Da gab es also eine Kita in Hamburg, die nicht mehr wünschte
die kleinen Racker zum Fasching in Indianerkostümen zu sehen.
Eine hervorragende Steilvorlage für die ganz große
Shitstorm-Show. Die Hamburger Boulevardmedien druckten seitenweise empörte
Leserbriefe und beide Vorsitzenden der C-Parteien ritten das Thema gründlich
bei ihren Aschermittwochs-Grölereien.
[…] Die Halle jubelt, auch als sich Söder gegen Schüler-Demos gegen den
Klimawandel zur Schulzeit wendet und sagt: „Demos bitte am Freitagnachmittag
oder Samstag früh“. Oder als er die Diskussion um Indianer-Kostüme in Hamburg
aufs Korn nimmt: „Wenn die Welt wüsste, über welchen Quatsch wir streiten,
hätte die Welt keine Angst und keinen Respekt vor uns. Wir müssen wieder
vernünftig werden.“ [….]
100 Jahre Karneval und nun wollen die Linksgrünversifften in
ihrem Verbotswahn die Kostüme bannen.
Dabei hatte natürlich keine Partei und kein Parlament
irgendetwas gefordert, sondern lediglich eine private Kita einen dezenten Hinweis
gegeben.
Die Fakten möge man beim Volksverpetzer nachlesen.
[…..] Dabei hatte sich die Leitung der Einrichtung im Stadtteil Ottensen für
vorurteilsfreie Kostüme eingesetzt. Schon vor Jahren veröffentliche die Kita
eine Broschüre, in der auf ein vorurteilsbewusstes Fasching aufmerksam gemacht
wurde.
„Wir achten im Kitaalltag sehr auf eine kultursensible,
diskriminierungsfreie und vorurteilsbewusste Erziehung“ und das solle sich auch
an Faschingstagen nicht ändern, hieß es. [….]
Aber welche Rolle spielen schon Fakten, wenn konservative
Großsprecher eine Chance sehen sich auf Kosten von Minderheiten vor einer
johlenden Menge zu profilieren?
[…..] Eine Woche nach ihrem verunglückten Scherz über Toiletten für
Transgender und Berliner Macchiato-Trinker hatte sie am politischen
Aschermittwoch die Gelegenheit, sich zu entschuldigen. In Demmin,
Mecklenburg-Vorpommern, tat Kramp-Karrenbauer aber nichts dergleichen. Vielmehr
kritisierte sie ihre Kritiker: "Manchmal muss man auch genau hinschauen,
bevor man sich über irgendwas künstlich aufregt." Und: "Heute habe
ich das Gefühl, wir sind das verkrampfteste Volk, das überhaupt auf der Welt
herumläuft, das kann doch so nicht weitergehen." Silvester-Böller,
Fleischessen, Veganismus, Diesel-Fahren, Indianer-Kostüme beim Kita-Fasching –
Kramp-Karrenbauer ließ keine der identitätspolitisch aufgeladenen Themen für
ihre Gegenoffensive aus. Double down nennt man das im Englischen.
Politisch fällt die ganze Fastnachtsepisode wohl eher in die Kategorie
Geplänkel. Vor dem Narrengericht in Stockach hatte Kramp-Karrenbauer gewitzelt:
Die dritte Toilette sei für Männer, die nicht wüssten, ob sie beim Pinkeln
sitzen oder stehen sollten. […..]
Einmal, es war gleich in der ersten Klasse meiner Grundschullaufbahn,
war ich auch als Indianer verkleidet. Und zwar nicht freiwillig.
Zur Einweihung einer neuen Aula mussten sich alle Jungs auf
der Bühne in einen Kreis setzen, bekamen eine Feder ins Haar gebunden und
mussten diese Karl-May-Laute machen; uns die Hand vor den Mund schlagen und Uhuhuhu jaulen.
