Das ist
wie so vieles eine Folge der inzestuösen Informationsblasen, in denen wir jetzt
alle leben.
Wir sind es gewöhnt, daß man uns zustimmt, verachtet diejenigen, die ganz anders denken und erwartet von anderen nach unseren Regeln zu spielen. Tun sie das nicht, werden sie ignoriert, blockiert, denunziert, gemeldet oder auch bekämpft.
Wir sind es gewöhnt, daß man uns zustimmt, verachtet diejenigen, die ganz anders denken und erwartet von anderen nach unseren Regeln zu spielen. Tun sie das nicht, werden sie ignoriert, blockiert, denunziert, gemeldet oder auch bekämpft.
In
meiner Facebookwelt gefällt jedem die Musik, die ich mag.
Die
Freundschaftsanfrage des Typs mit der Gabalier-Vorliebe und den
Helene-Fischer-Songs würdige ich erst gar keiner Überlegung.
Das
Internet macht es möglich; trotz Globalisierung und rasant fortschreitender
Diversität wird das direkte Umfeld immer homogener.
Insbesondere werden aber die Meinungen in diesen Mikrowelten immer homogener, weil erstens das Gatekeeping des klassischen Journalismus an Bedeutung verliert, zweitens die Anonymität des Internets alle Hemmungen fallen lässt und drittens der Zerfall der Gesellschaft lauter kleine Echokammern hervorbringt, in denen man sich ständig überbietet.
Insbesondere werden aber die Meinungen in diesen Mikrowelten immer homogener, weil erstens das Gatekeeping des klassischen Journalismus an Bedeutung verliert, zweitens die Anonymität des Internets alle Hemmungen fallen lässt und drittens der Zerfall der Gesellschaft lauter kleine Echokammern hervorbringt, in denen man sich ständig überbietet.
Seit
Parkland lese ich wieder in alle drei Minuten von der ungeheuren Macht der NRA,
den drei Millionen Dollar, mit denen sie den lokalen Senator Marco Rubio kaufte, oder auch den dreißig Millionen,
die sie in die Trumpkampagne investierte. Mit dem Erfolg, daß sich Trump stets
als größter Waffenfreund überhaupt präsentierte und bei jedem Auftritt
pathetisch prahlte wie sehr er das Second Amendment liebe.
Im
Trump-Mikrokosmos existieren keine NRA-Kritiker. Die tödlichste
Lobbyorganisation der Welt mit ihren fünf Millionen Mitgliedern erscheint
tatsächlich übermächtig und unüberwindbar. GOP-Politiker werden nicht wiedergewählt,
wenn sie es wagen den völlig grotesken Wayne LaPierre zu kritisieren.
Zöge man die Blende nur ein kleines bißchen weiter auf, bemerkte man, daß in Amerika 330 Millionen Menschen wohnen, von denen gerade mal 1,5% NRA-Mitglieder sind.
Zöge man die Blende nur ein kleines bißchen weiter auf, bemerkte man, daß in Amerika 330 Millionen Menschen wohnen, von denen gerade mal 1,5% NRA-Mitglieder sind.
Wenn in
der zuletzt von einem der üblichen US-Schoolshootings betroffenen Stoneman
Douglas Highschool nicht zufällig ein paar extrem eloquente, medientaugliche
und kluge Schüler wären, würde man im Raumschiff Washington weiterhin glauben,
die 1,5% der NRAler wären die große Mehrheit der Amerikaner.
Emma Gonzales gegen Dana Loesch, David
Hogg gegen die Verschwörer und Ryan Deitsch, der sagte was er von seinem
Gouverneur hält, nämlich nichts, sind erstaunlich effektiv.
Solche
Infoblasen-Überlappungen sind selten.
Mächtige
NRAler, die sich mit unzufriedenen Teenagern rumärgern müssen sind unüblich.
Man
begibt sich nicht ins „Feindeslager“, bleibt in seiner Comfort Zone.
Mopo-Kolumnist
Harald Stutte schrieb gestern in seinem Leitartikel etwas, das sicher von der
riesigen Mehrheit der Deutschen, die sich über Russlands Präsidenten echauffieren,
unterschrieben würde: Putin spielt nicht nach unseren Regeln, ist nicht
zuverlässig, also dürfen wir mit ihm (Putin ist inzwischen zum Synonym für die
Russen, den Kreml und Russland geworden) nicht paktieren.
[….]
Ja, eine Partnerschaft mit Russland ist
wünschenswert und auf lange Sicht existenziell wichtig. Bedingung dafür ist
Fair Play – von beiden Seiten. Putin wirbt nicht um Partnerschaft. Anders als
die Sowjets bietet er keine gesellschaftliche Alternative an. […]
(Mopo,
02.03.2018)
Klingt
irgendwie nett. Natürlich möchte man Partnerschaften, bei denen Fair Play gilt.
Aber
Stutte ist, wieder einmal, auf dem Holzweg. Denn Fair Play spielt in der
Realpolitik keine Rolle. Es ist keine Diplomatie nur mit den netten fairen
Leuten zu sprechen, mit denen man ohnehin übereinstimmt.
