Die
Bürgerrechtsorganisation „Fatal Encounters“ zählt die Menschen, die
durch Polizeigewalt getötet wurden.
Innerhalb
des letzten Jahres überlebten 1091 Menschen den Kontakt mit den US-Cops nicht.
Damit erschießt die amerikanische Polizei drei Menschen am Tag. Mindestens.
Denn es handelt sich um keine offizielle Statistik. Die könnten nur die
US-Behörden oder die Polizei selbst erstellen. Das tun sie aber wohlweislich nicht.
Daher
dürfte es sich bei den 1091 dokumentierten Toten um eine Mindestzahl mit unbekannter
Dunkelziffer handeln.
Natürlich
gibt es Fälle, in denen Polizisten gerechtfertigt schießen oder zurückschießen;
allein darüber gibt es keine Statistik. Niemand weiß wie hoch der Prozentsatz
der nicht gerechtfertigten tödlichen Polizeigewalt ist.
Das einzige,
das man sicher sagen kann, ist daß schwarze Amerikaner ein dreifach höheres
Risiko haben von der Polizei ermordet zu werden.
A few of the more disturbing highlights: Black people are three times
more likely to be killed than white people by a police officer. Roughly
one-third of Black victims are unarmed when they are shot. In 17 of the largest
American cities, police killed Black men at higher rates than the total U.S.
murder rate in 2014. What's more: It's not getting better. It's actually
getting worse. […] Put another
way: We can’t leave it up to the police to police themselves. If the data set
is right, 314 Black people were killed by police since one year ago today. Next
August, it could be more. Something very clearly must change.
Manchmal
wundert man sich angesichts der überquellenden US-Gefängnisse, daß die Cops
überhaupt noch Schwarze zum Erschießen finden.
Keine
andere Nation der Welt hat so viele Gefängnisinsassen wie Amerika, derzeit über 2.2 Millionen.
Auf den
Plätzen folgen China (1,6 Millionen) und Russland (0,6 Mio).
Bezogen
auf die Bevölkerung ist die US-Gefangenen-Quote weltweit unübertroffen. 25%
aller Gefangenen des Planeten sind Amerikaner – bei einem US-Weltbevölkerungsanteil
von 5%.
Schlimm
genug, aber zudem bilden die USA auch noch ein rassistisches System.
Auch die
Inhaftierungszahlen für schwarze Amerikaner sprechen für einen systematischen
Rassismus der amerikanischen Institutionen. So sind 37 Prozent der
amerikanischen Gefängnisinsassen schwarz, obwohl sie nur 13,2 Prozent der
Bevölkerung ausmachen (Zahlen von 2013). Die Soziologin Michelle Alexander
spricht deshalb von einem "Kastensystem", durch das insbesondere
männliche Schwarze dauerhaft von der Teilhabe an der amerikanischen
Gesellschaft ausgeschlossen werden.
[…]
So schreibt der
schwarze Essayist Ta-Nehisi Coates, dass "Amerika auf einem Fundament
weißer Suprematie ruht". Die amerikanische Gesellschaft ist laut
Intellektuellen wie Coates und Alexander zutiefst und unabänderlich rassistisch
verfasst. Daran hätten weder die Bürgerrechtsgesetze der sechziger Jahre noch
die Wahl Obamas wirklich etwas geändert. "Man hat das Messer, das 20
Zentimeter tief in unserer Schulter steckt, einen Zentimeter weit
herausgezogen", so Coates.
Wie ist
es aber zu erklären, daß die durchaus dynamische US-Gesellschaft, die rasend
schnell bunter wird und sich bei anderen sozialen Fragen wie der Marihuana-Freigabe
und der Gay Marriage so liberal zeigt, gleichzeitig so
ignorant
auf das offensichtliche krasse Unrecht in ihren Gefängnissen reagiert?
[….]
Erstmals in der Geschichte der USA
befindet sich ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung im Gefängnis. Zu Beginn
des Jahres saßen etwa 2,32 Millionen Menschen in den USA in Haft, teilte das
unabhängiges Wissenschaftsinstitut PEW in Washington mit.
[….]
Jeder neunte schwarze Amerikaner im Alter
zwischen 20 und 34 Jahren sei im Gefängnis, verweist die PEW-Studie auf jüngste
Angaben des US-Justizministeriums. Bei weißen US-Bürgern dieser Altersgruppe
befinde sich nur einer von 30 in Haft. Derzeit seien 13 mal so viele Männer im
Gefängnis wie Frauen. Deren Zahl steige aber stetig.
Die amerikanische
Zeitung USA Today berichtete hingegen im Internet, dass immer weniger neue
Insassen in Haft kommen. Vielmehr verbüßten die Häftlinge längere Strafen und
würden seltener früher entlassen.
Die Kosten für die 50
US-Bundesstaaten zum Unterhalt der Haft- und Justizvollzugsanstalten belaufen
sich auf 49 Milliarden Dollar (32 Milliarden Euro) jährlich, heißt es in der
Studie. Vor 20 Jahren hätten die Kosten nur 11 Milliarden Dollar betragen.
Damit seien die Haftkosten sechsmal so stark gestiegen wie die Ausgaben für
Bildung.
Müßte es
nicht auch genügend Amerikaner geben, die es für völlig wahnsinnig halten
deutlich mehr Geld für Gefängnisse als für Bildung auszugeben?
