Offensichtlich gibt es im Jeder-kommuniziert-mit-jedem-Zeitalter
nur noch einen Maßstab für menschliches Glück. Die Verpaarung.
Wer auf RTL nicht vor der Kamera kopuliert und ohne
Rose/Partnerin/Krawatte bleibt, ist der Loser. Hat verloren. Muss in Schimpf
und Schande den Kegel der Aufmerksamkeit verlassen.
Der Wert eines Menschen bemisst sich heute an seinem
Beziehungsstatus, der weltweit abrufbar in den sozialen Medien als Monstranz präsentiert
wird.
Und die subhumanen Rudimente, die durchs Paarungsraster
fielen, sammeln sich schließlich in Depressions-Facebook-Gruppen, in denen sie
alle Varianten der Wein-Emojis durchdeklinierend ihre Einsamkeit beklagen.
Stets von anderen Einsamen bedauert, die ihnen versichern, der oder die
Richtige warte noch auf sie. Nicht aufgeben, kämpfen.
Der Paarungs-Popanz zeigt sich schon in unserer drastischen
Sprache. Wenn sich jemand scheiden lässt, gilt seine Ehe als gescheitert.
Das ist nicht weit entfernt von „die Person ist gescheitert, das Leben ist
gescheitert“.
Ein sagenhafter Unsinn, der Paarungen nur quantitativ misst.
Vor 100 oder 200 Jahren scheiterten fast gar keine Ehen. Das lag aber weniger
an den harmonischen Partnerschaften, als an der Rechtlosigkeit und
Mittellosigkeit der Frauen, der gesellschaftlichen Ächtung.
Der Gatte konnte seine Angetraute verprügeln, vergewaltigen
ohne daß sie die Möglichkeit gehabt hätte zu entkommen und so bis zum bitteren
Ende bei ihm blieb. Das waren die glücklichen Ehen in der Zeit ohne Scheidungen.
Im 21. Jahrhundert haben Frauen gleiche Rechte und immerhin
wurde vor gut 20 Jahren gegen die überwältigende Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion
auch Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt.
Ginge es nach Merkel, Seehofer und Co hätten Männer immer
noch das Recht gewaltsam Geschlechtsverkehr einzufordern. Die Zeiten sind aber
wegen der Linksgrünversifften vorbei.
Wird die Ehe zur Hölle, kann man, kann aber auch Frau gehen.
Da sich Menschen weiter entwickeln können Paare sich aber
auch friedlich und in völliger Übereinstimmung trennen. In meiner Jugend
wunderten sich meine Freunde noch darüber, wenn mein Vater zu Besuch war und
den Tag lachend mit meiner Mutter verbrachte. Schließlich waren die beiden
geschieden und hatten neue Partner.
Damals galt Scheidung noch als Makel und wenn es dennoch
passiert war, hatte man sich dafür auch gegenseitig zu hassen. Meine Eltern
pflegten zu sagen, sie hätten sich getrennt, bevor der Hass kam und so hatte
ich immerhin in der Hinsicht eine harmonische Kindheit.
Inzwischen werden Scheidungskinder nicht mehr diskriminiert
und immer mehr Menschen gehen entspannt mit ihren Exen um.
Eine Ehe ist eben nicht gescheitert, weil es irgendwann eine
Trennung gab. Meine Mutter hat das vehement bestritten. Es war eine
Liebesheirat und es waren wundervolle Jahre, so lange es dauerte. Es war also
nicht nur keine gescheiterte, sondern eine erfolgreiche Ehe. Man kann auch
mehrere erfolgreiche Ehen führen oder aber völlig gescheiterte Ehen führen, die
nie geschieden werden und bis zum Tode andauern.
Unser vernünftigerer Umgang mit dem Thema liegt einerseits
natürlich am begrüßenswerten Schwinden des kirchlichen Einflusses.
