Die
Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress drehen sich selten.
Senatorenkandidaten brauchen gewaltige finanzielle Mittel um eine staatenweite
Kampagne loszutreten und die Wahlbezirke des „House“ werden laufend so grotesk
neu geschnitten, daß sie in der Regel nur aus Hochburgen einer Partei bestehen.
[…..]
Gerrymandering […..] ist ein politikwissenschaftlicher Begriff,
der die Manipulation von Wahlkreisgrenzen in einem Mehrheitswahlsystem
bezeichnet, um die eigenen Erfolgsaussichten zu maximieren. Ein reines
Verhältniswahlrecht schließt Gerrymandering aus. Der Begriff ist ein Kofferwort
aus Gerry und Salamander: Elbridge Gerry, ein Gouverneur von Massachusetts,
hatte seinen Wahlbezirk im frühen 19. Jahrhundert so zugeschnitten, dass er –
wie ein zeitgenössischer Zeitungskarikaturist bemerkte – einem Salamander glich.
[…..]
Da
Republikaner grundsätzlich eine deutlich größere Neigung zu Mauscheleien und
unfairen Methoden haben, wirkt sich das Gerrymandering zu ihren Gunsten aus.
[….]
Was an Tiersilhouetten erinnert, sind in
Wirklichkeit Wahlkreise mit bizarren Formen. Ihre Grenzen wurden gezogen, um
die Wähler der einen Partei zu verzetteln und jene der anderen Partei so zu
bündeln, dass ihre Kandidaten fast sicher siegen. In letzter Zeit sind die
Benachteiligten meist Demokraten, die Sieger Republikaner. [….][….] Hintergrund ist, dass die Demokraten im
Gerrymandering einen der Hauptgründe dafür sehen, dass die Republikaner derzeit
den Kongress dominieren. Experten pflichten ihnen bei: Das Brennan Center for
Justice an der New York University veröffentlichte im Mai eine Studie, in der
es heisst, die Republikaner besässen dank Gerrymandering im Repräsentantenhaus
einen Vorsprung von 16 oder 17 nahezu sicheren Sitzen. Die Autoren der Studie
schreiben, die Bedrohung der Demokratie sei «real und alarmierend». Eine andere
Studie kommt zum Schluss, dass die Republikaner aufgrund von Gerrymandering gar
22 Sitze im Repräsentantenhaus mehr eroberten, als ihr Wähleranteil es
zuliesse. [….]
Mit
Demokratie hat das wenig zu tun, sondern ausschließlich mit parteitaktischen
Machtinteressen.
Die
derart massakrierten Bezirke wählen dadurch immer dieselbe Partei, so daß 99% der
zur Wiederwahl antretenden Kandidaten tatsächlich bestätigt werden.
[….]
Es gibt viele Wege, Wahlen zu gewinnen.
Der legitime und gerechte ist: Man lässt das Wahlvolk abstimmen und bildet ein
Parlament gemäß der Stimmanteile. Am anderen Ende des Spektrums liegt der
klassische Wahlbetrug. Man fälscht Stimmzettel, lässt Urnen verschwinden,
besticht Wähler oder schüchtert sie ein. Ersteres nennt sich Demokratie.
Letzteres irgendetwas zwischen Autokratie und Unrechtsstaat. Dazwischen gibt es
einen Graubereich, in dem zwar gewählt wird, aber die Wahlkreise zuvor hübsch
passend gemacht werden. Anfällig hierfür sind Abstimmungen nach dem sogenannten
Mehrheitswahlrecht, in denen einzelne Wahlbezirke je einen Abgeordneten ins
Parlament entsenden. Anders als bei Verhältniswahlen kann dies zu beträchtlichem
Gezerre führen, wenn, wie bei den Kongresswahlen in den USA üblich, die
Wahlbezirke regelmäßig neu zugeschnitten werden. [….] Doch wie können Parteien aus der Grenzziehung der Wahlbezirke Kapital
schlagen? Der Trick ist einfach: Man überlässt dem politischen Gegner einige
Bezirke, in denen dieser mit überwältigender Mehrheit siegt, mit 70, 80 oder
mehr als 90 Prozent der Stimmen. Gleichzeitig sorgt man dafür, dass die eigene
Partei in möglichst vielen weiteren Bezirken mit knapper Mehrheit gewinnt. Im
Extremfall kann es dann sein, dass der politische Gegner den "popular
vote" gewinnt, also die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen im gesamten
Wahlgebiet, aber weniger Abgeordnete ins Parlament entsenden darf.
Big-Data-Methoden helfen zusätzlich, um die Trickserei mit Bezirksgrenzen zu
optimieren. [….] Exzessive
Wahlkreis-Schnippelei ist ein Grund, warum die USA in einem weltweiten
Demokratie-Index, den Spitzenuniversitäten wie Harvard und Cambridge ermitteln,
nur auf Platz 55 von 158 Nationen landet. Es ist der niedrigste Rang unter den
westlichen Demokratien. [….] 2012
errangen die Demokraten in North Carolina in drei der vier gewonnenen
Wahlkreise mehr als 74 Prozent der Stimmen. In den neun verlorenen Wahlkreisen
unterlagen die Kandidaten der Demokratischen Partei vergleichsweise knapp, mit
Stimmanteilen zwischen 36 und 46 Prozent. Erdrutschartige Siege in einigen
wenigen districts, knappe Niederlagen in vielen anderen - das sind die Symptome
des Gerrymandering. […..]
Vor
diesem Hintergrund ist es verständlich wieso die GOP so hartnäckig ihre
Mehrheit im House verteidigt. Sie kann die meisten Sitze gar nicht verlieren.
Eigentlich.
Uneigentlich
haben sie aber derzeit einen derart grotesk lügenden Präsidenten, daß er bei Wahlkampfveranstaltungen seiner Partei auch absolut sichere Republikaner-Hochburgen schleift
und demokratischen Kandidaten zum Sieg verhilft.
Unfassbar,
aber wahr, die Demokraten stellen im konservativsten Bundesstaat überhaupt –
Alabama – inzwischen sogar den US-Senator.
(…..)
Im „redest of the red states“, dem ultrakonservativen Alabama, der den nahezu
rechtsradikalen Jeff Sessions 1996, 2002, 2008 und 2014 mit klarer Mehrheit zum
US-Senator wählte – zuletzt ohne Gegenkandidaten mit 97% - war nichts weniger
als eine Revolution passiert.
Und
dabei hatte sich Donald Trump alles so schön ausgedacht.
Jeff
Sessions, 70, zum Justizminister zu machen, hatte aus seiner Sicht viele
Vorteile.
Sessions
ist rechts, weiß, alt und reich wie er.
Sessions
sympathisiert mit dem KuKuxKlan.
Sessions
ist so radikal konservativ, daß er deswegen schon als Bundesrichter abgelehnt
wurde.
Sessions
ist bedingungslos Trump-treu.
Sessions
ist in einem Staat gewählt worden, der garantiert wieder einen rechten GOPer in
den Senat schickt, wenn durch seinen Wechsel ins Justizministerium eine
Nachwahl notwendig wird.
Das
letzte mal wurde vor einem Vierteljahrhundert ein Demokrat in Alabama gewählt –
und der wechselte nach zwei Jahren über zu den Republikanern.
Angeblich
holte das DNC letztes Jahr die fünf besten Wahlkampfstrategen der USA zu einem
Brainstorming zusammen, um sie einen Weg ausbrüten zu lassen, wie Demokraten in
Alabama gewinnen können.
Die
fünf Megastrategen kamen zu dem Schluss, es wäre unmöglich für die Demokraten
auf Staatsebene in Alabama zu gewinnen.
Aber
wie es scheint haben Steve Bannon und Roy Moore doch einen Weg gefunden.
Großartige
Leistung!
[….]
Nun hat das Volk tatsächlich gesprochen -
und Trump eine bittere Niederlage beschert. Die Republikaner verlieren
ausgerechnet in ihrer alten Hochburg Alabama bei der wichtigen Senatsnachwahl
gegen die Demokraten. Der stramm konservative Ex-Richter Roy Moore, Trumps
Kandidat, scheitert spektakulär, auch wenn er sich zunächst weigerte, die Niederlage
anzuerkennen.
Zum ersten Mal seit 25
Jahren wird wohl ein Demokrat für Alabama in den Senat in Washington einziehen,
der frühere Staatsanwalt Doug Jones. Letzte Hochrechnungen sehen ihn mit 49,9
zu 48,4 Prozent vor Moore.
[….]
(Roland Nelles, SPON, 13.12.17) (…..)
Vorgestern
passierte im 18. Wahlbezirk von Pennsylvania erneut so ein politisches Wunder.
[….]
