Sonntag, 8. September 2019

Grundfähigkeiten.

Befragt nach der Hamburger Politik spottete der altersweise Helmut Schmidt einst, der Bürgermeister solle weniger Politiker und mehr Verwalter sein.

Und wie das so ist mit Schmidt, wenn er etwas Provozierendes raushaut; in 99,9% der Fälle hat er völlig Recht.
In der Tat erfordert deutsche Kommunalpolitik weniger politische Visionen und Strategien, als ordentliche Verwaltung.
Der Chef eines Stadtstaats sitzt zwar auch im Bundesrat und nimmt dadurch Einfluss auf die Bundespolitik, aber das Arbeitsfeld ist nicht zu vergleichen mit Geopolitik, wie sie im Bundeskanzleramt gemacht werden sollten.
Man ist zufrieden mit dem Bürgermeister, wenn alles funktioniert.
Die Senate leiden allerdings darunter, daß pünktliche Müllabfuhr, saubere Gehwege oder ein intaktes Abwassernetzgar nicht bemerkt werden, obwohl sie teuer sind.
Erst wenn etwas Selbstverständliches Ausfallerscheinungen bekommt, wird es dem Bürger bewußt.
Zu wenige Wohnungen werden in Hamburg als Riesenproblem betrachtet.
Kaputtgesparte Brücken, die jetzt alle umständlich gleichzeitig saniert werden, nerven ganz erheblich.

Aber in der Zeit der CDU-Regierung von 2001-2011 (erst mit Schill und der FDP, dann solo und schließlich mit den Grünen) sonnte sich Beust in enormen Beliebtheitswerten. Niemand störte es, daß in der Dekade der soziale Wohnungsbau vollkommen eingestellt und keine öffentlichen Bauten instand gehalten wurden.
Die schwarzen Bürgermeister Beust und Ahlhaus waren extrem schlechte Verwalter, die mit ihren Privatisierungsorgien und der Landesbankpolitik gewaltige zweistellige Milliardenlöcher rissen, unter denen wir noch Jahrzehnte leiden werden.
Schlechte Verwaltung wird allerdings erst mit einigen Jahren Verzögerung sichtbar. So hielten die Hamburger Beust für einen guten Politiker, wählten ihn immer wieder, obwohl er ganz mies verwaltete, sich nie um Bauvorhaben kümmerte.
 Auszubaden haben es die folgenden Sozi-Regierungen Scholz und Tschentscher, die nun darunter leiden die Verwaltungsversäumnisse aufräumen zu müssen.
Sie sind dabei enorm erfolgreich; Hamburg boomt, wächst und gedeiht mehr als alle anderen deutschen Städte, aber die Bürger sind genervt von den allgegenwärtigen Dauerbaustellen.

Als Senator, Kämmerer oder auch Minister muss man in der Tat nicht zwingend berufliche Erfahrungen in dem Fachgebiet haben. Es schadet natürlich nichts und es verwirrt die Wähler, wenn Politiker Ressort-Hopping betreiben.
So landen dann Karliczek, Gröhe, Seehofer, AKK oder Altmaier plötzlich als Chefs in Ministerien, mit dessen Themen sie sich nie vorher beschäftigt haben.
Wenige Politiker sind solche Allround-Genies (es tut mir leid schon wieder den ehemaligen Finanz- Wirtschafts-, Innen- und Verteidigungsfachmann Helmut Schmidt zu nennen), daß sie fast alles können.
Man kann sich aber durchaus in ein Thema hineinarbeiten.
Unser Bürgermeister Peter Tschentscher ist habilitierter Mediziner, war klinischer Chemiker, Oberarzt am UKE zuständig für Laboratoriumsmedizin, Innere Medizin, Transfusionsmedizin und Medizinische Mikrobiologie, bevor er sich als Politiker den Finanzen verschrieb und sich als Finanzsenator von 2011 bis 2018 bundesweit Reputation in dieser Disziplin erwarb.

Bürgermeister zu sein verlangt aber andere Fähigkeiten, in die sich Tschentscher hineinarbeitete.

