Talkshows,
Zeitungen, die großen Parteien angstbeißen jetzt um sich.
Die am Donnerstag von
der Regierungskoalition vereinbarte zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs
für Flüchtlinge, die nur einen so genannten subsidiären Schutzstatus haben, sei
„inhuman und herzlos“, kritisierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des
Paritätische Wohlfahrtsverbands. Es sei „zum Fremdschämen, wie hier in Kauf
genommen wird, dass sich noch mehr Frauen und Kinder in die Hände von
skrupellosen Schleppern auf den gefährlichen Fluchtweg über das Mittelmeer
begeben.“
[….]
Als „schäbig“ kritisierte die
Linksfraktion die Einigung. „Die SPD knickt vor der Union ein, die vor der AfD
einknickt“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jan Korte. Die
Folgen des Koalitionsbeschlusses werde man „nur im Mittelmeer spüren, wo noch
mehr Frauen und Kinder ihr Leben auf der Flucht aufs Spiel setzen müssen“. Von
einem „Förderprogramm für Schlepper“ sprach die Linkspartei-Chefin Katja
Kipping. „Da werden die Daumenschrauben in der Asylpolitik weiter angezogen“,
sagte die Grünen-Vorsitzende Simone Peter.
Ich gebe
zu, ich bin ehrlich beeindruckt.
Beeindruckt,
wie eine Regierungskoalition mit einer derartig großen Mehrheit – immerhin 80%
der Sitze – so volle Hosen haben kann.
Tatsächlich
dachte ich, es wäre in den letzten zehn Jahren in allen Bundestagsparteien
Konsens geworden, daß Deutschland bei der Integration von „Gastarbeitern“ in
den 60er und 70er Jahren total versagt hätte.
Waren
wir uns nicht alle einig, daß es ein fataler Irrweg war, sich auf den
Standpunkt zu stellen, die verschwänden irgendwann von allein wieder alle
zurück in ihre Herkunftsländern und deswegen müsse man sich auch nicht um Deutschkenntnisse
und Schulbildung der Kinder kümmern?
Schon
die fatale Herdprämie war eine klare Anti-Integrationsmaßnahme, bei der mit
Milliarden Steuergeldern in die Volksverdummung investiert werden sollte.
Nun
wiederholen und verschärfen CDU, CSU und SPD alte Fehler und setzen
ausdrücklich auf Desintegration.
Wir haben in der Tat
einen Kurswechsel, weil wir weggehen von der Integration.
Wer Familiennachzug
verhindert, der verhindert Integration! Wer wie die SPD möchte, daß
Flüchtlingen, selbst wenn sie anerkannt sind, nicht dahin ziehen sollen, wo sie
arbeiten, sondern ihnen Zuweisungen erteilt, auch der verhindert Integration. Integration
erfolgt im Wesentlichen über Familie und Arbeit. Wer in diesen beiden Punkten
eine andere Politik einschlägt, der hat sich in der Tat schon länger davon
verabschiedet hier für Integration zu sorgen. Ich glaube, daß wir gerade dabei
sind, daß die Kanzlerin, getrieben von unter anderem der CSU und getrieben von
der Angst vor der AfD hier die Kurswende eingeleitet hat. Aber da gilt der alte
Satz von Rainer Werner Fassbinder, der sagt „Angst essen Seele auf!“.
Deutschland
einig Menschenhass.
Raus mit
den Hilfesuchenden.
Raphaele Lindemann, junger Arzt aus
Mainz, der vier Wochen in einem bayerischen Erstaufnahmelager arbeitete,
beschreibt es wie folgt:
[….]
Ich bin zur Zeit als Arzt
für die medizinische Erstversorgung der neu in Deutschland ankommenden
Flüchtlinge zuständig. Diese findet nahezu vor jedem weiteren Schritt statt.
Also vor der Registrierung (inkl. Fingerabdrücke und Foto!), der Versorgung mit
gespendeter (Marken-)Kleidung, der Möglichkeit sich zu duschen, etwas zu essen
oder der Verteilung auf das restliche Bundesgebiet etc. Das heißt im Klartext,
dass man hier einen Eindruck in Reinform über die tatsächliche Situation der
ankommenden Flüchtlinge erhält.
