Freitag, 31. August 2018

Rundgelutscht bis zur Unkenntlichkeit.

Es gibt in Sachsen, in Bayern, in Sachsen-Anhalt und Thüringen so schreckliche Politiker, daß ich manchmal vergesse vor der eigenen Haustür zu kehren.
Bevor es also wieder gegen das Sumpfbundesland im Osten geht, heute der Fairness halber eine Tirade gegen einen Herrn vor Ort aus meinem eigenen politischen Lager.
Thema Anjes Tjarks, *1981, hocherfolgreicher Politiker und gleichzeitig Sinnbild der Ödnis.
Geboren in Hamburg-Barmbek, Abitur in Hamburg, Lehramtsstudium in Hmaburg, Referendariat an der Klosterschule in St. Georg in Hamburg, Studienrat in der Klosterschule in Hamburg. Eintritt in die Grüne Partei mit 17 Jahren, bilderbuchmäßiger Durchlauf aller Parteifunktionen bis er 2015 im Alter von 34 Jahren zum Fraktionsvorsitzenden der Hamburger Grünenfraktion und damit einem der mächtigsten Grünen des Bundeslandes wurde.
Tjarks beging nicht den kleinsten Umweg in seinem Lebenslauf. Heute, mit 37, ist er angepasster als es sich ein CDUler aus der Provinz träumen lassen könnte: Von der Schulbehörde für seine politisches Amt freigestellt, glücklich verheiratet, bereits drei Kinder. Er trägt weiße Hemden, grinst auf jedem Foto wie ein Honigkuchenpferd.
Das sind die Grünen, die begeistert 2009-2011 eine Koalition mit der CDU eingingen und dann Europas größte CO2-Dreckschleuder das Kohlekraftwerk Moorburg genehmigten.

 Die Besonderheit ist, daß die schlimmsten beiden CDU-Jahre, als wirklich alles schief ging und die katastrophalsten Fehlentscheidungen getroffen wurden, die beiden letzten Jahre unter schwarz-GRÜN waren.
Wir erinnern uns; das erste, das die grüne Umweltsenatorin Hajduk tat, war die Super-CO2-Schleuder Moorburg zu genehmigen.

Paradoxe Qualifikationen bringen aber auch die grünen Senatoren - hier wächst durchaus zusammen, was zusammen gehört.

Die GAL stellt den Justizsenator und Hamburg schiebt brachial ab.
In den Gefängnissen gibt es eine Serie von Suiziden bei Abschiebehäftlingen.

Die grüne Schulsenatorin hatte so viel Erfolg mit ihrer Reform, daß die Bevölkerung das zentrale schwarzgrüne Projekt in einem Volksentscheid glatt beerdigte.
Finanzielle Unterstützung hielt der „Gucci-Protest“ der Hamburger Reichen unter anderem von einem gewissen Ian Kiru Karan. (s.u.)

  Dritte und wichtigste grüne Senatorin ist die Chefin von Umwelt und Stadtplanungsbehörde - Anja Hajduk, die in noch nie dagewesener Weise Hamburgs Straßenbäume abzuholt.
Das Kraftwerk Moorburg, die Inkarnation der Klimapest, wurde gleich zu Anfang von der Grünen Umweltsenatorin Anja Hajduk genehmigt.
Es erzeugt allein so viel CO2, wie das ganze Land Bolivien. Moorburg, das 2012 für 1,7 Milliarden Euro fertig gestellt werden soll, wird so viel Kohle verbrennen, dass jährlich 8,5 Millionen Tonnen CO2 in die Luft gepustet werden.
Das entspricht den jährlichen Abgasen von mehr als 1,4 Millionen PKW - mehr als das Doppelte des gesamten Straßenverkehrs in Hamburg.

Selbstverständlich trägt Tjarks neben der obligatorischen Nerd-Hornbrille den Hipster-Einheits-Sieben-Tage-Bart, den auch Lindner und alle Teilnehmer der RTL-Bachelorette-Show haben und trainiert so eifrig, daß er über kein Gramm Fett am Körper verfügt.
Gut für Werbeplakate und gut, um bei den grünen Themen authentisch zu wirken. Er ist gegen Autos und fährt immer mit dem Fahrrad.

 […..] Unser Herzensprojekt heißt: Hamburg wird Fahrradstadt! Regelmäßige Pegelerhebungen zeigen, dass immer mehr Menschen auf das Rad umsteigen. Diesen Trend wollen wir aufgreifen und unterstützen, indem wir die Wege schneller und bequemer machen: Mit besseren und sicheren Radstrecken, schnelleren und bequemeren Wegen in die Stadt sowie einfacheren Abstell- und Umsteigemöglichkeiten. Unser Ziel ist es, innerhalb der 2020er Jahre den Radverkehrsanteil von 12 auf 25 Prozent zu steigern. Das ist eine Verdoppelung des Radverkehrs und damit ein sehr ehrgeiziges Ziel. [….]

Die Radelei ist für die Sportskanone Hobby und Sucht gleichzeitig.

[….] Handball, Fußball, Tennis, Marathon – und jetzt auch noch der Wettbewerb für die Harten und Vielseitigen: Triathlon. Seit Monaten trainiert Anjes Tjarks für die Teilnahme an dem Kombinationswettbewerb aus Schwimmen, Radfahren und Laufen Mitte Juli an Alster und Elbe. Der Chef der Grünen-Bürgerschaftsfraktion schwimmt an Wochenenden 50 Bahnen im „Festland“, radelt zu allen Terminen durch die Stadt und läuft jeden Morgen um 6 Uhr, bevor er seine drei Söhne weckt, von der Altonaer Altbauwohnung zur Strandperle am Elbstrand und zurück. Falls das Sporttreiben nicht sogar eine Sucht ist, mehr als ein Hobby ist es auf jeden Fall für den Studienrat. „Sport ist die DNA meines Lebens“, sagt der 37-Jährige. […..]


Er agiert wie evangelische Bischöfinnen in ihren Kolumnen – sie erzählen voller Selbstbewunderung etwas aus ihrem Leben, das sie ganz toll machen und folgern und fordern aus dieser extremen Ego-Perspektive alle anderen mögen es ihnen bitte nachtun.
Tjarks radelt und sportelt, das sollen nun alle anderen Hamburger auch.
Daß es Menschen gibt, die aus beruflichen Gründen ein Auto brauchen, oder die womöglich schon 88 sind und nicht mehr Radfahren können, die auch nicht im öffentlich Bus fahren können, weil sie dort beim Anfahren hinschlagen würde oder nicht mit ihrem Rollator hineinkommen, oder die wie ich aufgrund eines gebrochenen Beines und jeder Menge Schrauben im Knie und Sprunggelenk nicht Pedale treten können, kommt Tjarks offenbar nicht in den Sinn.
In seiner Welt sind alle Menschen genauso jung, perfekt und sportlich wie er.


Wenn Tjarks mal richtig ausrastet und sich von seiner wilden Seite zeigt, wirft er womöglich ein Apfelgehäuse in den Hausmüll, statt in die Biotonne. Aber das mutmaße ich nur. Eigentlich traue ich ihm nicht so viel Rebellentum zu.

Der immer grinsende Grüne hat aber auch eine ernste Seite.
Die erlebt man diese Woche angesichts des ungeheuerlichen Skandals beim Fest des Hamburger Senats in Berlin.
Die Schockwellen gehen um die ganze Welt. 

Wie ich höre, wurde soeben eine UN-Sicherheitsratssondersitzung einberufen, um Deutschland zu ächten und aus der Weltgemeinschaft auszustoßen.
Ich wagen kaum diese ekelerregenden Vorkommnisse in Worte zu fassen.
Aber nun muss es sein: In Berlin trat für Hamburg die Burlesque-Truppe „Sinderellas“ auf. Schock, schwere Not.
Da konnte man nur notdürftig mit Burlesque-Pasties verhüllte Damenbrüste erkennen! Nicht auszudenken, wenn eine dieser Nippelquasten abgerutscht wäre!

Tjarks meldete sich sofort empört zu Wort.
Nein, nein, nein, so  viel Schmutz darf nicht sein!

 [….]  Tjarks: Ich bin aber der Meinung, dass Nackttänzerinnen nicht in das Rahmenprogramm einer staatlichen Feier gehören.

Mopo:
Burlesque-Tänzerinnen sind ja keine einfachen Stripperinnen. Es gibt viele, die derlei Auftritte künstlerisch anspruchsvoll finden.

Tjarks:
Und dennoch sind sie für diesen Rahmen unangebracht. Stellen Sie sich vor, der Bundespräsident würde ein Fest geben und da würde es eine solche Show-Einlage geben. Da würden sich auch viele Menschen verwundert die Augen reiben.

Mopo:
Der Bundespräsident richtet aber auch keine Feier des Hamburger Senats aus. Dort sollte es jetzt um Hamburgensien gehen, es gab einen Shanty-Chor, HipHop-Auftritte. Gehört nicht auch Erotik zu Hamburg?

Tjarks:
Die Reeperbahn, der Kiez gehören zu Hamburg. Wir dürfen hier aber nicht privates Vergnügen mit offiziellen Anlässen verwechseln. Da gehören nackte Tänzerinnen einfach nicht hin. [….]

Willkommen bei den Grünen 2018.
Die von der Klosterschule.

(Nerdbrille, Siebentagebart UND Flanking! Das ist richtig cool!)

Donnerstag, 30. August 2018

Positiv Denken

Angesichts der Nazi-Krise in Deutschland und der sich überschlagenden Horrormeldungen aus den östlichen Braunlanden, muss ich mich aus Gründen der psychischen Hygiene unbedingt auf positive Nachrichten konzentrieren.

Zum Glück gibt es die auch noch; zuverlässig geliefert von den selbst ernannten Moralexperten der Kirchen, die 2018 in Sachsen zeigen, wozu sie schweigen.
Vor der AfD, vor den Pegida-Märschen und der braun lackierten Sachsen-CDU kuschen sie.
Wo sind die üppig vom Steuerzahler finanzierten Bischöfe eigentlich, wenn der Nazi-Mob marschiert und Jagd macht auf arme Flüchtlinge mit dunklen Teint?
Offenbar ist ihre Nächstenliebe schon für den einen pigmentierten Flüchtling aus dem Abendland aufgebraucht: Jesus.

Man muss schon emeritierte Bischöfe aufsuchen, um überhaupt eine kritische Stimmen zum Nazimob zu finden.
Aber selbst der eine, der das überhaupt tut, Dresdens Altbischof Joachim Reinelt (81) wiegelt ab. 95% der Sachsen wären keine Nazis und sich gegen sie zu engagieren sei „problematisch“.
Gegenüber den Hitlergruß-Horden müsse man auch irgendwie neutral bleiben.

[…..] KiZ: Erhebt die Kirche in der Debatte um den Rechtsextremismus laut genug ihre Stimme?
Reinelt: Sie könnte stärker sein, aber das ist auch sehr problematisch. Unter den Parteien und selbst innerhalb der Parteien gibt es dazu unterschiedliche Positionen. Die Kirchen sollten sich davor hüten, nur für eine Seite Stellung zu beziehen. Ihre parteipolitische Neutralität in Deutschland ist eine positive Entwicklung. Wir machen keine Politik, wir können Politiker nur unterstützen. [….]

So kennen wir das. Die „Deutschen Christen“ waren begeisterte Anhänger Hitlers und die katholische Kirchen warf sich seither jedem faschistischen Regime in die Arme, steht auch 2018 fest an der Seite rechtsradikaler Antisemiten in Ungarn, Polen und Russland.

Noch nicht mal in den Talkshows sitzen derzeit Bischöfe, die doch sonst alles tun, um sich im Kameralicht zu präsentieren.
Evangelen und Katholiken zeigen mal wieder ihre ganz eigene christliche Haltung; die des Radfahrer: Nach oben buckeln und nach unten treten.
Die Nazis in Europa und den Vereinigten Staaten werden sich vermutlich weiter ausbreiten.
Aber dafür schrumpfen wenigstens die Kirchen in Deutschland.
 Stolze 1.250 Kirchen wurden in den letzten 20 Jahren geschlossen, abgerissen, umgewidmet, verkauft, umfunktioniert.
Die reicheren Katholiken machten 540 ihrer 22.200 Kirchen und Kapellen dicht, die EKD sogar 710 von bundesweit 20.500 Kirchengebäuden.
Hoffen wir, daß es zügig so weiter geht. Umgebaut zu Sozialwohnungen, Kulturvereinen oder KITAs erfüllen endlich auch Kirchengebäude einen guten Zweck. Noch über 40.000 sind übrig, deren Profanisierung ich erhoffe.
Zum Glück ist die nächste evangelische Kirche, die mich unzählige Male mit ihrem infernalischen Höllengebimmel aus dem Schlaf riss – obwohl in Hamburg 99,5% der Bürger ohnehin nicht in den Gottesdienst gehen – bereits vom Kirchenkreis Ost als „Kategorie C“ eingestuft und somit als nicht förderungswürdig dem Untergang geweiht. Ich kann es nicht erwarten.

[…..]  Sinkende Katholiken- und Haushaltszahlen führen dazu, dass es zu viele Kirchengebäude gibt. Besonders stark betroffen von Profanierungen, wie es im Fachjargon heißt, ist das Ruhrbistum, zu dem Sankt Bonifatius gehört.
In der vor 60 Jahren gegründeten Diözese Essen hat der erste Bischof Franz Hengsbach den Kirchbau mit großem Elan betrieben. Inzwischen hat sich die Katholikenzahl aber fast halbiert, weshalb seit der Jahrtausendwende 57 Kirchen aufgegeben wurden – und weitere schon in den Jahren davor.
Insgesamt gibt es in Deutschland weiterhin rund 22.200 katholische Kirchen und Kapellen, wie eine Umfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) unter den bundesweit 27 Diözesen ergab. Seit dem Jahr 2000 wurden demnach 160 abgerissen und 142 verkauft.
[…..] Kirchen im höheren zweistelligen Bereich haben die Bistümer Hildesheim (63), Münster (60), Essen (57), Trier (33) und Aachen (25) aufgegeben. Auf 24 und 20 kommen die Erzbistümer Paderborn und Köln.
[…..] Stets suchen die Verantwortlichen erst nach soften Lösungen. So werden rund 100 Kirchen weiter liturgisch genutzt – aber anders als vorher. Etwa als Urnen-Begräbnisstätte mit kleinem Gebetsraum. In Oberhausen unterteilt eine Stahl-Glas-Konstruktion Sankt Bernardus. […..]

