Sonntag, 21. Februar 2016

Kollektivschuld

Das war schon unheimlich letzte Nacht im aktuellsten SPIEGEL  den Artikel „ein rechtes Rätsel (Heft 8/2016 s.46-50) über Sachsen zu lesen.
Die Autoren Mximilian Popp, Andreas Wassermann und Steffen Winter hatten ihn unmittelbar vor der Schande von Clausnitz verfasst.
Als ich das nächste mal Nachrichten checkte, sah ich die Bilder aus Bautzen.
Ein als Flüchtlingsheim vorgesehenes Hotel wurde angezündet; grölende sächsische Familien applaudieren und hindern die Löscharbeiten.

Zeugen sagten MOPO24, mehrere Personen bejubelten den Brand am "Aldi"-Markt neben der Unterkunft. Darunter seien auch Kinder gewesen, die es den teilweise betrunkenen Erwachsenen gleich taten und applaudierten, Flüchtlinge als "Kanaken" bezeichneten.
Die Polizei nahm die Personalien mehrerer Schaulustiger auf und erteilte Platzverweise gegen drei 19 und 20 Jahre alte Bautzener, so Pressesprecher Thomas Knaup gegenüber MOPO24.

Unterdessen tritt Merkels Minusminister de Maizière aus dem zentralsächsischen Wahlkreis Meißen in ARD-Studio vor die Kameras und verteidigt die Polizisten, die am Tag zuvor verängstigte Kinder in Clausnitz brutal aus dem Bus gezerrt hatten.

"Die Polizei hat richtig gehandelt", sagte der Innenminister. Er könne die Kritik nicht nachvollziehen. "Es war richtig, alle Asylbewerber schnell aus dem Bus zu bringen."
In Clausnitz hatten Polizisten am Freitag Asylbewerber teilweise gewaltsam aus einem Bus geholt, nachdem eine Gruppe von Demonstranten die Weiterfahrt verhindert hatte. Der Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reißmann hatte den Flüchtlingen eine Mitschuld am Vorgehen der Beamten gegeben. Sie hätten provoziert. Reißmann war für diese Äußerung heftig kritisiert worden.
De Maizière verteidigte die Beamten: Die Eskalation der Situation sei offenbar nicht vorhersehbar gewesen.

Es bleibt also wie immer in Sachsen:
Opfer werden kriminalisiert, Rechtsextreme geschützt.

Was für ein grässliches Bundesland.
Und ja, natürlich sind NICHT alle Sachsen so, aber die Nazipest ist dort überrepräsentiert, man lässt sie gewähren und eine Mehrheit der Sachsen wählt seit 25 Jahren die Partei, die das zulässt.

Sachsen versagt!
Erst der krakeelende Kleingeist in Clausnitz, dann der hämische Mob in Bautzen. Ja: Sachsen hat ein Problem, und das nicht erst seit gestern. In keinem anderen Bundesland werden Fremde häufiger angegriffen als hier: Jede vierte Straftat mit fremdenfeindlichem Hintergrund findet dort statt. Aufklärungsquote: Miserabel.
Darin liegt das eigentliche Problem in Sachsen: Rechtsfreie Räume für Rechtsextremisten und Fremdenfeinde - und eine Polizei, die am Ende verängstigte Flüchtlinge zu Tätern erklärt, statt fremdenfeindliche Straftaten aufzuklären. Dass die regierende CDU in Sachsen jahrelang nicht nur weggeschaut, sondern auch noch mitgezündelt hat, unterstreicht: In Sachsen versagt der Staat, weil er Flüchtlinge nicht schützt und Demokratiefeinde gewähren lässt. Die fühlen sich nämlich getragen von Spitzenpolitikern der sächsischen CDU, die wahlweise „keine rechten Umtriebe“ in ihrem Land sehen wollen oder schon vor Jahren von „positiven, nationalen Wallungen“ träumten.
Deshalb greifen die üblichen offiziellen Empörungsrituale heute zu kurz. Wer verhindern will, dass weiter Flüchtlingsheime brennen und Flüchtlinge angegriffen werden, muss wirklich entschieden durchgreifen. Und das heißt auch: unfähige Polizeipräsidenten entlassen und Politiker abstrafen, die sich mit dem Ungeist fremdenfeindlicher Parolen immer wieder gemein machen. Nicht nur in Sachsen!

