Donnerstag, 23. Mai 2019

Unter Christen

Man kann sich vieles vorstellen, ohne es emotional wirklich nachvollziehen zu können.
Mir fehlen die speziellen Spiegelneuronen, um wirklich fühlen zu können wie ergriffen und beseelt Tiefgläubige im katholischen Gottesdienst empfinden.
Wenn man sich bewußt macht wie viele regelmäßige Kirchengänger und Pastoren ebenfalls Atheisten sind, kann ich allerdings mit jeder Faser meines Körpers fühlen, wie es ihnen beim Gottesdienst ergeht. Die unfassbare Langweile, der Druck dieses absurde Schauspiel über sich ergehen zu lassen, mit den Zehen wackeln, das Gewicht auf unterschiedliche Arschbacken zu verlagern, um das Stillsitzen zu ertragen, sich gezielt mit gedanklichen Plänen abzulenken.

Zeit vergeht subjektiv so erstaunlich unterschiedlich.
Das erinnert mich immer an finsterste Kapitel der Uni. Da gab es einerseits Professoren, die regelrechte Entertainer waren, die ihre Stoff so spannend präsentierten, daß man gebannt an ihren Lippen hing und immer völlig überrascht war, wenn 45 Minuten schon um waren.
Aber eben auch diese notorischen Zeit-Dehner, die schon nach fünf Minuten so eine geistige Öde in jeden Winkel des Raumes strahlten, daß man entweder mit bleierner Müdigkeit kämpfte, oder aber seine Phantasie Ereignisse durchspielen ließen, die diese Pein endlich abbrechen würden: Feueralarm, Meteoriteneinschlag, Alienangriff, Ausbruch der Zombiapokalypse, Herzinfarkt, Gebäudeeinsturz, sowjetische Atomraketen, von einem schwarzen Loch verschluckt werden, Biss einer Schwarzen Mamba, Endlich aus diesem Alptraum aufwachen, Zünden einer Neutronenbombe, Gasaustritt aus den OC-Laboren – kurzum, alles, das angenehmer wäre als weiter tumb dazusitzen und sich das Vorgetragene weiter anzuhören.

Bei dieser Art Vorlesungstortur war es zu allem Übel auch nicht möglich einfach wegzulaufen, weil es Anwesenheitspflicht gab und gerade diese extrem öden Professoren ein spezielles Sinnesorgan für abwesende Studenten haben. Man würde das garantiert in der Prüfung hören: „Ich habe sie übrigens vor sieben Wochen, am Dienstag um 16.15 Uhr in meiner Vorlesung rausgehen sehen…“

So muss es auch Ungläubigen im Gottesdienst ergehen, die nicht weglaufen können, weil sie damit sozialer Ächtung ausgesetzt wären oder gar ihren Job verlören. Oder um es weniger brutal auszudrücken, vielleicht will man auch nur die tiefgläubige neben einem sitzende Großmutter nicht enttäuschen.

Gibt es hingegen keinen (moralischen) Zwang, sind katholische Hochämter, päpstliche Zeremonien oder Vorträge von Spinnern aller Art besser zu ertragen, weil dann wenigstens die Flucht in den Zynismus bleibt.

Weihnachten oder Ostern im Fernsehen etwas katholisches Gottesdienstbrimborium zu gucken, kann sogar ganz lustig sein, wenn man all die homophoben aufgebrezelten Transen in ihren bunten Kleidern und brennenden Handtäschchen umherwackeln sieht.
Das ist grundsätzlich viel lustiger als die spartanische evangelische Version, bei der andauernd irgendwelche Laien Gitarre spielen, singen und Kindergedichte vorlesen.
Das ist natürlich immer öde, weil da keine Show für das Auge geboten wird und man kann sich auch nicht gehässig vorstellen, wie all die Pfaffen in ihren CSD-Kostümen den Messdienern hinterherschmachten.
Das darf man nicht vergessen – gläubig oder nicht – diese festen wöchentlichen Rituale im strengen Gemeindeverband sind für Kontrollfreaks, Geschäftemacher und sexuell Perverse auch immer eine großartige Gelegenheit Kontakte zu knüpfen und Druck zu entfalten.
Da nutzen Katholiban, die später vielleicht australischer Kardinal oder Augsburger Bischof werden könnten, gleich mal aus, um ihren Penis den Messdienern in die eine oder andere Körperöffnung zu stecken.
Ihre Unschuld haben die Men-only-Pfaffen schon lange verloren. Inzwischen ist es nicht nur keine Überraschung mehr, wenn wieder ein katholischer Pfarrer dabei ertappt wird Messdiener sexuell zu missbrauchen, sondern Gegenstand der allermeisten Klerikerwitze.
Nicht nur, weil die moralische Fallhöhe so groß ist, sondern weil die Pointe so gut funktioniert, wenn jeder im Publikum „Pädophilie“ und „Kinderquälen“ mit katholischen Geistlichen assoziiert.
Und warum auch nicht?
Sobald der Gedanke auftaucht, man wäre vielleicht etwas ungerecht gegenüber rechtschaffenden Pfarrern, stolpert man über eine Meldung, die das Ausmaß des weltweiten katholischen sexuellen Missbrauchs noch weiter vergrößert.

Das betrifft übrigens auch die amerikanischen christlichen Pfadfinder, die tausende ihrer minderjährigen Boyscouts vergewaltigt haben.

[….] Wir lesen täglich die Berichte über die Hunderttausenden Kinder, die in den Strukturen der katholischen Kirche von Geistlichen geprügelt, gefoltert und in jeder Hinsicht missbraucht wurden.

Konservative Geisteshaltung, Ausschluss von Frauen, Ächtung von Homosexualität und Religiosität führen aber auch außerhalb der RKK zu massenhaften Kindesmissbrauch.

Zum Beispiel amerikanische Pfadfinder. Die Boy Scouts, bei denen Millionen Christen im Alter zwischen 7 und 17 von ausschließlich männlichen Betreuern streng hierarchisch bespaßt werden, sind der ideale Nährboden für das Kinderficken.
8.000 Boy-Scout-Betreuer haben mindestens 12.000 kleine Jungs missbraucht.

 
[…..] The Boy Scouts of America believed more than 7,800 of its former leaders were involved in sexually abusing children over the course of 72 years, according to newly exposed court testimony -- about 2,800 more leaders than previously known publicly.
The Boy Scouts identified more than 12,000 alleged victims in that time period, from 1944 through 2016, according to the testimony, which was publicized Tuesday by attorney Jeff Anderson, who specializes in representing sexual abuse victims.
The numbers, Anderson said, come from what the BSA calls its volunteer screening database -- a list of volunteers and others that the Boy Scouts removed and banned from its organization over accusations of policy violations, including allegations of sexual abuse. [….]

Es ist genau wie in der katholischen Kirche.
Die Opfer waren irrelevant, die christliche Organisation funktionierte über viele Jahrzehnte nur als Beschützerin der Pädophilen.

 
In dem Wahn alles zu verbieten, das queer/weiblich/schwul/extravagant ist, schafft man einen Sumpf, zu dem sich Pädosexuelle hingezogen fühlen.
Die Kirche und Boy Scouts schaffen die Strukturen für Kindesmissbrauch und betreiben einen sagenhaften Aufwand, um die Täter zu schützen. […..]

Wie geht man im Jahr 2019 unter Beobachtung der sozialen Medien mit so einem gewaltigen Kindersexskandal um?
Nun, wie immer:
Vertuschen, abstreiten, abblocken, Opfer unter Druck setzen, lügen.
In Wahrheit ist alles viel schlimmer,

 […..]  Die Boy Scouts of America (BSA) gibt es seit 109 Jahren, sie richten sich vor allem an Jungen und junge Männer. Mehr als 110 Millionen Amerikaner hatten in ihrem Leben irgendwann mit dieser Vereinigung zu tun. […..]   Seit Jahren ist bekannt, dass Kinder und Jugendliche dort sexuell missbraucht worden sind. Nach einer Untersuchung von Listen, die die Boy Scouts intern führten, deutet sich nun an, dass alles noch viel schlimmer sein könnte als bislang befürchtet.
Die Los Angeles Times hatte vor sieben Jahren enthüllt, dass es bei den BSA eine Art schwarze Liste mit den Namen von Erwachsenen gibt, denen während ihrer Zeit als Angestellte, freiwillige Helfer oder auch schon als Bewerber sexuelle Gewalt vorgeworfen wurde und die deshalb keinen Kontakt zu Kindern haben sollten. Von 1900 Fällen war damals die Rede. Nun offenbart eine ausführlichere Untersuchung der sogenannten "Perversion Files" das wahre Ausmaß: Es soll im Zeitraum von 1944 bis 2016 insgesamt 7819 Verdächtige und 12 254 Opfer gegeben haben.
Wohlgemerkt: Das sind nur die Fälle, die in den internen Daten der BSA auftauchen. Der Anwalt Paul Mones, der vor einigen Jahren für seine Mandanten im US-Bundesstaat Oregon ein Schmerzensgeld von 20 Millionen Dollar von BSA erstritten hat, schätzt, dass weniger als ein Viertel der mehr als 400 Klagen seit den Enthüllungen im Jahr 2012 mit Tätern zu tun hatten, die in der Datenbank vermerkt sind - was laut Mones zum einen daran liegt, dass die BSA einige Listen gelöscht hätten, zum anderen daran, dass viele Fälle gar nicht gemeldet worden seien.
[…..]   Die Enthüllungen der Los Angeles Times im Jahr 2012 zeigten jedoch, dass die BSA in Hunderten Fällen versucht hatten, einen größeren Skandal mit nicht gerade integren Mitteln zu vermeiden: Die Organisation hatte Übergriffe nicht der Polizei gemeldet, sie hatte mutmaßliche Täter nicht angezeigt, sondern lediglich zum Rücktritt gedrängt und die Spuren sexuellen Missbrauchs verwischt. […..] 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen