Sonntag, 31. März 2019

Menschen in Schubladen

Weswegen unterdrückte Minderheiten ihren Halt in Religion finden oder verunsicherte weiße Heterosexuelle ihren Stolz in Nazigruppen regenerieren, kann ich mir erklären, kann es intellektuell verstehen.
Aber fühlen kann ich es nicht.
Nichts ist mir fremder als Überlegenheitsgefühle aus irgendwelchen zufälligen Umständen abzuleiten, für die ich rein gar nichts getan habe.
Meine Hautfarbe, meine Nationalität, mein Geschlecht, meine sexuelle Orientierung, der Ort meiner Geburt, meine Augenfarbe, meine Größe sind ausschließlich Zufälle, für die ich keinerlei Glückwünsche verdient habe.
Schon Geburtstagswünsche erscheinen mir absurd. Man könnte mit einem gewissen Recht meiner Mutter gratulieren, die an dem Tag eine große Anstrengung erlebte.
Ich habe dafür nichts getan und keine Verdienste erworben.
Es ist hochgradig absurd, sich auf seine Geburt etwas einzubilden. Als ob man die Wahl gehabt hätte in welche Familie man geboren wurde.
Selbst wenn man es sich aussuchen könnte, wäre es kaum ein Verdienst, sehr reiche, oder adelige Eltern zu haben. Schließlich hätte jeder gern so seinen Startvorteil.
Es befreit und entspannt sich zu vergegenwärtigen, daß man genauso gut auch in ganz anderen Umständen geboren sein könnte.
Ich glaube, auch darum ging es Peter Licht in seinem „Fluchtstück“.

[….] [….]
Wir sind umstellt
Von den Bauten
Des nicht stattfindenden Lebens
Sie sind riesenhaft
Es sind Riesen
Und sie stellen den Horizont voll
Und die Riesen stampfen herbei
Sie kommen näher
Und ich
Ich werde kleiner
Und mein anderes Leben
Wir kleiner
Mein anderes Leben ist ein
Willkommener  Riese
Und irgendwann
Wird sich irgendwas
Irgendwie  ändern
Das ist eingeschrieben in die  DNA
Es kündigt sich an
Es staut sich auf
Es entlädt sich
Und meine Geste ist der Trotz und die Wut
Und das sind nicht die Gesten des Riesen
Der Riese hat keine Geste
Die braucht er nicht
Seine Haltung ist das Kommen
Und seine Sache die Ankunft
Und da ist er!
Hallo Riese!
Hallo mein anderes Leben!
Halo mein stattfindendes
Nicht stattfindendes Leben
Gegrüßest seist du Maria
Ich werfe mich dir durch die Wand.

Nationalitäten, Ethnien, Religionen und viele andere Teilmengen Menschen kämpfen untereinander eifrig um Vorherrschaft, versuchen unermüdlich in der Macht-Hierarchie eine Stufe höher als der Nachbar zu klettern.

Leider sind Menschen so veranlagt, daß sie Befriedigung aus der Diminution anderer ziehen.

Zufällig gehöre ich in meinem Meta-Kosmos in vieler Hinsicht zur mächtigeren Mehrheitsgesellschaft. Weiß, Penis, US-Pass, EU-Wohnsitz ist schon ein Glück.
Auf nationaler Ebene gehöre ich zwar politisch und bezüglich meiner antagonistischen Beziehung zur Religion zu einer Minderheit, aber das lässt sich besser aushalten, wenn man zufälligerweise über die anderen genannten Geburtsvorteile verfügt.

