Mittwoch, 11. September 2019

EU-Personal

Das Geschacher um die neue EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen war natürlich nicht elegant.
Außerdem war es Wasser auf die Mühlen der Brüssel-Kritiker, weil eine Chefin auserkoren wurde, die nie zur Wahl stand – und genau das hatte man fälschlicherweise bei der EU-Wahl suggeriert: Die Wähler könnten quasi direkt den Boss wählen.
Andererseits sind die Wähler auch ein wenig verblödet, wenn sie dieser Illusion Glauben schenken.
Die EU ist eben kein Nationalstaat, kein homogenes Gebilde, hat kein einheitliches Wahlrecht und keine EU-weit gültigen Wahllisten.
Die EU ist immer noch in statu nascendi; erst nach den Wahlen wurde darum gerungen in welche Fraktionen die gewählten Parteien eigentlich gehören.
Besonders unappetitlich verfährt dabei traditionell die Europäische Volkspartei EVP, die Rechtsradikale, EU-Feinde, extrem Homophobe und Antidemokraten von der ungarischen Fidesz nicht aus ihren Reihen ausschließen mag, weil das ihre Mehrheit kostete.
Nach der antisemitischen „Anti-Brüssel-Kampagne“ Orbáns ist seine Fidesz bis heute Mitglied der EVP-Fraktion, weil von der Leyen seine Stimmen brauchte.
Jarosław Kaczyńskis rechtspopulistische Prawo i Sprawiedliwość (PiS) schloss sich mittlerweile der offen EU-kritischen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) an, die ebenfalls für von der Leyen stimmten.
Die PiS ist eigentlich so rechtsradikal, daß sie in die Nazi-Fraktion "Identität und Demokratie" (Vlaams Belang, Rassemblement National RN, Wahre Finnen, Lega, AfD, FPÖ,..) gehört, wie es sich der ID-Chef Marco Zanni von der italienischen Lega-Partei wünschte, aber die meisten europäischen Rechtsradikalen sind durch Millionenkredite aus Moskau sehr Russland-hörig. Hier nimmt die traditionell Russland-feindliche PiS eine Sonderstellung ein.

Sich in diesem Sumpf eine Mehrheit für eine EVP-Kandidatin zu suchen, kann nicht elegant sein und so verzeihe ich den europäischen Regierungschefs das Gekungel um von der Leyen, die aufgrund ihrer Verwurzelung in fundamental-christlichen rechtsradikalen Schwulenhasser-Kirchen viele Fürsprecher bei Fidesz und PiS hat.

Mauscheln ist in diesem Fall unumgänglich.
 Schwer zu ertragen ist aber die Personalie von der Leyen an sich.
 Sie hat als Ministerin ihre Unfähigkeit vielfach bewiesen und mit der Finanzierung von evangelikalen „Homo-Heilern“ bewiesen wie weit rechts sie in Wahrheit steht.
Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen reist auf radikal-evangelikalem Ticket und kam mit Stimmen der rechtsextremen Babiš, Orbán und Morawiecki ins Amt, bei denen sie sich auch sofort erkenntlich zeigte, als in ihren Ländern die Rechtsstaatlichkeit weiter abgebaut wurde.

Erbärmlicherweise konnten die EU-Regierungschefs keinen besseren Chef ermauscheln.

Es liegt am heterogenen Konstrukt der EU, daß ihre Kommission nahezu ausschließlich nach Proporz und nicht durch Fähigkeit besetzt wird.
Man kann den Kommissionspräsidenten kaum einen Vorwurf machen, wenn beispielsweise Berlin den am rechten Rand ohne Fachkenntnisse und sprachliche Fähigkeiten herumtrottelnden Günther Oettinger nach Brüssel schickt und darauf beharrt, der Mann müsse deutscher Kommissar werden.
Juncker hatte nicht die Autorität Frau Merkel anzurufen und um einen besseren Deutschen zu bitten, weil damit das sorgsam austarierte Gleichgewicht zerstört worden wäre.
Das EU-Parlament dient in diesem Fall als Feigenblatt, das die Kommissare bestätigen muss. Aber wie will man mit diesen zusammengewürfelten Fraktionen eine klare Linie finden? Zumal die verblödteten Wähler lauter semidebile EU-Hasser ins Parlament schickten mit dem Auftrag alles zu sabotieren. Die 73 ID-Abgeordneten wollen „Stachel im Fleisch“ sein und da sind noch nicht mal die 26 Pis-Parlamentarier und die 29 irren Farage-Brexit-Abgeordneten eingerechnet.
Im Rat der EU herrscht Einstimmigkeitsprinzip; das bedeutet, für jede einzelne Entscheidung braucht man das OK aus Warschau, Budapest und London. Babiš, Orbán, Morawiecki und zu allem Übel jetzt auch noch der irre Johnson haben ein Vetorecht.

Fassungslos starren wir alle auf das Chaos an der Themse, lesen immer mehr desaströse Szenarien über die nahe ökonomische und finanzielle Zukunft.
Kann man diesen irren Brexit nicht doch nicht aufhalten? Sieht es nicht nach der Kaskade der parlamentarischen Niederlagen des PMs schlecht für ihn aus?


