Freitag, 22. März 2019

Am Pranger

Zum Weltbild der Rechtsradikalen gehört es nicht nur Andersdenkende zu bekämpfen, sondern auch Andersglaubende, Andersfühlende, Andersaussehende, Andersliebende.
Sie frönen einem sehr primitiven, nivellierenden Weltbild, in dem jeder genauso sein soll wie sie, in dem kein Platz ist für Extravaganz und Unruhe.
Daher lieben Rechtsextreme Uniformen, Uniformität, Einheitsfrisuren und fürchten sich vor Diversität. Wer sich nicht total anpasst, ist ihnen verdächtig.
Multikultur ist ihnen ein Graus, sie streben nach dem Einheitsmensch, dessen Parameter von einer allmächtigen Führung bestimmt werden.
Die Kombination aus Obrigkeitskult und der Lust an Homogenität führt dazu, daß in allen faschistischen Staaten schon die Jugend vereinheitlicht wird, Adoleszente in paramilitärische Strukturen gepresst und Widerborstige hart sanktioniert werden. Sie wünschen sich den Schablonen-Menschen, der immer blond, gesund, national gesinnt, heterosexuell und christlich ist.
Der feuchte Traum eines Rechtsextremen manifestiert sich in Leni Riefenstahls Parteitagsfilmen, in denen endlose akkurate Reihen von Menschen, denen jegliche Individualität ausgetrieben wurde, einem Führer frönen.
Ein typisches Kennzeichen rechtsradikaler Gesinnung ist die Lust am melden, anschwärzen, denunzieren. Sie wünschen sich eine Institution wie die Gestapo und versuchen aus Ermangelung Derselben das Internet als Onlinepranger zu nutzen.
Daher ist es nur folgerichtig, daß die AfD in allen Landesverbänden Meldeportale einrichtete, mit denen sie Schüler zur Denunziation all dessen auffordert, das nicht in ihr primitives Weltbild passt.

[….] Die AfD hat bundesweit Aufregung und Kritik mit ihrem "Informationsportal Neutrale Schulen Hamburg" hervorgerufen. Die rechtspopulistische Partei wirft Lehrerinnen und Lehrern unter anderem vor, das staatliche Neutralitätsgebot im Umgang mit der AfD zu verletzen. Das "Angebot" der AfD: Eltern und Schüler können über die "mutmaßlichen Verstöße" über ein Kontaktformular an die AfD berichten. Dafür startete die AfD in mehreren deutschen Städten Online-Meldeportale. [….]

Der Berliner Urinduscher Berger begeistert sich selbstverständlich auch für das Denunzieren und berichtet als selbsternannter Führer der „freien Medien“ entzückt von den Erfolgen der Meldemuschis seiner Partei.

[….] Internetportal „Neutrale Schule“: Erste Erfolge im Einsatz gegen linksextreme Propaganda an Schulen
Der Hinweis eines Schülers auf dem Internetportal „Neutrale Schule“ sowie eine kleine Anfrage der AfD-Bürgerschaftsfraktion haben dazu geführt, dass die Hamburger Schulaufsicht eine Ortsbegehung an der Ida-Ehre-Schule im Stadtteil Eimsbüttel durchführen musste.
Aushänge und Werbeaufkleber der gewaltbereiten und vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung „Antifa Altona Ost“ mussten daraufhin entfernt werden. Diese Vorgänge zeigen:
An Hamburger Schulen konnten offenbar linksextremistische Gruppierungen ihr verfassungsfeindliches Gedankengut ungehindert verbreiten. Und: Es war allerhöchste Zeit, dass hier ein Meldeportal eingeführt wurde.
Der Hamburger Bundestagsabgeordnete und Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Baumann äußerte sich zufrieden mit den ersten Erfolgen. [….]

Die faschistoiden Pipi-Epigonen im Kommentarbereich bekamen ob dieser Meldung sofort vermehrten Speichelfluss.



Ein toller Erfolg für die Rechten, die sich nun selbst ausgiebig beglückwünschen.

Einziger kleiner Schönheitsfehler: An der Geschichte ist rein gar nichts dran.
Der inkriminierte Aufkleber war Teil des Gemeinschaftskundeunterrichts einer 12. Klasse, in dem auf einer als „Meinungswand" gestalteten Fläche Dutzende Aufkleber, wie z.B. „Bier für mich, Tequila für Haiti" oder „I am not a nugget" oder „Viva la Bernie" und auch der Antifa-Sticker prangte, um Parteienprofile zu erstellen. Es sollte diskutiert werden welche künstlerischen Zugänge zum politischen Handeln existieren.

[…..] AfD-Petze wird zum Bumerang: Schüler solidarisieren sich mit Ida-Ehre-Schule.
Das nennt man wohl ein klassisches Eigentor. Die AfD hatte einen vermeintlichen Erfolg mit ihrem Petz-Portal erzielt und von Antifa-Stickern in der Ida-Ehre-Schule (Hoheluft-Ost) erfahren. Über die zugehörige Senatsanfrage der Partei berichteten die Medien. Jetzt der Bumerang: Schüler des Gymnasium Allee (Altona) solidarisieren sich mit der Ida-Ehre-Schule. Und deren Schulleitung stellt klar: die Sticker waren ganz normaler Teil des Politik-Unterrichts.
„Wir, die Schüler*innen des Gymnasium Alllee, solidarisieren uns mit den von der AfD diffamierten Schüler*innen und Lehrer*innen der Ida-Ehre-Schule“, heißt es im Statement der Altonaer Schüler. Dazu gibt es ein Foto, das eine offenbar recht große Zahl von Schülern zeigt. In der Hand Antifa-Sticker, die ja der Stein des Anstoßes waren, im Vordergrund ein großes Banner mit der Aufschrift „Antifa Area überall“. Sich gegen Rassismus und soziale Missstände auszusprechen sei eben kein Linksextremismus, sondern selbstverständlich, heißt es in dem Statement weiter..
Auch die Leitung der Ida-Ehre-Schule hat sich mit einer Stellungnahme positioniert. […..] Worauf die Schulleitung allerdings mit Stolz verweist, ist die politische, antifaschistische Tradition der Schule. Schwester und Mutter der jüdischen Schauspielerin Ida Ehre waren im KZ gestorben. [….]


Wieder einmal erweist sich Hamburg, wo die AfD bei Umfragen unter 5% liegt als schwieriges Pflaster für die Hobby-Nazis. Sie erreichten, wieder einmal, das Gegenteil: Nun solidarisieren sich andere Schulen mit der Ida-Ehre-Schule (IES), demonstrieren gegen die AfD und stellen klar, daß Antifaschismus nicht etwa linksextrem, sondern allgemeingültig ist.



[….]  Hamburgs DGB-Gewerkschaften erklären sich solidarisch mit Schüler*innen, Lehrer*innen und Schulleitung der Ida Ehre Schule und schließen sich einer Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an.
Hamburgs DGB-Vorsitzende Katja Karger: „Nicht Antifaschismus ist das Problem, sondern Faschismus. In Anbetracht der deutschen Geschichte ist es unfassbar, dass Menschen mit einer antifaschistischen Haltung sich in dem Ausmaß rechtfertigen müssen, weil eine rechtspopulistische Partei Druck aufbaut. Als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter reihen wir uns ein bei den vielen, die sich jetzt hinter die Akteure an der Ida Ehre Schule stellen. Eine antifaschistische Haltung gehört zu unserer DNA, die wir tagtäglich in den Betrieben und auf der Straße leben. Alle Beteiligten Institutionen, die die Diskussion um die Ida Ehre Schule losgetreten haben, sollten sich kritisch hinterfragen. Antifaschismus in eine linksextremistische Krawallecke zu stellen ist genau das, was die AfD will. Dabei darf man ihr nicht helfen. Das Meldeportal der Partei lehnen wir nach wie vor ab, denn wir wollen keine Stadt der Denunzianten.“ [….]

Sogar das konservative Hamburger Abendblatt senkt verwundert die Daumen über die AfD-Dümmlichkeit. Und leider auch das Versagen der Schulbehörde, die tatsächlich eingeschritten war, um den Aufkleber zu entfernen.
Nun sind die Eltern empört.


[….]  Die Schulbehörde mache sich „in einem ersten Reflex auf die Initiative der AfD auf die Suche nach den Antifaschist*innen“, heißt es in einer am Donnerstag verbreiteten Erklärung von Eltern der IES. „Wir hätten uns gewünscht, dass eine Behörde dieses Thema eher zum Anlass nimmt, Schüler*innen und Lehrer*innen zu schützen und sich klar gegen Denunziation von rechts positioniert. Als Eltern unterstützen wir unsere Kinder und die Lehrer*innen in ihrem Engagement gegen Faschismus und fordern eine klare Positionierung der Schulbehörde.“
Auch einige Medien betrachteten „die Denunziationsplattform der AfD nun als normale Bezugsquelle von Informationen“, so die Kritik. Dabei erinnere dieses an „Denunziationsstrategien in der NS-Zeit“, so die Elternerklärung, für die derzeit weitere Unterschriften gesammelt werden. „Schon vor 1933 legten die Nazis Listen an, auf deren Grundlage nach der Machtübernahme Tausende verhaftet und ermordet wurden.“
[…..] „Kunstunterricht als offenes Experiment ermutigt Schüler, durch mitunter ungewöhnliche Impulse eigenes einzubringen und Neues zu entwickeln“, sagte Birte Abel-Danlowski, Mutter einer IES-Schülerin und selbst Kunstpädagogin und Autorin, dem Abendblatt. „Solche Prozesse arbeiten mit widersprüchlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen jenseits von Standards. Sie setzen darauf, das kritische Denken der Schüler über selbstständiges Entdecken, nicht über Belehrung, zu fördern und eigene kreative Lösungen anzustoßen. Damit leistet der Kunstunterricht einen wesentlichen Beitrag zur Demokratie-Erziehung.“ […..]

Unnötig zu erwähnen, daß der Urinduscher selbst natürlich auch die einfachsten Formen journalistischen Anstands ignoriert, auf seinem Pipi-Blog nichts richtigstellt und weiterhin seine Lügen auftischt.

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