Sonntag, 30. September 2018

Imagekorrektur unmöglich

Für Jens Spahn sind der Kauder-Abgang und das destruktive Rumrumpeln des Innenministers blöd.
Inhaltlich ist das zwar seine Linie – auch er möchte die Merkel-CDU ganz weit nach rechts rücken – aber der Aufstand gegen die Kanzlerin kommt für ihn einfach zu früh.
Für den selbstverliebten Gesundheitsminister aus dem Münsterland ist es keineswegs ausreichend das politisch umzusetzen, was er richtig findet, sondern er will Regierungschef und Parteichef werden, er will Macht und Bewunderung. Er will zusammen mit seinen stramm rechten Kumpanen Lindner und Dobrindt wie ein Rollkommando durch den bundesrepublikanischen Betrieb gehen.
Spahn konkretisiert seine Zukunftspläne bereits als 38-Jähriger sehr stark. Er wanzt sich an Neo-Konservative und Neo-Nationale der ganzen Welt heran.
Demonstrativ umwirbt er Sebastian Kurz und Richard Grenell, bemüht sich stets der Rechteste unter den gerade noch Mainstreamigen zu sein. Kein anderer Bundesminister fand lobende Worte für Trump; Spahn schon.

[…..] Immer die eigene Außenwirkung im Blick
[…..] Spahn ist 38 Jahre alt, mit 15 trat er in die Junge Union ein, seit seinem 22. Lebensjahr ist er im Bundestag. Spahn saß in nahezu jeder Talkshow der Republik, er gab unzählige Interviews. Er provozierte gern mit konservativen Thesen. Spahn erfand den Begriff "burkaphob", wollte Flüchtlingen die Sozialleistungen kürzen, beschwerte sich über englischsprachige Kellner und oft auch über den Kurs der Kanzlerin. Als Angela Merkel ihn im Februar als Gesundheitsminister in ihr Kabinett holte, begriffen das viele Beobachter als Zugeständnis an ihre Kritiker. Doch nach zwei Monaten im Amt wirkt Spahn so, als sei ihm sein altes Image manchmal nicht mehr ganz recht.
[…..] Jens Spahn ist versessen auf seine Außenwirkung. Aufmerksam verfolgt er die Presseberichte über sich selbst. Er merkt sich genau, wie einzelne Journalisten zu ihm und seinen Themen stehen. Seinen früheren Pressesprecher, der ihn als Abgeordneten begleitete, setzte er an die Spitze des neuen Leitungsstabs seines Ministeriums. Einen weiteren Sprecher holte er sich von der Bild-Zeitung. Einen intimen Kenner des kleinen Mannes, sozusagen.
[…..] So viel Mühe sich Jens Spahn auch mit seiner Selbstdarstellung macht, so kompliziert ist es für ihn im Moment, sich nicht selbst ein Bein zu stellen. […..]

Die ersten Teile seiner Karrierestrategie konnte Herr Spahn schon mustergültig abarbeiten.

Sich einen Namen unter Rechtskonservativen machen.
Den unbedingten Willen zur Macht demonstrieren.
Furchtlos erscheinen.
Keinen Tag vergehen lassen, ohne sich mindestens einmal effektiv in die Medien geschoben zu haben. Es gibt keine schlechte Presse.
Omnipräsenz, um so bekannt zu werden, daß die politische Zukunft nicht ohne ihn gedacht werden kann.

[….] "Bekannt bin ich jetzt, beliebt muss ich noch werden"[…..] Dass an diesem Vormittag die halbe Hauptstadtpresse über die aktuellen Karrierepläne des Jens Spahn rätselt, liegt an einer Biografie, die der Chefredakteur der Rheinischen Post, Michael Bröcker, geschrieben hat und mit ihm gemeinsam vorstellt.
Auf dem Einband loben der CSU-Altvordere Edmund Stoiber und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz den jungen Konservativen, und Bröcker orakelt, dass Spahn "die Bundesrepublik maßgeblich prägen wird".
[…..] Als Gesundheitsminister sei er nun einmal der einzige Sozialpolitiker der CDU, sagt Spahn. "Bekannt bin ich jetzt, beliebt muss ich noch werden", zitiert ihn Bröcker. Politiker mit Herz, das sei Jens Spahns nächstes Karriereziel. [….]

Jetzt kommt in der Tat der schwierige Teil. Die konservativen Zeitungen rufen Spahn brav zum neuen Kanzler aus. Das hat schon mal geklappt.
Warum sollten sie auch nicht einen Pharmalobbyisten, der konsequent an der Seite der Reichen und Industriellen steht an die Spitze der Regierung wünschen?

Springer und Funke reichen aber nicht als alleinige Kanzlermacher.
Ein paar Wählerstimmen braucht es auch noch und dazu muss der Kanzlerkandidat zumindest etwas beliebter sein,  als das Niveau von Fußpilz und Mundfäule, auf dem Spahn derzeit noch einzuordnen ist.


Möglich, daß man sich in einigen Jahrzehnten nicht mehr an den fiesen Spahn von 2018 erinnern wird.

Das über 80-Jährige attac-Mitglied Heiner Geißler, der sozial tickende CDU-Querdenker war richtig beliebt bei Sozialdemokraten.
Keiner dachte mehr daran was für ein wahrlich bösartiger rechter Hetzer Geißler in den 1980ern war.