Müßten
sie nicht begreifen, daß drakonische Strafen bis zur Todesstrafe offenbar eben
keine wirksame Abschreckung sind, daß die Mordrate in den USA exorbitant höher
als in allen anderen vergleichbaren westlichen Nationen ist?
Müßten
Amerikaner nicht irgendwann zur Kenntnis nehmen, daß ihre Gefängnisse nur
Kriminalität statt Schutz vor Kriminalität erzeugen?
Müßten
die Amis nicht irgendwann kapieren, daß die nahezu wöchentlichen Traueransprachen
ihres Präsidenten nach Mass-shootings in einem Zusammenhang
mit dem erotisch-fanatischen Verhältnis zu Waffen stehen?
Müßte
eine Nation, die sich als so christlich versteht nicht mehr Mitleid und Vergebung
gegenüber den Millionen ihrer inhaftierten Landsleute aufbringen?
Wieso
sind die Amerikaner so knallhart und mitleidslos?
Einen Erklärungsansatz
dazu bietet der weltbekannte Niedersächsische Kriminologe Christian Pfeiffer,
derzeit Gastprofessor am John Jay College
of Criminal Justice in New York.
Aus
einigen simplen Zahlen leitet Pfeiffer eine Frage ab:
1) In Amerika sitzen prozentual zehn Mal mehr Menschen im Gefängnis als in Deutschland.
2)
In den letzten 20 Jahren haben sich die polizeilich registrierten Straftaten
der USA um 45 % verringert.
3)
Im selben Zeitraum verdoppelte sich dennoch die Anzahl der Gefangenen, weil die
Haftstrafen exorbitant länger wurden.
4)
Zwei Drittel der Amerikaner halten die Gefängnisstrafen für nicht hart genug. Vor 20 Jahren fanden
sogar 90% der Amerikaner die Strafen allgemein zu gering.
Offensichtlich
sind also die Strafen extrem viel härter geworden und werden dennoch von der
Bevölkerung als zu lasch empfunden.
Woher
kommt dieser völlig mitleidslose Wunsch nach drakonischen Strafen? Was läuft da
falsch in den Köpfen der Amis?
Nach
Pfeiffers Mutmaßungen spielt die gewalttätige Erziehung der amerikanischen Kinder
die entscheidende Rolle. Viel mehr Kinder als in Europa werden mit Schlägen
erzogen und wer in seiner eigenen Jugend Prügel erlebt, prügelt selbst und
neigt zu der Ansicht Prügel und harte Strafen wären richtig.
In 19
US-Bundesstaaten dürfen sogar Lehrer in der Schule immer noch Schüler
verprügeln.
[….]
Nach einer 2010 von Liz Gershoff
veröffentlichten Untersuchung wurden nur 15 Prozent der damals erwachsenen
Amerikaner völlig gewaltfrei erzogen. Dazu passt, dass in den letzten vier
GSS-Befragungen jeweils 70 Prozent der amerikanischen Bevölkerung folgender
Aussage zugestimmt haben: "Manchmal ist es nötig, ein Kind mit ein paar
guten, harten Schlägen zu disziplinieren."
In Europa wurde
dagegen seit 1979 (Schweden) das elterliche Züchtigungsrecht in 22 Ländern
abgeschafft. Den Lehrern ist es durchweg verboten, Kinder zu schlagen.
Zwei 1992 und 2011 vom
Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) durchgeführte
Repräsentativbefragungen zeigen nun: Im Verlauf der 19 Jahre ist der Anteil
derjenigen, die völlig gewaltfrei erzogen wurden, von 26 auf 52 Prozent
angestiegen. Bei den 16- bis 20-Jährigen liegt er inzwischen schon bei 63
Prozent, in Schweden sogar bei 86 Prozent.
[….]
Schlagende Eltern vermitteln ihren Kindern
zwei klare Botschaften. Erstens: Strafe muss sein. Zweitens: der Stärkere darf
und soll sich mit Gewalt durchsetzen. Im Grunde wird so das Selbstkonzept einer
autoritären Persönlichkeit gefördert, die ein möglichst hartes Strafrecht
fordert.
Hinzu kommt: Wer mit
viel Schlägen und wenig Zuwendung groß geworden ist, entwickelt ein
buchstäblich angeschlagenes Selbstbewusstsein. Solche Menschen sind häufig von
Misstrauen und Angst geprägt. Auch das stärkt bei ihnen den Wunsch nach harten
Abschreckungsstrafen. Zudem fühlen sie sich durch fremde, andersartig
aussehende Menschen eher bedroht. Das aber schafft einen Nährboden für
Rassismus.
Eltern, die auf
Schläge völlig verzichten, sind hingegen darauf angewiesen, ihren Kindern die
Befolgung von Regeln durch geduldiges Erklären und durch Vorbild zu vermitteln.
Im Vordergrund steht die beharrliche und liebevolle Kommunikation über
richtiges und falsches Verhalten. Eine derartige Erziehung fördert
zwischenmenschliches Vertrauen, Toleranz und Empathie. Unsere Untersuchungen zeigen ferner, dass
solchermaßen geprägte Menschen eher ein maßvolles Strafrecht bevorzugen, in dem
das Ziel der Wiedereingliederung des Täters in die Gemeinschaft hohe Bedeutung
hat. [….]
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