Der
Vizekanzler ist sichtlich angegriffen.
Offensichtlich
zermürben ihn seine öffentliche Wahrnehmung und die katastrophalen Umfragewerte
der SPD.
Also
wendet er sich nun mit einem offenen Brief via SPON direkt an
die Wähler.
Wütend
schleudert der ehemaliger Lehrer dem Publikum entgegen, es sei richtig hin- und
hergerissen zu sein, die SPD müsse Partei des „sowohl, als auch“ sein.
In
dieser Hinsicht kann man ihm natürlich nur zustimmen. Es ist richtig das
Gesamtbild zu sehen, es ist immer angebracht seine eigenen Einstellungen zu
überdenken, politische Sturheit an sich ist falsch und wir sind auch nicht in
den USA, wo fanatisierte Republikaner nichts so sehr verabscheuen wie „Flipflopper“
– also Politiker, die ihre Meinung ändern.
Allerdings
führt uns Gabriel hier auf eine ganz falsche Fährte.
Wer zu
einer anderen Überzeugung gelangt und dem Wähler ehrlich erklärt welche
Umstände sich verändert haben und wieso man sich daher nun zu einem anderen
Vorgehen entschieden hätte, wird deswegen nicht bei Wahlen abgestraft.
So tickt
der deutsche Urnenpöbel nicht.
Immerhin
ist Merkel Umfaller-Königin und gleichzeitig Umfragekönigin.
Ihr nimmt
man es doch offensichtlich nicht übel, daß sie immer wieder das tut, was sie
zuvor noch ausgeschlossen hatte. AKW-Laufzeit, Berufsarmee, Kopfpauschale,
Rettungsschirme, etc.
Gabriel
kommt aus einem anderen Grund zu seinem zweifelhaften Spitznamen „Zickzack-Sigi.“
Er fällt
nicht einfach um und beschließt auf einmal etwas anderes, als das was er zuvor
propagiert hatte, sondern er verschleiert das und behauptet wahrheitswidrig
nicht umgefallen zu sein.
Ja, er
hat Waffenexportgenehmigungen zurückgezogen, aber es ist unredlich sich deshalb
selbst zu loben, da er andererseits noch viel zu viele Exporte in Krisengebiete
zuläßt.
Ja, er
sagt, er sorge für Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen, aber die kommt nie
wirklich. Die Wähler sollen sich endlich nicht mehr gegen TTIP stellen, aber
die Vertragstexte soll kein Journalist lesen dürfen.
Ja, er
hat die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht. Aber das gilt nur für eine
kleine Altersgruppe. Die Optionspflicht ist nicht abgeschafft. Ich zum Beispiel
darf immer noch keinen deutschen Pass bekommen.
Ja, die
SPD tritt für gleiche Rechte Homosexueller ein, aber im Bundestag stimmten sie
doch gegen einen entsprechenden Antrag der Opposition mit der Unionsfraktion.
Statt der „Ehe für alle“ haben wir nun eins abstrus kompliziertes Gesetzgemisch,
das der CSU/CDU-Homophobie nachgibt.
[….][….]
Die große Koalition wollte nämlich nicht
einfach die "Ehe für alle" einführen, also die homosexuellen Paare
zur Ehe zulassen, wie dies eine Mehrheit im Bundesrat anstrebt. Man wollte also
kein Gesetz beschließen, in dem steht, dass eine Ehe im Sinn der Gesetze auch
die Verbindung von homosexuellen Paaren ist. Etwa so: "Die für Ehe und
Ehegatten geltenden Vorschriften sind auf Lebenspartnerschaft und Lebenspartner
in gleicher Weise anwendbar." So ein Gesetz wäre nur ein paar Zeilen lang
und würde die gesamte Rechtsordnung durchdringen. Aber die Union im Bundestag
ist gegen die Ehe für alle. Also ging es nur kompliziert. Es musste in allen
Gesetzen, noch in den entlegensten Winkeln des Rechts, geprüft werden, ob dort
dem Wort "Ehe" das Wort "Lebenspartnerschaft" hinzugefügt
werden darf; oder ob das dort nicht zu weit geht. [….]
Ergebnis: Betroffen
vom Bereinigungsgesetz sind 32 Bundesgesetze - bis hin zur Höfeordnung (da geht
es um das Erbschaftsrecht für Bauernhöfe), in dem es jetzt neben dem
"Ehegattenhof" auch den "Lebenspartnerhof" gibt. [….][….]
Ich bin
immer noch der Meinung, daß es keine Schande ist für einen kleinen
Koalitionspartner sich oft nicht vollständig durchzusetzen und Kompromisse einzugehen.