Als Teil der Mehrheitsgesellschaft setzte ich mich prinzipiell für Schwächere, Unterdrückte ein, versuche meine Startvorteile für die Startbenachteiligten zu nutzen.
Das ist eingeschrieben in meine DNA. Wenn die deutsche Nationalmannschaft gegen die Färöer oder Luxemburg spielt, drücke ich grundsätzlich der Minination die Daumen.
Und unterliege damit einer möglicherweise unzulässigen Simplifizierung aufgrund der Nationalität.
Theoretisch könnten die elf deutschen Spieler auch allesamt schwule, linke Atheisten sein, während die Luxemburger alle rechtskonservative Christen wären, so daß ich bei näherer Betrachtung eher den Deutschen den Sieg gönnen würde.
Das ist das Problem, wenn man gegen die Schubladisierung von Menschen arbeitet.
Im Bemühen all die schwarzen, schwulen, weiblichen, Transgender-Juden aus Boxen zu holen, überhöht man sie und fängt an sie alle grundsätzlich zu mögen.
Dabei darf man aber nicht vergessen, daß alle Menschen potentiell Mist sind.

Man sollte Abstand von allen Homo Sapiens bewahren.
Sich Jahrzehnte für Schwulenrechte zu engagieren, ändert auch nichts an der Tatsache, daß einige von ihnen – David Berger, Richard Grenell, Volker Beck, Jens Spahn – ganz grauenvolle Individuen sind.

Es gibt ätzende Vegetarier, anstrengend verblödete Transgender, aggressiv-idiotische Atheisten und abstoßend besserwisserische Tierrechtler.

Die größte unterdrückte menschliche Teilmenge sind logischerweise die Frauen, die oft sogar trotz ihrer zahlenmäßigen Majorität tagtäglich Nachteile erleben.

Daher unterstütze ich natürlich immer die weibliche Emanzipation, sage genauso selbstverständlich wie Justin Trudeau, daß ich Feminist bin.

Aber ich halte es für ein Märchen, daß Frauen bessere Regenten wären, daß nur mehr Frauen in die Entscheiderpositionen kommen müssten, um die Welt besser zu machen.
Ja, es ist wichtig, daß Frauen in reine Männerzirkel vordringen – Klerus, Seefahrt oder Militär, damit der miefig-männliche Sumpf gelüftet wird.
Aber mächtige Frauen können selbstverständlich genauso unangenehm wie Männer werden.
Theresa May, Annegret Kramp-Karrenbauer, Betsy DeVos, Trixi Storch, Andrea Nahles, Klöckner, Weidel. Schlimm ist das.

Wenn Frauen in Machtpositionen kommen und dort durch ihren Job die Möglichkeit haben andere zu drangsalieren, tun sie das genauso perfide und sadistisch wie Männer.

Wir wissen das von KZ-Aufseherinnen oder bestialischen Nonnen, die weltweit in Kinderheimen die Grausamkeit gegenüber kleinen Kindern auf unvorstellbare Weise auslebten.

Selbst unterdrückt zu sein, bedeutet nicht, daß man nicht mindestens genauso brutal andere unterdrückt.

Ein neues Buch beleuchtet die Rolle der Frauen in der amerikanischen Sklavenhaltung.

Ste­pha­nie E. Jo­nes-Ro­gers: »They Were Her Pro­per­ty: Whi­te Wo­men as Slave Ow­ners in the Ame­ri­can South«. Yale Uni­ver­si­ty Press; 320 Sei­ten.

Das ist nicht sehr schmeichelhaft. Die reichen amerikanischen Grundbesitzer des 18. Und 19. Jahrhunderts vermachten ihr Land immer nur ihren Söhnen, statteten dafür aber ihre Töchter gern mit Sklaven aus, die ihnen als eine Art Mitgift für das Leben dienen sollten.
Diese frommen Christinnen gingen nicht etwa humaner als Männer mit den Slaven um, sondern quälten sie nach Herzenslust – weil sie eben auch nur Menschen waren.