Mittwoch, 29. August 2018

Stimmungsverdunklung.

Wir haben ja jetzt Lars Klingbeil.

Da wird es was mit der alten Tante SPD. Der Mann ist nämlich „internetaffin“.
Der kennt sich aus mit diesem #Neuland, in dem heutzutage so viel passieren soll. #Neuland ist dieser Ort, an dem all die vielen ehemaligen SPD-Wähler hocken, die man nicht mehr erreicht mit Infoständen vorm EDEKA – selbst wenn man neben SPD-Luftballons auch noch kostenlos SPD-Kugelschreiber und SPD-Lollis anbietet. Verstehe einer diese jungen Leute.
Aber die kriegen wir nun doch auf unsere Seite.
Geheimwaffe Klingbeil macht das. Der ist jung (40) und frisch (Seeheimer).
Jetzt hauen die großen SPD-Gliederungen short messages in die hippen sozialen Netze.
Sogar auf Facebook, dernier cri, Jugendtreffpunkt der hippen Online-Community gibt es jetzt die poppig aufpoppenden SPD-Botschaften als gesponserte Links für Likes. Natürlich im Sozi-Rot.
In einfachen Hauptsätzen, ohne Fremdworte, dafür aber gern in Versalien werden die mitreißenden Sprüche nur so rausgehauen – inklusive Heschtegg, damit sich auch die Gerontengeneration auf Twitter (Donald Trump, Horst Seehofer, Erika Steinbach) angesprochen fühlt.



OK, etwas blöd gelaufen mit den Reaktionen.
Soweit sind wir dann doch noch nicht in dieses #Neuland und #SPDerneuern vorgedrungen.

Wer kann denn auch ahnen, daß Wildfremde, ja, sogar Nicht-Sozialdemokraten frech ihren Senf dazugeben?
Dann kommt gleich das nächste Problem: Diese jungen Leute im Netz sind, …, wie soll ich das ausdrücken, aber diplomatisch sein?, sie sind, äh, leider nicht nett.



Wäre ich Philanthrop und hielte die Menschen für mehrheitlich einigermaßen anständig, würde ich auch denken, daß so ein SPD-Spruch von jedem unterschrieben werden kann:

Die demokratische Mehrheit muss noch lauter werden - gegen Selbstjustiz, gegen ausländerfeindliche Hetze, gegen Rassismus.

Mit den demokratischen Mehrheiten ist das aber so eine Sache im braunen failed state Sachsen.

Statt sich mit den Schwachen zu solidarisieren, rollt eine Welle des xenophoben Hasses durch Facebook.



Liebe SPD, ist das jetzt #SPDerneuern?
Einen Satz auf Facebook raushauen und dann paralysiert zugucken, wie hunderte rechte Trolle ihrer Xenophobie freien Lauf lassen? Wenn man sich schon in den neuen Medien versucht, braucht man auch ein Team, das gegenhält und diesen ausländerfeindlichen Anschuldigungen die Fakten entgegen stellt.


[….] Nein, "ungeheuerlich" ist kein origineller Begriff. Aber auf die Causa Chemnitz passt er wie wenige andere. Ungeheuerlich ist, dass Rechtsextremisten zusammen mit bis dahin politisch unauffälligen Bürgern Jagd auf Menschen machen, die sie für Zugewanderte halten; dass die Polizei nicht nur von der ersten Zusammenrottung am Sonntag überrascht wird, sondern dass sie auch die zweite, am Montag, grob unterschätzt; dass wiederholt zu wenige Beamte vor Ort und kaum wehrhaft sind; dass die AfD nahezu unverhohlen Verständnis für die Angreifer signalisiert und diese damit indirekt bestärkt; dass der sächsische Ministerpräsident sich bisher am Ort der Ausschreitungen nicht hat blicken lassen; dass der Bundesinnenminister, die unzweideutigen Bilder von der Hatz vor Augen, fast zwei Tage und gehörigen öffentlichen Druck braucht, um das Geschehen in Chemnitz zu kommentieren. [….]

Am wenigsten habe ich derzeit an der viel gescholtenen Mainstreampresse zu kritisieren.
Dort gibt es eine Fülle guter Analysen zum rechten Mob in Ostdeutschland.
Kein positionsvermeidendes Larifari, sondern klare Schuldzuweisungen an die total versagende CDU-Landesregierung.

 [….] Man hat das auch schon anders erlebt: Politiker, die öffentlich für Grundrechte eintreten. Ministerpräsidenten und Minister, die sich neben Demonstrantinnen und Demonstranten auf die Straße stellen, um zu dokumentieren: Dies ist ein demokratisches, freiheitliches Land. Wir lassen nicht zu, dass Menschenfeinde unsere Straßen dominieren.
Das war in Deutschland selbstverständlich. Anfang der Neunziger zum Beispiel, als der Hass sich schon einmal auf den Straßen entlud. Damals haben Politiker Stellung bezogen. Oder 2012 in Hamburg, als der Erste Bürgermeister Olaf Scholz 10.000 Bürgern "Wir stehen zusammen" zurief, während im Stadtteil Wandsbek Rechtsextreme aufmarschierten.
Doch in Chemnitz war davon am Montagabend nichts zu sehen. Ministerpräsident Michael Kretschmer schwieg. Innenminister Roland Wöller tauchte im Lagezentrum auf, aber nicht an der Seite seines Einsatzleiters oder am Ort des Geschehens. [….] Nun ist das Entsetzen groß. Es heißt, der Rechtsstaat habe versagt. Aber so ist es nicht. Nicht ein abstrakter Rechtsstaat hat versagt, sondern ganz konkret die Landesregierung in Dresden. Spätestens seit 2014 weiß sie, was in Sachsen vor sich geht. Woche für Woche und Jahr für Jahr war sie mit den Aufmärschen von Pegida in Dresden und Legida in Leipzig konfrontiert. Sie weiß auch, dass ein erheblicher Teil der rechten Demonstranten, die da Montag für Montag auftauchen, aus dem Umfeld von Chemnitz kommt. Die rechte Szene dort hat sich neu formiert und bietet Anknüpfungspunkte für rechte Protesttouristen aus dem ganzen Land. Schließlich hat die Landesregierung 2015 in Heidenau gelernt, wie schnell rechter Protest eskalieren kann.
Was am Montag in Chemnitz geschah, kam also nicht so unerwartet wie jetzt dargestellt. Viele Beobachter der rechten Szene haben früh davor gewarnt.
Doch der Polizeieinsatz verlief ungeheuerlich: Zu wenig Beamte waren vor Ort. Sie taten, was sie konnten, waren aber völlig überfordert. […..]

