Montag, 20. Juni 2016

Homopower

Während früher die schwulen Stadtviertel eher „bähbäh“ waren, gelten sie inzwischen als schick.
Das hängt nicht unbedingt damit zusammen, daß Homosexuelle von allen geliebt würden, sondern weil die Wirtschaft die schwule Kaufkraft entdeckt hat.
Schwule sind nicht nur besser gebildet als heterosexuelle Männer, sondern sie verdienen mehr und geben davon auch noch mehr für Konsumartikel und Reisen aus.
Der Wirtschaftswissenschaftler Richard Florida hat die „kreative Klasse“, zu der LGBTIs gezählt werden, als Standortvorteil definiert.

Kulturwirtschaft? Nein, "Creative Industries" ist doch inzwischen der angesagte Begriff - und auch in Mitteleuropa schon Gegenstand eigener "Kreativwirtschaftsberichte". Warum halten wir uns dann nicht gleich an den immer noch einflussreichen amerikanischen Guru Richard Florida, der seine ökonomischen Theorien zum Beschäftigungswachstum wirkungsvoll als Aufstieg einer neuen, "kreativen Klasse" inszeniert?
[….] Das Kernargument von Florida ist von eher schlichter Natur: Seit es mit traditionellen Industriezweigen bergab geht, sei die "creative economy" mit einer neuen Klasse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dabei, ihren Platz zu übernehmen. [….] Floridas Konzept enthält - ähnlich wie andere Theorien zur wirtschaftlichen Entwicklung - statistische Indikatoren. Dies hat den Vorteil, dass man das Konzept empirisch "testen" kann, was auch bereits in verschiedenen Regionen geschehen ist. [….]  Manche von Floridas Argumenten werden etwa in einer niederländischen Studie bestätigt, so vor allem die These, dass es zur Stimulierung des Wirtschaftswachstums weniger darum gehe, "welche oder wie viel Bildung Menschen mitbringen, sondern wo sie tatsächlich arbeiten".

Bildung und Wohlstand gehen mit Liberalität und Religionsferne einher.
Das ist auch das große Problem von ultraultraorthodoxen Juden in Israel.
Da sie durchschnittlich zehn Kinder bekommen, müßten sie eigentlich schon die Bevölkerungsmehrheit stellen.
In der Praxis klappt das nicht, da immer wieder Kinder abtrünnig werden.
Ich glaube, dafür gibt es sehr profane Gründe. Ultraultraorthodoxe leben sehr ärmlich und beengt.
Wie sollte es auch anders sein? Die Männer arbeiten nicht, verdienen kein Geld, sondern beschäftigen sich ausschließlich mit Poppen und Thora-Studium. Den Lebensunterhalt müssen die Frauen verdienen, die aber grundsätzlich nur eine mindere Schulbildung bekommen und zudem auch noch ständig ausfallen, weil sie wieder einen Braten in der Röhre haben.
Das sagt natürlich noch nichts darüber aus, ob Kinder in diesem Umfeld nicht doch sehr glücklich und geborgen aufwachsen.
Aber in Israel müssen sie nur ein paar Minuten zu Fuß gehen, um Menschen im Wohlstand und mit ungeahnten Freiheiten zu treffen. Der Gedanke, daß säkulare Israelis offenbar das bessere Leben führen liegt dann nahe.
So können stramm religiöse, konservative Menschen vom Mammon verführt werden.

Ohne Richard Floridas Wirtschaftstheorien genauer auszubreiten, läßt sich doch sagen, daß die neue Homo-Affinität der ökonomischen Elite auf dem gleichen Prinzip beruht.
Die Chefs der DAX-Konzerne sind jetzt nett zu ihren schwulen Mitarbeitern. Nicht weil sie über Nacht links-multikulti ticken, sondern weil sie erkannten, daß LGBTIs nicht nur eine wertvolle Ressource sind, sondern auch ein Machtfaktor.

Karma is a bitch.
Nun müssen sich ausgerechnet die konservativen Parteien, die den Reichen und der Wirtschaft zuarbeiten von ihrem gesellschaftsideologischen Überbau trennen.
Sie tun das nicht aus Einsicht, oder weil sie gute Menschen sind, sondern weil sie dem Mammon frönen.
In diesen Fall werden sie aber durch das Geld in die richtige Richtung gedrückt.

Andere Minderheiten wie Behinderte oder Schwarze verfügen leider nicht über diese ökonomischen Hebel, weswegen Donald Trump auch weiterhin auf sie eindrischt.

Vor den Schwulen aber muß er Angst haben und bemüht sich jetzt ausgerechnet als Ober-GOPer um die queeren Stimmen.
Ob das klappen kann?

Während man nach dem Orlando-Shooting zunächst dachte, Trump schlüge mit seiner antimuslimischen Suada politisches Kapital daraus, scheint sich nun aber Unbill über dem Sohn eines Orangs zusammenzubrauen.
Die US-Schwulen sind aufgerüttelt und besinnen sich ihres Einflusses.
Man kennt das aus dem „Herrn der Ringe“; es ist schwer Ents und Hurons aufzurütteln, aber wenn das einmal geschafft ist, sind sie extrem mächtig.

Donald Trumps Waffenwahn – er versprach immerhin, daß es unter seiner Präsidentschaft keine „Gun-free zones“ mehr geben werden, auch nicht an Schulen – entwickelt sich zum Wahl-Mühlstein um den GOP-Hals.

