Es ist
nicht wirklich zweckmäßig und verschwendet viel Zeit, aber nach so einem Hass-Anschlag wie dem gestrigen in Orlando,
fällt es mir schwer nicht manisch und stundenlang weitere Berichte darüber zu
konsumieren.
Dabei
handelte es sich um ein enorm schnell aufgeklärtes Verbrechen.
Der
Täter war getötet und identifiziert, der Tathergang offensichtlich und die
Motive ob seines vorherigen demonstrativen Bekenntnis zum IS auch geklärt.
Vielleicht
liegt es daran, daß man als einigermaßen moralisch normal tickender Mensch die
Brutalität Omar Mateens nicht nachvollziehen kann, daß man sich nicht von „dem
Fall“ löst.
Zu allem
Übel wird einem im Anschluß das dunkelste Amerika präsentiert, so daß man immer
wieder in neue Schockzustände verfällt.
Pastor Steven L Anderson beispielsweise postete ein Video, in
dem er es als „good news“ darstellte, daß „50 sodomites, a bunch of disgusting pedophiles and perverts“
getötet wurden.
Und
wieder einmal ahnt man gar nicht, was für christliches Kroppzeug in der Lage ist
mit dem Klugtelefon die Exkremente aus dem Hohlraum zwischen den Ohren auf die
sozialen Netzwerke zu streuen.
Klar,
daß Donald Trump, der Chef-Widerling der GOP-Widerlinge geifernd seinen Vorteil
aus den Leichen saugt.
Trump legte dagegen in
einem Telefoninterview mit dem Sender CNN nach. Der Präsidentschaftsbewerber
der Republikaner warf der muslimischen Gemeinschaft in den USA vor, den
Behörden keine Hinweise auf potenzielle Gefährder zu geben. Er gehe davon aus,
dass der Todesschütze Omar Mateen seinen Glaubensbrüdern als potenziell
gewalttätig aufgefallen sei. Man müsse die Moscheen und die
Glaubensgemeinschaften überwachen. "Und glauben Sie mir, die Gemeinden kennen
die Leute, die ein Potenzial zum Explodieren haben", sagte Trump.
Aber,
wie so oft in Krisen und Schockzuständen zeigt sich Amerika auch von seiner
positiven Seite.
In
Orlando war das Mitgefühl mit den getöteten Schwulen so selbstverständlich, daß
sich unaufgefordert riesige Schlangen aus lauter freiwilligen Blutspendern um die Krankenhäuser bildeten.
Der
Andrang war so enorm, daß man die Menschen schließlich wegschicken mußte.
Auch bei
Republikanern und Behörden schien mir keinerlei homophober Ton erkennbar –
wenigstens das.
Beeindruckend
auch, mit welcher Selbstverständlichkeit in Florida die gay community mit der muslim community zusammenstand.
Ich kann
nicht beurteilen, ob das überall in Amerika so ist, aber in Orlando verstehen
sich offensichtlich die Vertreter aller Minderheiten als Teil einer gemeinsamen
„diversity coalition“.
Seit
vielen Jahren arbeiten Juden, Exil-Cubaner, Schwarze, LGBTIs und Muslims eng
zusammen. Man kennt sich, hilft und unterstützt sich.
Die
peinliche Diskussion, die man aus Europa kennt, ob sich muslimische
Organisationen nicht vom Terror distanzieren müßten, oder ob man sie damit erst
unter Generalverdacht setzt, stellt sich scheinbar gar nicht erst in den USA,
weil die Muslime dort selbstverständlicher Teil der Gesellschaft sind und ohnehin
sofort an der Seite der Opfer standen.
Gestern
hatte ich die täglich vorkommenden öffentlichen Schießereien in Amerika
gebrandmarkt.
Aber
gerade in Relation zu der enorm hohen Gesamtzahl gibt es in den Staaten
erstaunlich wenige islamistisch motivierte Mass-Shootings.
In Paris,
London, Brüssel, Madrid, in der Türkei und erst recht in den Maghreb- und
Nahostländern gab es weit schlimmere Anschläge seit dem 11. September 2001.
Dabei
leben an die 3,5 Millionen Muslime in den USA und die Waffen liegen dort
bekanntlich auf der Straße.
Daß es
dort zu viel weniger islamistischen Anschlägen kommt, wird gemeinhin schlüssig
damit erklärt, daß Muslime in den USA weit besser in die Gesellschaft
integriert sind als in Europa.
