Dienstag, 21. Juni 2016

Ungleichzeitige Entwicklungen

In vielen Islamischen Ländern gibt es eine schockierende Rechtsungleichheit für Schwule oder Frauen.
Zu Recht empören wir uns darüber.
Und es gibt noch eine Menge himmelschreiende verfassungsrechtliche Skandale in der Welt.
Man denke nur an schlicht nicht vorhandene Tierrechte in den meisten Ländern oder das nicht vorhandene Bewußtsein für die Bewahrung der Umwelt.
Daran wie in vielen asiatischen Ländern Kinder unter erbärmlichen hygienischen Umständen arbeiten müssen.
Ein bekanntes großes Land, in dem im Herbst ein Präsident gewählt wird, unterhält Folterlager und praktiziert die Todesstrafe.
Wir haben allen Grund uns zu empören. Unkontrollierter Waffenexport, Nahrungsmittelspekulationen. Zensur. Keine Pressfreiheit.
Fast 40 Millionen Menschen arbeiten de facto als Sklaven.

Heute leben mehr Menschen in der Sklaverei als jemals zuvor in der Geschichte.
Unter Zwangsarbeit (engl.: Forced Labor Slavery) versteht man jede Art von Arbeit, die unter Anwendung von Täuschung, Drohungen oder Gewalt von jemandem verlangt wird. Zwangsarbeiter werden für ihre Arbeit nicht oder nur sehr gering entlohnt und können somit kein unabhängiges Leben führen.
Obwohl diese Form der Sklaverei in den meisten Ländern der Welt verboten ist, arbeiten Millionen Kinder, Frauen und Männer unter diesen Bedingungen in Steinbrüchen, Reismühlen, Ziegelbrennereien, Fischereien, Bekleidungsfabriken und anderen Gewerben.

Wir sollten uns noch viel mehr empören, statt gemütlich ein Bier zu zischen, den Grill anzuwerfen und Fußball zu gucken.

Unangebracht ist es aber hochnäsig zu werden und andere Länder als unterentwickelt zu betrachten.

In China, Mesopotamien, der Levante, Persien, Südamerika und natürlich Ägypten gab es viele Jahrhunderte Hochkulturen und fortschrittliche Wissenschaft, als die Menschen in Germanien noch auf den Bäumen hausten und sich gegenseitig mit Keulen auf den Kopf schlugen.

1000 Jahre lang war die muslimische Welt dem im finsteren Mittelalter versunkenen Christentum wissenschaftlich weit voraus.

China hat 5.000 Jahre als Hochkultur zugebracht  und dabei die Welt weder unterjocht, versklavt, kolonial ausgebeutet, noch die Umwelt ruiniert oder gar Weltkriege angezettelt.
All das hat Deutschland in gerade mal 100 Jahren mehrfach geschafft.

Ja, es ist empörend wie Schwule im Iran, Frauen in Katar behandelt werden.
Aber Deutschland hängt bei den Homorechten dem Rest Europas und auch Amerika weit hinterher.
Die Unionsparteien stehen durchaus noch im Mittelalter und verweigern sich im Jahr 2016 immer noch allen Menschen die gleichen Rechte zuzusprechen, weil sie offenbar von dumpfen Vorurteilen getrieben Millionen Mitbürger als minderwertig erachten.

Und ja, hört, hört, in Deutschland ist eine Frau Regierungschefin, während Herr Erdogan Frauen wieder unter das Kopftuch verbannen will.

Konservative deutsche Politiker mögen die Türkei nicht.
Vor allem wegen der Türken.
Die sind so rückständig.
Frauen dürfen da nicht in der ersten Reihe der Politik mitmachen.
 In Deutschland wurde hingegen FRAU Merkel Kanzlerin.
(Das war im Jahr 2005 - also nur 17 Jahre nachdem im islamischen Staat Pakistan Benazir Bhutto Regierungschefin wurde und 12 Jahre nachdem in der islamischen Türkei Tansu Çiller Ministerpräsidentin wurde.)
Die leben da irgendwie noch auf dem Dorf.
(Istanbul hat 14,5 Millionen Einwohner)
Die türkische Wirtschaft ist so rückständig.
(Kontinuierlich über 5% BIP-Wachstum seit 1980)

Der verdammte Erdogan. Der reagiert immer so empfindlich mittelalterlich, wenn es um seine Ehre geht.
Majestätsbeleidigung. Wo gibt es denn sowas?

Nun zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland. CDU, CSU und FDP ließen Kritiker der Regierung ins Gefängnis stecken.