Dazu tanzten die mit Mutters Rouge bemalten Mädchen,
ebenfalls mit alter Taubenfeder im Haar um uns herum und sangen „Weh ja heia Weheheja
waheia!“
Ich fand es so entsetzlich und diese grausigen fünf Minuten
brannten sich derart in mein Hirn, daß ich mich auch ein halbes Jahrhundert
später noch mitschäme.
Damals gab es vermutlich noch gar nicht den Begriff „Sozialphobie“,
aber so stelle ich es mir vor agoraphobe Panikattacken-Trigger vor: Gegen den
Willen in blamabler Exposition auf eine Bühne ausgeleuchtet werden vor einem
großen dichtgedrängten Publikum.
In den folgenden Jahren gab es weitere Faschingsfeste der
Schule. In der Zweiten Klasse wurde ich mit einer Paillettenweste meiner Mutter
als Zauberer ausstaffiert und ab der dritten Klasse gelang es mir erfolgreich
mich um diese Demütigungen zu drücken. Dank trickreicher Ausreden musste ich nie wieder in Verkleidung zu
organisiertem Lustig-Sein erscheinen.
Mit ca 16 Jahren war ich mal auf einer
New-Wave-Black&White-Party, aber nur weil ich die (sehr viel ältere)
Gastgeberin toll fand und ohnehin nur schwarze Klamotten besaß. Ich mußte mich
also nicht verkleiden, galt aber als perfekt dem Partymotto angepasst.
Anschließend waren Toga-Partys „in“, bei denen man de facto
nackt erschien und sich ein weißes Bettlaken um den Leib wickelte. Als
Varianten existierten noch „Caribbean-Night“ oder „70er“ für die beliebten Motto-Parys.
Unnötig zu erwähnen, daß die alle ohne mich stattfanden.
Die Saarländerin Kramp-Karrenbauer betrachtet Karneval
offensichtlich als „Kulturgut“, welches es gegen die übertriebene political
Correctness der Verbots-affinen Berliner Grünen zu verteidigen gelte.
Dabei ist deutscher Karneval keineswegs Kulturgut, sondern eindeutig Kulturschlecht.
Als Fernsehzuschauer erlebt man viel Brutales, aber nichts
ist derartig schlecht wie Übertragungen von Mainzer Faschingsumzügen, „Köln wie
es singt und lacht“ oder gar Saarländischen noch gruseligeren Abarten.
Statt armen Flüchtlingen und Asylanten diese Ausgeburten der
Humorhölle als deutsche Kultur aufzuzwingen, sollte man lieber endlich die
Gelegenheit nutzen sich von dem teutonischen Alptraum zu verabschieden.
„Heil
Hitler und Alaaf“ lautete das Motto des Kölner Karnevals in
der NS-Zeit.
Die Karnevalisten stehen in einer erbärmlichen Tradition.
Wir sollten und endlich von dem Mist trennen.
Man muss es nicht verbieten, schließlich gibt es überall
Peinliches in Deutschland. Sollen sich doch ein paar Rheinische Deppen
blamieren damit.
Aber wir könnten uns wenigstens ein bißchen dafür schämen
und versuchen dieses internationale Debakel etwas weniger hoch zu hängen.
Jahrzehntelang wurden in Zoos und Zirkussen Menschenrassen
und Behinderte zur allgemeinen Belustigung ausgestellt. War auch Tradition.
Machen wir aber nicht mehr.
Wir stecken auch keine Schwulen mehr in den Knast, nehmen
unverheirateten Frauen nicht die Kinder weg und verbrennen keinen Hexen mehr.
Der evolutionäre Humanismus bedeutet auch eine gewisse
Weiterentwicklung; wir müssen und nicht an jede historische Schrecklichkeit klammern;
zumal wir laufend Neue entdecken (Halloween, Selfi-Wahn, Schlagermove,
Motorradgottesdienst), die dann zukünftige hoffentlich weiser gewordene
Generationen mühsam wieder abschaffen müssen.
Unnötig zu erwähnen, daß die katholische SPD-Parteichefin
auch beim Fasching an Peinlichkeit unübertroffen ist.