[….]  Liz­zie Anna Bur­well, drei Jah­re alt, wuchs in in­ni­ger Lie­be zu ih­rer Kin­der­frau Fan­ny auf, ei­ner schwar­zen Skla­vin. Ei­nes Ta­ges aber ge­riet Liz­zie aus un­be­kann­tem Grund in Zorn. Das Mäd­chen lief zum Va­ter und bat ihn, er möge Fan­ny die Oh­ren ab­schnei­den und eine neue Skla­vin be­sor­gen.
So ge­sche­hen 1847 in der Ge­gend von Ly­nes­vil­le, North Ca­ro­li­na; der Va­ter be­rich­te­te in ei­nem Brief von dem Vor­fall. Of­fen­bar wuss­ten da­mals schon klei­ne wei­ße Mäd­chen in den ame­ri­ka­ni­schen Süd­staa­ten, wie das so läuft, wenn die schwar­zen Do­mes­ti­ken nicht pa­rie­ren.
[….]  Vie­le Kin­der be­ka­men von den El­tern so­gar ei­ge­ne Skla­ven ge­schenkt, qua­si als le­ben­des Erbe. Es soll­te den Nach­kom­men – auch und ge­ra­de den Mäd­chen – spä­ter eine aus­kömm­li­che Exis­tenz si­chern.
[….]   Die wei­ße »Mis­t­ress« schreibt die For­sche­rin, habe rund­um von der Skla­ven­wirt­schaft pro­fi­tiert. Sie wuss­te im Herr­schafts­sys­tem der wei­ßen Män­ner sehr wohl ihre In­ter­es­sen zu ver­fol­gen – mit Ge­schick, Ge­schäfts­sinn und zu­wei­len auch eben­bür­ti­ger Grau­sam­keit.
[….]  Für die Frau­en des 19. Jahr­hun­derts wa­ren die Skla­ven of­fen­bar eine Art Ver­si­che­rung ge­gen die Wech­sel­fäl­le des Le­bens – im Zwei­fels­fall auch ge­gen un­fä­hi­ge oder be­trü­ge­ri­sche Ehe­män­ner. [….]  Die Frau­en nutz­ten ih­ren Spiel­raum auf ver­schie­de­ne Wei­se. Die eine ge­noss ein­fach den Lu­xus, je­der­zeit ei­nen Skla­ven ver­kau­fen zu kön­nen, wenn ihr etwa der Sinn nach ei­nem mo­di­schen Kleid stand. Die an­de­re ver­stand sich als weit­bli­cken­de Züch­te­rin von ver­käuf­li­chem Men­schen­ma­te­ri­al: Emi­ly Ha­idee zum Bei­spiel, Far­me­rin in Loui­sia­na, zwang ihre Skla­vin­nen zum Ge­schlechts­ver­kehr mit schwar­zen Män­nern aus ih­rem Be­sitz. Ihr Ge­schäft war der Han­del mit den Kin­dern, die dar­aus her­vor­gin­gen. Die Jun­gen warf Mis­t­ress Ha­idee auf den Markt, die Mäd­chen be­hielt sie für die Zu­kunft zu­rück.
Frau­en wie Ha­idee fan­den das nicht wei­ter an­stö­ßig; sie führ­ten ihre Scha­ren schwar­zer Kin­der gern mal Gäs­ten vor. Den Quel­len ist zu ent­neh­men, dass es bei sol­chen Pa­ra­den recht leut­se­lig zu­ge­hen konn­te. »Wächst mir da nicht eine hüb­sche Ern­te von klei­nen Nig­gern her­an?«, frag­te mal eine Skla­ven­hal­te­rin in die Run­de.
[….]  Mit ih­rem Buch bie­tet die His­to­ri­ke­rin auch eine Ant­wort auf ein ge­ne­rel­les Rät­sel: Wie kommt es, dass Frau­en sich oft so be­reit­wil­lig zu Kom­pli­zen in ei­nem frau­en­ver­ach­ten­den Sys­tem ma­chen? Was könn­te, zum Bei­spiel, eine heu­ti­ge Ame­ri­ka­ne­rin dazu be­we­gen, sich für ei­nen Do­nald Trump zu be­geis­tern?
Es ist der Ras­sis­mus; er lässt jede Herr­schafts­form für Mit­läu­fer at­trak­tiv er­schei­nen.
[….] 

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