Nun noch einmal die Frage: Wieso ist es in Sachsen so viel schlimmer als sonst irgendwo?
Wie kommt man auf die Idee Flüchtlingsheime von AfDlern leiten zu lassen, deren Brüder rechtsextreme Proteste dagegen veranstalten?
Warum ist dort regelrechte Pogromstimmung verbreitet?
Wie ist es zu rechtfertigen, daß dort von Nazis kontrollierte „National befreite Zonen“ existieren und der Staat die braune Pest gewähren lässt?
Wieso jubilieren die Horden auf der Straße, wenn gewalttätige Säufer verängstigte Kinder, die gerade einem Krieg entflohen sind, zum Weinen bringen?


In Sachsen gibt es bedauerlicherweise keinen bürgerlichen Protest gegen Pegidioten und NPD-Gröler.
Pegida konnte nicht in anderen Städten Fuß fassen, da sich ihnen dort die Menschen entgegen stellen und größere Demos organisieren.
In Dresden gibt es diese Bürgerbewegung nicht. Auch wenn Pegida nur eine Minderheit der Stadt stellt (genau weiß niemand wie viele Sachsen mit Pegida sympathisieren), so sind doch die Nicht-Xenophoben zu indolent, um etwas zu unternehmen. Ihre Moral ist nicht so ausgeprägt, um Widerstand zu leisten.

Es scheint wie eine Wiederholungsschleife. Freital, Heidenau, Meißen, Clausnitz, Bautzen: Es gibt Exzesse, auf die Exzesse folgt Empörung, auf Empörung folgt Verbitterung - es folgt der nächste Exzess, mit dem wieder alles von vorne beginnt. Die Fragen, die sich immer wieder stellen, sind: Warum immer wieder Sachsen? Wo führt das hin? Und was, bitte, lässt sich denn gescheiter Weise gegen solche beeindruckend hässlichen Ausbrüche von Gewalt tun? - Inzwischen ist eine gefühlte Nationalbibliothek an Studien und Erklärungsansätzen zusammengekommen.
Zur Routine der Erklärungsversuche ist längst auch eine Routine in der Bewertung von jeweils Geschehenem gekommen. Ganz schnell waren an diesem Wochenende die Grünen. Katrin Göring-Eckardt verortete von Berlin aus eine Mitschuld bei Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Aus solch gelernten Routinen spricht auch die reine Hilflosigkeit vor dem Mob.

Sachsen ist Hochburg der rassistischen Übergriffe, weil sich außer den Linken niemand gegen rechts engagiert.
Mit Verve und bizarrem Aufwand verfolgt die sächsische CDU-Regierung hingegen bürgerrechtlich Engagierte, die sich NPD und AfD in den Weg stellen.
Richtig aktiv wird der sächsische Freistaat gegen Aktivisten, die sich für Frieden einsetzen – sie werden durch eine Extremismusklausel zu einem Staatsbekenntnis gezwungen.

Während Rechtsextremisten kaum verfolgt und oft jahrelang nicht angeklagt werden, schießt Ministerpräsident Tillich scharf gegen alles was er für „multikulti“ hält.

Jahrelang ermittelte das LKA gegen eine vermeidliche „Antifa-Sportgruppe“, die in Sachsen Jagd auf Neonazis gemacht haben soll. Die Polizei durchsuchte Wohnungen, nötigte Personen zum DNA-Test, spionierte 200.000 Telefone aus. Vor eineinhalb Jahren wurde das Verfahren eingestellt. Dem angeblichen Rädelsführer konnte lediglich nachgewiesen werden, daß er an einer friedlichen Demonstration gegen Neonazis teilgenommen hatte.
(DER SPIEGEL, 20.02.2016, s.50)

Ob dabei die FDP oder die SPD als Minikoalitionspartner mit im Boot sitzen, macht offensichtlich gar keinen Unterschied.
Das rechte Pack hat also Grund anzunehmen, die Landesregierung stünde hinter ihm.
Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeber – sie alle stehen abseits.

Die Staatsspitzen schweigen eisern. Gauck und Merkel haben ihren braunen Landleuten nichts zu sagen.

Ich halte den psychohistorischen Ansatz des SPIEGELs für sinnig.
Seit August, dem Starken halten sich die Sachsen für das auserwählte Volk, die für Hochkultur, Reichtum und Schönheit stehen.
Die sächsischen Kulturschätze konterkarieren allerdings schon damals die politische und militärische Bedeutungslosigkeit.
Den mächtigen Königshäusern der Hohenzollern und Habsburger hatten sie nichts entgegenzusetzen, wurden nach Belieben vom ungeliebten Preußen dominiert.
Mitte des 18. Jahrhunderts mußte Sachsen hilf- und tatenlos zusehen, wie Friedrich, der Große einmarschierte. Schließlich fiel am Ende des Siebenjährigen Krieges auch noch Schlesien an Preußen, welches doch für Sachsen die langersehnte Landbrücke zu Polen bilden sollte.

Erst 1806 wurde das Kurfürstentum Sachsen durch Napoleon auch zum Königtum erhoben, verlor aber in der Leipziger Vielvölkerschlacht von 1813 an der Seite Frankreichs erneut schmachvoll gegen Preußen und konnte nur mit knapper Not verhindern wieder zum Fürstentum abzusteigen, indem es die Hälfte des Gebietes an Preußen abtrat. 1866 stand Sachsen an der Seite Österreichs im „Deutschen Krieg“ gegen Preußen und verlor erneut. Nur fünf Jahre später ging es dann endgültig als deutscher Kleinstaat im Kaiserreich der Preußen auf.

Die Sachsen entwickelten einen ausgeprägten regionalen Minderwertigkeitskomplex, der durch eine Mischung aus Opferkult und Größenwahn kompensiert wird.
Im 20. Jahrhundert setzte sich das nahtlos fort.
Sie waren besonders Hitler-treu, stellten den Großteil der NSDAP-affinen Deutschen Christen und fühlten sich erneut betrogen, als Dresden am Ende des zweiten Weltkrieges zerstört wurde.

Und sie erlebten Bombenangriffe auf die Hauptstadt, die so massiv waren wie etwa in Hamburg und Köln; aber nur die Sachsen entwickelten daraus einen Trauerkult, der bis heute anhält. „In Dresden spürt man bis heute diesen Identitätsverlust im und nach dem „Dritten Reich“, sagt [Martin] Roth, [der zehn Jahre lang die Staatlichen Kunstsammlungen Dresdens leitete] „Was bleibt ist diese Selbstherrlichkeit, dieses Im-eigenen-Saft-schmoren und gleichzeitig glauben, man sei der Größte.“
(DER SPIEGEL, 20.02.2016, s.50)

Das stimmt natürlich; Hamburg wurde fast komplett zerstört. Bei der Operation Gomorrha 1943 kamen mehr Leute in 48 Stunden um als in Dresden.
Aber hier wird darüber überhaupt nicht lamentiert.
Völlig unvorstellbar, daß es Aufmärsche am Jahrestag gäbe.
Das begreift jeder in Hamburg: Wir hatten selbst schuld, wir haben den Krieg angefangen und wir haben die Bombardierung von Zivilisten angefangen. Wir haben diesen Krieg in die Welt getragen und wollten nicht aufhören, als schon längst alles verloren war.
Man kann doch nicht im Ernst 70 Jahre später immer noch schmollend durch Dresden paradieren und die Briten deswegen hassen.

Die spinnen, die Dresdner.

Deutschland will aber natürlich kein gescheiterter Staat sein, und deshalb wird sofort ermittelt, wenn eine latent explosive Situation entstanden ist. In diesem Fall: gegen Flüchtlinge, die mit ihren Handykameras gefilmt haben, und gegen Flüchtlinge, die eine obszöne Geste gemacht haben. Das also war das Hauptproblem in Clausnitz? Gut zu wissen.
Vielleicht geht es morgen nicht gegen Flüchtlinge. Vielleicht demonstrieren demnächst hundert Leute gegen Behinderte. Falls staatliche Stellen dann Behinderte gerade besonders bedrohlich finden – müssen diese dann damit rechnen, dass gegen sie ermittelt wird? Vielleicht.
Nein, der Vergleich ist nicht schief. Leider nicht. Spätestens nach Clausnitz steht fest: Der deutsche Staat kommt seinen Verpflichtungen nicht mehr nach. Das muss sich ändern. Und nicht nur im Interesse der Flüchtlinge.

Wer aber wie Parteien, Kirchen und andere Organisationen den Sächsischen Extremismus geschehen lässt, trägt eine Mitschuld an den Zuständen in dem Bundesland des Grauen.



PS:
Und wie zu erwarten, haben die Sachsen auch noch die kleinsten Penisse aller Deutschen.


PPS:
Sorry für die unreife Bemerkung. Das mußte raus.
 



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