Dienstag, 11. August 2015

So nicht, Abendblatt. Teil II


Kürzlich heiratete ein alter Bekannter von mir.
Da er weiß, daß ich nicht zu den großen Fans dieser Institution gehöre, erzählte er mir lachend:
Ein Gutes hat es auf jeden Fall. Als wir im Standesamt das Aufgebot bestellten, haben wir gleich die Gelegenheit genutzt beide aus der Kirche auszutreten.

Klar, das hat mich auch gefreut. Er gehört zu den Menschen, denen ich seit Jahren sage, er müsse endlich austreten aus dem Verein. „Bist Du da etwa immer noch zahlendes Mitglied?“ fragte ich immer wieder, wenn wir auf das Thema kamen. Er wollte auch schon lange austreten, aber scheinbar war es ihm einfach nicht wichtig genug, um nicht doch zu prokrastenieren.

So etwas höre ich öfter. Leute sind automatisch seit Geburt Kirchenmitglied, völlig ungläubig, lehnen die Kirchen ab, aber treten nicht aus, weil irgendein Impuls fehlt diesen – gebührenpflichtigen!!! - Verwaltungsakt zu tun.
Würde wie bei Wahlen ein Formular an alle Haushalte geschickt, mit dem man dann nur mit einem Kreuz aus der Kirche austreten könnte, wären schlagartig Millionen Mitglieder weg. Insbesondere, wenn es dabei noch eine kleine Infobroschüre läge, über die gewaltigen finanziellen Mittel, die den Kirchen zufließen und die eben nur zu Bruchteilen in soziale Projekte fließen. Es könnten auch die Bischofsgehälter und Pensionen ausgewiesen werden, die vom Staat bezahlt werden und tabellarisch aufgelistet werden welches die homöopathischen Anteile der Eigenfinanzierung von Schulen, KITAs oder Pflegeheimen unter kirchlicher Trägerschaft sind.

Es gibt selbstverständlich diesen harten Kern der Religioten, die wie Kauder, Gröhe oder Nahles ihrem Verein immer treu bleiben werden.
Es sind in Deutschland immerhin auch ein bis zwei Millionen Evangelikale, Piusbrüder, Christdemokraten für das Leben, Forum deutscher Katholiken, Kath.net-Leser, Gloria-TV-Gucker, Jesusfreaks und sonstige metaphysisch Getriebenen unterwegs.

Könnte man aber ein Kirchenmitgliedschafts-Reset durchführen, so daß niemand mehr Mitglied wäre und man erst aktiv wieder eintreten müßte, kämen EKD und RKK nach meiner Schätzung auf insgesamt rund 5 Millionen Mitglieder in Deutschland.

Daß die Hälfte der Kirchenmitglieder einfach zu träge zum Austreten ist, bestätigen immer wieder Umfragen. Über eine berichtete gestern ausgerechnet das Kirchenportal „idea“.

Mehr als die Hälfte aller Mitglieder der beiden großen Kirchen (51 Prozent) überlegt bisweilen auszutreten. Die Gründe, warum die meisten den Schritt nicht vollziehen, sind vielfältig. Das geht aus dem am 10. August erschienenen Buch „Wie wir Deutschen ticken“ hervor. Es ist ein Projekt des Meinungsforschungsinstitutes YouGov (Köln). […]  Von den Kirchenmitgliedern, die über einen Austritt nachdenken, bleiben 46 Prozent „aus Bequemlichkeit“ in der Kirche. 14 Prozent entscheiden sich aus „Angst vor einem so radikalen Schritt“ gegen den Austritt, und vier Prozent geben an, dass sie ihren Glauben wiedergefunden haben. […]   Der Herausgeber und Diplompsychologe Holger Geißler kommt zu dem Schluss, dass es eine große Distanz zu den Kirchen als Institution gibt. So findet es nur jeder sechste Befragte richtig, dass der Staat die Kirchensteuer einzieht. […]  

Da Kirchen diskriminatorisches Arbeitsrecht anwenden, ihre Mitarbeiter bei Streikverbot schlecht bezahlen und Juden oder Muslime nicht in ihren Pflegeheimen dulden, ist es schon aus demokratischen und sozialen Erwägungen jeder Rückzug der Kirchen zu begrüßen.
Kirchen sitzen wie Parasiten im Wirtskörper Staat, saugen ihn finanziell aus, während sie gesellschaftlichen Unfrieden stiften und insbesondere den Kindern in ihrer Obhut schwer schaden.

Kirchen stehen für einen „Wir sind besser als die“-Gedanken. Sie halten sich für allein maßstabgebend. Die große irdische und finanzielle Macht der Kirchen wird durch ihre protzigen Gebäude gezeigt. Gebäude, in denen die Liebe zwischen zwei Menschen verdammt wird (wenn sie nicht kirchlich verheiratet oder gleichgeschlechtlich sind). Gebäude, in denen Kinder Bedrückung, Langweile, Ohnmacht und Angst erfahren, in denen psychisch verklemmte Penisfixierte erfahren wollen, wie oft sie onanieren. Die Gebäude zu entweihen, entwidmen und umzufunktionieren, ist eine Hoffnung für eine Gesellschaft, die tolerant sein ist und Kinder nicht mit Ängsten überfrachten will. Die Schließung der teuren Kirchen ist ein Glückfall für die Gemeinden, weil man die Mittel nun endlich sinnvoller ausgeben kann. Der Rückzug von Kirchen dokumentiert einen glücklichen Fortschritt der Gesellschaft, die nicht mehr aufgrund von Vorurteilen, uneheliche Kinder in Heime schickt, um sie dort zu quälen. Geschlossene Kirchen stehen für eine tolerante Gesellschaft, die sich Minderheiten zuwendet, Schwule und Lesben ganz selbstverständlich akzeptiert und Jugendliche nicht mehr mit Schamgefühlen quält, nur weil sie die Freuden der Masturbation entdecken.
Zum Glück gerät der Glaube, der Jahrtausende als Quelle für Unfrieden und Pogrome diente, in Vergessenheit. So kann sich endlich echte Solidarität entwickeln, wenn nicht mehr der Moloch Kirche Milliarden für sich selbst verschlingt.
Die Kirchen als Symbole der Abschreckung, die bis heute ihre Türen fest vor der Not der Flüchtlinge verschlossen halten, müssen endlich entmachtet werden. In den Kirchen findet Hass statt. Dort wird gegen Anders- und Nichtgläubige gehetzt. Fremde, Schwule, Muslims werden ausgegrenzt.
Fallen die Privilegien der Kirchen, werden die 700 Milliarden Euro schweren EKD und RKK ärmer und das Geld kann sinnvoller eingesetzt werden.

Ach ja – zum Titel des Postings:
Das Hamburger Abendblatt, veröffentlichte gestern diese bizarre Ansicht:

[…]  Kirchen  […]  weisen über sich selbst hinaus und stehen dafür, dass die Fragen, Sorgen und das Glück in dieser Welt nie allumfassend sind. Der Himmel wird durch Kirchgebäude in Erinnerung gebracht, so wird Raum gegeben für Glauben, Hoffnung und eine Liebe, die auch die Mitmenschen, vertraute wie fremde, und sogar die Feinde mit einschließt.
Deshalb ist die Schließung einer Kirche der GAU kirchlichen Handelns und für eine Gemeinde das Schmerzlichste, das geschehen kann. Es ist das Ende von Hoffnung, sieht aus wie die Abwesenheit von Glauben und tut weh, weil man sich fragt: Gibt es denn niemanden mehr, der diesen Ort lieb hat und braucht? Kirchenschließungen dokumentieren den Zustand einer Gesellschaft, die nicht mehr um den Wert ihrer symbolischen Orte weiß. Der Glaube ist vielen fremd, und die finanzielle Beteiligung via Kirchensteuer bringt nur noch solidarisch auf, wer eine echte Beziehung zur Kirche hat.
[…]   Die Kirchen können gastfreundliche, offene, einladende Orte sein, an denen Menschen ausruhen können, Erzählungen loswerden und von den großen Erzählungen der Menschheit hören. In Kirchen findet Liebe statt: Nächste werden geheilt und versorgt, Trauernden zugehört, Tränen abgewischt, Fremde werden heimatlich. […]   In Kirchen kann man über sich selbst hinausdenken. Der Mehrwert der Kirchen sollte unser Handeln leiten und der Gesellschaft bewusst werden. Sonst werden wir wirklich arm.

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