Dieses
TTIP scheint eine tolle Sache zu sein.
Donnerwetter, Sigmar
Gabriel!
Weshalb Sie sich
plötzlich so vehement für das Freihandelsabkommen TTIP einsetzen, erklärten Sie
in der Bild: »Es gibt viele Barrieren gerade für kleine und mittelständische
Unternehmen. Zölle und Doppelregulierungen machen den Handel unnötig teuer.
Allein die deutsche Autoindustrie muß jedes Jahr eine Milliarde Euro ausgeben,
um Autos aus Deutschland in die USA exportieren zu können.« Das schwere
Schicksal des Autos exportierenden Kleinunternehmers hat also Ihr
sozialdemokratisches Herz erweicht! Wäre es da nicht glaubhafter gewesen, Sie
hätten einfach bekannt, daß Sie gerne Genmais, Chlorhühnchen und geklonte
Rinder fressen?
Stating the obvious:
Gegen TTIP
kann man nichts sagen. Jedenfalls nichts Begründetes, da niemand wissen darf
was TTIP eigentlich ist.
Wir
müssen da schon auf den zuständigen Wirtschaftsminister vertrauen.
Nachdem
Sigmar Gabriel seiner Partei Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen gelobt
hatte, ließ er doch einige Bundestagsabgeordnete Einblick nehmen.
Er
richtete den jetzt schon legendären hochgeheimen Leseraum ein.
Spielt
die Bundesregierung nun etwa mit offenen Karten?
[…]
Keine Kopien, keine Fotos - Handys müssen
abgegeben werden. Die Rede ist vom neu eingerichteten TTIP-Leseraum im
Bundeswirtschaftsministerium. Die Zutrittsbedingungen sind ziemlich umstritten
- aber warum sind sie überhaupt so?
[…]
Es war Bundeswirtschaftsminister Gabriel,
der sich dafür eingesetzt hatte, dass es einen Leseraum für die
Bundestagsabgeordneten geben soll, nachdem viel Kritik an der Geheimhaltung der
TTIP-Verhandlungen laut geworden war. Auch Gabriel passten die Bedingungen
nicht, wie er zu verstehen gegeben hatte. Er sprach jedoch von "einem
Schritt hin zu mehr Transparenz".
Doch auch mit der
Eröffnung des Raums und der Einsicht in Dokumente reißt die Kritik nicht ab.
Vertreter der Linkspartei bemängelten, dass der Zugang zu den Dokumenten
"derart begrenzt sei, dass von Transparenz und parlamentarischer Kontrolle
weiterhin keine Rede sein könne". […] Der Leseraum
im Bundeswirtschaftsministerium besteht aus acht Arbeitsplätzen mit Computern,
an denen die Abgeordneten Verhandlungsdokumente einsehen können. Dabei handelt
es sich um Dokumente, die sowohl die Position der EU als auch der USA
wiedergeben. In der Ecke des Raums steht ein Wachmann, der dafür sorgen soll,
dass die strengen Regeln auch eingehalten werden. […]
[…] Angemeldet haben sich für den maximal
zweistündigen Besuch seitdem 83 ParlamentarierInnen.
Doch welche das sind,
darüber gibt es keine Auskunft. „Wir richten uns da nach den Wünschen der
Abgeordneten und wollen nicht vorgreifen“, sagt Andreas Audretsch, Sprecher im
Wirtschaftsministerium. Gabriels Staatssekretär Matthias Machnig hat beim
Vorsitzenden des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, dem CSU-Abgeordneten Peter
Ramsauer, schriftlich um eine Klärung gebeten, wie mit Presseanfragen
umgegangen werden soll – bisher aber offenbar ohne Ergebnis. Die Pressestelle
des Bundestags teilt mit, die Namen würden „aus Datenschutzgründen nicht
bekannt gegeben“.