Religionen
werden grundsätzlich mehr akzeptiert und da junge Muslime nicht wie in den
berüchtigten französischen Banlieues ausgegrenzt, perspektiv- und hoffnungslos
zusammengepfercht, sondern überall verteilt leben, schaukelt sich erst gar
keine dumpfe Stimmung auf, wie sie für die Abgehängten jeder Gesellschaft
typisch ist.
Schließlich
freut es mich zu sehen, daß am Beispiel Omar Mateen diesmal die NRA und
sonstige Waffenlobby extrem angegriffen wird.
Obgleich
der Attentäter bereits unter Beobachtung des FBIs stand, konnte er seelenruhig
und legal in ein Geschäft spazieren, um sich ein Maschinengewehr zu kaufen.
Trumps
Republikaner hatten noch vor ein paar Monaten dafür gesorgt, daß dies ohne
Registrierung oder Backgroundchecks passieren konnte.
Personen,
die wie Mateen auf der FBI-Watchlist standen hätten laut eines Gesetzentwurfes
keine Waffen kaufen dürfen.
Die
Republikaner verhinderten dies.
It’s also disgusting considering these very same Republicans (and one
Democrat) listened to the NRA’s lobbyists over reason just six months ago and voted to
kill a bill that would have made it impossible for a person on the terror watch
list to legally acquire a gun.
Senate Republicans rejected a bill that aims to stop suspected
terrorists from legally buying guns, on Thursday. The vote came a
day after at least 14 people were killed during the San Bernardino
massacre in California by two suspects, including a woman said to have pledged allegiance to ISIS.
Forty-five senators voted for the bill and 54 voted against it. One
Democrat, Sen. Heidi Heitkamp of North Dakota, and one Republican, Sen. Mark
Kirk of Illinois, crossed party lines.
The measure would have denied people on the terrorist watch list the
ability to buy guns.
This is how warped the gun-obsessed fringe of the right has gotten.
Terror suspects can be barred from flying, but they must never have their right
to bear arms infringed. That’s “tyranny.”
Guess who was on the terror watch list? Orlando’s nightclub shooter.
[…..]
Nein,
ich glaube nicht, daß jetzt der Druck groß genug wird, um strengere
Waffengesetze in den USA möglich zu machen.
Aber es
ist schon für viele Menschen schockierend zu sehen, daß die republikanischen
Senatoren gerade eben noch aktiv dafür sorgten den Massenmörder Mateen zu
bewaffnen, sie rollten ihm gewissermaßen den Teppich aus.
Laut
Donald Trump ist Barack Obama Schuld an dem Mass Shooting und sollte in Schande
von seinem Amt zurücktreten.
Möglicherweise
gibt es aber doch den ein oder anderen Amerikaner, der diese Sicht der Dinge
unsinnig findet und eher die GOP beschuldigt.
[….] Neben
der Gefahr, die von Terroristen ausgeht, diskutieren US-Medien nun aber auch
wieder über das Thema Waffenbesitz: "Warum können wir nicht mit einer
Neubewertung unserer Waffengesetze auf Terrorismus und Gewalt reagieren?",
fragt die "Washington Post". Und: "Warum sind diejenigen, die
großmäulig ankündigen, die Härtesten im Kampf gegen islamistischen Terror zu
sein, so schüchtern, wenn es um mögliche Antworten zum Thema
"Waffenkontrolle" geht?" Die einzig angemessene Antwort auf
Orlando sei Solidarität und intelligente Entschlossenheit.
Auch die "Daily
News" greift das Thema Waffengesetze auf - und hat auf ihrer Titelseite
bereits einen Schuldigen für die Attacke ausgemacht: "Danke, NRA",
heißt es dort. Weil die Waffenvereinigung National Rifle Association gegen ein
Verbot von Sturmfeuergewehren gekämpft habe, seien solche Massaker erst möglich,
heißt es. Deswegen könnten "Irre" wie Omar M. legal Gewehre erwerben.
[….]
Die Schweizer Zeitung "NZZ"
vermutet, dass die Attacke auf den Schwulen- und Lesbenclub auch Auswirkungen
auf die Präsidentschaftswahlen haben wird: Vor allem der republikanische
Kandidat Donald Trump werde profitieren. "Besonders mit Blick auf die
Präsidentenwahl im November dürfte dieser Sonntag zur Zäsur werden, die Amerika
in ein 'Davor' und ein 'Danach' teilt", schreibt die "Neue Zürcher
Zeitung. [….][….]
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