Ob Spahn jedoch das Ruder so rechtzeitig herumreißen kann, um als direkter Kanzlernachfolger Merkels in Frage zu kommen, bezweifele ich stark.

Seine xenophoben und islamophoben Attacken, seine nationalistischen Wallungen, seine Nähe zu Rechtsextremen in aller Welt dürften kein großes Problem beim Werben um Wählerstimmen sein.
Spahns verächtliche Betrachtung von Geringverdienern, einfachen Menschen, Angestellten, Arbeitern, seine fortwährenden herablassenden Bemerkungen gegenüber finanziell klammen Menschen wirken da schon störender.

Pflegekrise? Macht doch nichts. Soll man doch ein paar Kräfte aus dem Ausland holen und außerdem können die faulen Säcke in den Pflegeheimen ja auch mal etwas mehr arbeiten.

[….] "Wenn von einer Million Pflegekräften 100.000 nur drei, vier Stunden mehr pro Woche arbeiten würden, wäre schon viel gewonnen", sagte der CDU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". [….]

Damit noch nicht genug der Demütigung.
Inzwischen unterstellte der Gesundheitsminister den Pflegern und Krankenschwestern gar, sie übten überhaupt keinen richtigen Beruf aus.
Das wären eher mindere Hiwi-Tätigkeiten, die auch in der Familie erledigt werden könnten.


Ja, das freut sicher jede examinierte Krankenschwester im Schichtdienst unter Dauerstress.

Spahn wird neben Ehrgeiz fast immer auch Intelligenz attestiert.
Ich wage das zu bezweifeln. Wer fortwährend derartig frei von Empathie große Teile der Bevölkerung vor den Kopf stößt, kann nicht schlau sein, wenn er das immer wieder tut.
Auch wenn er es nicht empfindet, würde ein intelligenter Gesundheitsminister nicht Pfleger und Kranken so laut geringschätzen, sondern wenigstens so tun, als ob er deren Leistung anerkenne.

Es ist auch nicht klug als demonstrativ Kinderloser, der bereits verkündete seine eigenen Eltern sicher nicht zu pflegen, Familien offiziell als eine Art primitiven Mechanismus für niedere Arbeiten anzusehen.

"In einer deutschen Familie hat man fürs Gröbste die Oma, und ich bin die Oma der Bundesrepublik."
(Helmut Kohl, Bundeskanzler, 1989)

Die groben, dreckigen, mies bezahlten Jobs für die Großeltern, sagt also Karriere-Bubi Spahn, der bereits mit 22 Jahren in den Bundestag einzog, als Lobbyist Millionär und Immobilienbesitzer wurde, sowie nun als Minister 14.000,- Euro im Monat verdient. Plus Zulagen.


Samstag, 29. September 2018

Künstliche Welten.

Ob ich konservative oder liberale oder ganz linke deutsche Zeitungen lese – inzwischen gibt es zum Trump- und Kavanaugh-Schmierentheater wirklich keine zwei Meinungen mehr.
Selbst die kleine Hamburger Boulevard-Mopo stellt in Grundsatzartikeln klar auf welchen absoluten moralischen Tiefpunkt die USA gesunken sind.

[….] Nach nicht ganz zwei Jahren Donald Trump mag das Land wirtschaftlich stark sein, aber moralisch ist es insolvent. Er hat aus dem „Land of the Free“ eine Nation gemacht, die Kinder von Einwanderern in Käfige sperrt und Sportler mit eigener Meinung ächtet. Er hat aus dem „Home of the Brave“ einen Ort gemacht, an dem eine tapfere Frau wie Mrs. Ford in den Sozialen Netzwerken mit Häme übergossen und beleidigt wird.
Wenn die Welt ein Schulhof ist, dann waren die USA immer derjenige, der sich dem Armumdreher in den Weg stellte. Unter Trump sind sie der Armumdreher geworden. Er stellt das Urvertrauen des Landes infrage, mit Lügen, mit Übertreibungen, mit Beleidigungen und einem Mangel an Respekt vor seinen Institutionen. [….]

Es ist einfach unfassbar wie sich diese rechten Trumperikaner benehmen. Wenn das nicht die größte Blue Wave aller Zeiten gibt am 06.11.2018 müssen die Wahlcomputer wirklich gehackt sein.


Man kann doch nicht ernsthaft einen Typen zum obersten Richter in den USA machen, der a priori noch nicht mal den Anschein von Überparteilichkeit erweckt, sondern als extremer Rechtsausleger Frauen, Demokraten und die ewige Hillary Clinton angreift.   


[…..] He came out in the afternoon filled with venom, screaming at the committee. His life was being ruined, he claimed. This was a Clinton-like smear. His anger was both frightening and unexpected — if you thought he was that intellectual whom conservatives have swooned over. He yelled, and he cried. If you thought he was sincere, one could also appreciate how partisan and emotional he had become.
The shouting didn’t end with his opening statement. He barked at the ranking Democratic Sen. Dianne Feinstein (D-Calif.). […..] First, he refused to call for an FBI investigation (even when Sen. Richard J. Durbin of Illinois invited him to ask it of White House counsel Donald McGahn). When Sen. Patrick J. Leahy (D-Vt.) questioned about his friend Mark Judge, Kavanaugh slipped and said “you’d have to ask [Judge]”, who of course the Republicans refuse to summon as a witness[…..] The worst moment was his confrontation with Sen. Amy Klobuchar (D-Minn.) who questioned him about blackout drinking. She explained that she understood alcohol abuse because her father was an alcoholic. Have you ever blacked out? she asked. He sneered in response, “Have you?” It was a moment of singular cruelty and disrespect. […..] I believe Dr. Ford. But even if one does not, one can easily and firmly reach the conclusion Kavanaugh is far too partisan and angry to be on the Supreme Court. [….]