Konrad Adenauer und seine Minister haben auf vermeintliche Beleidigungen nach SPIEGEL-Recherchen mit teils empfindlichen Strafen reagiert. Der Kanzler wollte sogar einen Psychiatriepatienten belangen.
Die Bundesregierung unter Kanzler Konrad Adenauer (1949 bis 1963) stellte Hunderte Strafanträge wegen "politischer Beleidigung". Diese führten allein bis Ende 1952 zu mehreren Dutzend Gefängnisstrafen von durchschnittlich drei Monaten. Das geht aus Akten im Bundesarchiv hervor, die der SPIEGEL eingesehen hat. Betroffen waren Journalisten, Linke, Kommunisten, aber auch unverbesserliche Nazis und pöbelnde Wutbürger.
Adenauer stellte schon Strafanträge, wenn er als "Lakai" von Briten und Amerikanern oder die Bundesregierung als Ansammlung von "Feiglingen und Lumpen" bezeichnet worden war. Der Kanzler wollte sogar einen Psychiatriepatienten belangen, der ihn als "Oberpharisäer des 20. Jahrhunderts" beschimpft hatte.
Zeitweise nahm die Beschäftigung der Regierung mit Beleidigungen fast groteske Ausmaße an. Das Justizministerium führte eine "Beleidigungskartei" der Übeltäter; in umfangreichem Schriftverkehr koordinierten der Kanzler, die Minister und ihre Mitarbeiter das Vorgehen.
  
Wir sollten uns auch daran erinnern, daß unsere deutsche Demokratie nach 1945 zwangsverordnet werden mußte, nachdem die Deutschen einen Genozid und dazu noch einen Weltkrieg mit 65 Millionen Toten angezettelt hatten.

Erst 1949 trat das Grundgesetz, auf welches wir heute so stolz sind in Kraft.
Das war 270 Jahre nach der britischen Habeas Corpus Akte (1679), 260 Jahre nach der Bill of Rights und 162 Jahre nach der Constitution der USA.

Und mit unserer wunderbaren deutschen Verfassung durften Frauen weder ohne Zustimmung des Mannes eine Arbeitsstelle annehmen, noch ein Konto eröffnen. Sie durften sogar in der Ehe straflos vergewaltigt werden.

Wussten Sie, [….] dass eine Ehefrau bis in die 50er Jahre hinein nicht ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten durfte? Unglaublich, aus heutiger Sicht, dass wir diese Rechte erst seit ein oder zwei Generationen besitzen. Denn für uns sind das Recht auf Arbeit sowie das Wahlrecht mittlerweile selbstverständlich.
[….] Die Möglichkeit zu arbeiten und selbst über das eigene Leben zu entscheiden war in der Jugend unserer Eltern und Großeltern noch alles anderes als selbstverständlich. Großmutters Satz "Das hätte es früher nicht gegeben!" ist in vielen Fällen leider traurige Wahrheit.
So galt bis Ende der 50er Jahre das "Letztentscheidungsrecht" des Ehemannes in allen Eheangelegenheiten. Und dieses Recht hatte es in sich: Beruf, Führerschein, Kindererziehung, eigenes Geld und Konto - all das wurde per Gesetz zu Gunsten des Mannes geregelt. So hatte der Ehemann das Recht, über das Geld seiner Ehefrau frei zu verfügen. Und das betraf nicht nur ihr Einkommen, sondern auch das Geld, das sie mit in die Ehe gebracht hatte. Frauen konnten noch nicht einmal ein eigenes Konto eröffnen. Der Mann konnte sogar den Job seiner Frau ohne deren Zustimmung kündigen.
Diesen Missständen wurde erstmals am 1. Juli 1958 begegnet, als das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf Grundlage des bürgerlichen Rechts in Kraft trat. Mit dem neuen Gesetz wurden unter anderem die Vorrechte des Vaters bei der Kindererziehung eingeschränkt. Es sollte jedoch noch bis zum Jahr 1977 dauern, bis Frauen ohne Einverständnis ihres Mannes erwerbstätig sein durften und es keine gesetzlich vorgeschrieben Aufgabenteilung in der Ehe mehr gab.
[….] Frauen durften  [….]  bis 1958 nur dann ihren Führerschein machen, wenn ihr Mann oder ihr Vater die Erlaubnis dazu erteilte.

Wir sind also noch ziemlich neu im Werte-Geschäft.
Schwule rechtlich schlechter zu stellen, Waffen in Krisengebiete zu schicken, jährlich 60 Millionen Küken zu schreddern finden wir aber immer noch OK.

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