Dienstag, 6. März 2018

Weichenstellungen für die Zukunft

Vorbemerkung:

Hier läuft einiges noch nicht ganz rund; ich weiß nicht, ob ich das Tilidin oder das Kaspersky überdosiert habe. Morgen früh um 8.00 Uhr (so ein Mist; gerade hatte ich mich vom abartigen Krankenhaus-Tagesnacht-Rhythmus wieder auf meinen gewöhnlichen Vampir-Rhythmus zurückgeschlafen) invasiert hier ein Techniker von meinem neuen lokalen Telefon/Internet-Anbieter, bringt eine Luxus-Fritzbox mit und klemmt mich an ein Hochleistungs-Glasfaserkabel.
O2 verließ mich in meinem schweren Stunden der letzten Februartage, während ich Metallstreben ins Bein gehämmert bekam. Kein Mitleid, diese Typen.
Nun nerven sie aber umso hartnäckiger mit dem Begehren ihre beiden O2-Boxen zurück geschickt zu bekommen.
Mal ganz abgesehen davon, daß die meine postoperative Mobilität völlig falsch einschätzen, wenn sie mutmaßen, ich könnte jetzt wie ein Frettchen unterm Schreibtisch umherkriechen und all die Kabel entwirren, wäre es ganz schön gewesen diese kommunikativen Enthusiasmus in all den Wochen erlebt zu haben, als ich immer wieder offline war und man mir in der O2-Serviceline bedeutete doch bitte ein paar Tage später wieder anzurufen, wenn nicht gerade so viele Störungen anlägen.

Als Nicht-IT-Mensch kann ich immer wieder nur staunen, wieso diese Neuland-Dinge, also Exotisches wie Internet, WLAN oder Mobiltelefon, immer noch so ein Riesenproblem in Deutschland sind.
Müßte es nicht eine Möglichkeit geben, zumindest in Großstädten, online gehen zu können, ohne sich vorher aus Gram um die wochenlange Wartezeit alle Haare auszureißen?
Wäre es nicht technisch irgendwie möglich eine Internetverbindung bereist gestellt zu bekommen, ohne vorher Jahrelang Informatik studiert zu haben?
Wieso wird das immer schwieriger?
Als ich mein erstes Notebook bekam, klappte ich das Ding auf, daddelte ein Stündchen in dem Menu herum, lud ein gängiges Sicherheitsprogramm herunter und konnte alle Funktionen nutzen.
Mein aktuelles Notebook hingegen ging erst einmal an einen Spezialisten, der zwei Tage „Einstellungen“ vornahm, unter anderem ein sinnigeres Laufwerk einbaute, da das nagelneue Mitgelieferte viel zu lahm war. Dennoch waren einige Treiber nicht aufzutreiben. W10 ist sich zu fein für drei Jahre alte Laserdrucker.
DVDs brennen kann ich bis heute nicht und selbstredend passierte auch rein gar nichts, als ich die Daten-CD aus dem Krankenhaus mit meinen CT-Aufnahmen einlegte.
Klar, ich bin Laie und diese computertechnischen Dinge interessieren mich auch nicht genug, um mich stundenlang durch manuals zu wühlen.
Andererseits habe ich eine Naturwissenschaft studiert und halte mich daher auch nicht für den Prototyp eines weltfremden Künstlers.

That said, glaube ich, die SPD kann froh sein durch eine brutale Katharsis gegangen zu sein. Daß Opa Martin nicht die Zukunft sein kann, hätte Zickzack-Sigi schon im Januar 2017 klar sein müssen. Weshalb er einen noch älteren Mann ohne Regierungserfahrung zu seinem eigenen Nachfolger erkor, war mir damals schon ein Rätsel. Möglicherweise ein Anfall von JeremyCorbynitis?
Wenn ein alter Mann mit Zottelbart in England funktioniert, ein Mittsiebziger die US-Demokraten aufmischt, sollte das hier doch auch möglich sein?
Aber Herr Sanders ist ein erfahrener US-Senator, der das nationale politische Geschäft genau kennt. Auch Corbyn ist eher links, während Schulz Seeheimer ist.
Und alle drei haben die Wahlen verloren, sehen sich nun einem konservativeren Regierungschef gegenüber.

Als Schulz am Wahltag verkündete in die Opposition zu gehen und offensichtlich um seine Ämter fürchtend Nahles auf den Fraktionschefsessel setzte, damit er wenigstens SPD-Chef bliebe, graute mir schon davor wie alt er wohl im Jahr 2021 wirken würde, wenn Merkel vom heimischen Uckermärker Sofa aus ihren jüngeren und frischeren CDU-Nachfolger im TV-Duell ansähe.