Die Fachministerien auf Bundesebene sind politischer und erfordern weniger Durchsetzungsfähigkeit als Verwalter, weil es einen großen Beamtenapparat mit möglichst kompetenten Abteilungsleitern und Staatssekretären gibt.
Problematisch wird es aber in den Fällen, wenn eine Fachfremde wie Ursula von der Leyen an die Spitze gesetzt wird und sich sogleich daran macht den eigenen Apparat zu zerstören, wahllos Mitarbeiter feuert und durch ebenfalls unerfahrene externe Berater ersetzt. Dann entsteht ein Kompetenz- und Führungsvakuum, das zu den gegenwärtigen Zuständen führt: Rechtsradikale Sümpfe in den Kasernen, Gewehre, die nicht schießen, neue Stiefel gibt es erst im Jahr 2021 wieder und die Großgeräte sind ohnehin alle kaputt.
Anders gelagert ist der Fall Seehofer, der noch nicht mal Abitur hat, nun aber als Verfassungsminister so eine Art oberster Jurist sein soll, keinerlei Erfahrung mit Bau hat und zudem auch noch ungeheuer faul ist, so daß ihm die verzweifelten Staatssekretäre kaum etwas vorlegen können, da er ohnehin so selten im Ministerium ist.

Es hilft natürlich, wenn der Fachminister nicht nur ansatzweise sein Fachgebiet beherrscht, sondern auch schon mal in einer Verwaltung gearbeitet hat, so daß er sich zumindest vorstellen kann, wie so ein großer Beamtenapparat funktioniert.

Der größte anzunehmende Unfall in dieser Hinsicht ist selbstverständlich Trump, der nicht nur borniert, faul und ein gefährlicher Irrer ist, sondern der auch noch aus einer Celebrity-Fake-Welt kommt, die in jeder Hinsicht das Gegenteil von Real- und Weltpolitik ist.
Alle fähigen Zuarbeiter und Berater haben inzwischen das Weite gesucht, aber selbst die debilen Trump-Jünger, die jetzt noch an seiner Seite stehen, verzweifeln offenbar zunehmend.

[…..] President Donald Trump's aides and confidants are growing more and more worried about his mental state after days of erratic behavior, wild outbursts, and bizarre fixations.
"No one knows what to expect from him anymore," one former White House official, who spoke on the condition of anonymity to discuss internal conversations about the president, told Insider.
They added: "His mood changes from one minute to the next based on some headline or tweet, and the next thing you know his entire schedule gets tossed out the window because he's losing his s---."
Sources told Insider the president's advisers are particularly worried about his stubborn refusal to acknowledge that a tweet he sent over the weekend claiming that Alabama was going to be hit by Hurricane Dorian was false. They believe that his frustration is compounded by stress about the 2020 election and the economy's recent downturn.
"People are used to the president saying things that aren't true, but this Alabama stuff is another story," the former official said. "This was the president sending out patently false information about a national-emergency situation as it was unfolding." [….]

Leider sitzt Trump an wahrlich keiner unbedeutenden Stelle, sondern verfügt über reale gewaltige Macht.

Verglichen damit kann man froh sein, daß Deutschlands schlechteste Minister Karliczek und Scheuer zwar bedauerlicherweise weder Fachkompetenz noch Verwaltungsfähigkeiten haben, aber eben auch nur Deutschland damit schaden und nicht die Welt in Brand setzen können.

Grundsätzlich können CSU-Bundesminister keine verfassungsgemäßen Gesetze auf den Weg bringen; alles muss von den Gerichten kassiert werden.
Aber dabei richten sie wie zum Beispiel bei der sinnlosen Anti-Ausländermaut, von der seit zehn Jahren jeder Schüler wußte, daß sie illegal wäre, Milliardenschäden zu Ungunsten der Steuerzahler an.

Andreas Scheuer verhält sich dabei im Ministerium offenbar wie ein Trump für Arme, wütet erratisch in seinem Büro vor sich hin, während sich besorgte Ministeriale fragen, wie man den Spinner von seinen größten Schnapsideen abbringen kann. So führte die kindische E-Scooter Begeisterung Scheuers zu inzwischen Dutzenden schweren Schädel-Hirn-Verletzungen, weil die Regeln zu lasch sind.

