Da ich
mich immer mal FÜR eine ordentliche Bezahlung „der Politiker“ ausspreche, kann ich mich an dieser
Stelle noch einmal auf einen anderen Aspekt kaprizieren.
Ja, ein
Bundesminister, der dafür zuständig ist ein 81-Millionen-Volk zu managen, soll
verdammt noch mal richtig gut bezahlt werden. Jedenfalls besser als der Typ,
der in einer mittelgroßen Stadt für die Schwimmbäder oder die Müllabfuhr
zuständig ist.
Ob nun
unser Bundesparlament wirklich 631 Abgeordnete braucht bei 81 Millionen
Menschen ist eine andere Frage.
Das US-Repräsentantenhaus
besteht aus 435 direkt gewählten Parlamentariern bei rund 320 Millionen
Einwohnern.
Es lässt
sich trefflich über die Qualifikation und Auslastung der Parlamentarier streiten.
Immer mal wieder machen politische Magazine erschreckende Umfragen in der
Parlamentslobby, in denen sich offenbart, daß kaum ein Abgeordneter genau
darüber Bescheid weiß, was er tut.
Hier
handelt es sich dennoch um billige Witze.
Die
Bundestagler bekommen derart umfangreiche Gesetzesvorlagen, daß sie tatsächlich
aus Zeitgründen nicht über jedes Detail informiert sein können.
Daher
gibt es Spezialisten in den Fraktionen, die sich in ein Thema arbeiten und dann
gewissermaßen den Kurs vorgeben.
Schön
ist es nicht, aber manchmal muß es reichen in groben Zügen informiert zu sein
und die richtigen Berater zu haben.
Es lässt
sich trefflich über die Auslastung der Parlamentarier streiten, wenn man leere
Parlamentsbänke abfilmt.
Auf ihre
häufigen Abwesenheiten angesprochen, lautet die Standardantwort, die
eigentliche Arbeit fände in den Ausschüssen und Büros statt.
Ein
nicht von der Hand zu weisendes Argument. Allerdings auch kein Überprüfbares.
Nach der
Lektüre von Roger Willemsens „Das hohe Haus“ sorge ich mich allerdings
verschärft um die politische Kultur. Debatten im Sinne von ergebnisoffenen
Diskussionen gibt es gar nicht mehr.
Das ist
die Kehrseite unserer transparenteren Demokratie, in der Parlamentssitzungen
von TV-Sendern übertragen werden. Diese eigentlich so zu begrüßende Neuerung
führt aber dazu, daß die Redner ihre Auftritte als Bewerbungsvideos
missbrauchen. Sie setzen sich in Szene für den harten Kern ihrer eigenen
Anhängerschaft und geben sich gar nicht erst die Mühe andere Parlamentarier mit
Argumenten zu überzeugen. Die Abstimmungsergebnisse stehen ja ohnehin in 99,9%
der Fälle schon vorher fest.
Zur Not
wird eben so lange an den Vorlagen gefeilt, bis die entsprechenden Mehrheiten
zu Stande kommen.
Der
Gipfel der Degeneration des Parlamentarismus ist es, daß inzwischen Bundestagsreden
noch nicht einmal mehr gehalten werden müssen, sondern einfach auch schriftlich
zu Protokoll gegeben werden können.
Dann ist
das Plenum noch nicht mal mehr eine „Schwatzbude“, sondern reine Attrappe.
Einen
großen Rhetor gibt es ohnehin nicht mehr im Parlament.
Dabei
sind die „Sternstunden“ noch gar nicht so lange her, wie man immer meint.
1994 –
1998 musste man die Bundestagsdebatten schon allein wegen Joschka Fischers
Großangriffe auf Kohl sehen. Das war ein Genuss. Inhaltlich und stilistisch.
Wenn heute Göring-Eckardt oder Hofreiter am Rednerpult stehen, würde das nie
einen Minister von der Regierungsbank dazu veranlassen sich nach links zu
wenden und das Sudoku-Spielen zu unterbrechen.
Kohl,
Blüm und Kinkel hingegen hörten als Minister gebannt zu, wenn Fischer sprach –
dabei haben sie ihn sicherlich von ganzem Herzen verachtet.
Aber
heute braucht man die öffentliche Redezeit ohnehin nicht mehr, um sich an das
ganze Volk zu wenden.
Seine
eigenen Anhänger kann man über das Internet direkt mit dem Output des
Abgeordnetenbüros zuspammen.
Reden
sind jederzeit oneline abrufbar.
Die
Frage stellt sich nun, ob es neben den zweifelllos vielen fleißigen
Abgeordneten nicht auch zunehmend irgendwelche, gerne mal adeligen, Lutscher
gibt, die sich mit dem Prestige eines Mandats schmücken, aber gar nicht vor
haben sich dort übermäßig einzubringen.
Carl-Eduard
Otto Wolfgang Jayme Anders Graf von Bismarck-Schönhausen (*1961 in Zürich)
rückte für die CDU 2005 in den Bundestag ein, ließ sich dort aber nie blicken.
Das ging so weit, daß sich sogar seine eigene Partei öffentlich empören mußte,
nachdem immer mehr Medien über den faulen Grafen berichteten.
Die Junge Union hat
den Bundestagsabgeordneten zur Niederlegung seines Mandats aufgefordert.
"Seine ständige Abwesenheit im Bundestag und im Wahlkreis sowie zahlreiche
nicht gehaltene Versprechen können weder die Mitglieder der JU noch die Bürger
länger ertragen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union
(JU) Stormarn, Christopher Voigt, im südholsteinischen Oststeinbek.