Diplomatie
ist es einen Modus Vivendi mit denen zu finden, mit denen man radikale
Meinungsunterschiede hat. Mit den Arschlöchern zu kommunizieren, mit den
Feinden zu verhandeln, mit den Staaten zu verhandeln, die einen hintergehen und
unfair behandeln.
Wir
können uns im Gegensatz zu dem was Stutte glaubt, nämlich nicht aussuchen wer
das größte Land der Erde regiert.
Stutte ist dem gleichförmige-Blasen-Gift erlegen. Wir spielen nicht mit denen, die wir nicht mögen.
"In der
internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht
um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im
Geschichtsunterricht erzählt."
(Egon
Bahr am 3. Dezember 2013)
Die
GWB-Administration, von der man vor Trump dachte, sie wäre für immer die
schlechteste US-Regierung aller Zeiten, begriff diese Basics auch nicht.
Die USA
unter Bush-Junior stellen die Gespräche mit dem Iran, mit dem Irak, mit
Nordkorea ein. Als am 12.09.2001 Teheran seine umfassende offizielle und geheimdienstliche
Hilfe anbot um die WTC-Täter zu fassen, lehnte Washington barsch ab. Von „denen“
wollte sich die im Stolz so verletzte Nation nicht helfen lassen.
Rumsfeld
und Cheney teilten die Welt in Freunde und Gegner. Mit den Gegnern sprachen sie
nicht mehr.
Ein
katastrophaler Fehler, der die Welt in Flammen setzte.
Das
diametrale Gegenteil wäre richtig gewesen – man hätte die diplomatischen Kanäle
zu den Kritikern der US-Politik weit öffnen und nicht schließen müssen.
Deniz
Yücel ist frei, weil Gabriel und Schröder mit den Typen in Ankara gesprochen
haben, mit denen keiner sprechen will und deren Politik man zu 100% ablehnt.
Diplomatie
ist es, sich nicht kaufen zu lassen, keine schmutzigen Deals einzugehen und
dennoch etwas zu erreichen. Schröder ging mit Merkels Rückendeckung nach Ankara
und lehnte Erdogans Forderung nach Auslieferung geflohener türkischer Offiziere
ab. Aber er ging eben doch die diplomatischen Schritte, die mit Yücels
Freilassung bewirkten.
[….]
Es ist Zeit, angesichts einer Politik militärischer
Drohungen und wirtschaftlicher Sanktionen die friedliche Konfliktbewältigung
mithilfe der Diplomatie zu loben.
Wie schnell heute die Freude über die Freilassung von Deniz Yücel bei
einigen verhallt: Noch am Tag seiner glücklichen Heimreise stellen sie
den diplomatischen Erfolg unter Generalverdacht. Es ist geradezu
erbärmlich, wie die „Teestunde“ von Goslar diffamiert wird, dieser Versuch
Gabriels, mit einer Geste der Gastfreundschaft gegenüber seinem türkischen
Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu das Eis zu brechen. Einen Außenminister, der
sich nur mit denen trifft, die gleicher Ansicht sind, kann man sich sparen.
Welche Wege war Brandt gegangen, um den Ost-WestKonflikt zu entspannen? 1970 fuhr
er nach Moskau zu Leonid Breschnew, einem Diktator, der den Prager Frühling
hatte niederschlagen lassen. In seiner Nobelpreisrede erklärte
Brandt später, es gehöre zu den Härten im Leben eines Regierungschefs,
„dass er nicht immer alles sagen darf, was er denkt; dass er, um des Friedens
willen, seinen Gefühlen nicht immer freien Lauf lassen kann“.
Im Westen hat die Union die Ostpolitik angefeindet. Für uns im Osten
war sie die einzige reale Hoffnung auf Änderung, auch wenn es manchmal
Schmerzen bereitete, wenn DDR-Machthaber die westliche Besuchsdiplomatie
als Zugeständnis im Systemwettlauf deuteten.
Eine Bundesregierung bekommt nichts, ohne dafür etwas zu bieten, weder
damals noch heute. Schon die DDR kannte deren Finanzkraft. Sie erhielt
meist Geld dafür, Häftlinge in den Westen zu entlassen. Und sie durfte
auf eine symbolische Aufwertung ihrer Regenten hoffen. Konflikte wurden
so entschärft, man nennt es auch Realpolitik. Hätte der Westen mehr erreicht,
wenn er laut von Regime-Change getönt hätte?
Eine Regierung hat keinen Rechtsanspruch auf Vertrauen. Aber es gibt
auch keinen Grund, Diplomatie unter Generalverdacht zu stellen.
Brandt warnte vor den „Verbalisten“, die auf Standpunkten beharrten,
aber nichts erreichten. Politik dürfe nicht mit Juristerei verwechselt
werden. Der Kreml sei kein Amtsgericht.
Dieser Satz gilt auch heute für den Kreml, leider auch für Ankara und
womöglich bald für Budapest und Warschau. Ob Sanktionen der Demokratie
zum Durchbruch verhelfen? [….]
(Stefan Berg, DER SPIEGEL, Heft 08/2018)
Trumps
Hau-Drauf-Rhetorik gefällt seiner Base, hilft aber politisch nicht weiter.
Wir
müssen uns stattdessen mit denen arrangieren, die wir nicht mögen.
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