Ich bin gar nicht so verblüfft. Sachsen ist ein perfekter Nährboden für Rechtsextreme. Kombiniert man das mit drei Jahren AfD-Dauerpropaganda gegen alles Fremde, einer CDU-Landesregierung, die ungeniert Stimmung gegen Migranten macht und einem CSU-Bundesinnenminister, der ebenfalls Heimatvertriebene ausschließlich als Plage darstellt, die man loswerden müsse, muß man sich nicht wundern.
Der marodierende Bachmann-Dräbitz-Höcke-Berger-Mob in Ostdeutschland ist das Eine. Die charakterlichen Abgründe, die sich im #Neuland auftun, wenn man es auch nur wagt an demokratische Spielregeln zu erinnern, sind die Kehrseite.

Mir reicht es jedenfalls. Ich verabscheue Menschen generell und bekenne mich zum Antinatalismus.
 
Ich erkläre hiermit meinen Austritt aus dem menschlichen Volk.
Amerikanisch, deutsch, polnisch, ungarisch, türkisch – welches ist mir egal. So wie man aus einer Religionsgemeinschaft austreten kann, sollte man auch förmlich seine Abkehr von einer Gattung vollziehen können.
Menschen sind eine einzige Pest.
Und besser wird es nicht.

Dienstag, 28. August 2018

Amerikanischer Habitus.


Das habe ich wohl irgendwie von meiner Mutter aus den Prä-Internetzeiten übernommen.
Sie war so begeistert in Deutschland endlich wieder amerikanische Newssender sehen zu können, als hierzulande das Kabelfernsehen eingeführt wurde, daß sie ständig CNN guckte.
Ich bin mir gar nicht völlig bewußt über meine technischen Möglichkeiten. Vermutlich könnte ich mit anderen Bezahl-Paketen oder streamend auch andere amerikanische Sender empfangen.
Aber nun bin ich so lange an CNN gewöhnt, das auch so praktisch und kostenlos über mein analoges TV-Kabel eingespeist wird.
Nachts Anderson Cooper, Chris Cuomo, Don Lemon hintereinander. Und anschließend checken, wen Christiane Amanpour zu Gast hat. Die machen das nicht so schlecht und „pressen“ ihre politischen Interview-Gäste durchaus. So lahm-gemütlich wie bei Willmaisch/Plasberger/Illanz kommen Minister nicht davon in den USA.
Einiges nervt mich immer noch ungeheuerlich. Die endlosen lauten Werbeblöcke mit der enervierende Kreischstimme Richards Quests. Wie ich diese Business-Trailer hasse, bei denen er Pennys aufklaubt („JUST A PENNY?“), oder in einem Labyrinth rumläuft.
Und dieser bis zum Exzess durchgezogene „einer links, einer rechts“-Wahn. Das soll Neutralität zeigen, klar, aber wenn sich jemand so abgrundtief falsch und verlogen wie Trump verhält, ist es schlicht und ergreifend unredlich seinen speichelleckenden Claqueuren 50% Sendezeit einzuräumen, um das nicht zu Verteidigende zu verteidigen. Wie ich Jason Miller, Rick Santorum, Steve Cortes, Paris Dennard, Jack Kingston und André Bauer verabscheue!

Der einzige Trost ist zu ahnen wie sehr Trump Fans von den vielen CNN-Moderatoren und Analysten genervt sind, die ich teils durch Gewöhnung, teils aus Überzeugung durchaus schätze:
Paul Begala, Kate Bolduan, Jim Acosta, Van Jones, Dana Bash, Erin Burnett, Matthew Chance, Chris Cillizza, David Axelrod, Peter Beinart, Ben Ferguson, Kirsten Powers, Hilary Rosen, Angela Rye, Tara Setmayer, Bakari Sellers, Peter Bergen, Michael Hayden, Juliette Kayyem, John King, Jeanne Moos, Ana Navarro, Jim Sciutto, Brian Stelter, Jake Tapper, Jeffrey Toobin, Cyril Vanier, John Vause, Fareed Zakaria, Jeff Zeleny, James Clapper, April Ryan, Eric Swalwell, Michael Avenatti, Frank Bruni, Carl Bernstein, Charles M. Blow, Max Boot, Nicholas Kristof, Philip Mudd, Maria Cardona, Michael D'Antonio, Matthew Rosenberg, Joshua Green, Nia-Malika Henderson, Mike Shields, Norman L. Eisen, Maggie Haberman, Brian Karem, Robert Reich, Adam Schiff, David Swerdlick, Michael Wolff.

Der grenzenlose Hass, mit dem #45 CNN überzieht spricht dafür, daß die Jungs einiges richtig machen.
Gerade die eingeladenen Print-Korrespondenten der großen Zeitungen – Blow, Kristof, Boot oder Swerdlick – halten sich mit ihren Meinungen nicht zurück.
Man kann das also durchaus ansehen und sich dabei vorstellen, wie Trump in seinem Schlafzimmer vor der TV-Video-Wand schäumt, wenn er Don Lemons Take zuhört.
Nicht nur, daß Lemon es wagt ihm zu widersprechen, nein der Typ ist auch noch schwarz und schwul!

Aber dann passieren nationale Tragödien wie der Tod Barbara Bushs oder John McCains und mir fällt wieder auf, was ich am US-Fernsehen gar nicht mag:
Der grenzenlose nationale Pathos von links bis rechts.
Alles wird in den Nationalfarben blau, rot und weiß gehalten, in jedem zweiten Satz fallen die Worte „service“, „hero“, „greatest nation“ und „patriotism“.
Es gibt einen 100%-Grundkonsens, daß man das Land liebt, die Armee verehrt und den Soldaten dankbar ist.

Da merke ich wie europäisch ich geworden bin, wie ich mich vom amerikanischen common sense entfernt habe.
Ich habe zwar einen amerikanischen Pass, ja. Aber ich käme nie auf die Idee allein deswegen die USA als größte und beste Nation der Welt zu preisen. Niemals würde ich einen Stars-and-Stripes-Anstecker tragen und schon gar nicht fiele mir ein im ehrfürchtigen Kotau zu versinken, wenn von amerikanischen Soldaten die Rede ist.
Ich verstehe das Wort „Held“ gar nicht; das fällt nicht in meinen Konnotationsbereich, wenn ich an Panzer, Drohnen oder Marschflugkörper denke.
Heldenhaft sind für mich ganz andere Personen. Zum Beispiel Pflegekräfte in der Geriatrie oder der Durchschnittsbürger, der sich in Sachsen dem tobenden Mob entgegenstellt und sich für Flüchtlinge engagiert.