Nein, man kann den Brexit nicht aufhalten, da die Hälfte der Briten fanatische Irre sind, die nicht verschwinden würden und erst ihre Lektion durch eine dramatische Rezession lernen müssen.
Außerdem bedeutet eine Brexit-Verschiebung, daß weiterhin der zutiefst verlogene und amoralische Veto-Johnson am Tisch der EU-Regierungschefs säße und den Rest Europas lähmen und chaotisieren würde.
Schließlich muss den Möchtegern-Exit-Nationalisten in Frankreich, Italien und Ungarn gezeigt werden welche fatalen Konsequenzen außerhalb des Handelsdaches EU blühen.


Die gegenwärtige EU ist schon schwierig genug. Es gilt Abstimmungsregeln zu straffen, das Einstimmigkeitsprinzip abzuschaffen und Verstöße gegen EU-Regeln – wie sie beispielsweise Deutschland immer wieder begeht – wesentlich radikaler zu ahnden.
Es muss Schluß damit sein, daß insbesondere osteuropäische Mitglieder europäische Werte wie Pressefreiheit oder Unabhängigkeit der Justiz schliefen können, ohne daß massive Konsequenzen aus Brüssel folgen, weil jede nationale Regierung durch das Veto-Recht Erpressungspotential hat.

Es muss endlich Schluß damit sein, daß Brüssel von einer nationalen Regierung wie zum Beispiel der in Polen gezwungen werden kann Janusz Wojciechowski, 64, PiS ausgerechnet als Agrarkommissar, also als Herr über die größten Geldmassen einzusetzen.
Die EU-Agrarpolitik, die massiv Fluchtursachen schafft, weil zentralafrikanische Länder mit hochsubventionierten EU-Hühnerklein überschwemmt werden. In Ländern wie dem Senegal, wo 80% der Menschen von Landwirtschaft leben, werden die Bauern massenhaft in den Ruin getrieben, weil sie ihre Hirse nicht mehr verkaufen können, weil die EU Billigweizen, der nur 30% der einheimischen Hirse kostet in den Senegal pumpt.
Diesen Wahnsinn soll nun also Wojciechowski weiterführen und dabei für eine PiS-Regierung sprechen, die so radikal wie kaum eine andere Migration (als direkte Folge der EU-Politik) blockiert.

[….] Der Pole Janusz Wojciechowski soll nächster EU-Agrarkommissar werden. Ursula von der Leyen präsentierte heute ihr Team, das sie als künftige EU-Kommissionspräsidentin führen will.
Erwartungsgemäß stellte von der Leyen den polnischen Juristen Janusz Wojciechowski (64) offiziell als ihren Kandidaten für das Amt des EU-Agrarkommissars vor.
Gegen Wojciechowski ermittelt derzeit das Europäische Amt zur Betrugsbekämpfung (OLAF) wegen angeblich falscher Spesenabrechnungen während seiner Zeit als Europaabgeordneter. [….]

Von der Leyen steht in der Schuld der PiS, deren homophoben Positionen sie offenbar ohnehin nahesteht.
Daher belohnt sie Polen mit dem mit Abstand größten EU-Ressort.

Aber auch sonst hat sie kein glückliches Händchen. Gleich vier von ihnen stecken in juristischen Schwierigkeiten.

[….] Bei vier Kandidaten dürften laufende juristische Verfahren einiges an Klärungsbedarf hervorrufen. Bei dem Polen Janusz Wojciechowski könnte es „Unregelmäßigkeiten bei der Erstattung von Reisekosten“ geben, die in seiner Zeit als Europaabgeordneter von 2004 bis 2016 anfielen. Er selbst spricht von einem Versehen, die EU-Antibetrugsbehörde ermittelt.
Auch gegen die Französin Sylvie Goulard gibt es, wie gestern berichtet, eine laufende Ermittlung wegen Betrug, bei denen es um die Vorwürfe der Scheinbeschäftigung geht. Die Rumänin Rovana Plumb steht ebenfalls in der öffentlichen Kritik - wegen Korruption, da sie in ihrem Heimatland an einer Regierungsentscheidung zugunsten einer Firma verantwortlich sein soll.
Weiteren Kandidaten dürfte vor allem ihre Herkunft zum Verhängnis werden. Der Ungar Laszlo Trocsanyi wird sich in der Anhörung vermutlich Fragen zum EU-Strafverfahren gegen sein Heimatland wegen Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien anhören. Der Italiener Paolo Gentiloni soll in Zukunft für die Kontrolle der EU-Haushaltsvorgaben zuständig sein - Kritiker kreiden an, dass solch ein Posten nicht aus dem hochverschuldeten Italien besetzt werden solle.
Ein letzter Wackelkandidat ist Margaritis Schinas aus Griechenland, dessen Posten unter dem Titel „Unseren europäischen Lebensstil schützen“ läuft. Im Hinblick auf die Abschottungstendenzen der EU in Richtung Mittelmeer gab es für diese Besetzung Kritik von Grünen und Sozialdemokraten. [….]

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