Dass die Namen der
Abgeordneten nicht genannt werden, lässt sich damit vielleicht tatsächlich
begründen – schließlich könnte das als unzulässige Kontrolle ihrer Arbeit
ausgelegt werden. Doch Ministerium und Bundestag geben auf Anfrage nicht einmal
die Parteizugehörigkeit der bisherigen NutzerInnen des Leseraums bekannt. Und
das hat vermutlich wenig mit Datenschutz zu tun – und viel damit, eine Blamage
für die Regierung zu verhindern. Denn
bisher nutzt offenbar fast nur die Opposition die Möglichkeit, Einblick zu
nehmen. […]
Gabriel,
der Fuchs hat hier ein Husarenstück abgeliefert.
Vordergründig
hielt er sein Versprechen ein, für Transparenz zu sorgen, gab sich öffentlich
geknickt darüber nicht mehr offenbaren zu können – das läge an den Amerikanern.
In
Wirklichkeit hat er aber durch die umfassenden Geheimhaltungsverpflichtungen
derjenigen Abgeordneten, die einiges einsehen durften, nun dafür gesorgt, daß
überhaupt keine Informationen mehr an die Öffentlichkeit gelangen.
Denn
nachdem sie einmal in Sigis Leseraum waren, dürfen die Parlamentarier gar
nichts mehr sagen – noch nicht mal das, was sie schon davor über TTIP wußten.
Der
Grüne Fraktionschef Hofreiter, nicht eben als Schnelldenker bekannt, offenbarte
soeben unfreiwillig wie
er dem Vizekanzler in die Falle gegangen ist.
[…]
Seit einer Woche dürfen Abgeordnete
Unterlagen zum Handelsabkommen mit den USA einsehen. Wer sich die Dokumente
anschaut, begibt sich in ein Dilemma: Denn über das Gesehene reden darf man
nicht.
[…]
Vorige Woche hat der Grünen-Fraktionschef
das Video ins Netz gestellt, darin erzählen er und seine Fraktionskollegin
Katharina Dröge von ihrem Besuch im TTIP-Leseraum im Wirtschaftsministerium. […]
Seither hagelt es Hohn und Kritik.
Hunderte Kommentare gibt es mittlerweile zu dem Video, die meisten geißeln die
Geheimhaltung. "Zeigen Sie Zivilcourage und reden Sie!", schreibt
einer, und der ist noch von der freundlichen Sorte. "Wieso lasst ihr euch
das gefallen?", will ein anderer wissen. Der schüchterne Verweis der
Grünen auf Paragraf 353 des Strafgesetzbuches kann die wenigsten beruhigen:
Seit wann muss ein Parlamentarier drei Jahre Haft fürchten, wenn er die
Wahrheit sagt? Plötzlich sitzt in der Falle, wer sich die Dokumente angeschaut
hat.
[…][…]
Jeweils acht Abgeordnete dürfen nun
gleichzeitig in Raum B 0.010 des Ministeriums, wo sie an Computern für zwei
Stunden Kapitel studieren dürfen. Handys müssen sie in einem Spind wegsperren,
Stifte und Papier stellt das Ministerium. Vor allem aber muss jeder Abgeordnete
den Regeln zustimmen: "Mit Ihrer Unterschrift im Logbuch verpflichten Sie
sich (. . .) zum Schutz dieser Schriftstücke und der darin enthaltenen
Informationen." Andernfalls drohten "disziplinarische und/oder
rechtliche Maßnahmen".
Das Ergebnis ist
paradox: Denn wer im Lesesaal war, darf
nicht mal mehr über Dinge reden, die er dort zwar bestätigt fand, aber vorher
schon wusste. […][…]
(Michael Bauchmüller SZ vom 10.02.2016)
Nachtrag – immerhin Jürgen Trittin zeigte seine TTIP-Notizen:
Nachtrag – immerhin Jürgen Trittin zeigte seine TTIP-Notizen:
"Ein Teil der
Antworten würde die Bevölkerung verunsichern." Heute war ich im #TTIP-Lesesaal
und habe die geheimen Verhandlungsdokumente für das Handelsabkommen zwischen EU
und USA eingesehen. Meine Notizen darf ich nicht veröffentlichen. Nur so viel:
die Skepsis von uns Grünen gegenüber TTIP ist gerechtfertigt.“
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