Freitag, 12. Mai 2017

Wie man in Umfragen zulegt.

Seit acht Jahren geht das so!

Nachdem Peer Steinbrück die Finanzkrisenkohlen aus dem Feuer holte, sitzt Schäuble auf sprudelnden Einnahmen.
Nachdem Gerd Schröder die Agenda 2010 durchgesetzt hat, profitiert die Bundesregierung von deutlich sinkender Arbeitslosigkeit.
Nachdem EZB und EU eine extreme Niedrigzinspolitik fahren, wird Schäuble mit Geld zugeschissen.
Nach den Wahlsiegen von 2009 und 2013 kann Bundesfinanzminister Schäuble mit breiten parlamentarischen Mehrheiten gestalten was er will.
Nie in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik hatte es ein Kassenwart so leicht endlich den außer Kontrolle geratenen deutschen Steuerdschungel zu lichten. Nie war die Gelegenheit so günstig ein zutiefst ungerechtes System zu reparieren, welches das Arbeitseinkommen einer Krankenschwester höher besteuert als die zehnstelligen Kapitalausschüttungen, über die sich Frau Klatten freut.
Wenigstens die völlige Mehrwertsteuerkonfusion könnte man leicht mal sortieren, wenn man denn wollte.
Schäuble betreibt aber seit seinem Amtsantritt als Finanzminister totale Arbeitsverweigerung. Er will einfach nicht.
Ich beklage das seit beinahe einer Dekade.

Dringend notwendige Reformen verschiebt der Minister oder sagt sie ganz ab.
Die Berechnung der Mehrwertsteuer, dieser Irrsinn im Quadrat, bleibt bestehen.

[….] Der Regierung liegt ein Gutachten vor, wonach der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent allein für Lebensmittel gerechtfertigt sei. Die Vergünstigung beispielsweise für Schnittblumen, zahntechnische Leistungen oder Zeitungen seien dagegen steuerlich nicht zu begründen. Die Gutachter empfehlen, für diese Güter den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu berechnen. Der Finanzminister will dieser Empfehlung nicht folgen. In der Koalition wird Schäubles Weigerung mit Verwunderung aufgenommen, da sich der Finanzminister die Gelegenheit entgehen lasse, die Staatskasse zu füllen.
Die Regierung vertagte eine Entscheidung in dieser Frage immer wieder. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass eine Kommission den Katalog der ermäßigten Steuersätze überprüfen soll.[….]
(Stuttgarter Zeitung 05.10.10)

Nun bleibt es bei dem Schilda-artigem Dickicht.
7% für Hotelübernachtungen, Windeln 19%, Rennpferde 7%, Apfelsaft 19 Prozent, aber Äpfel 7%. Aufgebrühter Kaffee 19 Prozent. Auf Kaffeebohnen, Haustauben, Bienen und Chicoree, Speisesalz (aber nicht in wäßriger Lösung!) gibt es 7 %.
Die schwarz-gelbe Steuersenkungskoalition hat in ihrem ersten Gesetz das Chaos noch vergrößert - wider alle Vernunft.
Inzwischen blickt keiner mehr durch und die Merkelregierung mit ihrer dicken Bundestagsmehrheit legt tatenlos die Hände in den Schoß.
Schäuble fällt aus und sagt Vereinfachungen ab.

So bleiben die ermäßigten Mehrwertsteuersätze ein Fall für Comedians.

So ist Esel nicht gleich Esel: Denn nicht nur für Hengste, Wallache, Stuten und Fohlen gilt der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent, sondern auch für Kreuzungen zwischen Eselhengst und Pferdestute (Maultier) sowie Pferdehengst und Eselstute (Maulesel). Der ermäßigte Satz ist auch für reinrassige Esel fällig, aber nur für geschlachtete. Schließlich wird ja auch "Fleisch von Pferden, Eseln, Maultieren oder Mauleseln, frisch, gekühlt oder gefroren" begünstigt. Für lebende "Hausesel und alle anderen Esel" gilt der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Reichlich Stoff für Büttenredner bietet auch diese Klarstellung: Genießbare getrocknete Schweineohren unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent, auch wenn sie als Tierfutter verwendet werden. Getrocknete Schweineohren, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, werden mit dem vollen Satz belegt. Zum Kuriositäten-Katalog gehört ferner: Ermäßigte Mehrwertsteuer für Hausschweine, normaler Satz für Wildschweine - und Flusspferde; ermäßigter Satz für Kartoffeln aller Art, aber Regelsatz für Süßkartoffeln; ermäßigter Satz für Tomatenmark und Tomatensaft, normaler Satz jedoch für Tomatenketchup und Tomatensoße. Oder: Pilze und Trüffel, ohne Essig haltbar gemacht: ermäßigt; Pilze und Trüffel, mit Essig haltbar gemacht: normaler Steuersatz. Und so weiter.
(Evang. 2.12.09)

Diese Koalition ist ein einziger Witz - ob ein Minister mehr oder weniger arbeitsfähig ist, spielt keine Rolle mehr.

[…..] Mit der Ankündigung von Finanzminister Schäuble, die Mehrwertsteuerreform auf Eis zu legen, beweisen Minister und Koalition ihre Reformunfähigkeit und ihr fehlendes Durchsetzungsvermögen gegenüber ihrer Klientel und den Lobbyverbänden. Nach der steuerlichen Forschungsförderung wird ein weiteres zentrales Reformprojekt der Koalition sang- und klanglos beerdigt. Damit kapituliert Schäuble vor der CSU und Teilen der FDP, die unbedingt an der Ermäßigung für Beherbergungsdienstleistungen festhalten wollen. Herr Schäuble und die CDU sind damit bei der Mehrwertsteuerreform gescheitert. […..]
(PM Nr 1170 der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. 5. Oktober 2010)
(…….)

Wie läßt sich diese demonstrative Tatenlosigkeit Schäubles erklären?
Ist es pure Faulheit? Senilität?
Vielleicht.
Ich glaube aber, es steckt Kalkül dahinter. Schäuble will beliebt sein und sein Amt behalten. Er weiß wie es allen forschen Ministern und Kanzlern erging, die grundlegend reformierten oder reformieren wollten: Sie wurden abgewählt.
Deutsche Wähler hassen Veränderungen und wählen immer das was am meisten Stillstand verspricht.
So erklären sich auch Schäubles anhaltend hohe Beliebtheitswerte.
Überquellende Kassen haben zudem den großen Vorteil, daß man als Finanzminister immer so viel versprechen kann.
Es werde Wohltaten geben, tönt es nun aus der CDU.
Aber natürlich nach der Wahl. Denn es muß ja einen Grund geben die seit 12 Jahren regierende Partei wieder zu wählen. Die Partei, die bisher nie etwas Sinnvolles mit dem Geld anzufangen wußte.
Aber der Urnenpöbel läßt es so gern mit sich machen.          
Die Union ist der SPD wieder weit enteilt.


[…..]  Mysteriös: Wieso sieht Schäuble Spielraum für Steuersenkungen immer nur kurz vor Wahlen?
Stecken dahinter Außerirdische? Oder ist es eine sich alle vier Jahre wiederholende Konstellation der Sterne, die dafür sorgt, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) immer nur kurz vor wichtigen Wahlen plötzlich Spielraum für Steuersenkungen sieht? Ein Fall für Postillon Mystery.
Schäuble (Sternzeichen Jungfrau) selbst begründet seine Steuersenkungspläne in Wahlkämpfen stets mit der Wirtschaftslage, die plötzlich günstig liege und eine Entlastung der Bürger möglich mache. Gibt es also doch eine rationale Erklärung?
Nein, sagt der anerkannte UFOloge und Mystery-Experte Heinrich von Schwediken: "Der Staat erwirtschaftet seit Jahren Rekordüberschüsse. Schäuble hätte Steuersenkungen in seinen acht Jahren als Finanzminister längst umsetzen können. Dass sich der Spielraum dafür stets in einem kurzen Zeitfenster vor Bundestagswahlen oder wichtigen Landtagswahlen auftut, zeigt, dass hier übersinnliche Mächte walten müssen." [….]

Bizarrerweise denken die Bundesbürger immer noch in ihrer weitüberwiegenden Mehrheit Steuersenkungen wären etwas Gutes. Eine Wohltat für alle.

Das ist aber Unsinn. An der Einkommensteuer zu schrauben, betrifft die ärmere Hälfte der Bevölkerung gar nicht. Das sind Kinder, Studenten, Schüler, Hausfrauen, Arbeitslose, Geringverdiener und alle, die unter den Freibeträgen liegen. Wenn man also lediglich die Einkommensteuersätze runterschraubt, ist dies nichts anderes als eine zusätzliche Umverteilung von unten nach oben. Wie wir aber wissen, nehmen Armut und Reichtum in Deutschland kontinuierlich zu.
Steinreiche wie Klatten werden jedes Jahr von ganz allein um weitere Milliarden reicher. Es ist also kaum notwendig sie zu entlasten.

