Unglaublich, heute wurde mir auf Facebook unterstellt, ich
möge Andrea Nahles gar nicht richtig, nur weil ich sie gestern ein ganz kleines bißchen kritisiert
hatte.
Vielleicht bin ich ihr aber wirklich nicht völlig gerecht
geworden, weil ich mich zu sehr auf ihre Rolle im Willy-Brandt-Haus, als
langjährige SPD-Top-Funktionärin und als Parteivorsitzende konzentriert hatte.
Das ist schon etwas kurz gegriffen.
Die Persönlichkeit Nahles bietet weitaus mehr Facetten.
Da ist auch die exekutive Nahles, die als Sozialministerin brillierte.
Da ist die katholische Nahles, die als Jesus-Expertin beeindruckt.
Schließlich gibt es auch noch die Parlamentarierin Nahles,
die als Bundestagsfraktionsvorsitzende einer Regierungspartei das wichtigste
legislative Amt ausübt, welches die Bundesrepublik zu verteilen hat.
Die SPD-Fraktion kann auf eine stolze Tradition mit bis
heute legendären Vorsitzenden zurückweisen.
Wehner, Vogel, Struck sind bis heute klingende Namen. Das
waren geniale Allroundpolitiker und Taktiker, die ihre Hauptrolle im Parlament
als Redner und Themensetzer ausfüllten.
Nun sitzt Andrea Nahles auf dem Thron und vermochte es nach
nur anderthalb Jahren im Chefsessel nicht nur das Image ihrer Partei zu
ruinieren, den parlamentarischen Prozess insgesamt zu diskreditieren, sondern
auch bei ihren eigenen Abgeordneten jeden Rückhalt zu verlieren.
Ihr vermeidlicher Coup, mit dem sie ihrem „keine
Personaldebatten“-Klingbeil in den Rücken fiel, nämlich sich selbst schon in fünf
Tagen als Fraktionsvorsitzende wiederwählen zu lassen, geht gerade gründlich
schief.
Sie zieht damit so viel Unmut auf sich, daß selbst ohne
Gegenkandidaten bei Probeabstimmungen der Seeheimer und der Parlamentarischen
Linken keinerlei Mehrheit für sie in Sicht ist. Damit ruft Nahles nun Gegner
auf den Plan, die dank ihr wissen wie gut die Chancen sind die Chefin
wegzumobben.
[….] SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hat laut einem Medienbericht bei
Probeabstimmungen in den drei wichtigsten Gruppen der Bundestagsfraktion keine
Mehrheit bekommen. Wie die Zeitungen der VRM-Gruppe, zum Beispiel die Mainzer
Allgemeine Zeitung, unter Berufung auf Parteikreise berichten, habe es am
Mittwoch sowohl im konservativen Seeheimer Kreis als auch bei den
"Netzwerkern" und den Parteilinken "nicht annähernd eine
Mehrheit für Nahles gegeben".
[….] Die Zeitungen der VRM-Gruppe berichten weiterhin, dass Nahles, wenn sie
ohne Gegenkandidaten ein sehr schwaches Ergebnis erhalte, wohl nicht länger als
Fraktionsvorsitzende zu halten sei. Es sei wahrscheinlich, dass sich bis zur
festgesetzten Frist am Montag noch Konkurrenten um die Position des
Fraktionsvorsitzes melden.
[….] Im Falle einer Niederlage würde Andrea Nahles wahrscheinlich auch als
SPD-Vorsitzende zurücktreten. Das meldet die Bild-Zeitung unter Berufung auf
Vertraute von Nahles. Beide Ämter seien eindeutig miteinander verbunden. Als
Parteichefin habe sie ohne den Vorsitz in der Fraktion "keinen Machthebel,
kann nichts bewirken". Mehrere Teilnehmer der Fraktionssitzung am Mittwoch
hatten sich entsprechend geäußert, ebenso Nahles selbst in kleinerer Runde.
[….]
Das muss man erst mal schaffen!
Als Fraktionsvorsitzende steht man immer im Zentrum der parlamentarischen Berichterstattung, hat als Regierungsfraktion kontinuierlichen Zugang zur Macht und echte Hebel, um die Regierungschefin zu beeinflussen.
Als Fraktionsvorsitzende steht man immer im Zentrum der parlamentarischen Berichterstattung, hat als Regierungsfraktion kontinuierlichen Zugang zur Macht und echte Hebel, um die Regierungschefin zu beeinflussen.
Angesichts der desolaten Lage der Bundespartei, ist der
Fraktionsvorsitz einer der letzten verbliebenen wirklich mächtigen Posten, auf
dem man glänzen könnte.
Atemberaubend wie die Chefin auch diese Bastion schleift.
[….] Nahles ging in die Offensive,
das müsse jetzt geklärt werden, sagte sie. Wer einen anderen Kurs wolle, solle
doch bitte kandidieren.
Doch geklärt wird bei der SPD gerade gar nichts. Einen Gegenkandidaten
zu Nahles gibt es bislang nicht. Breite Unterstützung für sie aber auch nicht.
Viele Abgeordnete fühlen sich erpresst. Nahles habe sich und die Fraktion in
eine Sackgasse manövriert, sagen ihre Kritiker. Die SPD steuert auf eine Lage
zu, in der es keine Gewinner geben könnte.
Schon vor der Fraktionssitzung gab es am Mittwoch massive
Unmutsäußerungen über Nahles. [….] Bis
zur Sitzung am Dienstag haben Nahles' Gegner Zeit, sich auf einen Kandidaten zu
verständigen. Das Horrorszenario wäre, heißt es aus der Fraktion, wenn niemand
antrete und Nahles trotzdem keine Mehrheit bekomme. Dann wäre die
Selbstzerstörung komplett. [….]
Nicht nur taktiert sich Nahles selbst in Grund und Boden,
sie reißt auch noch neroesk den wichtigsten Machtfaktor der Partei, die Fraktion, in den
Abgrund.
Ich stimme Kühnert und Platzeck zu; erneute
Personaldiskussionen und Austausch des Spitzenpersonals allein, kann nicht die
Rettung der Partei sein.
Aber was bleibt einem übrig, wenn die jetzige
Doppelamtsinhaberin so dermaßen versagt?
Unerträglich ist die Situation deswegen, weil wir sehenden
Auges in dieses Desaster rutschten. Genau das was jetzt passiert, habe ich
immer prophezeit, wenn man Nahles ans Ruder lässt.
Wer nicht hören will, muss fühlen. Arme SPD.
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