[….] Ist Verkehrsminister Scheuer ein Draufgänger, der Expertisen der eigenen Behörden schlicht ignoriert? Ein Berater des Ministeriums schildert die Stimmung als angespannt: ganz oben ein launischer Chef, der schnelle Effekte und Erfolge will – weiter unten verzweifelte Experten auf den Fachebenen, die "nur noch versuchen, das Schlimmste zu verhindern". Hätte Scheuer sich durchgesetzt, dürften Scooter auch auf Gehwegen fahren. Auf sein Geheiß hatten die Beamten im ersten Entwurf der Verordnung außerdem den Testbetrieb sogenannter Hoverboards erlaubt, eine Art Brett mit zwei seitlich angebrachten Rädern und Motor. Hundsgefährlich, wie Scheuers Leute befanden. Das rief die Verkehrsminister der Bundesländer auf den Plan. Es ging hin und her. Nachdem die ersten alarmierenden Berichte aus Polizei- und Unfallstationen eingegangen sind, ist das Vorhaben zunächst vom Tisch. […..]
(Der Spiegel, 07.09.2019)

Anja Karliczek kommt gar nicht so weit solchen Unsinn zu machen, da sie als Verwalterin so sagenhaft verblödet ist, daß selbst die wenigen Gesetze, die überhaupt aus ihrem Ministerium auf den Weg gebracht wurden, gar nicht umgesetzt werden. Es wird Geld angewiesen, bereitgestellt und als Sondervermögen geparkt. Weiter nichts. Der Bildungsstandort Deutschland tritt auf der Stelle. Der Bund gibt Milliarden aus, aber sie versickern im Verteidigungs-, Bau- oder Bildungsministerium, kommen nie in der Wirtschaft oder gar „bei den Menschen“ an.

[….] An Schnel­lig­keit man­gelt es auch bei der Ver­ga­be von Mit­teln an Schu­len. Mo­na­te dau­ert es, manch­mal Jah­re, bis das Geld des Bun­des an­kommt. [….]  Ein Bei­spiel ist das so­ge­nann­te Schul­sa­nie­rungs­pro­gramm. Der Bund hat es be­reits 2017 auf­ge­legt, um für neue Toi­let­ten, Trep­pen­häu­ser oder Iso­lier­fens­ter zu sor­gen. 3,5 Mil­li­ar­den sind vor­ge­se­hen. Ge­ra­de ein­mal 2,4 Mil­li­ar­den Euro sind ver­plant. Ge­baut wur­de noch we­ni­ger. Von 3780 vor­ge­se­he­nen Maß­nah­men wur­den bis Ende März gan­ze 27 ab­ge­schlos­sen.
Ähn­lich könn­te es beim »Di­gi­tal­pakt Schu­le« lau­fen. Fünf Mil­li­ar­den Euro spen­diert der Bund, da­mit die Schu­len Lap­tops oder Ta­blets kau­fen und die Klas­sen­zim­mer ans In­ter­net an­schlie­ßen kön­nen. Mit­te Au­gust hat­ten erst 9 der 16 Bun­des­län­der die nö­ti­gen För­der­richt­li­ni­en ver­öf­fent­licht: In Ber­lin kön­nen von den 257 Mil­lio­nen Euro, die für das Pro­gramm zur Ver­fü­gung ste­hen, 2019 des­halb höchs­tens 38 Mil­lio­nen Euro ab­ge­ru­fen wer­den.

Be­son­ders trü­be ist die Bi­lanz bei der För­de­rung des so­zia­len Woh­nungs­baus. [….]
(Der Spiegel, 07.09.2019)

Diese Minister können es einfach nicht.
Man mag Olaf Scholz für dröge und charismafrei halten, aber daß er regieren und verwalten kann, ist angesichts der Unions-Pfeifen ein riesiger Vorteil.
Zum Glück haben die Bundesminister der C-Parteien keine Nukes.

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