Dieser
Eindruck ist pur und absolut ungefiltert. [….] Diese Menschen kommen in einem absolut
desolaten und erbarmungswürdigen Zustand hier an. Sicher wird es manchen
erstaunen, dass es sich nicht zu 90% um junge, gesunde Männer handelt. Das hat
das Wanken der Nachzugsreglung erfolgreich zum Schlechteren gewendet. [….]
In der aktuellen
Situation müssen wir uns verdeutlichen, welchen Selbstanspruch wir an unsere
Kultur haben. Natürlich könnten wir die Grenzen dicht machen und so tun als
wäre Merkel an allem Elend dieser Welt schuld. Aber glaubt denn wirklich
irgendwer damit wäre das Problem gelöst? Ich höre hier im Lager durchgehend
weinende Kinder. Und ich weiß, dass sie dann halt vor unseren Grenzen weinen
würden. Würden wir damit unsere Zivilisation retten? Nur weil wir es dann nicht
mehr sehen und im Fernsehen einfach bequem umschalten können? Es zeugt schon
von einer bemerkenswerten Moralvorstellung, wenn man auf fb das Elend eines
gequälten Hundes anprangert und gleichzeitig sehenden Auges all diese Menschen
vor unseren Grenzen krepieren lassen will – und wenn es nur durch Unterlassung
ist. Ob das ein schützenswertes Abendland ist? [….]
Wie
kommt es zu dieser Brutalisierung in der deutschen Gesellschaft?
Daß man nach Schießbefehl schreit und dafür Rekord-Wahlergebnisse erhält?
Daß man nach Schießbefehl schreit und dafür Rekord-Wahlergebnisse erhält?
Ich
glaube, eine Hauptursache liegt im Totalversagen unserer „Talkshow-Kultur“.
Daher küre ich Anne Will, Sandra
Maischberger, Günter Jauch und Frank Plasberg zur Impudenz des Monats Januar
2016.
Es
gab einmal Zeiten, als man Fernsehjournalisten klar nach dem Rechts-links-Muster
zuordnen konnte.
Beim
ARD-Flaggschiff „Tagesthemen“ gab es zwei Moderatoren; einer SPD-freundlich,
einer auf CDU-Ticket. So lief das über Jahrzehnte.
Ulrike
Wolf rechts
Hanns
Joachim Friedrichs links
Sabine
Christiansen rechts
Ulrich
Wickert links
Anne
Will rechts
Usw.
Man
geißelte diese Methode der Ausgewogenheit als parteilichen Einfluss in den
Rundfunkgremien.
Tatsächlich
sind die Anchors und Talkshowleute, die sich wie Steffen Seibert, Reinhold
Beckmann, Siegmund Gottlieb oder Peter Hahne parteipolitisch ganz klar
verordnen lassen (alle vier CDU/CSU) seltener geworden. Noch seltener sind nur
noch die SPD-Freunde. Angeblich gehört Maybrit Illner noch dazu. Aber der
letzte ZDF-Mann, der links von der CDU stand und über Rückgrat verfügte –
Nikolaus Brender – wurde von Roland Koch und Angela Merkel in neopolnischer Manier als „zu unbequem“ aus seinem Job
entfernt.
Plasberg, Jauch und Maischberger geben sich
betont unpolitisch. Prahlen damit als Wechselwähler schon selbst jede Partei
(außer den Linken natürlich) gewählt zu haben.
Vermutlich
sind die drei Plapperisten sogar stolz drauf nicht mehr auf einem Parteiticket
zu ihren Jobs gekommen zu sein und nun mit jedem zu Recht zu kommen.
In
Wahrheit ist dadurch aber alles noch schlimmer geworden, weil sie sich dadurch
selbst überschätzen. Sie halten sich für überparteiliche Institutionen, die so
eine Art demokratische
Apotheose in ihren Talkshows aufführen.
Dabei
ist doch die eigentliche Frage, wer in ihren Redaktionen bestimmt.
Die
Gästelisten sprechen dabei Bände. CDU/CSU-Freunde sind deutliche
überrepräsentiert. Atheisten kommen so gut wie niemals vor – obwohl sie die
relative Mehrheit in Deutschland bilden.
Die
Heute Show-Redaktion durchsuchte die Themen der großen ARD- und ZDF-Talkshows
der letzten fünf Jahre und fand allein 85
Sendungen, die sich kritisch mit Ausländern und Asylanten auseinandersetzten.
Die
richtig Rechten, die Xenophoben, die ungeniert in Talkshows sitzen und gegen
Flüchtlinge polemisieren, sind omnipräsent.
Köppel,
Friedrich, Petry, Scheuer, Herrmann, Höcke, Gauland plappern uns von den
öffentlich-rechtlichen Sendern protegiert fast täglich mit ihren rechtsextremen
Ansichten voll.
Die deliberative
Demokratie setzt ein Mindestmaß an gutem Willen voraus. Aber die Rechten lügen,
wenn sie den Mund aufmachen. Sie haben dabei kein schlechtes Gewissen. Sie
fühlen sich in der demokratischen, liberalen Mehrheitsgesellschaft als
Partisanen der Politik. Darum ist die Lüge ihr politisches Prinzip, und ihre
Taktik ist die Täuschung. Die Demokraten stellt das vor ein Problem. Wie
begegnet man jemandem, der die Politik als Betrugsgeschäft betreibt und die
Lüge zur Wahrheit macht?
Niemand
sitzt so oft in Talkshows wie der Merkel-Kritiker Wolfgang Bosbach, obwohl er ein Lügner ist.
Man
glaubt es kaum, aber wer ist zu Gast in der jetzt laufenden Plasberg-Sendung?
Wolfgang Bosbach, der überführte Lügner und Ausländerfeind.
Wolfgang Bosbach, der überführte Lügner und Ausländerfeind.
König
der Dampfplauderer ist und bleibt aber Wolfgang Bosbach, der sich immer als
aufrechter Kämpfer gegen Bevormundung inszeniert, der als einziger ehrlich
seine Meinung sage.
Ihm ist
es fast egal um welches Thema es geht, Hauptsache er kann sein Gesicht vor die
Kameras bringen. Bosbach ist omnipräsent. Was Bosbach sagt, wird sofort
weiterverbreitet.
Wolfgang Bosbach hat seinen
Titel verteidigt. Im dritten Jahr hintereinander gelang es ihm, die
Talkshow-Studios der Republik häufiger zu bespielen als jeder andere.
Die
Talkshowredaktionen versagen aber nicht nur bei ihrer Gästeauswahl, sondern vor
Allem mit ihrer Themensetzung.
WER hat
ihnen eigentlich aufgetragen sich stets nach den Ängsten der zehn bis 20%
Rechtsextremen in Deutschland richten zu müssen?
Es gäbe so viel mehr und wichtigere Themen.
Es gäbe so viel mehr und wichtigere Themen.
Alle reden zurzeit
dauernd und ausschließlich mit der AfD oder über die AfD, es ist fast schon
eine Obsession: Es gäbe genug zu diskutieren, über den Klimawandel, TTIP, die
globale Ungerechtigkeit, das Wesen des Kapitalismus, das Leiden der Menschen in
Syrien, die Schönheit und den Schrecken des Islam oder auch nur die Zukunft der
intelligenten Maschinen und den Platz des Menschen.
Aber im deutschen
Panikmodus wird all das ignoriert - man ordnet sich dem Diskursgetrommel der
Rechten unter, als habe man wirklich Angst, dass man sich sonst zum "Volksverräter"
machen könnte. Rechte Ängste nimmt man eben ernster als linke Ängste.
Die
Sonntags-Kolumne von Georg Diez über das Scheitern der Talkshow-Republik an der
AfD ist so gut, daß ich es nicht dabei belassen will einzelne Sätze zu
zitieren, sondern jeden bitte den vollständigen Text zu lesen.
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