Nicht bei einer
wichtigen Abstimmung im Bundestag sei Bismarck anwesend gewesen, ob
Gesundheitsreform oder Tornado-Einsatz. "Nachdem es bereits längere Zeit
parteiintern brodelte, weil Herr von Bismarck seine Aufgaben in renitenter
Weise nicht wahrnahm und alle Versuche, an sein Verantwortungsbewusstsein zu
appellieren scheiterten, ist nun das Maß voll", sagte der
JU-Kreisvorsitzende Sebastian Bigdon.
Wir
wissen außerdem über die Arbeitsmoral eines anderen Blaublüters, Karl-Theodor
von und zu Guttenberg gut Bescheid.
Das
nächste faule Ei aus dem Kreise der Barone und Grafen kommt selbstverständlich
auch aus der CDU/CSU-Fraktion: Philipp Graf von und zu Lerchenfeld ist so
unausgelastet mit seinem Job, daß er nebenher noch siebenstellige Summe
verdienen kann.
[…]
Philipp Graf von und zu Lerchenfeld ist
der neue Spitzenreiter unter den Bundestagsabgeordneten mit den höchsten
Nebeneinkünften. Mindestens 1,15 Millionen Euro hat der CSU-Parlamentarier aus
Köfering bei Regensburg seit Beginn der Legislaturperiode zusätzlich zu seinem
Abgeordnetengehalt verdient. […] In Berlin sitzt Philipp Lerchenfeld im
Haushaltsausschuss, die Finanz- und Steuerpolitik war schon im bayerischen
Landtag sein Steckenpferd.
Es ist eine
Spezialität der Unionsmannschaft das Parlament Parlament sein zu lassen und
nebenher zu verdienen. Und zwar ein Vielfaches des Merkel-Gehaltes.
Genau
offengelegt werden muß das nicht. Wir kennen nur Mindestverdienste.
Hier die
Topverdienerliste aus dem August 2015. Der Mann mit dem höchsten Einkommen –
CSU-Vizeparteivorsitzender Peter Gauweiler verdient Millionen mit seinen
Mandaten – gab am 31.03.2015 den lästigen Nebenjob als Volksvertreter auf.
1.
Philipp Lerchenfeld (CSU): mind. 1.148.000 Euro
2.
Albert Stegemann (CDU): mind. 878.500 Euro
3. Johannes
Röring (CDU): mind. 862.000 Euro
4. Stephan
Harbarth (CDU): mind. 650.000 Euro
5.
Hans-Georg v.d. Marwitz (CDU): mind. 587.000 Euro
6. Hans
Michelbach (CSU): mind. 500.000 Euro
7. Dagmar
Wöhrl (CSU): mind. 432.000 Euro
8. Josef
Rief (CDU): mind. 255.000 Euro
9. Rudolf
Henke (CDU): mind. 252.000
Euro
10.
Heinz Riesenhuber (CDU): mind. 220.000 Euro
Hier
stinkt doch einiges.
Ja, ich
will, daß die Toppolitiker gut und sogar besser als jetzt bezahlt werden.
Wenn
aber über 100 Hinterbänkler so unausgelastet sind, daß sie Zeit haben um mal
eben siebenstellige Summen zu kassieren, stimmt irgendetwas nicht.
Vermutlich
ist es sogar schlimmer als die bloße Tatsache, daß sie ihre Arbeitszeit für
etwas anderes aufwenden, als das wofür sie bezahlt werden – nämlich Volksvertreter
zu sein.
Es ist
nämlich nicht leicht zu erfahren, was eigentlich überhaupt diese Gehälter
gerechtfertigt.
Was
machen diese Unionsabgeordneten dafür?
Manchmal
offensichtlich nicht so viel.
Könnten
diese Jobs also nicht eher irgendwo zwischen Lobbyismus und Bestechung
mäandern?
Blicken
wir nach Hamburg. Der Vizechef der Elb-CDU, Rüdiger Kruse, verdient als Bundestagsabgeordneter
zwischen 7.000 und 15.000 Euro nebenher als Geschäftsführer des Landesverbandes Schutzgemeinschaft Deutscher
Wald.
Was er
dafür leistet ist völlig unklar. Weder er noch der Umweltschutzverband geben
darüber Auskunft.
[…] So einen Nebenjob hätte jeder gerne...
[…]
Er ist Bundestagsabgeordneter und macht
nebenbei als Geschäftsführer eines Umweltverbandes ordentlich Kasse: Hamburgs
stellvertretender CDU-Landeschef Rüdiger Kruse kann sich über sein Gehalt nicht
beschweren. […] Kruse liegt mit
seinen Nebeneinkünften auf Platz 18 der Top-Verdiener im Bundestag – bis zu
15.000 Euro brutto soll er jeden Monat vom Landesverband Schutzgemeinschaft
Deutscher Wald überwiesen bekommen. Das haben Recherchen von
abgeordnetenwatch.de ergeben.
Bei anderen
Umweltverbänden betrachtet man den Geldsegen für Kruse kritisch. Schließlich
sei er als Bundestagsabgeordneter ohnehin sehr eingespannt, da könne es ja
überhaupt nicht sein, dass er nebenbei noch eine volle Stelle ausfülle, heißt
es hinter vorgehaltener Hand.
Nach
MOPO-Informationen verdient Manfred Braasch, Chef des BUND in Hamburg, deutlich
weniger als Kruse – sein Einkommen liegt bei etwa 5000 Euro brutto. Dafür
arbeitet er mindestens 50 Stunden pro Woche.
Ähnlich soll es beim
Nabu aussehen. […]
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