Ja, vor Jahrzehnten hat man sich nichts dabei gedacht
Schwarze “Neger” zu nennen, Schwule zu verdreschen, Abfall auf die Straße zu
werfen, Frauen auf den Po zu hauen, sie als „Schätzchen“ anzureden oder auch
ethnische Minderheiten beim Fasching lächerlich zu machen.
Das war alles Kulturgut.
Aber nur weil wir damals nicht böswillig blackfacing betrieben, ist das heute
nicht genauso möglich.
Früher waren wir dumm und ignorant. Heute, immerhin ein
kleiner Fortschritt, hören wenigstens einige auch mal Intersexuellen, Native
Americans oder Schwarzen zu.
Intersexuelle finden es gar nicht witzig was
AKK so raushaut - im Gegensatz zu der
bierseligen CSU-Meute in Söderstan.
Nur weil Söder, AKK und große Teile der veröffentlichten Meinung
nichts dabei empfinden Indianer nachzumachen, bedeutet es nicht, daß die
Betroffenen nicht darunter leiden. Nachfahren amerikanischer Ureinwohner fühlen sich
diskriminiert.
Wir haben es vorher nur ignoriert, was sie dazu denken
[….] Die sind fassungslos. Schockiert, in welche Richtung die aktuelle
Debatte geht. Warum? Weil ein Großteil der Bürger das Kostüm-Verbot eben nicht
nachvollziehen kann. „Diese Verkleidungen sind verletzend. Es ist traurig, dass
so wenige das verstehen“, sagt Carmen Kwasny zur MOPO. Sie ist die Vorsitzenden
des Vereins „Native American Association of Germany“, [….] „Ganz besonders schlimm ist dies für Kinder
und Jugendliche indianischer Abstammung, die hier in Deutschland leben und in
pädagogischen Einrichtungen im Rahmen von ‚Indianerprojekten‘ und zur
Faschingszeit auf offener Straße damit konfrontiert werden“, so Kwasny.
Native-Gäste aus den USA und Kanada würden nach wie vor mit lautem
„Indianergeheul“ begrüßt. „Das ist geschmacklos und peinlich.“ Kein Native
American würde sich mit der Hand auf den Mund schlagen, dabei einen Schrei
ausstoßen. Das sogenannte „Lulu“ – ein Trällern, wird von Frauen mit Hilfe der
Zunge im Mund erzeugt - ist vielmehr Teil eines Ehrentanzes.
[….] „Mit Hilfe des Internets und der sozialen Netzwerke werden
Informationen innerhalb kürzester Zeit weltweit verbreitet und so erfahren
Native Americans in den USA und Kanada auch, wie ihre verschiedenen Nationen
hierzulande dargestellt werden und es wird ständig von Native-Seite aus Kritik
daran geäußert“, so Kwasny. Auch die aktuelle Debatte ist längst in den USA
angekommen, sorgt dort für Bestürzung. Native-Teenager in einer amerikanischen
Middleschool haben sich gegenüber der Organisation über die „Rücksichtlosigkeit
und Respektlosigkeit“ beschwert.
„Wir haben das Gefühl, dass man sich mit den
Kostümen über uns lustig macht“, soll ein junger Native laut Kwasny gesagt
haben. Native Americans tragen keine Kostüme, es sind traditionelle Kleidungen.
Die Adler-Federn würde man nur dann erhalten, wenn man besondere Taten
vollbracht habe. [….] Inzwischen
äußern sich auch immer mehr Indianer in den sozialen Netzwerken. Der Hamburger
Steven Whitfield, nach eigenen Angaben gebürtiger Chickasaw Native American,
bittet, künftig auf Indianer-Kostüme zu verzichten: „Macht das nicht“ [….]
Natürlich wird PC oft übertrieben, aber so weit wie in den
USA sind wir noch lange nicht. Und der Karneval ist wirklich keine Tradition,
auf die man stolz sein könnte. Es lohnt sich nicht sie zu erhalten. Im
Gegenteil. Weg damit.
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