Die grenzenlose Glorifizierung John McCains geht mir auf die Nerven. Ich verstehe ohnehin nicht, wieso man angesichts des Todes einen Konservativen, der böse Dinge tat, auf einmal grenzenlos loben sollte.
Kardinal Lehmann war netter als andere Kardinäle, ja. Aber deswegen vergesse ich nicht, wie er sich für Kinderficker einsetzte.

Wenn man so unendlich tief im moralischen Keller hockt wie Trump, ist die moralische Fallhöhe gegenüber John McCain natürlich gewaltig.
Das stimmt.
Verglichen mit den allermeisten aktiven GOP-Senatoren war John McCain durchaus gebildet und anständig.




Aber nur weil er einmal einer tobenden Anhängerin, die Barack Obama für einen bösartigen schwulen Muslim hielt, sagte, sie müsse sich nicht vor #44 fürchten, ist er keine politische Ikone.
McCain ist viel besser als #45 und dieser demonstrierte seine ganze Borniertheit, indem er wie ein garstiges Balg schmollend die Arme vor der Brust verschränkte und sich weigerte McCain nach seinem Tod auch nur zur erwähnen.





Trump ist eben, wie wir alle wissen und jeden Tag bestätigt bekommen, der allerletzte menschliche Abschaum ohne das geringste Gefühl dafür was sich gehört und was eigentlich seine Aufgaben als Präsident sind.
Besonders widerlich-grotesk wird es, wenn er, der sich mit „Bone Spurs“ um die Kriegsdienst in Vietnam drückte, sich als größter Militärfreund inszeniert.
 (Fersensporn. Hatte ich auch schon mal. Tut weh am Fuß. Dann muss man ein paar Wochen lang Einlagen tragen)






Aber mit Verlaub, Vietnam war keine Heldengeschichte.
Darauf wäre ich nicht besonders stolz. Und wenn es nicht gerade Trump ist, habe ich großes Verständnis dafür sich (wie auch Bill Clinton und George W. Bush) um den Militärdienst zu drücken.

Soldat zu sein ist anders als auf CNN dargestellt, nicht grundsätzlich eine heldenhafte Angelegenheit, für die man endlose Bewunderung und Verehrung zu erwarten hat.

Am Tag nach John McCains Tod gebietet es die Pietät nicht über ihn herzuziehen.
Aber man muss auch nicht wie die US-Fernsehsender so tun, als ob er Jesus, Mutter Teresa, Einstein und Herkules gleichzeitig war.

Er war ein sehr konservativer US-Politiker, der immerhin einiges außenpolitisches Verständnis mitbrachte.
Aber er war auch ein Falke, der weltweit Militäreinsätze befürwortete.
Der es 2008 für eine gute Idee hielt Sarah Palin zur US-Vizepräsidentin zu machen.

John McCains Abschiedsbrief gefällt, weil er eine Anklage an Donald Trump ist.
Aber ich bekäme deswegen nicht beim Verlesen vor Rührung und Ehrfurcht Tränen in die Augen wie CNN-Anchor Chris Cuomo.

Der Brief trieft vor nationalem Pathos.

 [….] “‘Fellow Americans’ – that association has meant more to me than any other. I lived and died a proud American. We are citizens of the world’s greatest republic, a nation of ideals, not blood and soil. We are blessed and are a blessing to humanity when we uphold and advance those ideals at home and in the world. We have helped liberate more people from tyranny and poverty than ever before in history. We have acquired great wealth and power in the process. [….] “Do not despair of our present difficulties but believe always in the promise and greatness of America, because nothing is inevitable here. Americans never quit. We never surrender. We never hide from history. We make history.
“Farewell, fellow Americans. God bless you, and God bless America.” [….]

Jaja, Amerikaner stehen drauf.
Ich aber nicht.
Gott gibt es nicht und meiner Ansicht nach sind Island oder Spanien mindestens genauso nett wie die USA.

McCain ist hingegen immer noch der Senator, der nach 2008, um seinen Sitz zu retten zu einem der sieben konservativsten Senatoren wurde, sich mit den Teebeutlern arrangierte. Er unterstützte den Irakkrieg und sprach sich dafür aus auch den Iran zu bombardieren. Er setzte sich für eine Kriminalisierung der Schwangerschaftsunterbrechung ein, focht stets für einen mehr privaten Waffenbesitz und gegen jede Einschränkungen im Waffenrecht. Er sprach sich gegen offen lebende Lesben und Schwule in der US-Armee aus, befürwortete stark die Todesstrafe, Atomkraft und Ölbohrungen in Naturschutzgebieten.
So einer ist jedenfalls nicht mein politischer Held.


Montag, 27. August 2018

Pimmelköppe

Jakob Augstein hat gute und schlechte Tage. 
Heute konnte ich über seinen Text lachen und ein „gefällt mir“ drunter klicken.

 [….]  Der Mob sammelt sich. Hunderte in kurzer Zeit. Sie ziehen durch die Stadt. Beobachter sprechen von einer Jagd auf "Ausländer". Ein Stadtfest wird vorzeitig abgebrochen . Die Polizei scheint überfordert. Wo sind wir? In Chemnitz. In Sachsen. Natürlich. Immer wieder Sachsen.
Sachsen ist wie das Internet. Nur in echt. Der ganze niedrige Hass, der sich im Netz Bahn bricht - in Sachsen kann man ihn auf der Straße sehen. Die Videos aus Chemnitz zeigen sie ja, die dicken, stiernackigen Männer, die mit ihren Glatzen aussehen wie Pimmel mit Ohren - allerdings Pimmel mit Sonnenbrillen. Sie sind das Fleisch gewordene Rülpsen und Tölpeln, das die sozialen Medien durchflutet. [….]

Was soll man schon noch anderes tun, außer die Sachsen auszulachen?
Und es stimmt auch so offensichtlich: Der rechte Mob, der sich so viel auf die Reinhaltung der Rasse und die kulturelle Identität einbildet, braucht besonders offensichtlich eine genetische Auffrischung.

Die Häßlichkeit ihrer Ideologie und die Einfältigkeit ihres Geistes korrespondiert frappierend mit ihrer phänotypischen Abscheulichkeit. Was sind das nur für häßliche Menschen?
In letzter Zeit liest und hört man öfter vom eklatanten Frauenmangel in den ostdeutschen Ländern (DDR = Der Doofe Rest).


Das spricht sehr für die ostdeutschen Frauen! Wenn das die Männer vor Ort sind, ist es weise sich in andere Bundesländer zu verziehen. Auch aus gesamtdeutscher Sicht ist es zu begrüßen, wenn sich die Pimmel mit Ohren nur noch untereinander sexuell betätigen und keinen Nachwuchs zeugen.
Die Sachsen sind einfach schrecklich und zeigen sich auch seit vielen Jahren kontinuierlich von ihrer schlechtesten Seite.
Es hat inzwischen derartig viele rechtsradikale Ausschreitungen in sächsischen Orten und Städten gegeben, so viel öffentlichen Menschenhass, so viel Gewalt gegen Minderheiten, so viel völkisch-viehischen Antihumanismus, daß es müßig ist die einzelnen Vorkommnisse noch aufzulisten. Welche sächsische Stadt hat keine rechtsradikale tief braune Szene?


