Nachdem es seit Tagen durch die seriösen Medien schwappt, habe
ich mir gestern Nacht fast das gesamte Anti-CDU-Video des
Youtubers Rezo angesehen. 55 Minuten!
[….] Abrechnung mit der CDU. Das Rezo-Video zeigt, was junge Menschen an der
Politik nervt.
Kritik an zu wenig Klimaschutz, Ungleichheit und Inkompetenz: Auch wenn
das Video des Youtubers Rezo zuspitzt und verkürzt, kann die CDU daraus etwas
lernen. [….]
Falls sich das jemand jetzt fragt; nein, ich hatte bis vor
drei Tagen auch noch nie den Namen „Rezo“ gehört. Der Mann mit den blauen
Haaren betreibt zwei Youtube-Kanäle in deutscher Sprache. Daher kann er nicht
mit den Abonnentenzahlen der amerikanischen Kollegen mithalten, bringt es aber
immerhin auf 1,5 Millionen Subscriber bei seinem Hauptkanal. Offenbar geht es Comedy
für Jugendliche; kurzum als Zeug, das mich nicht interessiert.
Relevant wird für mich allerdings die Frage, ob so eine
jungen Social-Media-Gestalt mit hoher Glaubwürdigkeit in der Szene in der Lage
ist das deutsche Europawahlergebnis zu beeinflussen, nachdem sich inzwischen
über vier Millionen Menschen diese fast einstündige Anti-CDU-Attacke angesehen
haben.
Worum geht es in dem Video?
Behandelt werden hauptsächlich Klimawandel, Energiepolitik
und Waffenexporte im Licht von drei Dekaden CDU-Politik.
Rezo erklärt immer wieder „ich habe recherchiert…“ gefolgt
von dem Ausspruch „zigtausende wissenschaftliche Studien belegen“ und der
Erkenntnis, das sei schon „nach einer Minute googeln“ klar gewesen.
Hier passt natürlich vieles nicht zusammen.
Rezo wußte vor dem Video nichts über Klimawandel, kannte das
„Zwei-Grad-Ziel“ nicht, war aber in der Lage alle grundlegenden Erkenntnisse in
Windeseile zusammenzugooglen?
Der Mann ist 26 Jahre alt und hat einen Master-Abschluss in
Informatik.
Ich verstehe es nicht. Wie kann man so alt werden, einen
Uniabschluss machen und von all diesen grundlegenden politischen Fragen noch
nie etwas gehört haben?
Wie kann ein Akademiker andererseits annehmen googlen wäre
das gleiche wie „wissenschaftliche Studien auswerten“?
Ich verstehe allerdings auch nicht, wieso alle anderen
Twens, die nicht studieren, nicht ebenfalls GOOGLE nutzen, um wenigstens rudimentär
über politische Prozesse und auf die Welt zukommende Katastrophen informiert zu
sein.
Was ist eigentlich los heute an den Universitäten, wenn
selbst Informatiker ohne die simpelsten naturwissenschaftlichen Basics
Master-Abschlüsse bekommen und anschließend Forschung mit googlen gleichsetzen?
Wieso macht er sich dermaßen angreifbar, indem er trotz der
gewaltigen Länge von 55 Minuten nicht zwischen CDU und CSU unterscheidet, alle
Koalitionen mit CDU-Alleinregierungen gleichsetzt und außerdem nicht zu wissen
scheint, daß viele Entscheidungen nicht frei von der Bundesregierung getroffen
werden, sondern daß sie von Koalitionspartnern, dem Bundesrat und
internationalen Gremien abhängig sind?
Die Einbindung in OSZE, EU oder UN ist übrigens eine gute Sache. Es ist richtig nationale Entscheidungen in Abstimmung mit diesen Organisationen zu treffen.
Nicht richtig ist hingegen der Einfluss von Wirtschaftslobbyisten; insbesondere wenn diese Einflüsse massiv verschleiert werden.
Die Einbindung in OSZE, EU oder UN ist übrigens eine gute Sache. Es ist richtig nationale Entscheidungen in Abstimmung mit diesen Organisationen zu treffen.
Nicht richtig ist hingegen der Einfluss von Wirtschaftslobbyisten; insbesondere wenn diese Einflüsse massiv verschleiert werden.
Aber noch nicht mal Lobbyismus ist trotz seiner katastrophalen
Konnotation nur schlecht.
Politik darf nicht käuflich sein, also keinesfalls von den
Interessen der Reichsten und Mächtigsten gelenkt sein.
Daß aber beispielsweise Klimaschützer, Tierfreunde oder
Patientenvertreter Lobbyismus betreiben, ist zu begrüßen, wenn den
Volksvertretern dadurch transparent Interessen und Informationen zugänglich
gemacht werden.
Verglichen mit Rezo bin ich ein Greis; es ist über 30 Jahre
her, daß ich anfing zu studieren.
Es tut mir leid, ich verabscheue eigentlich das
besserwisserische Eindreschen auf „die“ Jugend, aber ich bin schockiert zu
sehen/hören, daß 26-Jährige NACH ihrem Uniabschluss tatsächlich googlen müssen,
um herauszufinden, ob es den Klimawandel wirklich gibt und was der Einfluss von
CO2 auf die Atmosphäre ist.
Ich war gerade mal 18 und hatte noch nie einen Computer
gesehen, Google und Internet waren lange noch nicht erfunden und dennoch wußte
jeder von uns Anfängern in der Studieneingangsphase STEP über FCKWs, Ozonloch
und Erderwärmung Bescheid. Das waren die großen ökopolitischen Themen der
1980er Jahre, ebenso wie die Energiepolitik, die in der damaligen Hoch-Phase
der Anti-AKW-Bewegung Allgemeinwissen war.
Ich bin fassungslos, daß der Allgemeinbildungsstand in
Sachen Klima/Atmosphäre/Klimagase/Erderwärmung 30 Jahre später nicht nur keinen
Erkenntnisschritt weiter ist, sondern offenbar deutliche Rückschritte erlitt.
Dabei müssen die Teens und Twens noch nicht mal wie wir
damals Zeitungen lesen und in Stabis und Fakultätsbibliotheken gehen, um all
das nachzulesen.
Sie haben all die entsprechenden Informationen binnen
Sekunden jederzeit auf ihrem Telefon griffbereit – und wissen dennoch offenbar
nichts.
Natürlich danke ich Rezo, daß er sich die Mühe machte über
die CDU zu recherchieren und im zarten Alter von 26 erstaunt herauszufinden,
daß Kohl/Merkel/Seehofer nicht zukunftsorientierte ökologisch vernünftige
Politik betreiben. Die hohen Klickzahlen zeigen ja offensichtlich wie notwendig
es war der Generation Strunzdoof mal ein paar grundlegende Zusammenhänge zu
erklären.
Danke Rezo und mögest Du von vielen jugendlichen Erstwähler
gehört werden, die nun alle links oder grün wählen.
Aber im Gegensatz zu meinem 18-Jährigen Ich habe ich alle
Hoffnungen aufgegeben, daß allgemeiner Erkenntnisgewinn irgendwelche
Konsequenzen in Richtung zum Besseren hätten.
Menschen sind zu phlegmatisch und borniert, um sich von
allein zu bessern.
Man muss ihnen Vorgaben machen, um die Umwelt zu retten.
Es gibt viele Klima- und Energietechnologische Fragen, die
noch viel Forschung erfordern, bei denen Lösungen schwer zu finden sind.
Es ist unmöglich im Handumdrehen den Individualverkehr auf
Basis des toxischen Verbrennungsmotors zu ökologisieren.
Da braucht es viel politischen Druck und viel
Entwicklungsarbeit, viel Geld und guten Willen.
Aber es gibt auch viele andere Dinge, die sehr leicht zu
lösen sind.
Bei Plastikverpackungen müssen Verbote her. Basta. Denn
dafür gibt es bereits Alternativen. Es gibt keinen Grund jede Gurke und Banane
einzeln in Folie zu verschweißen.
Der kürzeste Flug in Deutschland geht von München nach
Nürnberg. Flugzeit 22 Minuten. Klimapolitischer Irrsinn und ökonomisch unnötig.
Kurzstreckenflüge unter 1000 km (also alle Innerdeutschen)
müssen sofort verboten werden. Und zwar gestern. Bahnfahren. Fertig.
Oder die verdammten Einweg-Starbucks-Becher, die in jeder
zweiten Talkshow vorkommen.
Die Deutschen werfen jedes Jahr 2,8 Milliarden Einwegbecher
für ihren Kaffeekonsum weg, 34 Becher pro Person.
Miniplastikfläschchen für Wasser, Verbundmaterialdosen.
Dafür braucht es einen starken Mann in der Regierung, der
das endlich nach Jahrzehnten der Erkenntnis verbietet. Ja, ich schreie nach
Verboten.
Wohlwissend, daß Plastik in vielen Bereichen kaum zu ersetzen
ist (zB wenn es um Krankenhaushygiene geht), aber verdammt noch mal, da wo es
wirklich unnötig ist – Flüssigseifenbehälter, Flüssigwaschmittelbehälter,
Kaffeebecher – muss ein Verbot her.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen