Die über Jahrzehnte geltenden demokratischen Spielregeln
sind bekanntlich außer Kraft gesetzt.
Vor zehn Jahren hätte es niemand für möglich gehalten, daß
Regierungschefs, die es so weit treiben wie Trump oder Johnson nicht nur
dummdreist im Amt bleiben, sondern dabei auch noch von ihren Parteien, Medien
und der Hälfte der Bevölkerung unterstützt werden.
Oder Trump, der gerade eine Sonderermittlung wegen Verschwörung mit einer ausländischen Macht zur Manipulation der eigenen Wahlen (mit Dutzenden Anklagen und sieben Gefängnisstrafen) hinter sich hat, daraufhin gleich versucht ein weiteres Land zur Manipulation der US-Wahlen zu überreden und sich auch noch tolldreist damit brüstet.
[….] Demokraten sprechen von Mafia-Methoden [….] Donald Trump hat die Ukraine ermuntert, seinem Rivalen Joe Biden mit
Ermittlungen zu schaden. Die Demokraten fühlen sich durch das
Gesprächsprotokoll bestätigt [….] Donald
Trump ist in der Ukraine-Affäre in die Offensive gegangen und hat ein
Gesprächsprotokoll des Telefonats zwischen ihm und dem ukrainischen Präsidenten
Wolodymyr Selenskyj veröffentlichen lassen. Der US-Präsident sieht sich dadurch
entlastet. [….] In dem
Telefongespräch mit Selenskyj regte Trump Ermittlungen an, die seinem
politischen Rivalen Joe Biden schaden könnten. Er werde seinen persönlichen
Anwalt Rudolph Giuliani und Justizminister William Barr beauftragen, sich in
der Sache bei Selenskyj zu melden, sagte Trump dem Gesprächsprotokoll vom 25.
Juli zufolge. [….]
The president of the United States has betrayed our country.— Hillary Clinton (@HillaryClinton) September 25, 2019
That’s not a political statement—it’s a harsh reality, and we must act.
He is a clear and present danger to the things that keep us strong and free.
I support impeachment.
[…..] Die
Dokumentation des Telefonats von US-Präsident Trump mit dem ukrainischen
Präsidenten Wolodimir Selenskij, die das Weiße Haus vorlegte, verärgert die
Demokraten. Der Grund ist vor allem, dass sie in dem Telefonat einen Versuch
Trumps sehen, Ermittlungen gegen seinen möglichen Wahlkampfgegner Joe Biden
durch die Ukraine anzustoßen. Wer sich mit IT-Sicherheit oder der mutmaßlichen
Einmischung Russlands in den Wahlkampf 2016 auskennt, den ließ eine andere
Passage aufhorchen. Trump nennt den Namen "Crowdstrike". So heißt ein
Unternehmen, das sich auf die Analyse von Hacking-Angriffen spezialisiert hat.
Dass Trump Crowdstrike ins Spiel bringe, sei "einfach
schockierend", schrieb Michael McFaul, der unter Barack Obama Botschafter
in Moskau war. […..]
In diesen völlig irren Zeiten, in denen sich die
Kakistokratie in immer mehr Staaten etabliert, verlieren Fakten, Recht und
Gesetz an Bedeutung.
Auch wenn es im Moment nicht so gut läuft für die regierenden Rechtspopulisten,
die allesamt erkennen, daß die Wirklichkeit sich blöderweise nicht an ihre
primitiven Fascho-Sprüche anpassen will, sind sie noch lange nicht am Ende,
weil weite Teile der Wähler und Medien moralisch völlig verdorben sind.
Es dreht sich alles um den Spin der Geschichten.
Wie mäandert man um die unangenehmen Fragen, so daß die
Basis in ihren Filterblasen weiter an Bord bleibt?
Wer versucht Trump-Wähler mit der schockierenden Wahrheit
vertraut zu machen, unterliegt dem Irrtum diese verfügten immer noch über
rudimentären Anstand.
Dabei wußten wir schon vor dem November 2016, daß das eben
nicht der Fall ist. 62 Millionen Amerikaner wählten Trump nicht nur obwohl sie
schon wußten, daß er sich öffentlich über Behinderte lustig macht, rassistisch
daher plappert, sich damit brüstete Frauen an die Pussy zu grabschen. Gerade
das gefällt den Trump-Wählern. Dem fundamentalen Missverständnis unterlagen
auch all diejenigen, die auf den Mueller-Bericht hofften. Wenn Mueller
kriminelle Methoden des Trump-Teams und illegale Wahlkonspiration mit Moskau
beweisen könnte, müssten sich seine Fans und die GOPer von #45 abwenden.
Falsch! Die meisten Trumpisten sind längst so fanatisiert
und enthemmt, daß sie es sogar schätzen, wenn Trump mit Hilfe Putins die verhassten
Demokraten erledigt.
Es ist schon irritierend naiv, wenn Damir Fras heute als
Hauptkommentator des RND nach Boris Johnsons juristischer Megablamage sein Ende
kommen sieht.
[…..] Drei Worte brauchten die obersten Richter des Vereinigten Königreichs,
um die Zwangspause aufzuheben, in die Johnson das Unterhaus schicken wollte,
weil er den Brexit ohne lästige Parlamentarier durchziehen wollte:
„Rechtswidrig, unwirksam und ohne Auswirkung" sei das. Kurzum: illegal nach
Strich und Faden.
Es kann gut sein, dass Johnson jetzt zurücktreten muss. Er hat, wie das
Urteil andeutet, die Königin hinter die Fichte geführt. Solches Verhalten gegen
die Queen ist zwar nicht strafbewehrt, aber es dürfte trotzdem nicht gut
ankommen in Großbritannien und Johnson die letzten Sympathien kosten, die
er noch hatte. [….]
Schön wäre es, Herr Fras.
Der Kommentator hat aber offenbar weder das Wesen
populistischer Herrscher noch ihrer medialen Zulieferer verstanden.
Denn das Gegenteil ist der Fall. Es passt in Johnsons
Strategie Ressentiments gegen das Establishment zu schüren. Genau wie Kollege
Trump wettert er gegen Parlament, gegen Gerichte, gegen alle Institutionen. Das
gefällt den primitiven Rechten in ihren Blasen.
Die Tories liegen in Umfragen 15 Prozentpunkte vor Labour,
Johnson ist weit populärer als Corbyn.
[…..] Johnson spielt seit Amtsantritt das heikle, aber laut Umfragen
erfolgreiche Spiel 'Volk gegen Elite'. Draußen auf dem englischen Land gilt
allein Boris Johnson als der Mann, der dem dreijährigen politischen Elend ein
Ende machen kann. Diese Wähler könnten am Ende das letzte Wort haben."
[….]
[….] Gäbe es in Großbritannien eine schlagkräftige Opposition, dann könnte
sie Johnsons Rechtsbruch zu einem beherrschenden Thema im Wahlkampf machen.
Angesichts des verworrenen Brexit-Kurses des Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn
darf allerdings bezweifelt werden, dass die bislang wichtigste
Oppositionspartei den Regierungschef stellt." […]
Die Tories stellen sich erst recht hinter Johnson.
[…..] Steve Baker, Chef der nationalkonservativen European Research Group,
sagte etwa nach dem Londoner Urteil, das gegenwärtige Chaos habe nicht der
Premier verursacht. Und Jacob Rees-Mogg, der im Kabinett für
Parlamentsangelegenheiten zuständig ist, fuhr laut Medienberichten die nächste
Attacke gegen die Justiz: Der Gerichtsentscheid, sagte er demnach, sei
"ein verfassungsrechtlicher Putsch". [….]
[….] Ein Zeter und Mordio wird in den nächsten Wochen über London lärmen,
begleitet von parlamentarischen Winkelzügen zu Fragen der Absetzung des
Premiers, der Neuwahl oder eines Referendums. All das gehört seit Monaten zum
Repertoire. Aber all das ist seit Monaten auch wenig zielführend, weil dem
britischen Parlament zum Willen die Mehrheit fehlt. Wie auf Bestellung hat
Labour pünktlich zum Urteil eine Demonstration der Machtunfähigkeit gegeben.
Die Partei kann sich nicht einmal entscheiden, ob sie nun den Brexit will oder
nicht. Wen oder was soll Johnson also fürchten?
Der Premier verfolgt einen Plan, den manche genialisch, die anderen
wahnsinnig nennen mögen. [….]
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