Wenn ich meine sozialen Medien aufrufe, bestätigen sie den Schock über den unterirdischen Kavanaugh-Auftritt mit Myriaden vernichtenden Karikaturen und Memes.







Mit diesem verlogenen Schrei-Richterkandidaten ist Trump zu weit gegangen.
Jetzt können ihm die Republikaner wirklich nicht mehr folgen und müssen einen Riegel vorschieben. Die ganze Welt lacht ja schon über Amerika und in fünf Wochen wird die GOP gewaltig einen auf die Rübe bekommen.
So muß es sein, so wird es werden.

Aber in Wahrheit braucht es nur drei Sekunden und zwei Klicks in eine künstliche Parallelwelt einzutauchen, in der fromme konservative Christinnen erklären, die verdammten Linken sollten sich nicht so anstellen, es sei ganz normal für Collegestudenten Frauen zu gropen.
 
[…..] “I mean, we’re talking about a 15-year-old girl, which I respect. You know, I’m a woman. I respect,” Sosa told CNN. “But we’re talking about a 17-year-old boy in high school with testosterone running high. Tell me, what boy hasn’t done this in high school? Please, I would like to know.” [….]

Ähnlich wie im Fall Roy Moore, gibt über die Hälfte der Republikaner in Umfragen an, Kavanaugh auch dann noch zu unterstützen, wenn die Vergewaltigungen bewiesen wären.

Herr Trump sieht nicht das Internet, das ich sehe, sondern er guckt in die FOX-Seiten, auf denen sich Millionen Amerikaner gegenseitig mit ihrer Trump-Verehrung übertrumpen.

So sprechen wahre Amerikaner in der Welt des #45:


(….) Doug Witucki Greatest President ever.

Rhonda Bacon Miller Just love him so much!

Narrow Daylight Greatest leader, god bless!

John Feeney  Yes he does...
When you think he did not have to....
He did it because he is a true patriot....
Like the founding fathers he fights each day because he believes in Liberty & Justice freedom for all....

Glenn Carroll One of the finest Presidents ever. Mr. President you and your lovely wife are welcome in my home at anytime.

Donna Maggie (...) But This man loves this country..is donating his salary and has taken more BS then any other..yet he's still fighting..
I want him on my side.

Blair Grier Fantastic job doing great don't stop. I am voting for the President Trump 2020 amazing person he makes me fill like the country will go on after my short life & if I am still around 2024 Ivanka Trump for President

Elinor Wall Yes. Just think how Obama is still stealing from Americans he makes enough money to have funded Obama care in stead he sucked the life out of the working Americans

Tillie Timmons Go Trump

Sherine McManus THANK YOU PRESIDENT TRUMP and GOD BLESS

June Walroth Go Trump

Johm Marshall Bless You Sir.

Pamella Foster Kinda Robert Redford like in tbis pic.

Kerry Cockburn-campbell Amen.

Mercy L. Erazo Coleman Amen!

Donna Wood Amen.

Joanne Wroten I so agree. THANK YOU PRESIDENT TRUMP

Tamara Slutskaya Amen

Keith Olson  CALLING ALL CHRISTIANS!!
There is no way out of this mess unless GOD ALMIGHTY through JESUS CHRIST's intercession. Jesus says "all authority on earth gas been given unto ME." Are there 10, 30. 50, 100 out there who believes this?
God has given us Trump, he has to have our prayerful support & I mean "radical" prayer support. I hear a lot of people send in posts about praying. That is wonderful. But, I can't get one person in my family or my own church to feel it deemable to get a prayer coalition going ONCE A WEEK much less daily. We have got to get with it Christians of America or its gonna come back on us when we face Him and He says...what could you have done that you didn't do?
Are there any out there brave enough to get together. I'm serious, no mamby pamby efforts here.
Let me here from you, I'm on face!


Keith Olson Don't be afraid of a head-on collision with a demon-rat.

Ronald Fredericks Amen

Doug Slay Amen!

Deborah Thompson Amen.

Ann Winslow well spoken

Debbie Angelloz Thank you GOD for sending him to us. He’s fighting evil in this country

Steve Marshe Well I do not get a vote as I am Canadian and you guys are soo soo lucky to have the Leader u do in The Donald. As we have a total Liberal idiot that is destroying our once great country systematically Day by Day....and if u do not ALL get out and VOTE November 6th the Republicans are going to lose the senate and possibly the house....if this happens the Demonrats will spend the next 2 years with nothing getting done but them LIZARDS trying to Impeach the President. So please get out and vote it is Paramount, as what happens in the U.S. will effect us here in Canada as well.....we have one more year before we get rid of this Liberal Moron we have for a leader. My wife and I have many friends in the U.S. and travel regular for car races and such. Good Luck in November & God Bless America/Canada!!!

Keith Olson Steve Marshe yes Trudeau is a UN disciple for destruction. He sounds just like our OBAMA and Maxine Sewer-Waters

Steve Marshe Exactly correctuumundoooooooooo, letting people in here unvetted and has done not a thing for Canada, has killed the energy sector, and has taxed the fuck out of the working class to pay for people who do not want to work...sound familiar like Obama and the Demonrats.

Amy Dinor AMEN

Joyce Colvin Amen

Tomaz Turbano Amen [….]

Das sind alles Bürger. Das sind alles Wähler. Und sie sind eine Menge, wie das Wahlergebnis von 2016 zeigt, als gleich 62 Millionen Amis für das primitive, verlogene Stück Scheisse als Präsident stimmten.

Volksabstimmungen – und nichts anderes ist eine US-Präsidentschaftswahl - bedeuten Diktatur der Inkompetenz.
Das Gros der Wähler ist zu inkompetent für richtige Entscheidungen, weil es zu faul ist Informationen zu prüfen, gegen zu checken und Quellen zu vergleichen.

In dieser Hinsicht sind tatsächlich Volksvertreter etwas besser, weil sie dafür bezahlt werden sich professionell mit Politik zu beschäftigen und somit zumindest theoretisch für die Wahrheit eine höhere Chance besteht zu ihnen durchzudringen.

Selbst die größten Deppen im Wahlvolk würden vermutlich nicht ganz so desaströse Fehlentscheidungen treffen, wenn sie wenigstens halbwegs korrekt informiert wären.

[…..] Die Richtung des Misstrauens ist aufwärts. Stets wird den Bürgern eine aufgeklärte Mündigkeit zugedacht, die sie zur Kontrolle der Regierenden befähigt. Das entspricht dem Selbstverständnis einer deliberativen Demokratie, die ihre Legitimität daraus zieht, dass eine Gesellschaft sich in einem freien Meinungs- und Willensbildungsprozess informieren und verständigen kann. "Deshalb bildet das diskursive Niveau der öffentlichen Debatte die wichtigste Variable", schrieb Jürgen Habermas […..]
Was bedeutet es, wenn das diskursive Niveau der Debatte nicht nur herabsinkt, sondern absichtsvoll und systematisch manipuliert wird? Wenn die Meinungs- und Willensbildungsprozesse zunehmend durch verschiedene Techniken und Akteure, durch Cyberattacken, Trolle und Hacker sabotiert werden - wie aussagekräftig und legitim sind dann die daraus hervorgegangenen Meinungen? Wenn Fehlinformationen über Facebook oder Twitter weltweit ungefiltert verteilt werden - was folgt daraus für die Vorstellung vom mündigen, aufgeklärten Souverän?
Die Frage ist nicht abstrakt: Die britische Regierung, die das Referendum für einen Brexit umzusetzen versucht, scheitert nicht nur an der kuriosen Fantasie, dass Großbritannien immer noch eine imperiale Weltmacht sei, die ihre exquisit-unrealistischen Wünsche einfach diktieren könnte. Die britische Regierung scheitert auch daran, dass die Willensbildung, die im Brexit-Votum ihren Ausdruck fand, auf systematisch gestreuten Lügen beruhte. [….][…..]

Freitag, 28. September 2018

Politische Aktivität.

Heute bin ich zu müde und weitgehend geistig entleert, so daß ich kein großes Recep Tayyip Erdoğan-Fass aufmachen will.
So richtig fluffig-lustig ist die Stimmung beim Staatsempfang in Berlin ja offenbar nicht gerade.

[…..] Dann ist der türkisch-stämmige Cem Özdemir von den Grünen an der Reihe, der härteste Erdogan-Kritiker der Berliner Politik. Özdemir bleibt länger vor dem türkischen Präsidenten stehen. Er hat ihm nämlich etwas zu sagen, er will nicht so tun, als wäre das hier ein Routinetermin. Auf der Brust trägt Özdemir einen Button mit türkischer Aufschrift. "Geben Sie endlich Meinungsfreiheit", steht da.
"Ich hoffe, wir haben später noch Gelegenheit, ausführlicher zu sprechen", sagt der Bundestagsabgeordnete auf Türkisch. "Ich bedauere, dass von dem früheren Erdogan nichts mehr übrig ist." Der Präsident schaut ihn an, als wäre Özdemir ein unbekanntes Flugobjekt. Keine Reaktion, nur ein kurzes Nicken. [….]

Eine gute, mutige und konstruktive Aktion Özdemirs.
So muss man es machen; das ist die sehr viel bessere Politik als die ganzen Möchtegern-Mutigen, die den Staatsempfang bei Steinmeier einfach absagen.

  Grundsätzlich habe ich in dieser causa ausnahmsweise kaum etwas zu kritisieren an der Berliner Politik.
Erdoğan ist Staatsoberhaupt und Regierungschef eines extrem wichtigen Landes. Bedeutend ist die Türkei nicht nur wegen ihrer Größe und Wirtschaftskraft, sondern auch wegen ihrer geostrategischen Lage, ihrer Rolle in der deutschen Flüchtlingspolitik, ihres Einflusses auf Millionen in Deutschland lebende türkischstämmige Menschen und auch wegen des über Jahrzehnte andauernde Säkularitäts-Experiments, das nun aber offensichtlich kontinuierlich aufgegeben wird.
So viele große demokratische und säkulare Länder mit weitüberwiegend muslimischer Bevölkerung gibt es nicht. Umso wichtiger das Beispiel, welches  die Türkei abgibt.
Es ist völlig richtig, daß Erdoğan vom deutschen Bundespräsident mit den protokollarisch angemessenen hohen Ehren empfangen wird. Und es ist auch völlig richtig, daß sich der türkische Präsident bei diesem Besuch auch harten Diskussionen stellen muss.

Es wäre schon, wenn die deutsche Politik über so viel Özdemir-Rückgrat gegenüber schlimmen Typen wie Trump und Salman verfügte.

Heute ärgert mich der deutsche Souverän in seiner social-media-Erscheinungsform viel mehr als die Klasse Volksvertreter.

Die Impulse des gemeinen Wählers – bäh Erdoğan, der ist doof, der soll weg – sind geradezu Trumpisch infantil.
Offensichtlich weigern sich große Teile der Bevölkerung hartnäckig immer noch dagegen die Realität anzuerkennen und aus ihrer Traumwelt aufzuwachen.

Maas, Merkel und Steinmeier können eben nicht irgendeine netten Türken, der ihnen persönlich gefällt als türkischen Präsidenten einsetzen, sondern sie müssen den nehmen, der offiziell amtiert.
Es ist völlig irrelevant ob wir Putin oder Trump mögen. Rechtmäßige Präsidenten sind sie und daher muss man mit ihnen umgehen.

Ich hätte auch gern andere Ministerpräsidenten als Markus Söder oder Michael Kretschmer. Es hilft nur nichts. Die Bayern, bzw Sachsen haben mehrheitlich die Parteien gewählt, die solche Typen aufstellen.

Ich kann diese verdammten Online-Petitionen auf Twitter, Facebook und Co nicht mehr sehen. Diese Aufforderungen irgendein kritisches Statement zu „liken“.
Das ist simulierte Beschäftigung mit Politik, die höchstens ein kurzes Anhauchen der Realität bedeutet.
Ein Lach-Smiley unter irgendein lustiges Meme zu setzen, ersetzt keine Informationen.
Sich in Trump-kritischen Facebook-Gruppen zusammen zu schließen ersetzt nicht das Wählen.
Wenn ich es aus 6.000 Km Entfernung problemlos schaffe alle zwei Jahre an den US-Wahlen teilzunehmen, muss das doch den lethargischen Jung-Amis vor Ort auch irgendwie möglich sein?

Nicht mal die Hälfte der Millennials (Alter 18 bis 35) haben bei der Präsidentschafts- und Kongresswahl von 2016 gewählt. Damit waren die Millennials die wahlfaulste Bevölkerungsgruppe und haben Trump erst ins Amt gebracht.

Diese verdammten apathischen Klugtelefon-Daddler, die liken und adden, statt ihren Hintern mal zur Wahl zu schleppen.
Nicht nur, daß die Schwachköpfe, die jetzt lustige Erdoğan-Memes teilen mit ihrer unverzeihlichen Lethargie Trump und Brexit angerichtet haben nein, sie haben auch nicht draus gelernt und sind sogar noch mehr verdummt inzwischen.

[…..] Poll: only 28 percent of young voters say they will certainly vote in the 2018 midterms
Millennials are pretty reliable Democrats, but unreliable voters.
Democrats are winning over younger voters by huge numbers, but as a highly contentious, voter turnout-dependent midterm election inches closer, there’s a serious question of whether these young Democrats will come to the polls.
A recently released poll from the Public Religion Research Institute and the Atlantic conducted in June showed only 28 percent of young adults ages 18 to 29 say they are “absolutely certain” they’ll vote in midterms, compared to 74 percent of seniors.
In a year when Democrats are hoping an energized base can deliver them massive gains in Congress — and possibly the majority in one or both chambers — this poll, on its face, should give Democrats some pause.
Of course, this is only one poll. There are other surveys with varied results; a recent poll conducted by the Associated Press and University of Chicago’s NORC found that 32 percent of young voters would certainly vote and 56 percent were likely to. Another poll by Cosmopolitan magazine and SurveyMonkey found that 48 percent of young voters were “absolutely certain” they’d vote in the midterms. [….]




Donnerstag, 27. September 2018

Extreme Heulerei

Man kann die Bedeutung eines ultrakonservativen Richters am Supreme Court of the United States (SCOTUS) gar nicht unterschätzen.
Brett Kavanaugh ist 53 Jahre alt und würde mutmaßlich noch mehr als 30 Jahre die US-Politik ganz wesentlich prägen!
Eine konservative Richtermehrheit sorgte beispielsweise dafür, daß George W. Bush überhaupt US-Präsident wurde.
Im Jahr 2018 ist die Personalie Kavanaugh noch viel wichtiger, weil:

·        Sich das Zeitfenster für eine republikanische Senatsmehrheit vermutlich bald schließt – am 06.11.2018 sind die Midterms

·        Der US-Präsident selbst schwerwiegend angeklagt wird. Sonderermittler Mueller trägt die Fakten zusammen und da könnte der SCOTUS durchaus entscheidend Trumps Zukunft bestimmen. Auch in der Frage, ob Trump privat angeklagt wird nach seinem Ausscheiden aus dem Amt, wenn er keine Immunität mehr genießt

·        Dieser Kandidat ganz im Gegensatz zu dem halbwegs moderaten Personalvorschlag Barack Obamas, nämlich Merrick Garland, der den konservativen Supreme Court Richter Antonin Scalia ersetzen sollte, keineswegs auf Ausgleich bedacht ist, sondern knallhart die rechtsextremste Position bezieht.

In Trumpmerika ist die Moral so weitgehend zerstört, daß man auch einen Serienvergewaltiger als höchsten Richter benennen will.
Der Präsident prahlt davon Pussies anzugrabschen, wurde von zwei Dutzend Frauen der sexuellen Angriffe beschuldigt und unterstützt einen mutmaßlichen Kinderschänder als Senator von Alabama.

Das Opfer wird heftig angegriffen.

[…..] Drei Frauen werfen Kavanaugh inzwischen vor, sie als Schüler oder Student sexuell belästigt, genötigt oder regelrecht attackiert zu haben. Ford war die erste dieser Frauen, und ihre Vorwürfe gegen Kavanaugh sind die am besten belegten. Die Amerikaner kennen Fords Geschichte bisher nur aus den Medien, am Donnerstag aber erzählte sie diese Geschichte der ganzen Nation live im Fernsehen. "Ich bin heute nicht hier, weil ich hier sein möchte", sagte Ford. "Ich habe Angst. Ich bin hier, weil ich es für meine Bürgerpflicht halte, zu erzählen, was mir passiert ist, als Brett Kavanaugh und ich in der Highschool waren."
[…..] Kavanaugh habe sie auf einem Bett festgehalten und versucht, sie zu vergewaltigen. Als sie schreien wollte, habe er ihr den Mund zugehalten. "Ich konnte kaum atmen, und ich dachte, dass Brett mich versehentlich töten würde." Ford konnte sich damals befreien. Doch nach eigenen Angaben leidet sie immer noch an dem Trauma, das sie erlitten hat.
Sie habe Angstzustände und Klaustrophobie, sagte sie. Und bis heute, so erzählte Ford den geschockten Senatoren, könne sie sich an das besoffene Gelächter ihrer Peiniger erinnern. Zwei Jungs, die offensichtlich "großen Spaß hatten".
Er hat versucht, mich zu vergewaltigen, und er hätte mich beinahe umgebracht - das ist der Kern dessen, was Ford den Senatoren über den präsumtiven Verfassungsrichter Brett Kavanaugh zu sagen hatte. [….]


Die gegenwärtige Senatsanhörung zeigt ganz eindeutig, daß Richter Kavanaugh gar nicht daran denkt die Senatoren respektvoll als diejenigen zu behandeln, die ihm einen Job geben, gar nicht erst so tut, als sei er neutral, sondern die demokratischen Senatoren aggressiv angreift.

Diese hochaggressive Abwehr ist ganz offensichtlich darauf gerichtet Trump zu beeindrucken und nicht etwa einen guten Eindruck vor dem US-Senat zu machen.
Der demokratische US-Senator Dick Durbin aus Illinois schlug vor, Kavanaugh möge sich zum Justiziar des Weißen Hauses Don McGahn umdrehen und um eine FBI-Untersuchung bitten, wenn er so sicher sei unschuldig zu sein. Er tat das aber nicht, redete sich raus. Er musste auch nichts tun, weil anschließend wieder ein Republikaner an der Reihe war. Diesmal Lindsey Graham aus South Carolina, der wie ein Wahnsinniger die Demokraten angriff, das sei alles CRAP und unethical sham.


Natürlich sind Vergewaltigungsvorwürfe immer extrem schwer nachzuweisen, aber in diesem Fall wird das auch gar nicht erst versucht.
Die eine Hälfte der Senatoren greift das mutmaßliche Opfer an und bepöbelt die anderen, während die so Angegriffenen sich auf den mutmaßlichen Täter konzentrieren.
Die Fakten spielen fast gar keine Rolle mehr; es findet eine rein parteipolitische Schlammschlacht statt.

Die versuchte Vergewaltigung von Prof. Ford fand durch zwei Teenager statt  - Kavanaugh und seinen Freund Mark Judge.
Daß die Republikaner Herrn Judge nicht als Zeugen vor Ort haben wollen, ihn irgendwo verstecken, spricht Bände.

Was auch immer 1982 genau vorgefallen ist – sollten sich die Republikaner wirklich über alle Vergewaltigungsvorwürfe hinwegsetzen, setzt das natürlich ein Zeichen an alle Frauen.

[…..] We’re on the front lines of the fight to keep Brett Kavanaugh off the Supreme Court because we know that if confirmed, he will not just send a message that sexual violence is rewarded with power; he will also roll back rights that women have worked for a generation to secure. [….]

Amerika ist nicht nur nicht mehr das demokratische Vorbild für die Welt, sondern eher abschreckendes Beispiel. Demokratie kaputt.
Die USA sind ganz ganz unten angekommen. Eine einzige Schande.
Anderthalb Jahre Trump haben wie rasant streuende Tumore gestreut.

Das mächtigste Land der Erde ist so eine Ausgeburt der Lächerlichkeit, daß ich mich über gar nichts mehr wundere.
Auch nicht, daß christliche Gruppen in den Vereinigten Staaten verbreiten, ein „30-Ft Demon In Senate“ verhindere die Ernennung des ultrakonservativen, christlichen Richters.