Jemand wir Schulz mussten wir Sozis auch erst mal wieder loswerden und wie macht man das, ohne als königsmörderische Intriganten da zu stehen, die ihren 100%-Liebling meucheln?
Da kann man doch von Glück reden, oder je nach Ansicht auch einfach dankbar dafür sein, daß Schulz nicht nur wie bisher ungeschickt agierte, sondern sich zu einem derartigen Megatrotteltum steigerte, daß er sich selbst aus dem Spiel nehmen musste.
Besser tabula rasa am Anfang der Legislatur. Wer wird sich in im nächsten Bundestagswahlkampf noch an Schulz erinnern?
Peer Steinbrück, der in einer ähnlichen Zickzack-Sigi-Sturzgeburt als Kanzlerkandidat ins Rennen gespuckt wurde, war ein Intellektueller, ein Querdenker und ein Regierungspraktiker.
Immerhin verbesserte er das SPD-Wahlergebnis, litt aber stets darunter vom Nahleschem Willy-Brandt-Haus blockiert und ausgebremst zu werden. Er hatte nicht nur eine Gegnerin Merkel, sondern auch einen Parteichef Gabriel als Bremsklotz, der eifersüchtig auf Medienpräsenz schielte und eine Generalsekretärin, die voller Hingabe die Wahlkampagne gegen die Wand fuhr.

Immerhin, die SPD war lernfähig. Noch einen gefesselten Kanzlerkandidaten würde man nicht ins Rennen mit der in Partei und Regierung fest verankerten Merkel schicken.
So wurde der aus Brüssel nach Berlin drängende Schulz, der nach dem Verlust seines Postens als EU-Parlamentspräsident dringend eine neue Stelle suchte, eben nicht nur der nach vorn geschobene Pappkamerad, sondern auch gleichzeitig Chef des Willy-Brandt-Hauses.
All das wovon Steinbrück nur träumen konnte, hatte er. Als SPD-Parteichef, der zudem mit dem größten jemals dagewesenen Vertrauensvorschuss von 100% gewählt wurde, hätte er alle Beinfreiheiten der Welt gehabt.
Wer kann denn ahnen, daß sich so einer als derartig blöd herausstellt, daß er trotzdem inhaltlich gefesselt wurde, sich nicht traute das zu sagen, was er angeblich wollte. Er steckte in einem Wahlkampfkorsett? Man ließ ihn nicht tun, was er wollte?
Man setzte die falschen Themen? Ließ ihn nicht im NRW-Wahlkampf auftreten?
Wer „man“?
Schulz war der Chef vom Ganzen und hätte sich durchsetzen können.
Zum Glück ist der Mann Geschichte.

Ihm folgen eine Parteichef von der ich weniger als nichts erwarte; immerhin kann sie mich also nicht mehr enttäuschen, sondern höchstens positiv überraschen. Und es folgt mutmaßlich ein Vizekanzler, der als diametrales Gegenteil von Schulz mit reichlich Regierungserfahrung gesegnet ist und allerdings weiß sich in der Partei durchzusetzen.

Die CDU wurde in perfekter Merkel-Manier ruhiggestellt.
Merkel machte der Partei weiß, eine 55-Jährige konservative Provinz-Katholikin stünde für die neue Generation in der CDU, vermied einen Aufstand der Jungen, indem sie deren Liebling, einen egomanen Pharmalobbyisten zum Gesundheitsminister machte.
Darüber wurde ganz vergessen wer eigentlich Kanzlerin und Parteivorsitzende ist – nämlich die Frau, die schon seit 18 Jahren der Boss ist und die es so gut versteht sich frei von irgendwelchen inhaltlichen Fesseln selbst die Macht zu sichern.

Die FDP ist auf lange Zeit durch Christian Lindners Feigheit blamiert.
Zweifellos wird er sich im Bundestag ordentlich aufblasen und der nächsten Groko allerlei vorhalte machen. Aber das wird leicht zu kontern sein mit dem Hinweis auf sein Novemberliches Mimimi-ich-will-nicht-mitregieren.

Die AfD wird sich wie alle deutschen Rechtsparteien im Parlament ungeheuerlich blamieren.

[…..] Wenn kei­ne Ka­me­ras lau­fen, ist die AfD oft schlecht vor­be­rei­tet oder schlicht ah­nungs­los. So be­rich­ten Mit­glie­der des Rechts­aus­schus­ses ge­nüss­lich, dass die AfD sich neu­lich ge­wei­gert habe, eine EU-Richt­li­nie zum Bin­nen­markt zur Kennt­nis zu neh­men. Die­ser rein tech­ni­sche Vor­gang ist eine Art Ein­gangs­stem­pel des Aus­schus­ses, trotz­dem sträub­ten sich die AfD-Mit­glie­der da­ge­gen.
Dem In­nen­aus­schuss lag kürz­lich ein An­trag der Rech­ten un­ter der Über­schrift „Um­fas­sen­de Grenz­kon­trol­len so­fort ein­füh­ren“ vor. Doch kaum stand ihr Vor­ha­ben auf der Ta­ges­ord­nung, ver­säum­ten es die AfD-Mit­glie­der, eine De­bat­te zu be­an­tra­gen. So konn­ten sie im Aus­schuss nicht ein­mal über ihr ei­ge­nes Pa­pier spre­chen.
Auch im Ple­num bla­mie­ren sich die AfD-Leu­te re­gel­mä­ßig mit Feh­lern oder kon­fu­sen Auf­trit­ten. Als der Bun­des­tag auf ih­ren Wunsch über Frau­en­rech­te dis­ku­tie­ren woll­te, war der ers­te AfD-Red­ner un­auf­find­bar. „Ich bit­te die AfD-Frak­ti­on zu klä­ren, ob ihr Red­ner re­det oder ob wir jetzt Mut zur Lü­cke ha­ben“, sag­te Vi­ze­prä­si­den­tin Pe­tra Pau. […..]
(DER SPIEGEL, 03.03.2018)

Die AfD-Fans wird das nicht stören, weil sie von der xenophoben Hetze und den miesen Diffamierungen der braunen Parlamentarier begeistert sein werden.

In die Sackgasse manövriert hat sich auch die CSU, die den alten Ministerpräsidenten loswerden wollte, weil sie ihn für absolut nicht mehr zeitgemäß hielt. Seehofer hatte sich in Bayern als Urnengift erwiesen, wurde für ein Regierungsamt als untauglich betrachtet.
Statt ihn aber wie frühere CSU-Größen mit einem gewaltigen Tritt in den Hintern aufs Abstellgleis zu schieben (Stoiber, Beckstein, Huber, Streibl) schickt sie den bald 70-Jährigen Nichtakademiker ohne juristische Kenntnisse als Verfassungs-Superminister nach Berlin, um dort Merkel zu piesacken.
Ausgediente Geronten, die es in München nicht mehr bringen, sind noch gut genug für Berlin?
Ein Posten für Seehofer bedeutet insbesondere auch einen Posten weniger für jüngere und fähigere Leute in der CSU.
Ein weiterer Minister wird Schummel-Scheuer, der ebenfalls frei von irgendwelcher Sachkenntnis ein Ministerium leiten wird.

Neue Generation oder – Gott bewahre – gar eine Frau, schickt die CSU nicht an Merkels Kabinettstisch.
Zukunft geht anders.

[….] Der neue Superinnenminister Horst Seehofer hätte ein Stück bundesdeutsche Frauengeschichte mitschreiben können. Stattdessen zeigt der CSU-Politiker sich als einer, der die Zukunft nicht verstanden hat.
Es hätte nur eine Frau der CSU gebraucht, und dem vierten Kabinett der ersten Kanzlerin der Bundesrepublik würden ebenso viele Frauen wie Männer angehören. Doch ein gleichberechtigtes Kabinett scheitert an dem Patriarchen der CSU: Horst Seehofer. Er will offenbar nicht erkennen, dass die Zukunft, auch die seiner Partei, weiblicher wird. So verpasst er es, eine potentielle künftige Spitzenkandidatin aufzubauen [….] Der Nochministerpräsident verkennt die Chance, die eine bayerische Bundesministerin der CSU gebracht hätte: Merkel, ihre neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zeigen, dass konservative Politik ohne Frauen in der CDU nicht mehr denkbar ist. Sie knüpfen Netzwerke, sie entscheiden mit, wie die Bundesrepublik der Zukunft aussieht. [….] Seehofer und seine Männer setzen Frauen nicht an zentrale Schaltstellen der Macht. Für die CSU ist das ein Fehler, der sich später rächen könnte. Dem notorischen "Boys Club" in Berlin steht eine immer größer und mächtiger werdende Riege an Frauen in der Politik gegenüber. [….]

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