Hinzu kommt der ekelhafte jammerige Opfermythos der Sachsen, die sich immer benachteiligt fühlen, stets glauben mehr als andere zu leiden.
Das ist immer das Erste, da man nach Nazi-Aufmärschen hört: „Sachsenfeindlichkeit“ – alle sind gegen uns. Die Presse, die Wessis, die Ausländer, wir haben es so schwer.

(….) Ich halte den psychohistorischen Ansatz des SPIEGELs für sinnig.
Seit August, dem Starken halten sich die Sachsen für das auserwählte Volk, die für Hochkultur, Reichtum und Schönheit stehen.
Die sächsischen Kulturschätze konterkarieren allerdings schon damals die politische und militärische Bedeutungslosigkeit.
Den mächtigen Königshäusern der Hohenzollern und Habsburger hatten sie nichts entgegenzusetzen, wurden nach Belieben vom ungeliebten Preußen dominiert.
Mitte des 18. Jahrhunderts mußte Sachsen hilf- und tatenlos zusehen, wie Friedrich, der Große einmarschierte. Schließlich fiel am Ende des Siebenjährigen Krieges auch noch Schlesien an Preußen, welches doch für Sachsen die langersehnte Landbrücke zu Polen bilden sollte.

Erst 1806 wurde das Kurfürstentum Sachsen durch Napoleon auch zum Königtum erhoben, verlor aber in der Leipziger Vielvölkerschlacht von 1813 an der Seite Frankreichs erneut schmachvoll gegen Preußen und konnte nur mit knapper Not verhindern wieder zum Fürstentum abzusteigen, indem es die Hälfte des Gebietes an Preußen abtrat. 1866 stand Sachsen an der Seite Österreichs im „Deutschen Krieg“ gegen Preußen und verlor erneut. Nur fünf Jahre später ging es dann endgültig als deutscher Kleinstaat im Kaiserreich der Preußen auf.

Die Sachsen entwickelten einen ausgeprägten regionalen Minderwertigkeitskomplex, der durch eine Mischung aus Opferkult und Größenwahn kompensiert wird.
Im 20. Jahrhundert setzte sich das nahtlos fort.
Sie waren besonders Hitler-treu, stellten den Großteil der NSDAP-affinen Deutschen Christen und fühlten sich erneut betrogen, als Dresden am Ende des zweiten Weltkrieges zerstört wurde.

Und sie erlebten Bombenangriffe auf die Hauptstadt, die so massiv waren wie etwa in Hamburg und Köln; aber nur die Sachsen entwickelten daraus einen Trauerkult, der bis heute anhält. „In Dresden spürt man bis heute diesen Identitätsverlust im und nach dem „Dritten Reich“, sagt [Martin] Roth, [der zehn Jahre lang die Staatlichen Kunstsammlungen Dresdens leitete] „Was bleibt ist diese Selbstherrlichkeit, dieses Im-eigenen-Saft-schmoren und gleichzeitig glauben, man sei der Größte.“

Das stimmt natürlich; Hamburg wurde fast komplett zerstört. Bei der Operation Gomorrha 1943 kamen mehr Leute in 48 Stunden um als in Dresden.
Aber hier wird darüber überhaupt nicht lamentiert.
Völlig unvorstellbar, daß es Aufmärsche am Jahrestag gäbe.
Das begreift jeder in Hamburg: Wir hatten selbst schuld, wir haben den Krieg angefangen und wir haben die Bombardierung von Zivilisten angefangen. Wir haben diesen Krieg in die Welt getragen und wollten nicht aufhören, als schon längst alles verloren war.
Man kann doch nicht im Ernst 70 Jahre später immer noch schmollend durch Dresden paradieren und die Briten deswegen hassen.

Die spinnen, die Dresdner.

 Deutschland will aber natürlich kein gescheiterter Staat sein, und deshalb wird sofort ermittelt, wenn eine latent explosive Situation entstanden ist. In diesem Fall: gegen Flüchtlinge, die mit ihren Handykameras gefilmt haben, und gegen Flüchtlinge, die eine obszöne Geste gemacht haben. Das also war das Hauptproblem in Clausnitz? Gut zu wissen.
Vielleicht geht es morgen nicht gegen Flüchtlinge. Vielleicht demonstrieren demnächst hundert Leute gegen Behinderte. Falls staatliche Stellen dann Behinderte gerade besonders bedrohlich finden – müssen diese dann damit rechnen, dass gegen sie ermittelt wird? Vielleicht.
Nein, der Vergleich ist nicht schief. Leider nicht. Spätestens nach Clausnitz steht fest: Der deutsche Staat kommt seinen Verpflichtungen nicht mehr nach. Das muss sich ändern. Und nicht nur im Interesse der Flüchtlinge.

Wer aber wie Parteien, Kirchen und andere Organisationen den Sächsischen Extremismus geschehen lässt, trägt eine Mitschuld an den Zuständen in dem Bundesland des Grauens. (….)

Willkommen in der Realität. Wir befinden uns nicht in einem linguistischen Proseminar, sondern in einem pluralistischen Chaos, in dem jeder durch das Internet seine unmaßgebliche Meinung in die Welt posaunt (ich natürlich auch.)
Pauschalisierungen sind der Vereinfachung geschuldet.
Ich bin selbst in zweifacher Weise Opfer.
Es war sehr schmerzhaft 2001 mit dem 19%-Wahlergebnis für den kriminellen Kokser Schill umzugehen.
DIE Hamburger. Den Schuh mußte ich mir anziehen. So ist das nun einmal, man gehört dazu, auch wenn ich natürlich nie Schill gewählt habe. Erst Recht wird auf mich eingedroschen, wenn es um DIE Amis geht.
Ich verachte Trump und seine Anhänger, aber die Republikaner mit ihrem Kandidaten Trump stellen die absolute Mehrheit der Gouverneure, die absolute Mehrheit der Senatoren, die absolute Mehrheit der Sitze im House und auch den Präsidenten und alle Regierungsmitglieder. DIE Amerikaner haben so gewählt, also muß ich mir gefallen lassen verbal mit DEN Amis in einen Topf geworfen zu werden. Wieso sollte mich das stören? Es handelt sich um Tatsachen.
Erfreulich war es bei der Hamburgischen Bürgerschaftswahl vom 29. Februar 2004 als Schill von 19,4% auf 0,4% wegbrach. Immerhin sind wir offenbar lernfähig. Das muß sich in den USA erst noch erweisen und in Sachsen scheint es überhaupt keinen Erkenntnisprozess zu geben.   

Natürlich sind DIE Sachsen nicht jeder einzelne Sachse. Daß es unter ihnen auch großartige und anständige Menschen gibt, ist so selbstverständlich, daß man es nicht extra erwähnen muss.
Aber wenn ein Bundesland mehrheitlich seit 28 kontinuierlich weit rechts der Mitte wählt, sich seit 28 Jahren kontinuierlich den rechtesten Ministerpräsidenten aller Bundesländer hält, bei der letzten Bundestagswahl die völkische AfD zur stärksten Partei machte und ganz offensichtlich weite Teile des Staatsapparates – inklusive Justiz und Polizei – auf einer Linie mit PEGIDA sind und den Rechtsstaat attackieren, statt ihn zu verteidigen, dann kann man nicht mehr erwarten viel Mitleid zu bekommen, wenn unzulänglich pauschalisiert und negativ über DIE Sachsen gesprochen wird.

(….) Sachsen ist eine Schippe schlimmer als andere Bundesländer, weil hier auch die Regierung klar Rechte bevorzugt, die Justiz einseitig Linke schlechter behandelt und auch die Polizei ungeniert mit PEGIDA sympathisiert.

Man darf nicht pauschal "die Sachsen" aburteilen, weil es selbstverständlich  auch die anderen Sachsen gibt, die den braunen Mob genauso schlimm finden, wie alle anständigen Menschen es tun.
Aber Sachsen wählt nun einmal mit Mehrheit seit 26 Jahren ununterbrochen die sehr rechte Sachsen-CDU, schickt die NPD in den Landtag.
 Übergriffe auf Minderheiten, Schwache, Flüchtlinge finden weit überproportional in Sachsen statt und schließlich ist die PEGIDA-Pest in allen anderen Städten außer Dresden eingegangen. [….]

Sachsen ist tatsächlich im Durchschnitt viel rechtsextremer, xenophober und widerlicher als der Rest Deutschlands.

Man muß sich natürlich immer darüber im Klaren sein, daß Bezeichnungen von Völkern, Nationen, Volksstämmen grundsätzlich pauschal und unpräzise sind.

Formulierte man präzise, dürfte man gar keine Sympathien oder Antipathien für Nationen bekunden.
Man "fühlt" aber dennoch so und so gehört es zu unserem Sprachgebrauch.
Daher habe ich mich dem Schicksal inzwischen ergeben und formuliere zumindest in Chats der sozialen Netzwerke auch gelegentlich Pauschalurteile wie "ich mag die Inder nicht", "die Amis sind sowas von totalverblödet", "Bayern kann ich nicht leiden" oder auch "Ich liebe ja die Holländer!".

Die Pauschalisierung ist so offensichtlich, daß niemand auf die Idee kommen sollte, ich habe damit  jeden einzelnen Inder und jeden einzelnen Bayern im Sinn.
Natürlich gibt es viele nette Inder und freundliche, sozial eingestellte Bayern, natürlich gibt es auch Holländer, die Wilders wählen.

In dem Sinne: Verdammte braune Sachsen!
Kann man die nicht wieder zurückgeben? Verkaufen? Wozu brauchen wir die?
Säxit Now.  (….)

 Die Ereignisse der letzten beiden Tage sind nicht nur an sich schockierend, sondern doppelt widerwärtig, weil sie perfekt in das Narrativ des häßlichen ungebildeten gewalttätigen Sachsen passen und zudem wieder einmal zeigen, daß die sächsischen Behörden und Regierungsstellen immer noch vollkommen im Umgang mit Nazis versagen. Das können wir Nicht-Sachsen seit Jahren singen und die sächsischen Wähler rücken nur noch weiter nach rechts.


#c2708 pic.twitter.com/3God3mGHQT
— Raphael Thelen (@RaphaelThelen) 27. August 2018

Sachsen versagt!
Erst der krakeelende Kleingeist in Clausnitz, dann der hämische Mob in Bautzen. Ja: Sachsen hat ein Problem, und das nicht erst seit gestern. In keinem anderen Bundesland werden Fremde häufiger angegriffen als hier: Jede vierte Straftat mit fremdenfeindlichem Hintergrund findet dort statt. Aufklärungsquote: Miserabel.
Darin liegt das eigentliche Problem in Sachsen: Rechtsfreie Räume für Rechtsextremisten und Fremdenfeinde - und eine Polizei, die am Ende verängstigte Flüchtlinge zu Tätern erklärt, statt fremdenfeindliche Straftaten aufzuklären. Dass die regierende CDU in Sachsen jahrelang nicht nur weggeschaut, sondern auch noch mitgezündelt hat, unterstreicht: In Sachsen versagt der Staat, weil er Flüchtlinge nicht schützt und Demokratiefeinde gewähren lässt. Die fühlen sich nämlich getragen von Spitzenpolitikern der sächsischen CDU, die wahlweise „keine rechten Umtriebe“ in ihrem Land sehen wollen oder schon vor Jahren von „positiven, nationalen Wallungen“ träumten.
Deshalb greifen die üblichen offiziellen Empörungsrituale heute zu kurz. Wer verhindern will, dass weiter Flüchtlingsheime brennen und Flüchtlinge angegriffen werden, muss wirklich entschieden durchgreifen. Und das heißt auch: unfähige Polizeipräsidenten entlassen und Politiker abstrafen, die sich mit dem Ungeist fremdenfeindlicher Parolen immer wieder gemein machen. Nicht nur in Sachsen!

Wir sind jetzt alle in der Verantwortung, weil die sächsischen Fußtruppen ideologisch schon viel zu weit auf rechte Irrwege abgedriftet sind und die Landes-CDU die Rechten auch noch bestärkt und ermutigt.

Ich bekenne mich zu meinen Vorschlägen von vor zwei Jahren.

(….) Die Bundesregierung muß das endlich ernsthaft angehen.
Drei Maßnahmen für den Osten sollten ganz oben auf der Agenda stehen – und ich erinnere in diesem Zusammenhang noch einmal daran, daß Herr Schäuble gegenwärtig auf überquellenden Kassen sitzt.

Massive Investition in Bildung, Schulen, Kitas, Betreuung, Sozialarbeit, Jugendämter.
Es kann nicht angehen, daß im reichen Deutschland nach wie vor die Grundschulen vergammeln und Millionen Kinder in Armut und potentieller Bildungsverwahrlosung aufwachsen.

Man muß die Initiativen, die Rechtsradikalismus bekämpfen, Aussteigerprogramme unterhalten, als Asylhelfer fungieren, finanziell viel besser ausstatten und nicht etwa wie die erbärmliche Kristina Schröder die Mittel entziehen.

Der Bund hat Druck auf die sächsische Landesregierung auszuüben, daß sie sich nicht bei den Rechtsradikalen anbiedert, sondern das Problem endlich ernstnimmt.
Mit Sonntagsreden und guten Worten funktioniert das offensichtlich nicht.
Da müssen klare Drohungen her: Kürzung der Subventionen, keine bundesfinanzierten Infrastrukturmaßnahmen mehr in Sachsen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig könnte sich einen anderen Standort suchen. Das Bundesinnenministerium könnte Sachsen die Unterstützung bei der Ausrichtung von Sport-Events entziehen.
Internationale Messen, Tagungen, Gipfel finden nicht mehr in Sachsen statt.

Es wäre unfair alle Sachsen zu strafen, aber wenn sich sie sächsischen Bürger wenigstens Pegida und Co entgegenstellen, wenn sie es vermögen endlich auch mal das Bild vom anderen Sachsen zu transportieren, könnte man den Liebesentzug des Bundes auch schnell wieder aufheben.

Es sind aber bisher nicht "nur" die paar Zehntausend Pegioten, die Montags marschieren und nachts hunderte Asylbewerberheime anzünden, sondern das große Problem ist die übergroße indolente Mehrheit der Sachsen, die das stillschweigen (oder zustimmend??) hinnimmt, es nicht für nötig hält etwas dagegen zu unternehmen.

Sachsen wird täglich abscheulicher und kann sich offenbar nicht selbst aus dem braunen Sumpf ziehen.

 Die seit Dekaden bestehenden rechtsextremen Strukturen im Bundesland der Schande werden seit ebenso langer Zeit vom CDU-Innenministerium bestenfalls hingenommen, oft aber auch von Gestalten wie Innenminister Ulbig a-D. sogar bestärkt.

[…..] Dem Gerücht, die Männer hätten auf dem Stadtfest Frauen belästigt, widersprach die Polizei schnell.
Doch da waren die Ereignisse bereits außer Kontrolle geraten: Nachdem um 15 Uhr bereits rund 100 Teilnehmer bei einer von der AfD organisierten Veranstaltung protestierten, zog um 16.30 ein rechtsradikaler Mob los. Von dessen Dimension sind Experten und Beobachter der Chemnitzer Hooliganszene wenig überrascht. "Zum Umfeld von Kaotic Chemnitz gehören zwar nur rund 100 Personen, doch in der Stadt haben rechtsradikale Hooligangruppen Tradition", sagte Robert Claus, Autor des im vergangenen Jahr erschienen Buches "Hooligans", dem SPIEGEL. [….]

[…..] Sie finde den Aufmarsch der Rechten gut, sagt Judy. Einige hätten es zwar übertrieben mit der Gewalt. "Aber wir brauchen die Rechtsextremen, wir brauchen Menschen, die mal in den Stadtpark gehen und einen umklatschen. Wenn wir Frauen demonstrieren gehen, wäre das doch allen egal", sagt die 32-Jährige. Wegen der männlichen Flüchtlinge fühle sie sich unwohl. Ihre Freundin nickt.
Viele zeigen Verständnis für die Rechten. So wie Judy und Tamea denken nicht wenige der Menschen, die man an diesem Montagmorgen in der Chemnitzer Innenstadt trifft. Auffällig viele äußern Verständnis oder Sympathie für die Proteste der Rechten, einige wenige auch für die Gewalt. Ob sie in der Mehrheit sind, vermag niemand zu sagen. Wer sich jedoch unter Chemnitzern umhört, ob sie empört sind angesichts der Ereignisse der vergangenen Tage, bekommt eine klare Antwort: Natürlich, so könne es nicht weitergehen. Die meisten beziehen ihre Antwort jedoch auf die tatsächliche oder vermeintliche Gewalt von Migranten.
Da ist zum Beispiel der für den Innenstadtbereich zuständige sogenannte Bürgerpolizist: Es gebe dort eben ein allgemeines Gefühl der Angst. Auch er persönlich frage sich, "ob wir das Geld, das wir für Einwanderer ausgeben, nicht lieber Deutschen geben sollten, die hier jeden Morgen Briefe austragen". [….]


Es handelt sich bei Sachsen tatsächlich um einen failed state, wenn nach 28 Jahren CDU-Regierung weite Teile der Bevölkerung weder über Geschichtsbewusstsein verfügen, noch die simpelsten Fakten kennen.
Wenn dem durchschnittlichen Sachsen auf der Straße jedes Unrechtsbewusstsein fehlt und Gewalt gegen Minderheiten gutgeheißen wird.

Die AfD, Sachsens stärkste Partei, surft auf der xenophoben Welle, die sächsische Polizei agiert, wie gewöhnlich falsch und/oder hilflos.

[…..] Der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier hatte getwittert: "Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf  
die Straße und schützen sich selber. Ganz einfach!" Und: "Heute ist es  Bürgerpflicht, die todbringende... 'Messermigration' zu stoppen!"
An dem spontanen Aufmarsch in Chemnitz beteiligten sich nach Einschätzung der sächsischen Linke-Politikerin Kerstin Köditz Nazis aller Couleur. Es seien nicht nur Hooligans auf der Straße gewesen, sagte Köditz der Deutschen Presse-Agentur. Das habe man auch bei Krawallen wie in Freital oder Heidenau 2015 beobachten können. "Es ist mittlerweile unkompliziert, aus irgendeinem Anlass binnen kurzer Zeit eine große Menge zusammenzubringen."
Die Linke-Politikerin kritisierte zugleich Versäumnisse bei der Polizei. "Warum hat man so lange gebraucht, um genügend Einsatzkräfte herzubringen. Wenn Informationen durchsickern, dass es am Rande eines Stadtfestes einen Toten gab, dann hätte die Polizei eigentlich Gewehr bei Fuß stehen müssen - bei all dem Alkohol, der bei solchen Gelegenheiten konsumiert wird", so Köditz weiter. Sie könne nur hoffen, dass die Polizei die für diesen Montag angekündigten Demonstrationen "auf dem Schirm hat". [….]



Sachsen ist verloren. Wir, also alle, die links von der AfD stehen und sich einigermaßen humanistischen Werten verpflichtet fühlen, haben keine Gemeinsamkeiten mehr mit dem Straßenmob in Chemnitz. Wir verstehen sie nicht, beziehen unsere Informationen aus anderen Quellen.
Ein irgendwie weiterwurschteln darf es nicht geben.

Sonst sind wir alle in Deutschland in einigen Jahren womöglich da, wo Budapest, Wien, Warschau und Washington schon angekommen sind: Im postfaktischen protofaschistoiden Sumpf, in dem die Würde des Menschen abgeschafft ist.

 [….] Das Netz bietet diesen Menschen die rechten Dunkelkammern, in denen sie sich nach Taten, wie der von Chemnitz über die Nichtberichterstattung der Tagesschau beschweren. Die Zeit, die verantwortungsvoller Journalismus braucht, wollen diese Leute ihm natürlich nicht einräumen.
Was man in Chemnitz am Wochenende beobachten konnte, war die Manifestation der parallelen Netzgesellschaften, mit denen sich die liberale Medienkritik so lange schon befasst. Aber je länger man von parallelen Gesellschaften spricht, desto mehr stellt sich die Frage, welche Gesellschaft die eigentliche ist. Und da wird das Missverständnis immer größer. "Wir erreichen die nicht mehr", denken die Leute in den Redaktionen über den rechten Mob. Und dasselbe denkt der rechte Mob über die Leute in den Redaktionen: "Wir erreichen die nicht mehr". [….]