[….] Judge Brett Kavanaugh is in the battle of his professional career. And it seems every devil in hell is opposing him. Apostle Jonathan Stidham contacted me about a vision he had that I feel is important to share with the body of Christ right now. Here is his account:
On Sept. 24, 2018, while praying about this hot-button political issue, I had an open vision. In the vision, I saw a horse with the letter “K” shaved in its hair cross the finish line. I saw a Supreme Court justice robe and gavel of supreme judiciary authority being handed to Kavanaugh. The Lord told me that Judge Brett Kavanaugh lives pure and fears Him.
It is the will of the Lord for Brett Kavanaugh to judge this land, and the opposition is fierce. In the vision, I saw a demonic spirit nearly 30 feet tall standing in the Senate chambers. I asked the Lord, “What am I seeing?” The Lord replied “This is the spirit that is wrestling against Judge Kavanaugh’s purpose and destiny.” […..]

Mittwoch, 26. September 2018

Gute Konservative

Das hat schon was – Trump, der Typ, der seit 2016 täglich seinen Fans einbläut, der Rest der Welt lache über die USA, weil die bisherigen Präsidenten so schwach wären, macht sich in Rekordzeit zum internationalen Deppen und schafft es sogar von der UN-Vollversammlung kollektiv ausgelacht zu werden.


 Und Nikki Haley, seine UN-Botschafterin legt noch einen drauf, indem sie ernsthaft behauptet, die Welt lache nicht über ihn, sondern mit ihm.

 [….] U.S. Ambassador to the United Nations Nikki Haley on Wednesday claimed President Donald Trump’s speech at the United Nations General Assembly on Tuesday drew laughter because world leaders “loved his honesty” and “respect” him.
“In less than two years, my administration has accomplished more than almost any administration in the history of our country,” Trump said to the assembly in New York, which responded with muted laughs.
“So true,” Trump said with a smirk, which in turn raised the volume of the laughter in the General Assembly hall. [….]

Genau, der Rest der Welt liebt Trumps Ehrlichkeit.

[…]  President Trump has made more than 5,000 false or misleading claims
[…]  In that single day, he publicly made 125 false or misleading statements — in a period of time that totaled only about 120 minutes. [Ich bin beeindruckt! –T.]   It was a new single-day high. […]  Trump’s tsunami of untruths helped push the count in The Fact Checker’s database past 5,000 on the 601st day of his presidency. That’s an average of 8.3 Trumpian claims a day, but in the past nine days — since our last update — the president has averaged 32 claims a day. [….]

Ein derartig geistesgestörter Irrer hat aber eben auch den Vorteil dem Rest der Welt klar zu machen, daß man die USA nicht mehr ernst nehmen kann und nun selbst das Heft des Handelns in die Hand nehmen muss.
Leider haben wir in Deutschland keine handlungsfähige Regierungschefin, aber ein paar andere Nationen gehen voran.
So wehrt sich Präsident Macron gegen Trump und ruft offensiv dazu auf künftige Handelsabkommen nur noch mit Nationen, die das Pariser Klimaschutzabkommen ratifiziert haben, zu schließen.

Wenn sich Rechte so grottendämlich anstellen wie Trump, erreichen sie mitunter nicht nur gar nichts, sondern befördern Widerstand und nützen ihren Gegnern.

Einen solchen Werbedienst erwies der große Papst Benedikt, Chef von 1,3 Milliarden Katholiken beispielsweise 2012, als er persönlich das Titanic-Magazin – Auflage 70.000 Hefte pro Monat – verklagte.

Eine bessere Werbung hätte es für die Frankfurter gar nicht geben können. Die Auflage ging durch die Decke, sofort musste eifrig nachgedruckt werden, weil Ratzi in seiner vollen Dämlichkeit das beanstandete Titelbild weltweit bekannt gemachte hatte, statt es wie beabsichtigt aus dem Verkehr zu ziehen.

Allerdings können Protestanten genauso verblödet sein. Das bewies Margot Käßmann im Jahr 2007.

(….) Käßmann kann aber auch richtig dumm - wie sie in der causa „Madonna“ bewies, als sie sich wie Hein Doof in der Marketing-Maschine der Groß-Sängerin verhedderte:
Während der vorletzten Madonna-Europa-Tournee konnte die Bischöfin kein Mikrofon auslassen und musste permanent ihren Senf zur Show abgeben.
Das ist an sich schon lächerlich und offenbart nur ihren Neid auf die ungleich erfolgreichere Kollegin, aber vor allen geht sie damit dem ältesten Madonna-Trick überhaupt auf dem Leim: Madonna hat immer Grenzen überschritten und genau so viel provoziert, bis die religiösen Eiferer zum Boykott aufriefen und damit den CD-Verkauf anheizten.
Nur Frau Käßmann hat es nach einem Vierteljahrhundert immer noch nicht begriffen.