Wieviel Elend und Kummer haben Pfaffen durch ihre „bis daß
der Tod euch scheidet“-Ideologie in die Welt gebracht. Welch brutalen
Druckhaben sie durch die Einstufung des Ehebruchs als Todsünde auf
Abermillionen Frauen ausgeübt? Wie brutal und herzlos ist eine christliche
Ideologie, die bis heute Geschiedene ächtet? Die Scheidung als Kündigungsgrund
und Kommunionsausschlussgrund ansieht? Welche Schuldgefühle und unerträglichen
Gewissensbisse haben sie Milliarden Gläubigen durch ihren Sex-nur-in-der-Ehe-Wahn
aufoktroyiert?
Die zölibatären Geistlichen sind Sadisten und sollten schon
allein wegen ihres Eheterrors für immer Berufsverbot bekommen.
Glücklicherweise werden Pfaffen immer mehr ignoriert.
Jugendliche masturbieren nach Herzenslust, ohne unter Scham und
Angst zu leiden. Erwachsene genießen Sexualität und Erotik vor, während und
nach der Ehe – ganz ohne daß sie der Todesblitz aus dem Götterhimmel trifft.
Beziehungen in Großstädten wie Hamburg sind aber nicht nur
wegen der geschrumpften Kirchen volatiler, sondern schlicht und ergreifend,
weil wir es uns finanziell leisten können.
Der eingangs beschriebene Verpartnerungswahn auf allen
Ebenen ist auch ein Werbekonstrukt. Eine Hoax.
Nur sehr wenige öffentliche Personen trauen sich gegen das
Single-Tabu zu argumentieren. Ein löbliche Ausnahme ist die großartige Anja
Rützel mit ihrem Buch „Lieber allein als gar keine Freunde“.Wenige
trauen sich das. 99% der Multiplikatoren frönen dem Paarungsleitbild.
Ein Bild, daß offenbar insofern nicht stimmt, als bei finanziellen
und räumlichen Möglichkeiten die Menschen nach Individualität und Alleinsein
streben. In Hamburg und anderen Millionenstädten erreicht die Zahl der
Single-Haushalte die 50%-Marke. Warum? Weil es möglich ist und man nicht mit
anderen zwangsweise zusammenwohnen will, wenn man es sich auch leisten kann
sein eigenes Apartment zu haben.
Als meine Eltern schon sehr alt und pflegebedürftig waren,
hatte ich einen gewaltigen Grocery-Shopping-Jour Fix eingerichtet. Da lud ich mein
Auto bis unters Dach voll, sortierte stundenlang von Waschmittel über Yoghurt
bis zu Zeitschriften alles in Beutel unterschiedlicher Farben und klapperte
dann drei Haushalte ab – meinen Vater, meine Mutter und schließlich meinen.
Fast jedes Mal, wenn ich die Einkäufe zu meiner Mutter
hochschleppte, telefonierte sie gerade mit meinem Vater. Der hatte nämlich als
Geront das Kochen für sich entdeckt, saß über den vielen Tüten mit Obst, Gemüse
etc, die ich angeschleppt hatte und rief dann meine Mutter an, um sich Tipps
und Erklärungen geben zu lassen, wie man beispielsweise Rosenkohl zubereitet.
Das Gedächtnis war nicht mehr so toll und so brauchte es in der Regel vier,
fünf Anrufe bis er alles verstanden hatte.
Einmal sagte ich scherzhaft zu meiner Mutter „da Ihr
sowieso alles besprecht, wie wäre es, wenn er einfach wieder bei Dir einzieht?
Das würde mir als Einkäufer das Leben erheblich erleichtern!“
Ihre Gesichtsfarbe wechselte in sehr ungesundes Grün und sie
versprach mir in dem Fall sofort aus dem Fenster (im sechsten Stock) zu hüpfen.
Nach über 50 Jahren führten sie nämlich immer noch eine gute
Beziehung, sie mochten sich, aber eben unter der Voraussetzung, daß jeder sein
eigenes Leben führte und daher natürlich auch seine eigene Wohnung hatte.
Addierte man die Kosten für Heizung, Telefon,
Versicherungen, Miete, Lebensmittel aller drei Haushalte (Vater, Mutter, ich),
wäre man auf eine verdammt hohe Summe gekommen. Zwei von drei Autos hätten
abgeschafft werden können. Ganz zu schweigen von den reinen Pflegekosten, die
aufliefen. Natürlich hätten wir sehr viel billiger in einer gemeinsamen Bude
leben können und zu anderen Zeiten hätten wir das auch machen müssen, weil es
entweder finanziell nicht anders gegangen wäre oder nicht genug Wohnraum
gegeben hätte.
Singledasein ist Luxus. Kann aber auch der Schlüssel zu
Glück und Frieden sein.
Hamburg wird in 20 bis 30 Jahren die
2-Millionen-Bewohner-Marke erreichen. Nach 50 Jahren des Schrumpfens wachsen
wir seit einigen Jahren stark
Zuletzt gab es 1964 so viele Einwohner wie jetzt – 1,85
Millionen.
Erstaunlich, denn ob der unzähligen Baumaßnahmen hält jeder
Hamburger des Jahres 2020 die Stadt für so voll und eng wie nie. Macht sich
Sorgen um Wohnraum, Parkplätze und Segregation.
Platzen wir aus allen Nähten?
Aber der Eindruck täuscht gewaltig. Vor einem guten halben
Jahrhundert war Hamburg doppelt so voll – pro Quadratmeter gerechnet.
Die gewaltigen Neubaugebiete Osdorfer Born (1967-72), Steilshoop (1969) und
Mümmelmannsberg (1970-79) wurden mit ihren an die 40.000 Wohnungen erst später
gebaut.
[…..] Anfang der 60er Jahre ging es Hamburg längst wieder richtig gut. Das
zeigte sich auch an den Geburtenzahlen. Es wurden 27.738 Kinder geboren. Heute
sind es nur 21.126 Jungen und Mädchen, die in der Stadt zur Welt kommen.
[…..] Auch wirtschaftlich brummte es. […..] Aber die Menschen mussten sich auf viel engerem Raum zusammenquetschen.
Denn es gab 1964 rund 50 Prozent weniger Wohnungen. Während heute jeder
Hamburger im Schnitt rund 40 Quadratmeter zur Verfügung hat, waren es in den
60er Jahren laut Statistikamt nur 20 Quadratmeter. Heute leben aber auch
doppelt so viele Menschen wie damals allein. Und sie haben größere Wohnungen.
[…..]
1964 war das Boom-Jahr in Hinsicht auf die Hamburger Bevölkerung. Nie
war die Stadt größer – doch sie schrumpfte bereits im Laufe des Jahres langsam.
In den 70er Jahren dann zogen deutlich mehr Menschen raus aus der immer
lauteren, engeren Stadt ins Umland. Heute wächst Hamburg wieder seit Jahren,
zuletzt auch wegen der Flüchtlinge, die in die Stadt gekommen sind. […..]
Wäre der Verpartnerungswahn so groß wie uns suggeriert wird,
würden wir so gerne in Gemeinschaft leben, könnten wir wieder zusammenrückten
wie 1964. Dann stünden auf einen Schlag hunderttausende Wohnungen leer.
Der menschliche Instinkt geht aber in eine ganze andere
Richtung – wir streben auseinander, nach Freiraum.
40 Quadratmeter pro Nase sind eine Menge, wenn man bedenkt,
daß immerhin die knappe Hälfte der Haushalte mehre Köpfe zählen.
Vater, Mutter, Sohn – das macht 120 Quadratmeter.
Eine Familie mit drei Kindern teilt sich in Hamburg
statistisch 200 Quadratmeter.
Das ist – zumindest aus der Sicht von 1964 – eine Menge Platz!
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