[….] "Glückwunsch, ihr Mörder. Ihr habt euch mit uns angelegt": Nach dem Blutbad von Orlando stellt sich Amerikas LGBT-Gemeinde gegen die NRA. Die Schwulenlobby hat Geld, ist selbstbewusst - und sehr laut.
[….] Und diesen geballten Widerstand bekommt jetzt ein Feind zu spüren, dem hier über Generationen kaum jemand etwas anhaben konnte - die US-Waffenlobby.
[….] Tausende Tote, verzweifelte Hinterbliebene, frustrierte Politiker: Nichts und niemand war bisher in der Lage, die Macht der National Rifle Association (NRA) zu brechen. Doch nach Orlando, wo Homophobie, islamistischer Terror und laxe US-Waffengesetze zusammenkamen, gibt es einen ganz neuen Gegner. Und der hält sich mit Kampfansagen nicht zurück.
"Ihr habt euch mit uns angelegt", droht der Aktivist und Schauspieler George Takei ("Raumschiff Enterprise") auf der Website "Daily Beast". "Wenn es in diesem Land eine Gruppe gibt, die mehr Willenskraft, Erfahrung und Hartnäckigkeit hat als die NRA, dann ist es die LGBT-Gemeinde." Der Kampf gegen die NRA, so Takei, sei "das nächste Kapitel in der LGBT-Geschichte".
[….] "Die Schwulengemeinde", sagte Dave Garcia, der politische Direktor des Los Angeles LGBT-Centers, der Website "The Wrap", "ist extrem einfallsreich."
Nun nehmen sie sich also die Waffenlobby vor. In einem offenen Brief erklärten mehr als 50 LGBT-Gruppen der NRA den Krieg: Die "Schwelle der Toleranz" sei erreicht. "Die Sicherheit unserer Gemeinschaft hängt davon ab, dass wir sowohl den Hass gegen uns als auch die Epidemie der Waffengewalt beenden, die außer Kontrolle geraten ist", erklärte Chad Griffin, der Chef der großen LGBT-Menschenrechtsorganisation Human Rights Campaign (HRC). [….]

Trumps ist sehr nervös; seine Umfragewerte befinden sich ohnehin im freien Fall, da kommt ein Krieg mit den Schwulen denkbar ungelegen.

Der Apple-Konzern hat dem republikanischen Spitzenkandidaten für den US-Wahlkampf eine deutliche Absage erteilt: Wegen Donald Trump werde der Konzern nicht wie bei den letzten Wahlen üblich technisch und materiell den republikanischen Parteitag unterstützen. [….] Trump hatte im Wahlkampf wiederholt Tim Cook, der seit 2011 den Apple-Konzern anführt und sich 2014 outete, persönlich angegriffen. Kritisiert hatte er insbesondere die Weigerung des Konzerns, für die amerikanischen Sicherheitsbehörden Nutzerdaten zu entschlüsseln. So rief Trump vor einigen Monaten zu einem Apple-Boykott auf.

Trump, der mutmaßliche Milliardär, der sich aber weigert seine Einkommenssteuererklärung zu veröffentlichen, weil er mutmaßlich gar keine Milliarden hat, bekommt dadurch ein Problem.
Anders als behauptet, zahlt er nämlich nicht seinen Wahlkampf selbst, sondern ist auf Spenden angewiesen – und die fließen spärlich.

Many of the major companies that helped fund the 2012 GOP National Convention have declined to sponsor the 2016 event in Cleveland this year.
Bloomberg confirmed yesterday that Wells Fargo & Co., United Parcel Service Inc., Motorola Solutions Inc., JPMorgan Chase & Co., Ford Motor Co., and Walgreens Boots Alliance Inc. will all be pulling their funds for next month’s gathering at Quicken Loans Arena.
[….] The enormous controversy emerging over Trump’s likely nomination in July does, however, provide a clear risk for many companies, who fear that their association with Trump will be potentially harmful to their brand.

Dann mal los, liebe US-LGBTIs: Macht mal ordentlich Druck, droht mit Boykotten, damit weitere Firmen sich von Trump distanzieren.
Facebook unterstützt immer noch die GOPer.

[….] Apple ist nicht die erste Firma aus der amerikanischen Tech- und Medienbranche, die wegen Trump zuletzt die Unterstützung der Republikaner einstellte. Der Schritt ist aber dennoch bemerkenswert, weil das Silicon Valley bislang, auch wenn hier tendenziell linke Vordenker den Ton angeben, Demokraten und Republikaner im gleichen Maße unterstützt hat.
[….] Die Entscheidung des größten Tech-Konzerns hat eine hohe Symbolkraft und dürfte die Spannungen im Silicon Valley im Umgang mit Trump weiter anheizen. Zuletzt hatte das Portal "BuzzFeed" einen Werbedeal mit den Republikanern platzen lassen, auch dies aus Protest gegen Trump.
[….] Trotz der Kritik an Trump planen etwa Google und Facebook weiterhin, den Nominierungsparteitag der Republikaner ebenso zu unterstützen wie jenen der Demokraten, die nach derzeitigem Stand Hillary Clinton ins Rennen schicken werden. [….] Auch bei Facebook sorgt die Frage, wie man es denn nun mit Trump hält, für Konflikte. Verwaltungsratsmitglied Peter Thiel, zugleich einer der mächtigsten Tech-Investoren, ist gar einer der Delegierten Trumps beim Parteitag. [….] (SPON 20.06.16)

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