Ich zitiere:
„Mich empört ihre (Madonnas, Red) anmaßende Selbstinszenierung, sich an die Stelle Jesu zu setzen. Das Kreuz ist für alle Christen das zentrale Symbol für das Leiden und Sterben Jesu. ... Es ging ihr um eine spektakuläre Bühnenshow, mit der sie 200 Millionen Dollar verdient hat, wie es heißt. ... Die arme Madonna! Sie sagt doch, sie sei tief religiös! Ich denke, Madonna hat das alles wenig interessiert. ...“
(Plappermäulchen, 27.12.2009)

Absolut großartig auch, wie die katholische Kirche einst half den expressionistischen Maler Max Ernst (1891-1976) weltberühmt zu machen.
Nachdem ihn die Nazis als „entartet“ brandmarkten, übernahm nach dem Krieg nahtlos die katholische Kirche seine Verdammung.
Insbesondere das Gemälde Rückkehr der schönen Gärtnerin brachte sie in Wallung. Hitler hatte das Original zerstören lassen, aber Ernst malte es in den 1960ern neu.
Bekanntlich sah die RKK bis heute nie einen Grund den Katholiken Adolf Hitler zu exkommunizieren.
Bei Ernst legten sie andere Maßstäbe an.

 [….] ERNST: Ja, und ich bin dann in Köln exkommuniziert worden
SPIEGEL: Nachdem Ihr Vater Sie verflucht hatte.
ERNST: Der hatte mich sowieso schon mehrmals verflucht. Aber dann war eine Katholikenversammlung im Gürzenich in Köln, und da hat ein Repräsentant des Erzbischofs eine Rede über diesen Sittenverfall gehalten und am Ende erklärt: "Der Maler Max Ernst ist aus der Kirche ausgeschlossen, und ich rufe die Versammlung auf zu einem dreimaligen "Pfui." Da haben die dreimal pfui gerufen, und damit war ich aus der Kirche ausgeschlossen. [Das Gute an der Kirche ist, daß sie so gar nicht lächerlich wirkt – T.] Das hatte noch ein Gutes: Meine jüdische Frau in Köln -- die Scheidung kam kurz hinterher -- beklagte sich andauernd, daß sie für mich noch Kirchensteuer bezahlen mußte, und drängte mich, aus der Kirche auszutreten. Nun kam das ganz von selbst, [….]

Den Bischof kennt heute keiner mehr. Ernst ist immer noch ein Superstar.

Auch der einstige Bundestagspräsident, CDU-Rüpel Philipp Jenninger, hatte Schwierigkeiten seine eigenen braun-schwarzen Überzeugungen vom Nationalsozialismus abzugrenzen. Nach einem Abgrund von Peinlichkeit, als er 1988 Hamburgs Ehrenbürgerin Ida Ehre im Bundestag beleidigte, musste er zurücktreten.

Vorher hatte er in seinem konservativen Wahn aber immerhin dem damals schwer verschuldeten SPD-Plakatkünstler Klaus Staeck aus der Patsche geholfen, indem er wie Ratzi und Kässi fleißig Werbung für ihn machte.
Um 1970 saß der damalige Fluxus-Künstler auf einem Schuldenberg von für die damalige Zeit ungeheuerlichen 250.000 DM.
In den 1970er Jahren hassten die jungen CDU-Männer den SPD-Aktivisten so sehr, daß sie ihm die Scheiben seiner Galerie einwarfen und ihn immer wieder bedrohten.

[….] SZ: Wie bedroht waren Sie?
 Staeck: [….] Im Archiv habe ich eine Kiste voll mit Hass- und Gewaltfantasien stehen.
SZ: Wann war die wilde Zeit?
Staeck: Die Jahre um den »Bonner Bildersturm« vom 30. März 1976. Auf Einladung des SPD-Politikers Volker Hauff zeigte ich in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft Arbeiten von mir. Leicht alkoholisierte Abgeordnete von CDU und CSU unter Führung des späteren Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger bildeten eine Art Rollkommando, rissen meine Plakate von den Wänden und trampelten darauf herum. Einer von ihnen schrie: »Nächstens lässt der seine Hose runter und zeigt seinen nackten Hintern und sagt, das wäre Kunst!« Die Ausstellung wurde noch am selben Abend geschlossen. Ein österreichisches Fernsehteam hat diesen Anschlag auf die Meinungsfreiheit dokumentiert. Franz Josef Strauß setzte noch einen drauf und beschimpfte meine Arbeit als »politische Pornografie«. Ich war tief erschrocken, dass so etwas unter zivilisierten Leuten möglich ist.
SZ: Haben Sie im Souterrain Ihrer Seele nicht auch triumphiert, weil Sie begriffen, dass es eine bessere Werbung für Ihre Sache gar nicht geben konnte?
Staeck: Dass das die größte Public-Relations-Aktion meines Lebens war, ist mir erst später bewusst geworden. In den Tagen danach habe ich mehr als 500 Zeitungsartikel gezählt, von der New York Times bis zur Prawda. Es gab mehr als tausend Solidaritätsausstellungen. Den Bilderstürmern von der CDU schickte ich eine Rechnung über meine zerstörten Plakate. Als Jenninger die zehn Mark nicht bezahlte, zog ich vor Gericht. Per Versäumnisurteil und Vollstreckungsbefehl war er am Ende gezwungen, 153 Mark zu zahlen. Sie können so viele Plakate von mir abreißen, wie sie wollen, aber sie müssen sie bezahlen. [….]

Heute ist der Beuys- und Warhol-Verleger Staeck übrigens sehr wohlhabend.
Jenninger ist tot.