Seitdem ich die deutsche Innenpolitik verfolge gab es immer wieder mal irgendwelche
rechtspopulistischen Gruppen am schmuddeligen Rand des Parteienspektrums, die
durch BILD und platte Parolen in Landesparlamente geschwemmt wurden.
Statt-Partei, Schill-Partei, Bürger in Wut, NPD, Republikaner, DVU, AfD.
Im
Gegensatz zu den neuen Parteien auf der linken Seite des Spektrums – Grüne und
Linke, konnten sich die braunen Brüllaffen aber nie auf Dauer etablieren.
Der
Grund ist offensichtlich: Rechte sind intellektuell unterbelichtet. Da sie die
Probleme gar nicht erfassen können, nur einfache Parolen grölen, können sie
logischerweise nicht an Lösungen mitarbeiten.
Rechte
begreifen nicht, daß der parlamentarische Alltag eher mühsam ist, Fleiß und
viel Vorbereitungen erfordert.
Hier ist
das sprichwörtliche Bohren dicker Bretter erforderlich – eine Methode, die
diametral dem Habitus der Flachdenker widerspricht.
Unfreiwillig
komisch wird es, wenn Rechte versuchen sich den Anstrich einer seriösen Partei
zu geben, indem sie ein Parteiprogramm aufstellen.
So ein
Unterfangen ist gar nicht so leicht für die schrägen Schreihälse, die nur
ziemlich genau wissen wogegen sie sind.
Parteiprogramme
hingegen sollten konstruktiv sein, Lösungen skizzieren und Pläne präsentieren.
Zum Glück für die Rechten, lesen weder sie selbst, noch ihre Anhänger.
Blöd ist
allerdings, wenn jemand anders sich die Mühe macht die Programmatik zu lesen,
wie es die Netzaktivistin Katharina Nocun mit dem AfD-Programm tat.
[….] Ich
habe mir die Parteiprogramme der AfD-Landesverbände angeschaut, die demnächst
wählen: Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Das sind die
aktuellsten Programme. Sie zeigen sehr gut, wie die Partei momentan tickt, da
die Mitglieder dem Programm zustimmen müssen.
[….] Verklärung preußischer Zustände,
religiös-fundamentalistische Weltsichten, offener Rassismus,
Klimawandelleugnung, marktradikale Konzepte aus der Mottenkiste. Alles dabei.
[….] Die AfD vertritt ganz klar die Interessen
eines kruden Sammelsuriums von Interessengruppen: Großverdiener sollen weniger
Steuern zahlen, radikale christliche Sekten bekommen Geschenke wie „Home
Schooling“, das Infragestellen des menschlich verursachten Klimawandels
begünstigt Umweltverschmutzer und Rechtsradikale finden sich im Rassismus
wieder.
[….] Sie ist erzkonservativ bis ins Mark. Die
stellvertretende Vorsitzende Beatrix von Storch holt die Diskussion zurück in
die sechziger Jahre. Sie fordert als Abtreibungsgegnerin ernsthaft die
Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. [….]
In Baden-Württemberg will die AfD „auf die
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einwirken und auch im Bildungsbereich
Anstrengungen unternehmen, damit Ehe und Familie positiv dargestellt werden.“
Was denn nun? Meinungsfreiheit, Pressefreiheit oder staatliche Beeinflussung
der Medien?
[….] In Sachsen-Anhalt findet sich noch etwas
Interessantes zur Freiheit der Kunst: „Museen, Orchester und Theater sind in
der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern. Die Bühnen
des Landes Sachsen-Anhalt sollten neben den großen klassischen internationalen
Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren,
dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen.“ Was für eine Partei
möchte Theatern vorschreiben, welche Stücke sie zu inszenieren haben? Das
kennen wir nur aus repressiven Regimen. [….]
Nachdem
nun aber schon vier AfD-Landtagsfraktionen existieren, erleben wir bei ihnen
das was auch ihre Vorgänger von Republikanern, DVU und NPD bei ihren
Stippvisiten im Parlamentarismus vormachten:
Schwere Blamagen, ostentative Faulheit, Zank, Tratsch und
schließlich sukzessive Auflösung der Fraktion.
Aktuell
sorgt in Hamburg der gerade erst von mir skizzierte AfD-Rechtsaußen „Dr. Flocken“
für den unweigerlichen blamablen Weg in die Lyse der braunen Fraktion.
Dr.
Flocken ist so rechts, daß neben ihm nur noch die Wand kommt.
So
unterzeichnete er im März 2015 die sogenannte „Erfurter Resolution“, auch
bekannt als der braune Fluegel
innerhalb der AfD, in der Rassist Björn Höcke sich mit seinen
völkischen Thesen von Henkel-Lucke-Gruppe absetzen wollte.
Zuvor hatte der
Bundesvize Hans-Olaf Henkel das Papier als "spinnerte völkische
Ansichten" bezeichnet. Flocken, Orthopäde
aus Bergedorf, stört diese Kritik nicht. Er führt: "Wenn ich konservative,
libertäre, islamkritische oder kriegskritische Positionen vertrete, bei Pegida
mitspaziere oder rede, dann fühlen sich Politik und Medien provoziert."
