Es gab mal eine Zeit, als die GOP-Präsidentschaftskandidatur auf entweder Donald Trump oder Ted Cruz
hinauslief.
Ich plädierte für denjenigen, der schlechtere Chancen gegen
Hillary Clinton haben würde.
Aber es war schwer vorauszusagen welcher der beiden Männer
im unwahrscheinlichen Fall einer Niederlage Clintons der schlimmere Präsident
wäre.
Damals hielt man „Lyin‘ Ted“ noch für einen passenden Spitznamen.
Tatsächlich war Cruz bekannt dafür die Wahrheit eher als Option zu betrachten
und im Parlament zu lügen.
Bill Maher musste sich zwar heftig übergeben, plädierte aber
für Cruz. Dieser wäre mutmaßlich zwar der schlechteste US-Präsident, aber Trump
könnte der letzte Potus sein.
Ich erinnere mich genau an die REAL-TIME-Episode, lachte
natürlich, aber in der Sache war ich anderer Meinung.
Man wußte natürlich schon, Trump war charakterlich völlig
verdorben, ungebildet und gänzlich unqualifiziert. Aber ich nahm an, er würde
schnell das Interesse am Amt verlieren, sehr viel golfen und mangels
politischen Wissens und strategischer Überzeugungen gar nicht viel entscheiden.
Er war schließlich auch mal Demokrat, trieb sich in der
Show-Welt herum und hatte offenbar auch keinen tiefen religiösen Hass auf die
LGBTI, weil ihm die Kirche ebenfalls nichts bedeutete.
Cruz hielt ich damals für gefährlicher, weil er immer ein
religiöser Fanatiker war, der aufgrund seiner tiefen Neocon-Überzeugungen zu
grenzenloser Brutalität fähig wäre. Er würde sich mit seinen völlig ideologisch
durchgeknallten Teebeutlern umgeben, während Trump eher auf reiche Lobbyisten
setzen würde.
Drei Jahre später muss ich zu Kreuze kriechen. Bill Maher
lag doch richtig, ich irrte. Zwar hatte ich Trumps Faulheit und Dummheit
richtig eingeschätzt, aber offenbar habe ich seine Bösartigkeit und Skrupellosigkeit
unterschätzt. Der Mann, der andere im Wahlkampf als Lügner brandmarkte, war
selbst unehrlich, aber 12.000 Lügen nach zwei Jahren im Amt? Damit hätte ich
nicht gerechnet.
Und wer hätte gedacht, daß er so sagenhaft doof ist nicht
einen einzigen Tweet fehlerfrei schrieben zu können?
[…..] Er bricht mit ethischen, politischen und moralischen Normen, wanzt sich
an Autokraten heran, lässt nahe der mexikanischen Grenze Kinder in Käfige
sperren und hält Rassisten für "feine Leute". Er besetzt wichtige
Posten des Staates mit Mitgliedern seiner Familie oder Speichelleckern, fordert
die Inhaftierung politischer Kontrahenten, belügt sein Volk über Beziehungen zu
Russland, behindert die Justiz und lässt einer Pornodarstellerin Schweigegeld
zukommen, um eine Affäre zu verheimlichen. Mehrere Frauen bezichtigen ihn der
sexuellen Belästigung. Wenn er Militärhilfe von fast 400 Millionen Dollar
zurückhält und damit Druck auf die Ukraine ausübt, um einem möglichen
Herausforderer zu schaden, spielt er mit den Sicherheitsinteressen seines Landes.
Es könnte an Hochverrat grenzen. [….]
Ja, natürlich wußten wir vorher, daß Trump ein klassischer
Rassist ist, der keine Schwarzen in seinen Häusern als Mieter wollte, dessen
Vater im KKK unterwegs war.
Aber vor drei Jahren war mir noch nicht völlig klar wie sehr
die Hautfarbe seines Vorgängers seinen psychopathischen Charakter triggert.
Ja, sicher, er würde weiter auf Obama schimpfen und ihn bei
jeder Gelegenheit herabwürdigen.
Dennoch ahnte ich nicht, daß Trump manisch-systematisch im
Nero-Modus alles zerschlagen und verbrennen würde, das auch nur entfernt mit
Obama assoziiert wird. Obamacare? Klar, Iran-Deal? Anzunehmen. Aber IQ45
zerpflückt mit seinen executive Orders jede einzelne Umweltschutz- oder
LGBTI-freundliche Regel, auch wenn es Trumps Agenda gar nichts hilft. Die pure
Bosheit treibt ihn an.
Verglichen mit Trump muss man schon über einen Rechtsausleger
wie Sebastian Kurz froh sein, der heute die Nationalratswahl in Österreich
gewann.
Der ÖVP-Mann und Ex-Bundeskanzler hatte zwar in seiner
Regierungszeit auch seine tiefe Menschenfeindlichkeit und Skrupellosigkeit
bewiesen, indem er gegen Flüchtlinge hetzte und Minister seines Kabinetts Nazi-Vokabular
verwenden ließ.
Aber er dürfte weder ideologisch so fanatisch wie Cruz, noch
charakterlich so destruktiv wie Trump sein.
Kurz ist einfach ein mieses kleines Licht, das selbst an der
Macht sein will.
Mit wem und welcher Agenda ist ihm relativ egal.
Ob er nun mit Grünen oder SPÖ koaliert – beide Optionen
werden für das Land und Europa sehr viel besser als die alte ÖVP-FPÖ-Koalition
sein.
Inhaltsleere ist verglichen mit der puren Destruktivität im Weißen
Haus geradezu ein Jackpot. Wir wissen schließlich wie rechtskonservativ
Österreich gestrickt ist und konnten nicht ernsthaft mit einem guten Kanzler
rechnen.
[….] Der gängigste Vorwurf gegen Sebastian Kurz, den soeben wiedergewählten
österreichischen Kanzler, lautet, er stehe im Grunde für nichts außer für
seinen unbedingten Willen zu regieren. Der quer durchs Land plakatierte Slogan
"Österreich braucht seinen Kanzler" klang geradezu flehend, nachdem
der "b'soffene" Sturz des Koalitionspartners FPÖ auch Sebastian Kurz
vorübergehend von der Macht entfernt hatte.
Das Flehen wurde erhört, ein wesentlicher Teil des Landes hat befunden,
dass es "seinen" Kanzler tatsächlich brauche. Die jüngsten
Enthüllungen über den zweifelhaften Umgang mit Festplatten, Wahlkampfkosten und
Parteispenden haben Kurz jedenfalls zahlenmäßig nicht geschadet. [….]
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