Mittwoch, 17. Mai 2017

Demokratischer Krebs.

Immer noch leide ich unter Quadrataugen, weil ich die ganze Nacht im TV Diskussionen über das Chaos im Weißen Haus sehe.
Das ist eben das Problem an der Demokratie. Es kann durchaus wie in Polen, in der Türkei oder in Ungarn jemand mit großer Mehrheit in die Regierung gewählt werden, der selbst kein Demokrat ist, sich nicht für die Erhaltung der demokratischen Spielregeln einsetzt und andere Spielregeln einführt.

Die Deutschen kennen das schon. Seit 1918 lebten sie in einer Demokratie, wählten dann 1933 in einer demokratischen, freien Wahl einen Antidemokraten zum Reichskanzler, der alsbald die Weimarer Republik abschaffte und sich selbst zum „Führer“ ausrief.

Ist die Staatsform demokratisch, wird demokratisch gewählt, muß das also keineswegs so bleiben.
Ist die Staatsform monarchistisch oder absolut, kann sie sich andererseits auch in eine aufgeklärtere Richtung bewegen.

Der liberale, schwule Intellektuelle Friedrich, der Große (1712-1786) bezeichnet sich in seiner philosophischen Streitschrift „der Antimachiavel“ als Diener seines Staates.

[…..] Der gute und selbstlose Herrscher – »Ich bin der erste Diener meines Staates« –, als der er sich im Gegensatz zu den egomanen Feudalherren seiner Zeit verstand, war zugleich ein Bild, mit dem er Propaganda machte, und man kann sich sehr wohl fragen, ob nicht auch die verfleckte Hauptmannsuniform, die er tagaus, tagein trug, mehr Bescheidenheit ausstellen sollte, als wirklich empfunden wurde. Friedrichs bedenkenloser Einsatz aller Mittel, auch der echten zum falschen Schein, ist nicht zu verstehen ohne den Erfahrungspessimismus, der ihn gelehrt hatte, dass mit Werten allein sich niemand Anerkennung verschafft, wohl aber mit Waffen und Geld. […..]

Friedrich II. hatte viele dunkle Seiten, war ein gewissenloser und eitler Kriegstreiber. Aber zweifellos setzte er auch für die damalige Zeit extrem progressive Liberalisierungen und Verbesserungen für seine Untertanen durch.
Er verstand, daß er eine Fürsorgepflicht hatte und Preußen zu dienen hatte.
Natürlich war er als Denker und Schöngeist dem grotesken Luftkopp, der gegenwärtig im Weißen Haus sitzt, intellektuell in jeder Hinsicht überlegen.
Trump wurde allerdings 277 Jahre nach Friedrichs Krönung Staatschef.
Man sollte meinen, daß mit den Jahrhunderten ein gewisser zivilisatorischer Fortschritt eingetreten wäre.
Dem ist aber nicht so, denn ganz offensichtlich begreift Trump überhaupt nicht, daß auch der Job als POTUS ein Dienender ist, daß er zum Wohle der amerikanischen Nation handeln muß, daß er die Macht nur geliehen hat, daß die Insignien (Air Force One, White House, The Beast, das Militär, die Dienste) nach wie vor dem Volk gehören und nicht ihm persönlich.
Er verwechselt sich immer noch mit einem CEO, glaubt ihm gehöre alles.
Trump denkt immer noch nur an sein eigenes Wohl und erwartet, daß nun alle für ihn arbeiten. Dabei verhält es nicht natürlich genau andersherum; der US-Präsident arbeitet für alle anderen.

Der Fall Trump lehrt, daß Demokratien nicht nur in den zu Unrecht gescholtenen Bananenrepubliken und Osteuropa geschliffen werden.

[….] Es gibt verschiedene Formen der Demokratiemessung. Nach dem Demokratieindex von 2014 leben nur rund 12,5 % der Weltbevölkerung in „vollständigen Demokratien“, der Rest in teildemokratischen (teils autoritären) Systemen oder Autokratien. [….]

Die Einschläge kommen sehr nahe.
 Nicht nur die USA diffundieren in Richtung des garstigen Quintetts aus Ungarn, Polen, Russland, den Philippinen und der Türkei.

Es erscheint verrückt; im Internetzeitalter, welches doch die große Informationsfreiheit bringen sollte/könnte, bemühen sich die klassischen Demokratien eifrig darum die Pressefreiheit zu schleifen.

Mit großem Eifer verfolgt der Israelische Ministerpräsident ISRAELISCHE NGOs im eigenen Land. Daß der ausgesprochene Israelfreund Sigmar Gabriel es wagte überhaupt mit Bibis Kritikern zu sprechen, führte zum Eklat.

[….] Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sein für den Nachmittag geplantes Treffen mit Außenminister Sigmar Gabriel in Jerusalem kurzfristig abgesagt. Das sagte Gabriel am Dienstag. Hintergrund ist eine Gesprächsrunde des Außenministers mit Vertretern von regierungskritischen Menschenrechtsorganisationen. "Die Zusammenkunft ist abgesagt", erklärte auch Netanjahus Sprecher David Keyes. Grund sei Gabriels Absicht, sich mit einer israelischen Organisation zu treffen, die die Behandlung der Palästinenser durch Israel kritisch sieht. [….]

Netanyahu und der Likud führen inzwischen regelrecht Krieg gegen die freie Presse.
Schon lange unterliegt die gesamte Berichterstattung über militärische Angelegenheiten einer strengen Zensur.
NGOs versucht man mundtot zu machen und öffentliche Sender, die nicht von der Regierung gelenkt werden, erscheinen der Likud-Regierung sinnlos.


Man höre und staune, auch die Demokratie der Welt, England, beginnt gerade die Pressefreiheit zu schleifen.

Reporter ohne Grenzen erstellt jährlich eine Rangfolge der Pressefreit.
Die Top-5 sind wenig überraschend die säkularen Nordeuropäer Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark und die Niederlande.
Deutschland liegt unverändert auf Platz 16. Die USA dürfte ihren gegenwärtigen miserablen Platz 43 unter Donald kaum halten.
Aber auch England steigt unter der Tory-Regierung kontinuierlich ab. Reichte es 2015 noch für Platz 34, war es 2016 nur noch Platz 38 und in 2017 rutscht England auf Platz 40. Schuld ist insbesondere die ungenierte Einflussnahme Camerons und Mays auf die BBC.

[….] Eines dieser Beispiele ist Großbritannien. Dort hat die konservative Regierung schon unter Ex-Premier David Cameron versucht, die BBC durch finanzielle Beschränkungen, aber auch durch direkten politischen Einfluss zu schwächen. Durch den Brexit steht die BBC jetzt von zwei Seiten unter Druck. 70 zumeist konservative Abgeordnete kritisieren den Sender wegen zu kritischer Brexit-Berichterstattung. Gleichzeitig laufen Brexit-Gegner Sturm, weil sie in einer zurückhaltenden Berichterstattung zu einer großen Demonstration gegen den EU-Austritt erste Spuren von Selbstzensur wittern. Dazwischen zerreibt sich die BBC. [….]



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