätten ja auch "unserer Fraktionsordnung zugestimmt". Und "in der steht: Wir diskutieren, streiten und stimmen ab, aber am Schluss muss die Minderheit mit der Mehrheit stimmen".
Nun: In der Fraktionsordnung, tatsächlich Arbeitsordnung genannt, steht vieles. Aber was Kauder da behauptet, steht dort explizit nicht. Das Gegenteil ist richtig. In Paragraph 17 heißt es: "In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es keinen Fraktionszwang. Die Abstimmung ist frei." Alles andere wäre auch ein Verstoß gegen die Verfassung.
Die Mitglieder sind lediglich verpflichtet, bis 17 Uhr am Vortag einer Abstimmung Bescheid zu geben, sollten sie vorhaben, im Plenum gegen die Fraktionsmehrheit zu stimmen. Mehr steht da nicht. […]



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