Wie schlecht die Wahlnacht in
Pennsylvania für die Republikaner und ihren Kandidaten Rick Saccone verlaufen
ist, lässt sich an den Erklärungen erahnen, die sie am Tag danach verbreiteten.
"Er hätte den Schnauzer rasieren sollen", sagte ein Parteistratege in
der konservativen Zeitung Washington Examiner: "Es ist ein
Porno-Schnauzer." Der Direktor einer republikanischen
Wahlkampforganisation sagte: "Das wäre alles nicht passiert mit einem
Kandidaten, der gleichzeitig gehen und Kaugummi kauen kann."
Diese Aussagen gehören
zum Spin nach einer Wahl, die für die Republikaner zur Demütigung wurde. Der
Vorsprung des demokratischen Kandidaten Conor Lamb betrug zwar nicht einmal 700
Stimmen, doch für Lamb genügte das, um sich bereits in der Nacht zum Mittwoch
zum Sieger dieser Nachwahl ins Repräsentantenhaus zu erklären. [….] In einem Wahlkreis wie diesem
hätte es für die Republikaner gar nicht so knapp werden dürfen. Donald Trump
siegte hier in der Präsidentschaftswahl mit 20 Punkten Vorsprung, und der
Abgeordnete, der den Bezirk im Rostgürtel bisher vertrat, hatte in den beiden
vergangenen Wahlen nicht einmal einen Herausforderer - so klar republikanisch
ist diese Gegend. [….]
[….]There are dozens of seats currently held by
Republicans that are less friendly for their side than Pennsylvania's 18th. If
all of those seats are made competitive by Trump's unpopularity -- and the
energy of the Democratic base -- then we are looking at the possibility at
least of a very large Democratic wave building in advance of the November vote.
[…..]
Trump
vergiftet das politische Klima so extrem, daß Dutzende GOPer überlegen lieber
gar nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten, um sich die Demütigung bei den
Midterms im Herbst dieses Jahres zu ersparen. Unfassbare 119 GOP-Sitze sind in Gefahr an die
Demokraten zu fallen.
Der Potus
ist so toxisch, daß sich seine Parteifreunde lieber zum Sterben zurückziehen,
statt den Mut aufzubringen öffentlich gegen ihn aufzutreten.
[….] 23 Republicans Retiring
4 Republicans Resigned/Resigning
12 Republicans Running for another office
[….] The
possibility of another slew of Republican retirements -- in addition to the 38
already heading for the exits -- is now very real. Not every retirement is
created equal, but if suburban Republicans -- especially in Pennsylvania and
New York -- decide to call it quits in the face of a strong wind blowing in
their faces, the chances for Democrats to win the 24 seats they need to retake
the majority goes up, up, up. [….]
Man
denkt unwillkürlich an Trumps ersten Pressesprecher Dean Spicer, der sich in
einem Busch versteckte, um nicht auf Fragen antworten zu müssen.
Bloß weg
aus der präsidentiellen Umgebung.
[….]
Am 6. November wählen die Amerikaner ein
neues Parlament. [….] Können die Republikaner im November ihre
Mehrheit im Kongress verteidigen, dann wäre das ein Triumph für den
Präsidenten, dann könnte Donald Trump ungebremst weiterregieren.
Gewinnen hingegen die
Demokraten, dann ergeht es Trump wie einem Öltanker, der gegen eine felsige
Küste rauscht. Ein harter Ruck, reißender Stahl, Schiffbruch. Dann könnte
wieder Nancy Pelosi die Macht im Abgeordnetenhaus übernehmen, Trumps vielleicht
gefährlichste Gegnerin. In einem schwarzen Kleid saß sie vor einigen Wochen im
Plenarsaal, als der Präsident dort seine Rede zur Lage der Nation hielt,
Verachtung und Wut im Gesicht. Gut möglich, dass Pelosi dann ein
Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleitet. Eine Niederlage im November
könnte für Trump ein "Impeachment" bedeuten. [….] Für die Demokraten ist die Rechnung einfach: Im Moment haben sie 194
Sitze im Abgeordnetenhaus. Um die Mehrheit zu erobern, brauchen sie im November
einen Nettozugewinn von 24 Sitzen. 24 Sitze von 435. Darum geht es. Daran hängt
die Präsidentschaft von Donald Trump.
Die meisten Prognosen
sagen voraus, dass die Demokraten die Hürde schaffen werden. […..]
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