Auch in der AfD müsste das nicht jedem gefallen, sagt er. "Es gehört aber
zur AfD dazu."
[….] Es ist
nicht das erste Mal, dass Flocken an diesem Image kratzt: Am 26. Januar
beschimpfte er bei dem Pegida-Ableger in Schwerin die Gegendemonstranten:
"In Diktaturen werden Kritiker der Regierung von der Polizei
niedergeknüppelt. Bei uns brauchen die Eliten euch als Fußvolk, um die Menschen
zusammenzuschlagen und einzuschüchtern." Und bezeichnete die Pegida-Gegner
als "die neue SA".
Im Januar 2016 dreht sich Flockens Welt natürlich um die Silvester-Vorfälle.
Eine
Steilvorlage für den Arzt, gegen den die Ärztekammer bereits ein Verfahren
angestrengt hatte.
Fakten
und konstruktive Politik interessieren die AfDler naturgemäß wenig.
Die AfD
in Hamburg stellt mit Abstand die faulsten Abgeordneten, die wenn überhaupt nur
Gaga-Anfragen stellen.
Der
Parteichef Kruse warf seinen Vorsitz im Oktober 2015 hin, blieb aber auf dem
(lukrativen) Posten des Fraktionsvorsitzenden – nur um sich drei Monate später
in die USA abzusetzen.
Inhaltlich
gibt es außer Hetze gegen Flüchtlinge kein Betätigungsfeld der AfDler in der
Hamburger Bürgerschaft.
Bildung, Umwelt,
Gesundheit, Verkehr, Wirtschaft? Fehlanzeige! Entsprechend hart das Urteil der
politischen Widersacher: „Die AfD ist monothematisch aufgestellt. In fast allen
anderen Politikfeldern findet sie nicht statt“, stellt der CDU-Fraktionschef
André Trepoll fest. Das sieht die Linke genauso: „Sie hat außer ein oder zwei
Anliegen zu keiner anderen Frage der Entwicklung der Stadt etwas zu sagen“, so
Christiane Schneider. [….]
In der Ausschuss-Arbeit des Parlaments,
die es zu allen relevanten Themen gibt, ist das Urteil über die AfD vernichtend
– und zwar parteiübergreifend.
Selbst CDU und Linke,
die sich sonst quasi nie einig sind, kommen zu dem gleichen Ergebnis: „In den Ausschüssen muss man viel Detailwissen haben, da kann man
nicht mit Plattitüden arbeiten. Das ist bei den AfD-Kollegen noch nicht
erkennbar“, sagt Trepoll (CDU). Die Linke wird noch deutlicher: „In den
Ausschüssen glänzt die AfD nach meinen Erfahrungen durch nahezu vollständige
Abwesenheit – auch wenn ihre Abgeordneten körperlich anwesend sind. Von ihnen
kommt: Nichts“, so Schneider. Auch
Beobachter geben der AfD in der Ausschuss-Arbeit schlechte Haltungsnoten.
Dass der
AfD-Fraktionschef Jörn Kruse derzeit für drei Monate nach Kalifornien
verschwunden ist, sorgt für Kopfschütteln. Kruse, der als Fraktionschef rund
8000 Euro im Monat erhält, begleitet seine Frau, die eine Gastprofessur an der
Elite-Uni Stanford angenommen hat.
[….]
Elfmal scheiterte die AfD daran einen der ihren in die Hamburger
Härtefallkommission zu entsenden, die über das Schicksal von mit Abschiebung
bedrohten Menschen entscheiden muß.
Inzwischen
verfällt auch die AfD-Hamburg, wie es zu erwarten war, immer mehr der Lyse.
Mit seinem Austritt
aus der Fraktion kam Flocken einem Ausschluss zuvor. Ein entsprechendes
Verfahren war nach Angaben der AfD-Fraktion bereits eingeleitet. In ihrer
offiziellen Stellungnahme sprachen die Rechtspopulisten, die fortan noch mit
sieben Vertretern in dem Landesparlament sitzen, von „unüberbrückbaren
unterschiedlichen Auffassungen“. Es habe eine Reihe von „nicht unerheblichen
inhaltlichen Differenzen innerhalb der Gemeinschaft“, die vor allem die interne
Abstimmung parlamentarischer Anfragen und Initiativen betroffen hätten,
gegeben.
Allerdings
nicht ohne vorher noch einmal öffentlich zu demonstrieren, was für ein dubioser
und schlicht nicht wählbarer Haufen die AfD ist.
Er gehörte dem rechten
Flügel seiner Fraktion an - aber letztendlich war ihm alles wohl nicht rechts
genug. Dr. Ludwig Flocken ist aus der Fraktion ausgetreten. Es ist unüblich,
ein Gespräch, das wir gemeinsam mit Kollegen vom NDR führten, ungeschnitten
einfach in ganzer Länge online zu stellen. Wir machen mal eine Ausnahme. Weil
wir finden, dass es für sich selbst spricht. Und wenn man nicht schneidet, kann
man sich zumindest nicht den Vorwurf der Lügenpresse einhandeln.
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