Man muß
dann aber sagen, woher der Widerstand kam.
Was
nicht geht, ist einfach so zu tun, als habe man sich durchgesetzt.
Beim
Großthema „Flüchtlinge“ versucht Gabriel nun erneut zu suggerieren, die
Bundesregierung betreibe reine SPD-Politik, da sich die Spitzengenossen so
geschickt durchgesetzt hätten.
[….]
Die SPD zeigt große Kontinuität im Umgang
mit dem Flüchtlingsthema. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Haltung zur
Verringerung der Flüchtlingszahlen: Als Frank-Walter Steinmeier und ich das
vergangenen Oktober im SPIEGEL gefordert haben, brach ein Sturm der Entrüstung
aus: Wir würden reden wie Seehofer, wir fielen der Kanzlerin in den Rücken, so
lauteten die Vorwürfe. Heute ist die Forderung längst Mainstream. Nicht die SPD
wechselt ihre Haltung, sondern mancher Kommentator. […] Und wir wissen: Wenn das gelingt, wird sich
niemand an den Ursprung erinnern, sondern es wird der Erfolg der CDU-Kanzlerin
sein. Die Wahrheit aber ist: Das muss uns egal sein, denn es ist dann der
Erfolg für Deutschland und für halb Europa. In diesen Zeiten ist für
Parteitaktik kein Platz. [….]
Ebenfalls
nicht schön ist Gabriels schleimiger Versuch einen Keil zwischen die „bösen“
Oberen der Pegida-AfD und die „guten“ Mitläufer zu treiben.
Als
Spitzenpolitiker und Wahlkämpfer traut sich Sigmar Gabriel natürlich nicht
Wähler zu beschimpfen.
So ein
Bashing wird einem immer übel genommen und die so Geschmähten sind außerdem für
immer und ewig als Stimmenlieferanten verbrannt.
[….]
Die absehbaren Probleme haben Ängste in
unserer Bevölkerung ausgelöst. Und nicht jeder, der solche Ängste hat und sich
so sehr über die Flüchtlingspolitik ärgert, dass er überlegt AfD zu wählen, ist
ein Rechtsradikaler. Diese Bürger dürfen wir nicht aufgeben.
Das gilt allerdings
nicht für die Repräsentanten von AfD und Pegida, die offen rassistisch und
rechtsradikal argumentieren. Oder so menschenverachtend sind, dass sie
Schießbefehle selbst auf Kinder an der deutschen Grenze ausgeben wollen. [….]
Das
passt nicht recht zu Gabriels Aussage, in
diesen Zeiten ist für Parteitaktik kein Platz.
Man muß
sich nur mal anhören was die AfD-Führungsriege auf Großdemos
hinausposaunt und Tausende ihrer Anhänger begeistert zujubeln.
Herr Gabriel,
das sind Rechtsradikale, die bei PEGIDA
mitlaufen und AfD wählen.
Manfred
Güllner sagt, die AfD sauge das
rechtsradikale Wählerpotential von 10-12% in Deutschland
komplett auf.
Das ist
ein Mob, der ohnehin nicht die SPD wählt, also sollte Herr Gabriel auch aus
parteitaktischen Gründen darauf verzichten diese Typen zu umarmen, da das wiederum
andere Wähler abschreckt.
Außerdem
verweist Gabriel, wie so viele andere auf die Umfragen, welche eine gewaltige
Unzufriedenheit mit der Flüchtlingspolitik der Regierung ausweisen.
Daher
müsse man nun die Zügel anziehen, mehr Polizisten einstellen usw usf.
In der
Tat gibt es diese ARD-Umfrage.
Große
Mehrheit kritisiert Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.
Wenn man von den
teilweise durchaus positiv bewerteten Einzelmaßnahmen auf "das große
Ganze" blickt, dann gibt es deutliche Kritik an der Flüchtlingspolitik der
Bundesregierung: 81 Prozent der Befragten haben nicht den Eindruck, dass die
Regierung die Flüchtlingssituation in Deutschland im Griff hat. [….]
Die Zahl
halte ich für plausibel.
Auch ich
zähle mich zu diesen 81%.
Aber
Gabriel interpretiert es völlig falsch, wenn er glaubt diese 81% würden sich
alle nach hartem Durchgreifen à la CSU und AfD sehnen.
Im
Gegenteil; ich finde die Abschottungen, die Einzelfallprüfungen, das Behindern
des Familienzuzuges, die Residenzpflicht, das Verweigern der Arbeitserlaubnis,
die BAMF- und Lageso-Schikanen, das Verurteilen zum Nichtstun viel zu hart.
Ich
gehöre zu den 81%, weil ich nicht erkenne, daß die Bundesregierung überhaupt
konstruktiv vorgeht. Der zuständige Innenminister verkompliziert die Lage, fiel
immer wieder durch das Schüren xenophober Stimmungen auf.
Gabriel
behauptet aber, es gäbe stringente Regierungspolitik, die zudem auch noch auf
Plänen seiner SPD beruhe.
Immer wieder wird
behauptet, dass wir diese Verringerung der Flüchtlingszahlen nicht schaffen, ja
nicht mal einen Plan dafür hätten. In Wahrheit ist unser damaliger Plan heute
offizielle Regierungspolitik:
1.
Investitionen in die Nachbarstaaten Syriens, um die Lebensbedingungen
der Menschen deutlich zu verbessern;
2.
Sicherung der EU-Außengrenzen, auch durch Zusammenarbeit mit der Türkei;
3. im
Gegenzug Übernahme großer Kontingente von mehreren Hunderttausend Flüchtlingen
pro Jahr nach Europa und Deutschland.
Was für
eine ekelige Mischung aus Larmoyanz und
Halbwahrheiten.
Punkt 1 ist schlicht gelogen. Das Gegenteil
ist der Fall.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte
2015 um 7,2 Milliarden Dollar für Flüchtlinge gebeten - aber gerade einmal 52
Prozent bekommen.
"Noch immer sterben Menschen an Hunger
oder frieren zu Tode", sagt eine UNHCR-Sprecherin.
Länder wie Libanon und die Türkei, die
Millionen Flüchtlinge aufgenommen haben, sind an der Grenze ihrer
Leistungsfähigkeit.
[….][….]
Punkt 2 ist gar nicht umsetzbar, wenn man
nicht bereit ist Massaker an Tausenden Menschen zu verüben. Man kann die Grenzen gar nicht schließen.
Griechenland weist
EU-Vorwürfe als Lüge zurück
Im Streit um die
Grenzsicherung hat Griechenland den anderen EU-Staaten Unehrlichkeit
vorgeworfen. Die Seegrenze sei nicht schließbar, Seenotrettung die einzige
Option. [….]
Punkt 3 ist geradezu lächerlich. Es geht um
Millionen Menschen und nach einem Jahr hat es die EU geschafft gerade mal
wenige Hundert verteilt.
Die geplante Verteilung
von 160.000 Flüchtlingen auf die EU-Staaten kommt nicht voran. Nur 272 Personen
wurden bislang in andere Länder gebracht. Auch andere Vereinbarungen lassen
noch auf sich warten.
[….]
Ich habe
nichts dagegen, wenn Gabriels „Sowohl, als auch“ praktiziert würde, ich
akzeptiere (begründete) Meinungs- und Kursänderungen.
Was aber
nicht geht, ist kontinuierliches Sand in die Augen streuen.
Gabriel
propagiert hier Politiksimulation.
Jetzt
muß ich schon einen Hamburger Morgenpost-Kommentar zitieren, um dem Vizekanzler
den Vertrauensverlust in die Bundesregierung klar zu machen:
[….]
Dies
liegt auch daran, daß die Regierung nicht das geringste Signal sendet, wie es
eigentlich im Land selbst weitergehen soll: Wo bleibt beispielsweise eine „Agenda
Flüchtlinge“, vergleichbar mit der „Agenda 2010“? Wo ein Milliardenschweres
staatliches Wohnungsbauprogramm? Oder eine Offensive zur Ausbildung und
Einstellung von Lehrern und Polizisten? „Wir schaffen das“ ist zwar ein edles
und richtiges Motto. Momentan hat man aber nicht den Eindruck, daß die
Bundesregierung genug unternimmt. Stattdessen hat sie sich von EU-Partnern, der
Opposition und engagierten Bürgern anhängig gemacht. [….]
Wir
wissen doch nun schon seit vielen, vielen Monaten, daß CDU-de Maizière bei der
Einschätzung der Flüchtlingszahlen und der Funktion des BAMF total versagt, wissen
doch nun schon seit vielen, vielen Monaten, daß er Berliner CDU-Senator für
Gesundheit und Soziales Mario Czaja beim LAGESO total versagt.
Kann ja
passieren.
Aber es
darf doch nicht sein, daß man den Zustand einfach so belässt, obwohl die
Situation extrem pressiert.
Diese
Typen gehören sofort entfernt. Mit schlichter Untätigkeit und Merkels
General-Rezept „Abwarten“ kommen wir nicht weiter.
Auch
nicht, wenn ihr Vizekanzler das als „Regierungsplan“ verkauft.
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