Statt also Milliarden Staatsgelder an die Gutverdienenden zu verteilen, wäre es sinnvoll die Geldberge in Form von Investitionen unters Volk zu bringen.
Es ist absurd, daß Schäuble im Geld schwimmt, während so viele Bereiche in Deutschland grotesk unterfinanziert sind.
Es gibt zu wenig Lehrer, zu wenig Sozialarbeiter. Grundschulen und Kitas verfallen, Unis sind überfüllt und schlecht ausgestattet, wir können uns nicht leisten Hygienemaßnahmen in den Krankenhäusern durchzuführen, so daß jährliche Myriaden Menschen an multiresistenten Keimen verrecken.
Brücken bröckeln, Straßen werden nicht gebaut, Jugendämter haben kein Personal, Grundlagenforschung ist unterfinanziert.

[…..] Ich will keine Steuergeschenke. Ich will mehr Geld für Schulen, für Kindergärten und ich will vernünftigen Breitband-Ausbau.
Steuergeschenke bedeutet: wer sich es leisten kann, der bekommt den besten Zugang zu Kindergärten, Schulen und Breitband.
Wir müssen die Teilhabe verbreitern, damit wir als Gesellschaft insgesamt davon profitieren. [….]

Es gäbe genügend zu tun für den Staat. Tatschlich gibt Schäuble auch extrem viel Geld aus. Allerdings immer möglichst unsinnig.

[….] Stattdessen gab der Bundesfinanzminister dank guter Kassenlage so viel Geld aus wie keiner seiner Amtsvorgänger: Die Große Koalition warf für Rente mit 63 und Mütterrente Milliarden aus dem Fenster - und Schäuble ließ sich für einen ausgeglichenen Haushalt nach dem anderen auch noch als Sparfuchs feiern, obwohl locker satte Überschüsse möglich gewesen wären.
Bildung, Forschung, Wohnungsbau, Brückensanierungen sind weitere Beispiele für Bereiche, in denen dringend Geld benötigt wird. […..]

Deutschland leistet sich also weiterhin vorsintflutliches Internet, überall Ortschaften, die noch gar nicht ans Netz angeschlossen sind im Jahr 2017.
Mit den vielen Milliarden in der Kasse könnte man das endlich mal in Ordnung bringen. Eine Win-win-win-win-Situation: Es würden direkt Arbeitsplätze geschaffen, es hülfe vielen Menschen insbesondere in ländlichen Gegenden, es wäre Voraussetzung für das Wachstum vieler kleiner Unternehmen, es bereitete den Ausweg aus dem Papier-verbrauchenden Zeitalter an.

Der deutsche Michel ist aber zu schwach zwischen seinen Ohren um solche Zusammenhänge zu verstehen. Er lauscht lieber ewig-gestrigen Versprechern wie Christian Lindner.

[….] Die deutsche Wirtschaft braucht für die kommenden schwierigen Jahre alles, nur keine großen Steuersenkungen für ohnehin schon Reiche. Schluss mit dem Wahlkampfgedöns.
Es hat schon etwas ganz Rührendes, wenn der Christian Lindner sich darum sorgt, ob es bei uns gerecht zugeht - und deshalb gern etwa Grunderwerbsteuer und Spitzensteuern senken würde. Obacht! Da stimmt etwas nicht. Entweder die FDP ist von ihrer Wertschätzung für die Wohlhabenden abgerückt. Oder der Mann will uns veräppeln und vor der NRW-Wahl am Sonntag noch ein paar (doch gar nicht so arme) Wählerchen gewinnen. Was dann allerdings nicht so viel an der Ungerechtigkeit ändert.   Jetzt ist der Reflex menschlich natürlich nachvollziehbar, Steuersenkungen zu wünschen, wenn der Finanzminister, wie gerade geschehen, neue Rekordsteuereinnahmen gemeldet bekommt. Nur ist es dazu ja nicht deshalb gekommen, weil "die Gier des Staates kleptokratische Züge angenommen" hat, wie es der verbal offenbar leicht hyperventilierende Herr Lindner volksnah diagnostiziert hat.
[….] Deutschland braucht einen Aufschwung zweiter Teil, mit mehr qualifizierten Kräften und erweiterten Kapazitäten in der Wirtschaft - weil er sonst in der Tat bald an seine Grenzen stößt. Und auch da helfen keine niedrigeren Steuern. Es wird ja nicht plötzlich mehr Ingenieure geben, weil Zahnärzte und Anwälte weniger Steuern zahlen (so sehr wir es ihnen natürlich gönnen). [….]

Für die FDP in NRW werden bei der Landtagswahl am Sonntag 13,5% erwartet.
Die Menschen sind eindeutig zu doof für herkömmliche demokratische Wahlen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen